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Schlagwortarchiv für: BGHZ

Dr. Gerrit Forst

BGH: Rechtsprechungsübersicht in Zivilsachen

Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Startseite, Zivilrecht

Es ist wieder Zeit für unseren traditionellen Überblick über die Rechtsprechung des BGH in Zivilsachen. Das Prozessrecht ist wieder nur für die Referendare interessant. Weitere aktuelle Entscheidungen der Zivilgerichte findet ihr auch in diesem Beitrag.
I. Materielles Recht
Urt. v. 26.2.2013 – VI ZR 116/12 (zu § 823 BGB, § 7 StVO –  TOP-TIPP):

Verlässt ein Unfallbeteiligter wegen eines Auffahrunfalls bei eisglatter Fahrbahn sein Fahrzeug, um sich über die Unfallfolgen zu informieren, eröffnet er dadurch nicht selbst einen eigenständigen Gefahrenkreis. Stürzt er infolge der Eisglätte, verwirklicht sich nicht eine aufgrund der Straßenverhältnisse gegebene allgemeine Unfallgefahr, sondern die besondere durch den Unfall entstandene Gefahrenlage.

Urt. v. 7.3.2013 – VII ZR 162/12 (zu §§ 305, 307 BGB):

Eine Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Lieferanten einer von ihm einzubauenden Küche
„Der Kaufpreis ist spätestens bei Anlieferung der Kaufgegenstände ohne Abzug zu bezahlen.“
ist unwirksam.

Urt. v. 7.3.2013 – III ZR 231/12 (zu § 818 Abs. 1 BGB, Auszug):

Auch wenn Nutzungen primärer Bereicherungsgegenstand und nicht nach § 818 Abs. 1 BGB herauszugeben sind, ist der Kondiktionsschuldner lediglich zum Ersatz der tatsächlich gezogenen Nutzungen verpflichtet.

Urt. v. 21.2.2013 – III ZR 266/12 (zu § 307 BGB):

In einem (Formular-)Kleingartenpachtvertrag kann wirksam vereinbart werden, dass der abgebende Pächter für den Fall, dass kein Nachpächter vorhanden ist, den Kleingarten bis zur Neuverpachtung unter Fortzahlung der vereinbarten Entgelte und Gebühren zu bewirtschaften oder die Baulichkeiten einschließlich Fundamente, befestigte Wege und Anpflanzungen zu entfernen und den Kleingarten im umgegrabenen Zustand zu übergeben hat.

Urt. v. 8.2.2013 – V ZR 56/12 (zu §§ 242, 903 BGB):

Der Grundstückseigentümer ist nach den Grundsätzen über das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis auch zu einem positiven Tun – hier: Mitbeheizen der benachbarten Doppelhaushälfte – nur verpflichtet, wenn dies für einen billigen Interessenausgleich zwingend geboten ist.

Urt. v. 5.2.2013 – VI ZR 290/11 (zu 249 BGB, Auszug):

Zwar kann sich daraus, dass ein angemietetes Ersatzfahrzeug nur für geringe Fahrleistungen benötigt wird, die Unwirtschaftlichkeit der Anmietung ergeben. Doch kann im Einzelfall die Erforderlichkeit der Anmietung deshalb zu bejahen sein, weil der Geschädigte auf die ständige Verfügbarkeit eines Kraftfahrzeugs angewiesen ist.

Urt. v. 5.2.2013 – VI ZR 274/12 (zu § 116 Abs. 6 S. 1 SGB X):

§ 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X ist analog auch auf Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft anwendbar.

II. Prozessrecht (betrifft nur Referendare):
Beschl. v. 21.2.2013 – VII ZB 9/11 (zu § 776 ZPO):

Im Rechtsmittelverfahren kann ein durch richterlichen Beschluss aufgehobener Pfändungsbeschluss nicht wiederhergestellt werden. Ein nur mit diesem Ziel eingelegtes Rechtsmittel ist unzulässig.

Beschl. v. 26.2.2013 – VI ZR 374/12 (§ 237 ZPO):

Über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist hat grundsätzlich das Berufungsgericht zu entscheiden. Das gilt auch dann, wenn die Berufung schon als unbegründet zurückgewiesen und der Antrag nach Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde gestellt worden ist.

Beschl. v. 7.2.2013 – VII ZB 2/12 (zu § 288 Abs. 2 BGB):

Der in einem Urteil enthaltene Zinsausspruch „8% Zinsen über dem Basiszinssatz“ ist vom Gerichtsvollzieher regelmäßig dahingehend auszulegen, dass Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz tituliert sind.

 

01.04.2013/0 Kommentare/von Dr. Gerrit Forst
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Gerrit Forst https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Gerrit Forst2013-04-01 11:34:502013-04-01 11:34:50BGH: Rechtsprechungsübersicht in Zivilsachen
Samuel Ju

Zivilrecht-Klassiker: Herrenreiterfall (BGHZ 26,349)

BGH-Klassiker, Deliktsrecht, Schon gelesen?, Verfassungsrecht, Zivilrecht

Der „Herrenreiter“-Fall ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 14. Februar 1958 (BGHZ 26,349).
Sachverhalt
Der Kläger ist Mitinhaber einer Brauerei in K. Er betätigt sich als Herrenreiter (heute: Dressurreiter) auf Turnieren. Die Beklagte ist Herstellerin eines pharmazeutischen Präparats, das nach der Vorstellung weiter Bevölkerungskreise auch der Hebung der sexuellen Potenz dient. Sie hat zur Werbung für dieses Mittel in der Bundesrepublik, u.a. auch in K., ein Plakat mit der Abbildung eines Turnierreiters verbreitet. Dem Plakat lag ein Originalphoto des Klägers zugrunde, das von dem Presseverlag S. auf einem Reitturnier aufgenommen worden war. Eine Einwilligung zur Verwendung seines Bildes hatte der Kläger nicht erteilt.
Der Kläger nimmt die Beklagte für den Schaden in Anspruch, der ihm durch die Verbreitung des Werbeplakats entstanden ist. Er macht geltend, dass ihm bei der gegebenen Sachlage nur der Weg bleibe, Ersatz dessen zu fordern, was er erlangt haben würde, wenn er der Beklagten die Benutzung seines Bildes gestattet hätte. Da seine geschäftliche und gesellschaftliche Stellung es ihm nicht gestatteten und seine Vermögensverhältnisse ihn auch in keiner Weise dazu nötigten, sein Bild für Werbezwecke, insbesondere für das Präparat der Beklagten, zur Verfügung zu stellen, würde er dies, wenn überhaupt, nur für ein angemessenes Entgelt getan haben. Dieses sei schätzungsweise auf mindestens 15 000 DM zu bemessen.
Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, einen angemessenen, vom Gericht festzusetzenden Betrag als Schadensersatz zu zahlen.
Leitsatz
Nachdem durch Art. 1, 2 GG das Recht zur freien Selbstbestimmung der Persönlichkeit als ein Grundwert der Rechtsordnung anerkannt ist, ist es gerechtfertigt, in analoger Anwendung des § 847 BGB (jetzt § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG) auch dem durch die unbefugte Veröffentlichung seines Bildes Verletzten wegen eines hierdurch hervorgerufenen, nicht vermögensrechtlichen Schadens eine billige Entschädigung in Geld zu gewähren.
Bedeutung
Bei diesem BGH Klassiker handelt es sich um eine der wichtigsten höchstrichterlichen Entscheidungen zum Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (APR) im Zivilrecht. Im Rahmen des Deliktsrechts ist das APR neben dem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eines der zwei anerkannten Rahmenrechte. Im Herrenreiterfall ließ der BGH erstmalig die Zahlung von Schmerzensgeld für die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch die unerlaubte Veröffentlichung von Bildern zu.
Das OLG Köln als Berufungsgericht hatte dem Kläger einen Schadensersatz in Höhe von 10.000 DM auf Grund der Fiktion eines abgeschlossenen Lizenzvertrages zugebilligt.
Hierzu sagte der BGH jedoch:

Diese Art der Schadensberechnung kommt nur in Betracht, wenn davon ausgegangen werden kann, daß ein Vermögensschaden irgendwelcher Art zugefügt worden ist und nur der oftmals schwierige Nachweis der Höhe dieses Schadens erleichtert werden soll. Sie versagt, wenn eine Beeinträchtigung vermögensrechtlicher Belange überhaupt nicht in Frage steht. Sie versagt im vorliegenden Falle auch um deswillen, weil sie dem Kläger ein Verhalten unterstellen müsste, das er — und nicht nur er, sondern auch alle andern in der gleichen beruflichen und gesellschaftlichen Stellung befindlichen Personen — als kränkend und als erneute Persönlichkeitsminderung empfinden müssten. Sie müsste unterstellen, dass der Kläger sich für viel Geld doch freiwillig in die unwürdige Lage gebracht hätte, gegen die er sich nun wehrt. Dem Klaganspruch kann deshalb nicht auf Grund der vom Berufungsgericht gewählten Berechnungsmethode mit Hilfe der Fiktion einer entgangenen Lizenzgebühr stattgegeben werden.
In Wahrheit verlangt er nicht Ersatz eines gar nicht vorhandenen Vermögensschadens, sondern begehrt eine fühlbare Genugtuung für einen widerrechtlichen Eingriff in seine durch § 22 KunstUrhG, Art. 1 und 2 Grundgesetz geschützte Persönlichkeitssphäre.
Er begehrt Genugtuung dafür, dass ihn das weitverbreitete Plakat, indem es ihn ohne sein Wissen in der Pose des Herrenreiters für das — auch sexuelle — Kräftigungsmittel der Beklagten werben, man könnte fast sagen: reiten ließ, in eine weithin demütigende und lächerliche Lage gebracht hat.

Es ging hier also nicht um einen Vermögensschaden, sondern um einen immateriellen Schaden, welcher grundsätzlich gem. §§ 249, 250 BGB im Wege der Naturalrestitution zu ersetzen ist. Eine Naturalrestitution war jedoch hier unmöglich. Der BGH bejahte in diesem Fall dennoch den immateriellen Schaden, indem er die Verletzung des Rechtes am eigenem Bild der Verletzung des in § 847 BGB a.F. (heute: 253 Abs. 2 BGB) geschützten Rechtsgutes der Freiheit gleichstellte.

Die unbefugte Veröffentlichung des Bildes eines Menschen stellt, wie in der Rechtslehre seit langem anerkannt ist, einen Eingriff in die Freiheit der Selbstbestimmung und der freien Betätigung der Persönlichkeit. Das Unzulässige der eigenmächtigen Bildnisveröffentlichung durch einen Dritten liegt darin, dass damit dem Abgebildeten die Freiheit entzogen wird, auf Grund eigener Entschließung über dieses Gut seiner Individualsphäre zu verfügen.
Würdigt man unter diesem Blickpunkt die die Persönlichkeit beeinträchtigende Verletzung des Rechts am eigenen Bild, so lässt sich in diesem Bereich für die Frage, wie die Zubilligung des Ersatzes auch immaterieller Schäden im einzelnen begründet werden könne, schon an die Regelung anknüpfen, die § 847 BGB für den Fall der “Freiheitsentziehung” trifft und kraft deren er dem Verletzten auch wegen eines nicht vermögensrechtlichen Schadens eine billige Entschädigung in Geld gewährt. Zwar versteht das Bürgerliche Gesetzbuch hierunter Freiheitsentziehung die Entziehung der körperlichen Bewegungsfreiheit sowie die Nötigung zu einer Handlung durch Gewalt oder Bedrohung (BGB-RGRK § 823 Anm. 7), während es sich bei dem Tatbestand des § 22 KunstUrhG um eine Freiheitsberaubung im Bereich eigenverantwortlicher Willensentschließung handelt.
Bereits vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes ist jedoch schon mehrfach die Ansicht vertreten worden, dass als Freiheitsverletzung im Sinne des § 847 BGB jeder Eingriff in die ungestörte Willensbetätigung anzusehen sei (vgl. u.a. Staudinger, Anm. II A 2 c zu § 823 BGB). Nachdem nunmehr das Grundgesetz einen umfassenden Schutz der Persönlichkeit garantiert und die Würde des Menschen sowie das Recht zur freien Entfaltung der Persönlichkeit als einen Grundwert der Rechtsordnung anerkannt und damit die Auffassung des ursprünglichen Gesetzgebers des Bürgerlichen Gesetzbuches, es gäbe kein bürgerlich-rechtlich zu schätzendes allgemeines Persönlichkeitsrecht, berichtigt hat und da ein Schutz der “inneren Freiheit” ohne das Recht auf Ersatz auch immaterieller Schäden weitgehend unwirksam wäre, würde es eine nicht erträgliche Missachtung dieses Rechts darstellen, wollte man demjenigen, der in der Freiheit der Selbstentschließung über seinen persönlichen Lebensbereich verletzt ist, einen Anspruch auf Ersatz des hierdurch hervorgerufenen immateriellen Schadens versagen. Begründet die schuldhafte Entziehung der körperlichen Freiheit einen Anspruch auf Ersatz des ideellen Schadens, so ist kein sachlicher Grund ersichtlich, der es hindern könnte, die in § 847 BGB getroffene Regelung im Wege der Analogie auch auf solche Eingriffe zu erstrecken, die das Recht der freien Willensbetätigung verletzen, zumal auch bei dieser Freiheitsberaubung “im Geistigen” in gleicher Weise wie bei der körperlichen Freiheitsberaubung in der Regel eine Naturalherstellung ausgeschlossen ist. Bei Beeinträchtigungen der vorliegenden Art, durch die in den natürlichen Herrschafts- und Freiheitsraum des Einzelnen unter schuldhafter Verletzung seines Persönlichkeitsrechtes eingegriffen wird, kann der nach dem Grundgesetz gebotene wirksame Rechtsschutz, solange es an einer gesetzlichen Sonderregelung fehlt, tatsächlich nur durch ihre Einbeziehung in die in § 847 BGB angeführten Verletzungstatbestände erzielt werden, weil ihre Schadensfolgen auf Grund der Natur des angegriffenen Rechtsgutes zwangsläufig in erster Linie auf immateriellem Gebiet liegen.

Seit der Soraya-Entscheidung (BVerfGE 34, 269) stützt der BGH bei schweren Beeinträchtigungen des APR, die nicht mehr anderweitig ausgeglichen werden können, den Schmerzensgeldanspruch nicht mehr auf die analoge Anwendung des § 253 Abs. 2 BGB, sondern leitet ihn unmittelbar aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG her.

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht und seine besonderen Erscheinungsformen dienen in erster Linie dem Schutz ideeller Interessen, insbesondere dem Schutz des Wert- und Achtungsanspruchs der Persönlichkeit. Dieser Schutz wird dadurch verwirklicht, dass bei einer Verletzung dieser Rechte neben Abwehransprüchen auch Schadensersatzansprüche in Betracht kommen, die nicht nur auf den Ersatz materieller, sondern – wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend ausgeglichen werden kann – auch auf den Ausgleich immaterieller Schäden gerichtet sind. Dieser Ausgleich beruht allerdings nicht auf einem Schmerzensgeldanspruch nach § 847 BGB, sondern auf einem Rechtsbehelf, der unmittelbar auf den Schutzauftrag aus Art. 1 und 2 Abs. 1 GG zurückgeht (vgl. BVerfGE 34, 269, 282 u. 292 = GRUR 1974, 44, 46, 48 u. 50 – Soraya). Die Zubilligung einer Geldentschädigung in derartigen Fällen beruht auf dem Gedanken, daß ohne einen solchen Anspruch Verletzungen der Würde und Ehre des Menschen häufig ohne Sanktion blieben mit der Folge, daß der Rechtsschutz der Persönlichkeit verkümmern würde. (Bundesgerichtshof, Az: I ZR 149/97, 01.12.1999)

28.10.2010/0 Kommentare/von Samuel Ju
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Samuel Ju https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Samuel Ju2010-10-28 08:10:362010-10-28 08:10:36Zivilrecht-Klassiker: Herrenreiterfall (BGHZ 26,349)
Samuel Ju

Zivilrecht-Klassiker: Jungbullenfall (BGHZ 55, 176, Urt. v. 11.1.1971 – VIII ZR 261/69)

Bereicherungsrecht, BGH-Klassiker, Sachenrecht, Schon gelesen?, Zivilrecht

Wir freuen uns über einen weiteren Gastbeitrag von Max Randerath. Max studiert an der Goethe Universität Frankfurt am Main und hat sich die Mühe gemacht, den Zivilrecht-Klassiker „Jungbullenfall“ als Lösung aufzubereiten:
Der Jungbullenfall (VIII ZR 261/69) wurde vom BGH am 11.1.1971 entschieden. Er ist ein absoluter Klassiker und verbindet Problematiken des Sachenrechts mit dem Bereicherungsrecht.
Viele Studenten kennen zwar den „groben Fall“ und „freuen sich“, dem Geschädigten Eigentümer Ansprüche aus §§ 951 und 816 BGB zuzusprechen. Dass diese Ansprüche sorgfältig geprüft werden müssen und andere nicht vergessen werden dürfen, wie insbesondere Ansprüche aus Delikt und angemaßter Eigengeschäftsführung ist nicht zu unterschätzen. Auch dass dort insbesondere auf die Anwendbarkeit des Bereicherungsrecht und Deliktsrecht neben EBV und die Höhe des Wertersatzes eine zentrale Rolle spielen, ist nicht nur in diesem Fall wichtig, sondern im Allgemeinen zum Examensverständnis notwendig. Gelaufen ist der Fall – mit leichter Abwandlung (Ferkel statt Bullen) – gerade erst im September 2010 in NRW im 1. Staatsexamen und auch in der mündlichen Prüfung. Deswegen schadet es nicht den Fall in seiner gesamten Lösung einmal durchdacht zu haben.
Sachverhalt
Dieb D entwendet von Viehzüchter V einen Jungbullen (Wert 2.000 €). D verkauft das Tier an Metzgermeister M für 2.500 €, ohne dass M vom Diebstahl etwas weiß. Die 2.500 € verspielt der D im Casino. Er verarbeitet das Tier zu Fleisch im Wert von 3.300 €. V bekommt Wind von der Sache und will D und M in Anspruch nehmen. M lehnt Ansprüche unter anderem mit dem Argument ab, er habe ja schließlich schon 2.500 € bezahlt.
Aufgabe: Ansprüche des V gegen D und M
Lösung
Teil 1 : Ansprüche des Viehzüchters (V) gegen Metzgermeister (M)
A. Schadensersatz aus angemaßter Eigengeschäftsführung §§ 687 II 1, 678 (-)
Zwar ist die Schlachtung und Verarbeitung des Bullen für M ein objektiv fremdes Geschäft, eine angemaßte Eigengeschäftsführung scheidet jedoch aus, weil M keine positive Kenntnis von der Fremdheit hatte.
B. Schadensersatz aus EBV §§ 989, 990 BGB (-)
Im Zeitpunkt der Verletzungshandlung (Schlachtung und Verarbeitung) müsste eine Vindikationslage bestanden haben.
a) V ist im Zeitpunkt der Schlachtung noch Eigentümer gewesen, da der M nicht von D gutgläubig nach §§ 929 S.1, 932 BGB erwerben konnte, weil die Sache dem V abhanden gekommen ist § 935 BGB.
b) M war Besitzer
c) Dem M stand auch kein Recht zum Besitz zu.
d) Jedoch liegt keine Rechtshängigkeit nach §§ 989 BGB, 253, 261 ZPO vor und M war beim Besitzerwerb nicht bösgläubig, sodass ein Anspruch aus §§ 989,990 BGB ausscheidet.
C. Schadensersatzanspruch aus Delikt § 823 I BGB (-)
Fraglich ist, ob § 823 I BGB hier überhaupt anwendbar ist. Zweck der §§ 987 ff. BGB ist die Privilegierung des gutgläubigen unrechtmäßigen Besitzers. Die §§ 987ff. BGB sollen deswegen nach § 993 I 2.HS BGB grundsätzlich abschließend Schadensersatz- und Nutzungsersatzansprüche regeln. Die Anwendung des Deliktrechts ist deswegen grundsätzlich ausgeschlossen. Wäre dies nicht der Fall, würde sich der gutgläubige Besitzer bereits bei fahrlässiger Eigentumsverletzung nach § 823 I BGB strafbar machen können, was mit dem Zweck den gutgläubigen Besitzer zu schützen unvereinbar wäre.
D. Wertersatzanspruch aus §§ 951 I 1 i.V.m 812 I 1 Alt.2 BGB in Höhe von 2.000 € (+)
I. Anwendbarkeit
Eine Anwendbarkeit könnte auch hier wegen § 993 I 2.HS BGB ausgeschlossen sein. § 951 BGB jedoch ist kein Schadensersatz-, sondern Wertersatzanspruch. Bei dem Verbrauch der Sachsubstanz durch Schlachtung handelt es sich auch nicht um eine Nutzung im Sinne des § 100 BGB.
II. Voraussetzungen des § 951 I 1 BGB
Damit die Voraussetzungen des § 951 I 1 BGB erfüllt sind, muss es zu einem Rechtsverlust nach §§ 946-950 BGB gekommen sein. In Betracht kommt hier nach § 950 BGB die Verarbeitung.
a) Herstellung einer neuen beweglichen Sache: Bulle zu Fleisch
b) M als Hersteller: Nach Verkehrsauffassung ist dies der Unternehmer, auch wenn Verarbeitung durch Angestellte vorgenommen wurde
c) Wert der Verarbeitung darf nicht erheblich geringer sein als Wert des Stoffes
Hier: Wert der Verarbeitung = Wert neuer Sache 3.300 € – Wert Stoffe 2000 €, also 1.300 €, also 65% des Stoffwertes
Die Rechtsprechung zieht eine Grenze bei 60% des Stoffwertes, sodass hier die Voraussetzungen vorliegen
III. Voraussetzungen des § 812 I 1 Alt.2 BGB
Nach der herrschenden Meinung handelt es sich bei § 951 I 1 BGB um eine Rechtsgrundverweisung, sodass alle Voraussetzungen des § 812 I 1 Alt.2 BGB erfüllt sein müssen.
1. M müsste etwas erlangt haben: Eigentum und Besitz an Wurst
2. In sonstiger Weise erlangt
M müsste Eigentum und Besitz in sonstiger Weise, also nicht durch Leistung erlangt haben. Möglicherweise greift hier aber der Vorrang der Leistungskondiktion. Wer durch die Leistung eines anderen etwas erlangt, ist gegenüber Dritten nicht bereicherungsrechtlich verpflichtet. Es soll im jeweiligen Leistungsverhältnis rückabgewickelt werden, denn jeder soll nur mit dem zu tun haben, den er sich als Partner schuldrechtlich aussucht.
M hat hier zwar den Besitz durch Leistung des D erlangt. Das Eigentum jedoch konnte er wegen § 935 BGB nicht von D, sondern erst selber durch Verarbeitung § 950 BGB erlangen.
Bereicherungsgegenstand der Eingriffskondiktion (Eigentum) und der Leistung (Besitz) sind also verschieden. Der Vorrang der Leistungskondiktion gilt aber nur, wenn derselbe Bereicherungsgegenstand auch geleistet wurde. Die Eingriffskondiktion ist also möglich.
M hat demnach in sonstiger Weise erlangt.
3. Auf Kosten des V: Eingriff in Zuweisungsgehalt des V (Eigentum)
4. Ohne Rechtsgrund: Der Kaufvertrag mit D wirkt nur inter partes (Relativität der Schuldverhältnisse)
IV. Rechtsfolge § 818
Nach § 818 II BGB ist der objektive Wert zu ersetzen (2.000 Euro).
Fraglich ist, ob sich M nach § 818 III BGB auf Entreicherung wegen Kaufpreiszahlung an D berufen kann. Dies wird jedoch verneint, da § 951 I 1 BGB Rechtsfortwirkungsanspruch von § 985 BGB ist. Nach diesem könnte die abhanden gekommene Sache herausverlangt werden, der Kaufpreis würde jedoch unberücksichtigt bleiben. Das Gleiche muss bei § 951 I 1 BGB gelten.
Dass der Kaufpreis von M bezahlt wurde, bleibt hier zwar unbeachtlich. M kann jedoch von D den Kaufpreis nach §§ 346 I, 326 I, 326 IV, 437 Nr.2 BGB aufgrund rechtlicher Unmöglichkeit durch mangelnde Eigentumsverschaffung zurückverlangen. Er hat also nicht „umsonst“ bezahlt.
Teil 2 : Ansprüche des V gegen D
Prüfungsreihenfolge: Geprüft werden hier zunächst die Ansprüche auf Veräußerungserlös vor den Schadensersatzansprüchen. Grund dafür ist, dass der Veräußerungserlös in der Höhe 2.500 € beträgt, da D den Bullen „über dem objektiven Wert“ verkauft. Die Schadensersatzansprüche erfassen lediglich den objektiven Wert (s.u) von 2.000 €. Eine andere Reihenfolge ist aber auch möglich.
A. Anspruch auf Herausgabe des Veräußerungserlös wegen angemaßter Eigengeschäftsführung §§ 687 II 1, 681 S.2, 667 BGB in Höhe von 2.500 € (+)
1. Anwendbarkeit: Es geht hier um Veräußerungserlös und nicht um Schadens- oder Nutzungsersatz, sodass eine Anwendungssperre wegen § 993 I HS.2 nicht vorliegt.
2. Objektiv fremdes Geschäft des D : Veräußerung an M
3. Kenntnis von Fremdheit : D wusste, dass er zu der Veräußerung nicht berechtigt war
4. RF : Herausgabe des Veräußerungserlös §§ 681 S.2, 667: 2.500 €
B. Anspruch auf Herausgabe des Veräußerungserlös § 816 (+) 2.500
1. Anwendbarkeit : Auch hier greift die Anwendungssperre des § 993 I Hs.2 BGB nicht, da § 816 BGB nicht auf Schadens- oder Nutzungsersatz, sondern auf Veräußerungserlös gerichtet ist
2. Verfügung des D als Nichtberechtigter
3. Verfügung muss wirksam gegenüber Berechtigten V sein
Die Verfügung des D müsste gegenüber dem V wirksam gewesen sein. Wegen § 935 BGB kam es hier jedoch zu keiner wirksame Übereignung.
Möglicherweise liegt hier aber eine Genehmigung des V nach § 185 II 1 Alt.1, 184 BGB vor. Im Herausgabeverlangen kann eine solche gesehen werden.
Dies könnte aber zum Verlust anderer Ansprüche des V gegen M führen, sodass er auf die Solvenz des D angewiesen ist.
Durch die Genehmigung würde D zum Berechtigten und M würde vom Berechtigten D Eigentum erlangt und nicht erst durch Verarbeitung. Ein Anspruch aus § 951 BGB würde entfallen.
Außerdem könnte eine Genehmigung gar nicht möglich sein, da V bereits Eigentum durch die Verarbeitung des M verloren hat.
Nach herrschender Meinung überlebt die Genehmigungsmöglichkeit jedoch das Eigentum, da es Sinn und Zweck des § 816 I BGB ist, das auch der früher Berechtigte Erlös verlangen kann.
Dadurch würde jedoch die Verfügung D an M wirksam werden und der Anspruch aus § 951 BGB würde wegfallen, da M bereits zuvor Eigentum erlangt hat.
Deswegen sollte V nur Zug-um Zug gegen Bezahlung genehmigen, da er sonst das Risiko trägt, dass D nicht solvent ist. Zahlt er nicht, kann er immer noch vom solventen M Ersatz nach § 951 I BGB verlangen.
4. Umfang der Bereicherung § 818
Fraglich ist, was unter dem „Erlangten“ zu verstehen ist. Entweder versteht man darunter die 2.500 €, also den Kaufpreis oder man versteht darunter das Freiwerden von der Leistungsverpflichtung, also den objektiven Wert der Sache, also 2.000 €. Dafür wird argumentiert, dass der Mehrerlös nicht auf Eingriff in das Eigentumsrecht des V, sondern auf Geschäftstüchtigkeit des D beruht.
Überzeugender ist jedoch die andere Ansicht, die auf den Kaufpreis abstellt. Grund dafür ist, dass das Gesetz selbst auf den Vertrag und damit auf den Kaufpreis abstellt. Außerdem führt erst der Eingriff in das Eigentum des V zu der Gewinnerzielungsmöglichkeit des D. Das Gesetz sollte keine falschen Anreize setzten, indem es hier den deliktischen Besitzer belohnen würde, indem D die erwirtschafteten 500 € behalten darf.
5. Keine Entreicherung § 818 III
Auf Entreicherung kann sich der D als bösgläubiger Besitzer schon wegen der verschärften Haftung nach §§ 819 I, 818 IV BGB nicht berufen.
C. Schadensersatz aus angemaßter Eigengeschäftsführung §§ 687 II 1, 678 BGB in Höhe von 2.000 €
1. Angemaßte Eigengeschäftsführung des D § 687 II 1 BGB
a) Objektive Fremdes Geschäft des D : Veräußerung des Bullen
b) D wusste von Fremdheit da fehlende Berechtigung
2. Voraussetzungen § 687 BGB
a) Übernahme der Geschäftsführung widerspricht den Willen des Geschäftsherrn
b) Übernahmeverschulden des D: D müsste den entgegenstehenden Willen des V erkannt haben oder erkennen müssen §§ 122 II, 276 I,II BGB. Maßstab ist dabei das objektives Interesse. D wusste das V nicht mit der Veräußerung einverstanden war.
c) Schaden des V: 2.000 €
3. Rechtsfolge : § 249 I BGB Naturalrestitution
Unter der Naturalrestitution versteht man die Beschaffung gleichartiger oder gleichwertiger Sachen. Eine Ersetzungsbefugnis nach § 249 II (Geldersatz)BGB besteht nicht, da diese nur bei Beschädigung einer Sache, nicht bei völliger Zerstörung einschlägig ist.
Schadensersatz in Geld kann aber nach § 250 BGB verlangt werden. Der Umfang richtet sich nach dem Widererschaffungswert (2000 €)
D. Schadensersatz aus EBV §§ 989,990 (+) in Höhe von 2.000 € (+)
1. Vindikationslage zur Zeit der Verletzung = Veräußerung D an M
a) Eigentümer V + Besitzer D
b) D hatte kein Recht zum Besitz
2. Voraussetzungen §§ 989, 990
a) Bösgläubigkeit bezüglich Besitzrecht des D
b) Verschulden §§ 989, 276 I : vorsätzliche Weggabe an M
c) Schaden : 2.000 €
E. Schadensersatz des früheren Besitzers §§ 1007 I, III 2, 989, 990 BGB
Voraussetzungen § 1007 I BGB
a) Vor der Veräußerung des Bullen D an M war V rechtmäßiger Besitzer
b) D ist gegenwärtiger Besitzer und bei Besitzerwerb war er bösgläubig
c) Schuldner : Nur gegenwärtige Besitzer > Nicht mehr D
d) Aber : Ersatzpflicht gegen alten Besitzer §§ 1007 III 2, 987ff. > Jedoch erfasst dieser nicht das Eigentümerinteresse, sondern nur das Besitzerinteresse wie etwa das Nutzungsinteresse: Keine Angaben im Sachverhalt
F. Schadensersatzanspruch aus Delikt §§ 992, 823 I + §§ 992, 823 II i.V.m § 242 StGB + §§ 992, 823 II i.V.m § 858 + 826 BGB in Höhe von 2.000 €
§ 992 BGB erklärt ausdrücklich das Deliktrecht für anwendbar, sofern der Besitzer ein deliktischer Besitzer ist. Das ist der Fall, wenn D den Besitz durch verbotene Eigenmacht oder eine Straftat erlangt hat. Die Voraussetzungen des § 858 I BGB und des § 242 StGB (Diebstahl) sind erfüllt. Außerdem ist § 858 I BGB Schutzgesetz im Sinne des § 823 II BGB. Die Voraussetzungen der Delikttatbestände sind alle gegeben.

23.10.2010/22 Kommentare/von Samuel Ju
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Samuel Ju https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Samuel Ju2010-10-23 13:14:572010-10-23 13:14:57Zivilrecht-Klassiker: Jungbullenfall (BGHZ 55, 176, Urt. v. 11.1.1971 – VIII ZR 261/69)
Samuel Ju

Zivilrecht-Klassiker: Fräsmaschinenfall (BGHZ 50, 45)

BGH-Klassiker, Sachenrecht, Schon gelesen?, Zivilrecht

Nach langer Zeit mal wieder ein Rechtsprechungsklassiker. Der Fräsmaschinenfall ist ein Klassiker des Zivilrechts aus dem Jahre 1968. Jeder Jurastudent, der die Sachenrechtvorlesung schon hinter sich gebracht hat, hat von ihm schon einmal gehört. Ging es in dem Fall nicht um den Nebensitz? Ja, unter anderem. Doch der Fräsmaschinenfall behandelt neben der Frage, ob es die Konstruktion des Nebenbesitzes gibt, noch einige andere examensrelevante sachenrechtliche Probleme:
– Was versteht man eigentlich unter Übereignung i.S.d. § 929 S. 1 BGB und was i.S.d. § 933 BGB?
– Verschiedene Formen des gutgläubigen Erwerbs: § 929 S. 1 BGB mit Eigentumsvorbehalt § 158 Abs. 1 BGB / §§ 929 S. 1, 930, (933) BGB / §§ 929 S. 1, 931, (934) BGB
– Verschiedene Formen des Besitzes: Eigenbesitz VS Fremdbesitz, unmittelbarer VS mittelbarer Besitz
Im Folgenden soll eine Lösung des Fräsmaschinenfalls mit Schwerpunkt auf die examensrelevanten Probleme herausgearbeitet werden. Es empfiehlt sich, zur besseren Nachvollziehung der Lösung beim Lesen des Sachverhalts eine Skizze anzufertigen, da hier vier Personen / Parteien im Spiel sind.
Sachverhalt
V verkauft K eine Fräsmaschine unter Eigentumsvorbehalt und übergibt diese K. Dieser zahlt den Kaufpreis nicht. Stattdessen übereignet er die Fräsmaschine zur Sicherung einer Darlehensforderung an die C-Bank, ohne die Berechtigung des V offen zu legen. K bleibt der Abrede gemäß die ganze Zeit im Besitz der Sache. Die C-Bank übereignet die Fräsmaschine unter Abtretung des Herausgabeanspruchs an D. Wie ist die Eigentumslage?
Lösung
1. Ursprünglich war die Fräsmaschine im Eigentum des V.
2. Übereignung V an K, §§ 929 S. 1, 158 Abs. 1 BGB (-)
Übereignung scheitert bereits an der ersten Voraussetzung der dinglichen Einigung.
Die dingliche Einigung stand unter der aufschiebenden Bedingung vollständiger Kaufpreiszahlung durch K an V. Hier ist die Bedingung i.S.d. § 158 Abs. 1 BGB nicht eingetreten.
3. Übereignung K an die C-Bank, §§ 929 S. 1, 930, 933 BGB, i. Erg. (-)
a. Dingliche Einigung (+)
b. Übergabe (-), da kein vollständiger Besitzverlust bei K
c. Übergabesurrogat des § 930 BGB anstelle der Übergabe?
– Sicherungsabrede als „sonstiges Verhältnis“ i.S.d. § 930 BGB
– Sicherungsabrede = Besitzmittlungsverhältnis (BMV)
d. Berechtigung des K (-)
e. Aber gutgläubiger Erwerb der C-Bank gem. §§ 929 S.1, 930, 933 BGB?
– C-Bank war gutgläubig. Laut SV hatte K die Berechtigung des V nicht offen gelegt.
– Jedoch Übergabe (-)
Die Übergabe i.S.d. § 933 BGB entspricht der Übergabe im § 929 BGB, so dass hier zwar ein mittelbarer Besitzerwerb der C-Bank genügt, jedoch auch ein vollständiger Besitzverlust des K erforderlich ist. Da K jedoch weiterhin unmittelbarer Besitz der Fräsmaschine blieb, hat er seinen Besitz nicht vollständig aufgegeben.
4. Übereignung C-Bank an D, §§ 929 S. 1, 931, 934 Alt. 1 BGB, i. Erg. (+)
a. (P) Berechtigung der C-Bank (-)
Ein Eigentumserwerb gem. §§ 929 S. 1, 931 BGB von der C-Bank als Berechtigtem scheidet aus, da die C-Bank nicht Eigentümer der Fräsmaschine war.
b. Jedoch gutgläubiger Erwerb des D gem. §§ 929 S. 1, 931, 934 Alt. 1 BGB
– Gutgläubigkeit des D (+)
– Voraussetzung des § 934 Alt. 1 BGB: „mittelbarer Besitzer“
(P 1) Ist die C-Bank überhaupt mittelbarer Besitzer?
– BMV zwischen K und C-Bank (+) s.o., aber Übereignung (-) s.o.
=> Ist daher BMV nutzlos?
=> Schlägt die Unwirksamkeit der Übereignung über § 139 BGB auch auf den schuldrechtlichen Sicherungsvertrag durch?
i. Erg. (-). Argumente: Abstraktionsprinzip, zudem hat die C-Bank immerhin ein Anwartschaftsrecht erworben.
Ein Anwartschaftsrecht besteht, wenn von einem mehraktigen Entstehungstatbestand eines Rechts schon so viele Erfordernisse erfüllt sind, dass der Veräußerer den Erwerb des Vollrechts nicht mehr einseitig verhindern kann. (BGHZ 49, 202). -> hier (+)
=> somit C-Bank mittelbarer Besitzer
(P 2) Nebenbesitz
§ 934 BGB spricht von „mittelbarer Besitzer“, zu lesen ist dies jedoch als „mittelbarer Alleinbesitzer“
Scheitert die Anwendung des § 934 Alt. 1. BGB nicht daran, dass C nicht mittelbaren Alleinbesitz, sondern lediglich mittelbaren Nebenbesitz hatte?
Verständnisfrage: Warum stellt sich hier die Frage des Nebenbesitzes überhaupt? Wer ist hier Nebenbesitzer?
a. Ursprünglich bestand wegen des vereinbarten Eigentumsvorbehalts zwischen V und K ein BMV: Bis zum Eintritt der Bedingung ist im Verhältnis V – K der V als Vorbehaltskäufer mittelbarer Eigenbesitzer der Fräsmaschine, K unmittelbarer Fremdbesitzer.
b. Daneben könnte D durch die Abtretung der C-Bank von ihrem mittelbaren Besitz an der Fräsmaschine gem. §§ 929 S. 1, 931, 934 BGB mittelbarer Nebenbesitzer geworden sein.
d.h. Nebenbesitzer 1: V, Nebenbesitzer 2: D
Dies wäre jedoch nur dann möglich, wenn man die Konstruktion des Nebenbesitzes bejaht.
e.A.: Nebenbesitz möglich
– Besitzposition des V gehe nicht automatisch bei Begründung eines neuen BMV verloren. Vielmehr sei es denkbar, dass K sowohl vorliegend die C-Bank als Sicherungsnehmer als anerkennt als auch die Weisungen des Vorbehaltsverkäufers befolge.
h.M. lehnt die Konstruktion des Nebenbesitzes ab
Argumente:
– Rechtssystematik: BGB spreche nur von „dem Besitz“, niemals vom „Nebenbesitz“
– Aufteilung der Besitzposition sei nur in den vom Gesetz abschließend geregelten und vorgesehenen Fällen anzuerkennen, nämlich § 866 BGB und § 871 BGB
– Zudem könne K als Besitzmittler nicht gleichzeitig den Willen haben, die Sache an mehrere Personen herauszugeben. Inhalt beider BMVe sei ja gerade, dass die Sache im Sicherungsfall (bei V bei Rücktritt vom Vertrag, § 449 Abs. 2 BGB; bei der C-Bank, wenn die Darlehensraten nicht ordnungsgemäß beglichen wurden, bzw. das Darlehen fällig gestellt wurde) herauszugeben ist.
Der Meinungsstreit müsste hier jedoch nicht entschieden werden, wenn auch schon nach der ersten Auffassung hier Nebenbesitz nicht vorliegt. Der mittelbare Besitz endet (außer in den Fällen des Wegfalls des unmittelbaren Besitzes und dem Erlöschen des Herausgabeanspruchs) durch eine objektiv erkennbare Änderung des Besitzmittlungswillens. Eine solche ist dann gegeben, wenn der unmittelbare Besitzer ein neues, mit dem ersten unverträgliches BMV mit einem anderen Oberbesitzer (hier der C-Bank) eingeht. Dadurch wird objektiv erkennbar, dass er sich vom bisherigen Oberbesitzer V lösen will und nur noch für den neuen Oberbesitzer K den Besitz vermitteln will. Somit war auch nach der ersten Auffassung mit Abschluss des Sicherungsvertrags kein Nebenbesitz bei V verblieben. (andere Ansicht vertretbar, dann ist der Streit zu entscheiden)
=> Mithin ist die C-Bank, wie für § 934 Alt. 1 BGB erforderlich, mittelbarer Alleinbesitzer der Fräsmaschine
=> C-Bank konnte daher D wirksam seinen Anspruch aus dem BMV mit K gemäß §§ 931, 870, 934 1. Alt. BGB abtreten.
=> D hat von C gem. §§ 929 S. 1, 931, 934 1. Alt, 932 Abs. 2 BGB gutgläubig Eigentum erworben.
Aber Wertungswiderspruch: Warum ist der Erwerb des D wirksam, der der C-Bank jedoch unwirksam? Enthält gutgläubiger Erwerb nach § 934 1. Alt. BGB einen Widerspruch gegenüber dem gutgläubigen Erwerb nach § 933 BGB?
Der gutgläubige Erwerb nach § 933 BGB setzt voraus, dass der nichtberechtigte Veräußerer dem Erwerber den unmittelbaren Besitz an der verkauften Sache verschafft (Traditionsprinzip). Nach § 933 BGB wird der gutgläubige Erwerber nicht geschützt, wenn ihm der unmittelbare Besitzer nur den mittelbaren Besitz einräumt.
Ist der Veräußerer dagegen mittelbarer Besitzer, so erlangt der Erwerber gem. § 934 1. Alt. mit Abtretung des Herausgabeanspruchs gutgläubig Eigentum.
Dieses Ergebnis erscheint widersprüchlich, da der D als zweiter Sicherungsnehmer, der gem. § 934 1. Alt. BGB gutgläubig Eigentum erworben hat, der Vorbehaltssache ferner stand als die C-Bank als erster Sicherungsnehmer, die gem. § 933 kein Eigentum erwerben konnte.
Dies ist jedoch so hinzunehmen, da der Gesetzgeber den §§ 933, 934 BGB bewusst das Prinzip zugrunde gelegt hat, dass die Neubegründung mittelbaren Besitzes zum gutgläubigen Erwerb nicht ausreichen soll, wohl aber seine Übertragung. Das Gesetz geht dabei von der Gleichstellung des mittelbaren mit dem unmittelbaren Besitz aus, und lässt es für den gutgläubigen Erwerb genügen, wenn sich der Veräußerer seines Besitzes vollständig entledigt. Diese Voraussetzung ist bei §§ 931, 934 1. Alt. BGB durch die Abtretung des Anspruchs aus dem BMV erfüllt, mangels Übergabe aber nicht bei §§ 930, 933 BGB.
Daher i. Erg. kein Wertungswiderspruch. § 934 1. Alt. BGB ist mithin gesetzestreu anzuwenden.
Ergebnis: D hat gem. §§ 929 S. 1, 931, 934 1. Alt, 932 Abs. 2 BGB gutgläubig Eigentum an der Fräsmaschine erworben.

16.10.2010/15 Kommentare/von Samuel Ju
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Samuel Ju https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Samuel Ju2010-10-16 10:59:412010-10-16 10:59:41Zivilrecht-Klassiker: Fräsmaschinenfall (BGHZ 50, 45)

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