Das LG München (Urteil vom 19.01.2018 – 12 KLs 111 Js 239798/16) verurteilte den Angeklagten wegen des Verkaufs der Schusswaffe, die später vom Käufer für den Amoklauf im Münchener Olympia-Einkaufszentrum verwendet wurde, wegen fahrlässiger Tötung in 9 Fällen und fahrlässiger Körperverletzung in 5 Fällen. Die gegen dieses Urteil von der Verteidigung, die insbesondere gegen die Verurteilung wegen Fahrlässiger Tötung vorging, sowie von den Nebenklägern, die eine Verurteilung wegen Beihilfe zum Mord begehrten, eingereichten Rechtsmittel wies der BGH (Beschlüsse vom 08.01.2019 – 1 StR 356/18) als unbegründet zurück. Aufgrund der immensen medialen Präsenz des Münchener Amoklaufs wird diese Entscheidung auch Prüfern nicht entgangen sein. Schließlich handelt es sich um das erste Urteil, in dem ein illegaler Waffenhändler wegen des Verkaufs einer Schusswaffe für eine Tat verantwortlich gemacht wird, an der er ansonsten nicht selbst beteiligt war. Die Problematik lässt sich auch leicht in eine Examensklausur einbauen, da so klassische Probleme des allgemeinen Teils, namentlich der Beihilfe, des Vorsatzes und der Fahrlässigkeit abgefragt werden können.
I. Sachverhalt (gekürzt):
Der Angeklagte verkaufte in mehreren Fällen erlaubnispflichtige Waffen, obwohl weder er noch seine Käufer die erforderlichen waffenrechtlichen Genehmigungen besaßen. Um anonym zu bleiben, nutzte er dazu eine Online-Plattform im Darknet und einen verschlüsselten Bitmassage-Dienst. Die Übergabe erfolgte stets bei einem persönlichen Treffen. Unter anderem verkaufte er eine Schusswaffe samt Patronen an David S., der diese später für einen Amoklauf im Münchener Olympia-Einkaufszentrum nutze, bei dem er 9 Menschen erschoss und 5 weitere Menschen verletzte, ehe er sich selbst erschoss.
II. Entscheidung:
Eine Verurteilung wegen Beihilfe zum Mord in 9 Fällen nach §§ 211, 27 StGB und wegen Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung in 5 Fällen gemäß §§ 224 I Nr. 2, 1. Alt., Nr. 5, 27 StGB lehnte das LG München wegen mangelnden Vorsatzes ab. Für die Strafbarkeit wegen Beihilfe bedarf es eines doppelten Beihilfevorsatzes, d.h. zumindest dolus eventualis hinsichtlich der vorsätzlichen, rechtwidrigen Haupttat und hinsichtlich der eigenen Unterstützungshandlung.
Dazu führt das LG München aus: „Ein bedingt vorsätzliches Handeln setzt voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt und damit in der Weise einverstanden ist, dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen mit der Tatbestandsverwirklichung zumindest abfindet […]Im Falle einer strafbaren Beihilfe liegt ein hinreichender Gehilfenvorsatz bereits dann vor, wenn der Gehilfe dem Täter ein maßgebliches Tatmittel zur Verfügung stellt und gerade dadurch einen kausalen mittelbaren Rechtsgutsangriff tätigt – vorausgesetzt, er nahm die wesentlichen Umstände, d.h. deren Unrechts- und Angriffsrichtung, der späteren Tatbestandsverwirklichung in seine Vorstellung auf […]Hierfür ist erforderlich, dass der Gehilfe seinen eigenen Tatbeitrag sowie die Haupttat in ihren wesentlichen Grundzügen, insbesondere in ihrer Unrechts- und Angriffsrichtung, zumindest für möglich hält und billigt, wobei er Einzelheiten der Haupttat nicht zu kennen braucht.“
David S. hatte den Angeklagten jedoch nicht in den Tatplan eingeweiht. Auch ahnte dieser nichts von der Absicht, die Waffen für einen Angriff auf Menschen zu verwenden, sondern ging davon aus, dass es sich beim Käufer um einen Waffensammler handle. Auch reicht die bloße Kenntnis eines generellen Risikos der Tatförderung, wie sie beim illegalen Verkauf von Waffen anzunehmen ist, nicht aus, wenn der Täter nicht durch die willentliche Hingabe eines Tatmittels bewusst das Risiko erhöht, dass eine durch den Einsatz gerade dieses Mittels geförderte Haupttat verübt wird, so das LG München.
Zu Recht erfolgte jedoch eine Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung gemäß § 222 StGB in 9 Fällen sowie wegen fahrlässiger Körperverletzung gemäß § 229 StGB in 5 Fällen. Die Sorgfaltspflichtverletzung liegt hier in dem illegalen Verkauf von Schusswaffen und Munition, der schon den Straftatbestand des § 52 Abs. 1 Nr. 2c WaffG erfüllt. Erschwerend kommt die mangelnde Kontrolle der Zuverlässigkeit des Käufers aufgrund der Anbahnung des Verkaufs im Darknet und der damit einhergehenden Wahrung der Anonymität der Beteiligten hinzu.
Der Eintritt des tatbestandlichen Erfolgs in Gestalt des Eintritts des Todes von neun Menschen sowie der körperlichen Misshandlung und Gesundheitsschädigung fünf weiterer Menschen war darüber hinaus objektiv erkennbar und vorhersehbar. Dazu muss in der konkreten tatsächlichen Situation, d.h. aufgrund der dem Täter in der Tatsituation bekannten und erkennbaren Umstände, aus Sicht eines objektiven Dritten Anlass und Möglichkeit bestanden haben, den drohenden Erfolgseintritt zu erkennen. Dies war hier deshalb der Fall, da der Täter unter Umgehung eines legalen Marktes und der entsprechenden Zugangshindernisse der waffenrechtlichen Vorschriften an einen nicht zum Waffenbesitz Berechtigten eine funktionierende Schusswaffe und Munition verkauft „und folglich einen Gegenstand ausgehändigt [hat], der nach der Art seiner Anfertigung allgemein zumindest auch dazu bestimmt und geeignet ist, Menschen auf mechanischem Wege zu verletzen oder zu töten […] Aufgrund dieser einer Pistole und der zugehörigen Munition grundsätzlich anhaftenden Zweckbestimmung muss der Verkäufer einer Waffe in objektiver Hinsicht davon ausgehen, dass der Käufer diese ihrer Zweckbestimmung entsprechend auch gebrauchen könnte, also zur Verletzung oder Tötung von Menschen zielgerichtet einsetzen könnte“.
„Die Zurechnung des Erfolgseintritts ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil nicht die Handlung des Angeklagten unmittelbar zum Eintritt des Erfolgs führte, sondern ein Dritter, David S., im Rahmen eines vorsätzlichen Handelns eine eigene für den Angeklagten insoweit nicht steuerbare Ursache hierfür setzte (Fallgruppe des vorsätzlichen Dazwischentretens eines Dritten).“ Denn eine Mitverantwortung eines Dritten führt dann nicht zum Wegfall des Zurechnungszusammenhangs, wenn die vom Täter ursprünglich gesetzte Ursache trotz des in den Kausalverlauf eingreifenden Verhaltens des Dritten wesentlich fortwirkt, der Dritte also hieran anknüpft. Hiervon ist insbesondere dann auszugehen, wenn sich in dem pflichtwidrigen Handeln des Dritten gerade das Risiko der Pflichtwidrigkeit des Täters selbst verwirklicht. Die vom Täter verletzten waffenrechtlichen Vorschriften, insbesondere § 52 WaffG tragen gerade der objektiven Gefährlichkeit von Waffen Rechnung und dienen gerade dem Zweck, den Waffenbesitz von dazu nicht geeigneten Personen und den durch diese drohenden Missbrauch von Waffen zu verhindern. Daher realisierte sich in der Tötung der 9 Menschen und der Verletzung von 5 Menschen gerade die durch den Verkauf der Schusswaffe und Munition geschaffene Gefahr.
III. Weitere Hinweise:
Falls der Haupttäter noch lebt, ist die Prüfung dessen Strafbarkeit voran zu stellen. In Fällen, in denen der Haupttäter jedoch selbst stirbt, ist dessen Strafbarkeit nicht mehr isoliert vorab, sondern inzident im Rahmen der Prüfung einer Strafbarkeit des Waffenverkäufers wegen Beihilfe zu prüfen. In einer Klausur bedarf es selbstverständlich – anders als in der Urteilsbegründung des LG München – einer getrennten Prüfung der Strafbarkeit nach § 222 StGB und der Strafbarkeit nach § 229 StGB.
Zudem ist stets auf die Sachverhaltsangaben im konkreten Fall zu achten. Denn bei entsprechenden Hinweisen dazu, dass der Waffenverkäufer es für möglich hielt, dass die Waffe für eine Straftat verwendet wird, kann im Ergebnis auch eine Strafbarkeit wegen Beihilfe zum Mord und zur gefährlichen Körperverletzung vorliegen.
Im Rahmen des Münchener Amoklaufs kam es nicht nur zur Verurteilung des Waffenverkäufers. Der Betreiber der Darknet-Plattform, über die der Verkauf der Schusswaffe angebahnt wurde, ist vom LG Karlsruhe (Urteil vom 19.12.2018, Az. 4 KLs 608 JS 19580/17) mit ähnlicher Begründung ebenfalls unter anderem wegen fahrlässiger Tötung und fährlässiger Körperverletzung verurteilt worden.
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Wir freuen uns sehr, einen Gastbeitrag von Jasmin Bertlings veröffentlichen zu können. Die Autorin ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Strafrecht und Strafprozessrecht bei Herrn Prof. Dr. Martin Waßmer an der Universität zu Köln. Diese Klausur wurde im Wintersemester 2016/2017 den Studierenden des zweiten Semesters an der Universität zu Köln als Abschlussklausur der Vorlesung „Strafrecht II“ gestellt.
Anfängerklausur – Strafrecht: Verhältnis von § 211 und § 212 StGB; restriktive Auslegung der Mordmerkmale; Tatbestandsverschiebung gem. § 28 StGB – Der mordlustige Erbe
Im Rahmen der Tötungsdelikte stellt sich das Problem der Anwendbarkeit des § 28 StGB. Ursprung dieses Problems ist der anhaltende Streit zwischen Rechtsprechung und Literatur um das Verhältnis der Tötungsdelikte zueinander. Dieser Streit ist ein absoluter Klausurklassiker und wird gerne im Rahmen der Abschlussklausur geprüft. Wurden die unterschiedlichen Ansätze der Rechtsprechung und der Literatur einmal verstanden, ist die Thematik jedoch ein dankbares Klausurthema.
Sachverhalt
Oma Otilie (O) hat im Laufe ihres langen Lebens ein Vermögen angehäuft. Einziger Erbe ist ihr Enkel (E). E, der seit Jahren versucht, seine Ausbildung abzuschließen, möchte nicht weiter auf Luxus verzichten und beschließt daher O zu töten, um endlich an das Erbe zu gelangen. Da er keine Waffe besitzt, geht er zu seinem besten Freund (F), der einige alte, nicht registrierte Pistolen hat. Er berichtet F von seinem Plan, O zu töten, um an das Erbe zu gelangen. Über die konkrete Begehungsweise verliert E kein Wort.
F ist das Erbe des E vollkommen gleichgültig. Dennoch heißt er die Tötung gut, da er am Tag zuvor vor dem Haus der O ein Auto gestreift und Fahrerflucht begangen hatte. Er fürchtet, dass O – die einzige Zeugin der Tat – ihn anzeigt.
Gegen 22.00 Uhr begibt sich E im Schutz der Dunkelheit mit der von F geborgten Pistole zum Haus der O. Mit seinem Zweitschlüssel verschafft er sich Zutritt zum Haus. E schleicht in das Schlafzimmer und erschießt dort die friedlich schlummernde O, mit einem Schuss in den Kopf. O ist sofort tot. In freudiger Erwartung des Erbes verlässt E eilig den Ort des Geschehens.
Als E auf die Straße tritt, ist er noch voller Euphorie wegen des bald zu erwartenden Erbes. Er steigt in seinen Golf und macht sich auf den Heimweg. Auf der Rückfahrt kommt E in eine allgemeine Verkehrskontrolle und wird von den Polizisten P1 und P2 angehalten. Diese wollen die Ausweispapiere des E sehen. E, sichtlich genervt von dem Verhalten der Polizisten, entgegnet: „Die beiden Bullen haben offenbar nichts Besseres zu tun…!“
Wie haben sich E und F nach dem 14. und 16. Abschnitt des StGB strafbar gemacht? Ggf. erforderliche Strafanträge sind gestellt.
Gliederung:
1. Tatkomplex: Der Tod der Oma
A. Strafbarkeit des E gem. §§ 212 Abs. 1, 211 Abs. 2 Var. 3, Var. 5 StGB durch Abgabe des Schusses auf O
I. Tatbestand
1. Objektiver Tatbestand
a) Tötung eines anderen Menschen
b) Tatbezogene Mordmerkmale: Heimtücke gem. § 211 Abs. 2 Var. 5 StGB
2. Subjektiver Tatbestand
a) Tötungsvorsatz (Bzgl. § 212 StGB und der Heimtücke)
b) Täterbezogene Mordmerkmale: Habgier gem. § 211 Abs. 2 Var. 3 StGB
II. Rechtswidrigkeit und Schuld
III. Ergebnis
B. Strafbarkeit des F gem. §§ 212 Abs. 1, 211 Abs. 2 Var. 3, 5, 9, 27 Abs. 1, 28 Abs. 2 StGB durch Aushändigen des Gewehrs
I. Tatbestand
1. Objektiver Tatbestand
a) Vorsätzliche rechtswidrige Haupttat
b) Hilfeleisten
2. Subjektiver Tatbestand (Doppelvorsatz)
a) Vorsatz bzgl. der Teilnahmehandlung
b) Vorsatz bzgl. der Vollendung der Haupttat
3. Tatbestandsverschiebung nach § 28 Abs. 2 StGB
II. Rechtswidrigkeit und Schuld
III. Ergebnis
2. Tatkomplex: Die Verkehrskontrolle: Strafbarkeit des E gem. § 185 StGB durch Äußerung gegenüber den Polizisten
I. Tatbestand
II. Ergebnis
Gesamtergebnis
Lösungsvorschlag:
Der Lösungsvorschlag ist so formuliert, wie er bei einer Bearbeitungszeit von 120 Minuten erwartet werden kann. Die Verweise sind bewusst sparsam gehalten.
1. Tatkomplex: Der Tod der Oma
A. Strafbarkeit des E gem. §§ 212 Abs. 1, 211 Abs. 2 Var. 3, Var. 5 StGB durch Abgabe des Schusses auf O
E könnte sich gem. §§ 212 Abs. 1, 211 Abs. 2 Var. 3, 5 StGB wegen Mordes strafbar gemacht haben, indem er auf die O schoss.
Hinweis:
An dieser Stelle können die Studierenden das Gutachten entweder mit §§ 212, 211 StGB oder § 211 StGB beginnen. Bereits an dem Aufbau wird deutlich, welcher Ansicht der Klausurbearbeiter am Ende bei der streitigen Frage, in welchem Verhältnis § 212 StGB und § 211 StGB zueinander stehen, folgen wird. Wichtig ist an dieser Stelle, dass die Prüfung konsequent durchgeführt wird.
I. Tatbestand
1. Objektiver Tatbestand
a. Tötung eines Menschen
Die O, ein anderer Mensch ist tot. Der Tod wurde kausal und objektiv zurechenbar durch den Schuss des E ausgelöst.
b. Tatbezogene Mordmerkmale
E könnte die Tat heimtückisch gem. § 211 Abs. 2 Var. 5 StGB begangen haben. Heimtückisch handelt, wer die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zur Tötung ausnutzt (Fischer, StGB, 65. Aufl. 2018, § 211, Rn. 34). Die Wehrlosigkeit muss Folge der Arglosigkeit sein (Fischer, StGB, 65. Aufl. 2018, § 211, Rn. 40). Arglos ist, wer sich zu Beginn des Tötungsversuchs keines Angriffs auf sein Leben oder seine körperliche Unversehrtheit versieht (Fischer, StGB, 65. Aufl. 2018, § 211, Rn. 35). Wehrlos ist, wer infolge seiner Arglosigkeit zur Verteidigung außerstande oder in seiner natürlichen Abwehrbereitschaft eingeschränkt ist (Eschelbach, in: Beck OK StGB, 35. Edition, Stand: 01.08.2017, § 211, Rn. 43 m.w.N.). O schläft friedlich. Da sich O kurz vor dem Zubettgehen, keines Angriffs auf sich versah, war O arglos. Die Arglosigkeit könnte aber in dem Zeitpunkt, als zu Bett ging, entfallen sein. Denn Voraussetzung für die Arglosigkeit ist die Fähigkeit zum Argwohn. Die herrschende Meinung bejaht Fähigkeit zum Argwohn auch bei Schlafenden. Sie gehen arglos zu Bett und nehmen die Arglosigkeit mit in den Schlaf (BGH NJW 2003, 2464; Neumann/Saliger, in: NK-StGB, 5. Aufl. 2017, § 211, Rn. 55). Die O war mithin arglos. Die schlafende O war auch in ihrer Verteidigungsbereitschaft eingeschränkt, sodass O auch wehrlos war. Die Wehrlosigkeit beruhte auf der Arglosigkeit. Die Voraussetzungen der Heimtücke liegen grundsätzlich vor.
Allerdings muss jedem Mord eine besondere Verwerflichkeit anhaften. Aufgrund der lebenslangen Freiheitsstrafe ist eine restriktive Auslegung der Mordmerkmale, insbesondere der Heimtücke, geboten. Ansonsten wäre die absolute Strafandrohung des § 211 StGB nicht mit dem Schuldgrundsatz vereinbar und damit verfassungswidrig. Es gibt eine Vielzahl von Restriktionsansätzen in Rspr. und Schrifttum, die sowohl auf Tatbestands- als auch auf Rechtsfolgenseite ansetzen.
Die Rspr. fordert daher ein Handeln in feindlicher Willensrichtung und die zusätzliche Anwendung des § 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB auf der Rechtsfolgenseite (BGHSt 9, 385, 30; siehe auch: Neumann/Saliger,in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, 5. Aufl. 2017, § 211, Rn. 73; Schneider, in: MüKo StGB, 3. Aufl. 2017, § 211, Rn. 197). Die feindliche Willensrichtung ist nur in den Fällen zu verneinen, in denen der Täter zum vermeintlich Besten des Opfers handelt (Neumann/Saliger, in: NK-StGB, 5. Aufl. 2017, § 211, Rn. 73; Wenkel, in: Dölling/Duttge/König/Rössner, Gesamtes Strafrecht, 4. Aufl. 2017; § 211, Rn. 14). E wollte die O töten, um das Erbe vorzeitig zu erhalten. Er handelte nicht zum vermeintlich Besten der O. Ein Handeln in feindlicher Willensrichtung liegt vor.
Eine a.A. verlangt eine besonders verwerfliche Gesinnung des Täters. Eine solche liegt vor, wenn der Täter z.B. egoistisch handelt oder von Spaß geleitet ist. E handelte aus einer egoistischen Gesinnung heraus, denn er wollte sich mit dem zu erwartenden Erbe ein schönes Leben machen. Somit ist auch eine verwerfliche Gesinnung zu bejahen.
Eine weitere Ansicht fordert einen besonders verwerflichen Vertrauensbruch (Eser/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl. 2014; § 211, Rn. 26; Neumann/Saliger, in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB, 5. Aufl. 2017, § 211, Rn. 49; Schneider, in: MüKo StGB, 3. Aufl. 2017, § 211, Rn. 204). Das bedeutet, dass das Merkmal der Heimtücke nur in den Fällen angenommen wird, in denen der Täter ein spezielles Vertrauen ausnutzt oder missbraucht, welches das Opfer ihm entgegenbringt (Küper, JuS 2000, 740, 745). E ist der Enkel und ihr einziger Erbe. Darüber hinaus besitzt er einen Schlüssel zu O´s Haus. Einen Zweitschlüssel zu seinem Haus gibt man regelmäßig nur Personen, zu denen man ein enges Verhältnis hat. Es kann daher von einem engen Vertrauensverhältnis zwischen den beiden ausgegangen werden. Ein verwerflicher Vertrauensbruch ist mithin anzunehmen.
Zuletzt wird von manchen ein tückisch-verschlagenes Vorgehen (Schneider, in: MüKo StGB, 3. Aufl. 2017, § 211, Rn. 206) zur Bedingung gemacht. Dieses Vorgehen ist dadurch gekennzeichnet, dass sich der Täter bestimmte Tatumstände planmäßig zunutze macht (Schneider, in: MüKo StGB, 3. Aufl. 2017, § 211, Rn. 204 m.w.N.). E schleicht sich während die O schläft in ihr Schlafzimmer und tötet sie im Schlaf. Den Umstand, dass seine Großmutter schläft, macht sich E zunutze. Ein tückisch verschlagenes Vorgehen ist zu bejahen.
Nach allen Ansichten ist die Heimtücke gegeben. Ein Streitentscheid kann an dieser Stelle dahinstehen.
2. Subjektiver Tatbestand
a. Tötungsvorsatz (hinsichtlich § 212 StGB und der Heimtücke)
E handelte, da er die Tötung der O wollte, vorsätzlich. Ebenso handelte der E mit Vorsatz in Bezug auf die heimtückische Begehungsweise.
b. Täterbezogene Mordmerkmale
E könnte habgierig gem. § 211 Abs. 2 Var. 3 StGB gehandelt haben. Habgier ist das ungezügelte und rücksichtslose Streben nach Vermögensvorteilen um jeden Preis (Wenkel, in: Dölling/Duttge/König/Rössner, Gesamtes Strafrecht, 4. Aufl. 2017, § 211, Rn. 25). E wollte die O töten, um das Erbe zu erhalten. Er stellte folglich sein Streben nach materiellen Vermögenswerten über das Leben seiner Oma. E handelte folglich aus Habgier.
II. Rechtswidrigkeit und Schuld
E handelte auch rechtswidrig und schuldhaft.
III. Ergebnis
E hat sich gem. §§ 212 Abs. 1, 211 Abs. 2 Var. 3, 5 StGB wegen Mordes strafbar gemacht, indem er auf die O schoss.
B. Strafbarkeit des F gem. §§ 212 Abs. 1, 211 Abs. 2 Var. 3, 5, 9, 27 Abs. 1, 28 Abs. 2 StGB durch Aushändigen des Gewehrs
F könnte sich gem. §§ 212 Abs. 1, 211 Abs. 2 Var. 3, 5, 9, 27 Abs. 1, 28 Abs. 2 StGB strafbar gemacht haben, indem er dem E das Gewehr aushändigte.
I. Tatbestand
1. Objektiver Tatbestand
Eine vorsätzliche rechtswidrige Haupttat ist mit dem von E begangenen Mord gegeben. §§ 212 Abs. 1, 211 Abs. 2 Var. 3, 5 StGB (s.o).
F müsste dem E Hilfe geleistet haben, also die Haupttat des E gefördert haben. F händigte dem E die Tatwaffe aus. Somit leistete der F Hilfe zur Tat des E.
Hinweis: Es ist strittig, ob der Gehilfenbeitrag kausal geworden sein muss. Da hier die Kausalität des Gehilfenbeitrags des F offensichtlich unproblematisch ist, muss an dieser Stelle auf den Streit nicht eingegangen werden.
2. Subjektiver Tatbestand (Doppelvorsatz)
a. Vorsatz bzgl. der Teilnahmehandlung
F händigte dem E die Tatwaffe aus. Er handelte vorsätzlich in Bezug auf seine Teilnahmehandlung.
b. Vorsatz bzgl. der Vollendung der Haupttat
Weiter müsste F auch Vorsatz hinsichtlich der Vollendung der Haupttat aufweisen. F wollte durch den Tod der O sein eigenes Fehlverhalten verdecken. F handelte mithin vorsätzlich in Bezug auf die Tötung der O. E hatte dem F gegenüber keine Ausführungen zur Art und Weise der Begehung gemacht, weshalb F nicht wusste, dass der E die O heimtückisch töten wollte. Mithin hatte F nach allgemeinen Akzessorietätsregeln lediglich Vorsatz in Bezug auf §§ 212 Abs. 1, 211 Abs. 2 Var. 3 StGB.
3. Tatbestandsverschiebung nach § 28 Abs. 2 StGB
Grundsätzlich richtet sich die Strafbarkeit des Teilnehmers nach der Strafbarkeit der Haupttat (Akzessorietät). Es könnte jedoch zu einer Akzessorietätslockerung nach § 28 Abs. 1 StGB oder einer Akzessorietätsdurchbrechung gem. § 28 Abs. 2 StGB kommen.
Bei dem Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht handelt es sich um ein besonderes persönliches Merkmal iSd. § 14 StGB. § 28 StGB ist mithin in seiner Gesamtheit anwendbar.
Zu einer Akzessorietätslockerung käme es, wenn die Mordmerkmale strafbegründender Natur (Siehe dazu: BGHSt 50, 1, 5; BGHSt 22, 375, 377; BGHSt 1, 368, 372) wären. Eine Akzessorietätsdurchbrechung liegt vor, wenn es sich bei den Mordmerkmalen um strafschärfende Merkmale (Fischer, StGB, 65. Aufl. 2018, § 211, Rn. 88; Neumann/Saliger, in: NK-StGB, 5. Aufl. 2017, § 211, Rn. 117; Schneider, in: MüKo StGB, 3. Aufl. 2017, § 211, Rn. 265, 271; Wessels/Hettinger/Engländer, Strafrecht Besonderer Teil, Bd. 1, 41. Aufl. 2017, Rn. 155) handelt. Ob diese strafschärfend oder strafbegründend sind, richtet sich nach dem Verhältnis der §§ 211, 212, 216 StGB zueinander.
Die Rspr. sieht in §§ 211, 212, 216 StGB selbstständige Tatbestände mit spezifischem Unrechtsgehalt. Mithin sind nach dieser Ansicht die Mordmerkmale strafbegründender Natur und somit ist § 28 Abs. 1 StGB anwendbar. Demnach richtet sich die Strafbarkeit nach den besonderen persönlichen Merkmalen des Haupttäters. Weist der Teilnehmer das Merkmal des Haupttäters nicht auf, käme es zu einer obligatorischen Strafmilderung. Beim Vorliegen von sogenannten gekreuzten Mordmerkmalen versagt die Rechtsprechung die obligatorische Strafmilderung. Sie bedient sich eines Kunstgriffs, wenn der Teilnehmer nicht das Merkmal des Haupttäters, jedoch ein artgleiches Unrecht verwirklicht.
E verwirklichte das Mordmerkmal der Habgier. Beim F liegt das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht vor. Daher wäre grds. die Strafe gem. § 49 Abs. 1 StGB zu mildern. Da hier aber die Situation der gekreuzten Mordmerkmale gegeben ist, versagt die Rspr. die obligatorische Strafmilderung und bestraft den Teilnehmer wegen Beihilfe zum Mord aus Habgier des E.
Die Literatur ist der Ansicht, dass zwischen den §§ 211, 212, 216 StGB ein Qualifikationsverhältnis bestehe. Mord ist mithin die Qualifikation des Totschlags. Tötung auf Verlangen ist eine Privilegierung des Totschlags. Somit kommt den Mordmerkmalen strafschärfende Wirkung zu und § 28 Abs. 2 StGB ist anwendbar. Die Strafe richtet sich demgemäß individuell danach, welche Merkmale beim Teilnehmer vorliegen.
Der E handelte aus Habgier. F hingegen handelte nicht habgierig. Er weist aber selbst das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht auf. Daher kommt es zunächst zu einer Tatbestandsverschiebung von §§ 211, 212, 27 StGB zu §§ 212, 27 StGB. Aufgrund des eigenen Mordmerkmals, der Verdeckungsabsicht, kommt es aber zu einer zweiten Tatbestandsverschiebung von §§ 212, 27 StGB zu §§ 211, 212, 27 StGB. Der Teilnehmer wird folglich wegen Beihilfe zum Mord aus Verdeckungsabsicht bestraft.
Ergebnis/Streitentscheid:
Die beiden Ansichten gelangen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Zwar wird der E nach beiden Ansichten wegen Beihilfe zum Mord bestraft, die Ansichten knüpfen jedoch an unterschiedliche Mordmerkmale an, sodass die Schuldsprüche bei einer Verurteilung differierend sind. Mithin ist ein Streitentscheid erforderlich.
Für die Rspr. lässt sich anführen, dass es sich nach dem Wortlaut der §§ 211 und 212 StGB um jeweils selbstständige Tatbestände handelt. § 211 StGB spricht vom „Mörder“; § 212 StGB spricht vom „Totschläger“. Diese unterschiedliche Bezeichnung ist ein Indiz für das Eigenständigkeitsmodell der Rspr.
Weiter legt die Systematik des Gesetzes nahe, dass es sich um selbstständige Tatbestände handelt: § 211 StGB steht vor § 212 StGB. Wäre § 211 StGB die Qualifikation des § 212 StGB stünde es hinter § 212 StGB. Denn grundsätzlich stehen Qualifikationen hinter dem Grundtatbestand.
Darüber hinaus beschreibt der § 211 StGB arteigenes Unrecht.
Dagegen spricht, dass die Begriffe „Totschläger“ und „Mörder“ nur die bei Neufassung der Tötungsdelikte verbreitete Tätertypenlehre kennzeichnen (Safferling, in: Matt/Renzikowski, StGB, § 211, Rn. 4; Rengier, Strafrecht, Besonderer Teil II, 18. Aufl. 2017, § 4, Rn. 7) und daher kein Indiz für die Eigenständigkeit der Tatbestände sind. Weiter spricht die Systematik für das Qualifikationsmodell der Literatur. Denn alle Tatbestände schützen das gleiche Rechtsgut (Leben). Darüber hinaus sind § 212 StGB und § 211 StGB nicht unselbstständig, sondern beziehen sich aufeinander. Der Totschlag ist eine Tötung ohne Verwirklichung eines Mordmerkmals. Der Mordparagraph ist dem Totschlag nur aufgrund seines besonderen Unrechtsgehalts vorangestellt (Eser/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl. 2014, § 211, Rn. 1). Bei den §§ 249 und 253 StGB geht die Rspr. auch trotz der Reihenfolge der Tatbestände davon aus, dass die Erpressung der Grundtatbestand des Raubes ist, obwohl der Raub vor der Erpressung normiert ist (RGSt 4, 429, 432; BGHSt 14, 386, 390). Außerdem führt das Selbstständigkeitsmodell der Rspr. teilweise zu unbilligen Ergebnissen bei der Teilnahme. Zum Teil kann das Mordmerkmal des Teilnehmers von der Rspr. nicht berücksichtigt werden, wie beispielsweise bei den gekreuzten Mordmerkmalen oder der fehlenden Mitleidmotivation bei § 216 StGB, in denen die Rspr. dann durch Kunstgriffe versucht ihr Ergebnis zu korrigieren.
Im Ergebnis sprechen die überzeugenderen Argumente für die Ansicht der Literatur. Die Literatur gelangt bei allen Konstellationen zu logisch nachvollziehbaren Ergebnissen und muss sich nicht Kunstgriffen bedienen. Selbst die Rspr. hat dies in einem obiter dictum bereits angedeutet und sich der herrschenden Lehre dadurch angenähert (BGH NJW 2006, 1008, 1012).
II. Rechtswidrigkeit und Schuld
F handelte auch rechtswidrig und schuldhaft.
III. Ergebnis
F hat sich gem. §§ 212 Abs. 1, 211 Abs. 2 Var. 3, 5, 9, 27 Abs. 1, 28 Abs. 2 StGB strafbar gemacht, indem er E die Tatwaffe aushändigte.
2. Tatkomplex: Die Verkehrskontrolle: Strafbarkeit des E gem. § 185 StGB durch Äußerung gegenüber den Polizisten
E könnte sich gem. § 185 StGB wegen Beleidigung strafbar gemacht haben, indem er die beiden Polizisten „Bullen“ nannte.
I. Tatbestand
Dazu müsste der E die Polizisten beleidigt haben. Eine Beleidigung ist die Kundgabe von Missachtung oder Nichtachtung durch ein ehrrühriges Werturteil.
Hinweis: Ob eine Beleidigung anzunehmen ist, ist durch Auslegung zu ermitteln und abhängig von den konkreten Umständen des Falles.
Fraglich ist, ob der Begriff „Bulle“ einen ehrverletzenden Inhalt hat. Dies ist umstritten. Einerseits wird dem Begriff eine ehrverletzende Bedeutung zugeschrieben (OLG Hamm JMBI NRW 1982, 22; LG Essen NJW 1980, 1639). Große Teile der Bevölkerung meiden den Begriff gegenüber Polizeibeamten. Der Begriff „Bulle“ unterstelle, dass Polizisten leicht reizbar und angriffslustig seien und zu unüberlegter, brutaler Gewalt neigten (LG Essen NJW 1980, 1639). Andererseits können sich Begriffe auch im Laufe der Zeit wandeln (LG Regensburg NJW 2006, 629). Der Begriff „Bulle“ sei früher zwar als Schimpfwort gebraucht worden, mittlerweile sei der Begriff aber umgangssprachlich anerkannt (LG Regensburg NJW 2006, 629). Heute würde der Begriff ohne Hintergedanken als Synonym für Polizisten genutzt. Auch in den Medien ist der Begriff geläufig, wie sich an den Fernsehserien: „Der Bulle von Tölz“ und „Der letzte Bulle“ zeigt (LG Regensburg NJW 2006, 629).
Hier war E sichtlich genervt von der Verkehrskontrolle und sagte zu den Polizisten: „Die beiden Bullen haben offenbar nichts Besseres zu tun…!“. Zwar könnte die Tatsache, dass der E genervt war dafür sprechen, dass die Bemerkung ehrrührig wirkte. Nichts desto trotz schob der E keine Beleidigung vorweg wie beispielsweise „scheiß Bulle“ oder „Drecksbulle“. Sodass nach den Gesamtumständen die besseren Argumente dafür sprechen, den ehrverletzenden Inhalt des Begriffs „Bulle“ im konkreten Fall zu verneinen (a.A. vertretbar).
II. Ergebnis
E hat sich nicht gem. § 185 StGB wegen Beleidigung strafbar gemacht haben, indem er die beiden Polizisten „Bullen“ nannte.
Gesamtergebnis und Konkurrenzen
E hat sich gem. §§ 212 Abs. 1, 211 Abs. 2 Var. 3, 5 StGB wegen Mordes strafbar gemacht. F hat sich gem. §§ 212 Abs. 1, 211 Abs. 2 Var. 5, 9, 27 Abs. 1, 28 Abs. 2 StGB wegen Beihilfe zum Mord strafbar gemacht.
Hinweis: Die „Konkurrenzen“ runden eine gelungene Klausur ab. Fehlen diese, kann dies zu einem Punktabzug führen. (Ausführlich zu den Konkurrenzen: Steinberg/Bergmann, Jura 2009, 905)
Teilnahme – Anstiftung (§ 26 StGB) und Beihilfe (§ 27 StGB)
Anstiftung (§ 26 StGB)
A. Strafbarkeit des Haupttäters, § 25 I Alt. 1 StGB
B. Strafbarkeit des Teilnehmers
I. Tatbestandsmäßigkeit
1.Objektiver Tatbestand
a) Vorliegen einer vorsätzlichen, rechtswidrigen Haupttat
– Tat des Haupttäters (Prüfung unter A.).
– Die Haupttat muss nicht schuldhaft sein.
– Versuch der Haupttat reicht aus.
b) Teilnahmehandlung: Bestimmen zur Haupttat
= Hervorrufen des Tatentschlusses durch psychische Beeinflussung.
– z.T.: „Unrechtspakt“ erforderlich.
– z.T.: Schaffen eines Tatanreizes ohne Kommunikationsakt genügt.
– h.M.: Kommunikationsakt erforderlich, aufgrund dessen der Täter den Tatentschluss fasst.
Einzelfälle:
– Aufstiftung (= Der Täter hat bereits die Verwirklichung eines Tatbestandes geplant, der Anstifter bewegt ihn aber dazu, einen Qualifiaktionstatbestand zu verwirklichen) ist als Anstiftung zu bewerten.
– Umstiftung (= Es wird ein völlig anderer als der zunächst geplante Tatbestand verwirklicht bzw. die Tatausführung weicht wesentlich vom ursprünglichen Plan des Täters ab) ist ebenfalls eine Anstiftung.
– Abstiftung (= Der Täter wird dazu bewegt, ein milderes Delikt, als das zunächst geplante zu verwirklichen) ist keine Anstiftung.
– Abgrenzung zur psychischen Beihilfe.
2.Subjektiver Tatbestand: Doppelter Anstiftervorsatz
a) Zumindest bedingter Vorsatz bzgl. der Vollendung der Haupttat.
Ansonsten strafloser agent provocateur.
b) Zumindest bedingter Vorsatz bzgl. der Anstiftungshandlung.
II. Rechtswidrigkeit
III. Schuld
Versuchte Anstiftung ist gem. § 30 I StGB strafbar.
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Beihilfe (§ 27 StGB)
A. Strafbarkeit des Haupttäters, § 25 I Alt. 1 StGB
B. Strafbarkeit des Teilnehmers
I. Tatbestandsmäßigkeit
1. Objektiver Tatbestand
a) Vorliegen einer vorsätzlichen rechtswidrigen Haupttat
b) Beihilfehandlung: Hilfeleisten
= Förderung der Haupttat auf jede möglich Art. Psychische Beihilfe genügt, ein gemeinsamer Tatplan ist nicht erforderlich.
– Rspr.: Die Gehilfenhandlung muss die Tathandlung gefördert haben.
– h.L.: Die Gehilfenhandlung muss die Chancen der Tatvollendung erhöht haben (Verstärkerkausalität).
Sonderfälle:
– Sukzessive Beihilfe (Unterstützung der Haupttat im Stadium zwischen Vollendung und Beendigung, nach h.M. möglich).
– Beihilfe durch Unterlassen (Nach h.M. möglich, wenn der Gehilfe in Bezug auf die Verhinderung der Haupttat Garant ist und durch sein Eingreifen die Chancen der Erfolgsherbeiführung verringert worden wären.
– Einschränkungen der Beihilfe bei neutralen, berufstypischen (Gehilfen-) Handlungen nach h.M. erforderlich wegen Art. 12 I GG.
2. Subjektiver Tatbestand (doppelter Gehilfenvorsatz)
a) Zumindest bedingter Vorsatz bzgl. vorsätzlicher, rechtswidriger Haupttat.
b) Zumindest bedingter Vorsatz bzgl. der Gehilfenhandlung.
II. Rechtswidrigkeit
III. Schuld
Versuchte Beihilfe ist im Umkehrschluss aus § 30 I StGB straflos.
Das Schema ist in den Grundzügen entnommen von myjurazone.de.
Im Folgenden eine Übersicht über in den letzten Monaten veröffentlichte, interessante Entscheidungen des BGH in Strafsachen (materielles Recht).
I. BGH, Beschl. vom 5. März 2013 – 3 StR 438/12
Die zivilrechtlich als Geschäftsbesorgungsvertrag gemäß § 675 BGB einzuordnende Rechtsbeziehung zwischen einem mit der Führung eines bürgerlichen Rechtsstreits beauftragten Rechtsanwalt und seinem Auftraggeber ist grundsätzlich als Rechtsverhältnis anzusehen, das für den Rechtsanwalt Vermögensbetreuungspflichten im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB begründen kann. Für eine konkrete Vermögensbetreuungspflicht sind jedoch konkrete Feststellungen dazu erforderlich, dass der Rechtsanwalt über das „Ob“ und „Wie“ der Klage eigenständig entscheiden konnte.
II. BGH, Beschl. vom 11. April 2013 – 2 StR 592/12
Die Aussage „Ich will das Lokal, sonst mach ich das Lokal kaputt“ gegenüber einer Person, um den Abschluss eines Pachtvertrages zu erreichen, ist mangels rechtswidriger Bereicherungsabsicht keine Erpressung, sondern nur Nötigung, solange nicht feststeht, dass der Täter den Pachtzins nicht erbringen will.
III. BGH, Beschl. vom 25. April 2013 – 4 StR 551/12
Wird von dem Angegriffenen in einer Notwehrlage ein Gegenangriff auf Rechtsgüter der Angreifer geführt (sog. Trutzwehr), kann darin nur dann eine Angriffsabwehr gesehen werden, wenn in diesem Vorgehen auch tatsächlich der Wille zum Ausdruck kommt, der drohenden Rechtsverletzung entgegenzutreten. Dazu reicht allein die Feststellung, dass dem Angegriffenen die Notwehrlage bekannt war, nicht aus. Die subjektiven Voraussetzungen der Notwehr sind erst dann erfüllt, wenn der Gegenangriff zumindest auch zu dem Zweck geführt wurde, den vorangehenden Angriff abzuwehren. Dabei ist ein Verteidigungswille auch dann noch als relevantes Handlungsmotiv anzuerkennen, wenn andere Beweggründe (Vergeltung für frühere Angriffe, Feindschaft etc.) hinzutreten. Erst wenn diese anderen Beweggründe so dominant sind, dass hinter ihnen der Wille das Recht zu wahren ganz in den Hintergrund tritt, kann von einem Abwehrverhalten keine Rede mehr sein.
IV. BGH, Beschl. vom 4. Juni 2013 – 2 StR 4/13
Der Verzicht auf einem geplanten Banküberfall unter Liegenlassen von Handschuhen und Sturmhaube im Fluchtwagen stellt nicht unbedingt eine Beihilfe zu einer anschließenden räuberischen Erpressung des Fluchtwagenfahrers (durch Unterlassen) dar, wenn dieser sich dazu entschließt, den Banküberfall unter Zuhilfenahme der zurückgelassenen Gegenstände selbst zu begehen.
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In den letzten Tagen war ja viel zum NSU-Prozess zu lesen, insbesondere wurde auch die Anklageschrift gegen Beate Zschäpe näher bekannt, welche ihr – mutmaßliches – Tatverhalten beschreibt (dazu etwa hier). Danach soll Frau Zschäpe als Mittäterin der NSU-Morde anzusehen sein, obwohl sie selbst nie direkt an den Tatorten beteiligt war. Die Bundesanwaltschaft stellt vielmehr darauf ab, dass sie die eigentlich ausführenden Mitglieder der NSU, also Mundlos und Böhnhard, in vielfältiger Weise unterstützt habe. Dazu gehörten zum Beispiel Informationen zu den „Tarnpersonalien“ der beiden, also Angaben zum Lebenslauf der eigentlichen Passinhaber, Namen und Wohnort von Eltern, Arbeitgebern sowie Angaben zu Bekannten. Sie habe auch Wohnmobile angemietet, mit denen die Männer zu Tatorten gefahren seien. Sie habe Zeitungsartikel über die Mordtaten gesammelt und archiviert und so dabei geholfen, aus diesen Artikeln sowie aus Videoaufnahmen einen Bekennerfilm des NSU zu erstellen, außerdem das Geld aus den Raubüberfällen verwaltet und ausgeteilt. Fraglich erscheint, ob die genannten Handlungen, die mit dem Obergriff der „unterstützenden Tätigkeit“ umschrieben werden können, ausreichend sind, um eine Täterschaft von Frau Zschäpe an den angeklagten Taten zu begründen, oder vielmehr eine bloße Teilnahmehandlung, namentlich in Form einer Beihilfe, vorliegt. Die Frage ist nicht rein theoretischer Natur: So würde Frau Zschäpe bei der Annahme einer bloßen Beihilfe die obligatorische Strafmilderung nach § 27 Abs. 2 S. 2 StGB zugute kommen, während ihr dies bei der Einordnung ihres Verhaltens als Täterschaft verwehrt wäre.
1. Täterbegriffe im Strafrecht
Zur Wiederholung zunächst die einzelnen Täterbegriffe, wie sie sich im vorigen Jahrhundert in Rechtsprechung und Schrifttum herausgebildet haben:
a) Nach dem älteren, sog. subjektiven Täterbegriff ist derjenige Täter, der mit „animus auctoris“, also Täterwillen handelt, wohingegen bei solchen Personen, die die Tat nicht als eigene wollen („animus socii“), von einer bloßen Teilnahme auszugehen ist. Die subjektive Täterlehre ist dabei eine Konsequenz der conditio-sine-qua-non- oder Äquivalenz-Formel, und zwar zu einem Zeitpunkt, als die Lehre von der objektiven Zurechnung noch nicht etabliert war: Wenn es für die zurechenbare Verursachung einer Tat nur darauf ankommt, dass ein bestimmtes Verhalten nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der zu vermeidende Erfolg entfiele, also alle Beiträge objektiv gleichwertig (eben äquivalent) sind, kann die Entscheidung über die Zuordnung eines Tatbeitrags zu einer der Beteiligungsfiguren nicht auf der objektiven Ebene getroffen werden, sondern ist in den subjektiven Bereich hinein zu verlagern. Die Konsequenz ist, dass auch objektiv randständige Tathandlungen, etwa die Beschaffung eines Tatwerkzeugs oder der Hinweis, wo ein besonders lohnenswerter Raubzug zu machen ist, zur Täterschaft führen können, wenn der Helfende die Tat nur „als eigene will“, z.B. weil er direkt an der Tatbeute beteiligt wird. Der subjektive Täterbegriff ist freilich dann überholt, wenn man mit der neueren Lehre der objektiven Zurechnung annimmt, dass eben nicht jedes objektiv ursächliche Verhalten gleichzeitig auch den objektiven Unwert eines Delikts ausfüllt, sondern hierzu das Vorliegen weiterer, objektiv verstandener Voraussetzungen einfordert. Zudem steht diese Lehre vor dem Problem, dass der Gesetzgeber in neuerer Zeit auch fremdnützige Delikte (etwa Diebstähle in Drittzueignungsabsicht, Erpressungen mit Drittbereicherungsintention) normiert hat, bei denen es an einem Handeln um des eigenen Vorteils willen gerade fehlt.
b) Nach der sog. objektiv-formellen Täterlehre ist Täter derjenige, der die eigentlichen Tatmerkmale unmittelbar ausfüllt, also etwa den konkreten Tötungsakt begeht, das zu stehlende Objekt ergreift etc.; andere Personen können demgegenüber, auch wenn sie an der Tat ein eigenes Interesse haben, keine entsprechende Rolle beanspruchen. Diese Figur ist indes insoweit überholt, als durch die Vorschrift des § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB sowie § 25 Abs. 2 StGB klargestellt wird, dass auch derjenige, welcher ein Delikt mittelbar (mittelbarer Täter) oder arbeitsteilig mit anderen (Mittäter) verwirklicht, als Täter haftet, ohne dass er zwingend alle Merkmale des Tatbestandes in eigener Person verwirklicht haben muss. Demgemäß ist die objektiv-formelle Täterlehre jedenfalls keine Figur, die diese Beteiligungsform nach der derzeitigen Gesetzesfassung restlos erklären könnte.
c) Nach der sog. objektiv-materiellen Täterlehre kommt es nicht auf die unmittelbare Verwirklichung der konkreten Tatmerkmale an, sondern darauf, dass jemand als „Kernfigur“ das Geschehen beherrscht, also „Tatherrschaft“ innehat; Täter ist danach derjenige, der den Abzug des Revolvers drückt, aber auch derjenige, welcher beim Einstieg in eine fremde Wohnung eine Räuberleiter macht, ohne welche der geplante Einbruchsdiebstahl des Kumpanen nicht vonstatten gehen könnte. Man spricht insofern auch von „funktionaler“, da nicht in bestimmte gesetzliche Merkmale gepresster, Tatherrschaft. Dieser Ansatz führt freilich zu mannigfaltigen Abgrenzungsproblemen und Zweifelsfragen, da z.B. im Detail umstritten ist, ob auch der Bandenchef, der sich nicht am Tatort aufhält, sondern etwa zur Verdeckung seiner Beteiligung am Tatabend die Oper besucht, als Mittäter einzuordnen ist. Während teilweise gefordert wird, dass insofern wenigstens ein fernmündlicher Kontakt zu der die eigentliche Tatausführung in Angriff nehmenden Crew besteht, damit eine Tatherrschaft im Hinblick auf das konkret strafwürdige Geschehen bejaht werden könne, lassen es andere Stimmen ausreichen, dass der Bandenchef als Hintermann die Deliktsausführung geplant hat: Ein Mehr an Gestaltungsherrschaft kompensiert danach ein Weniger an Ausführungsherrschaft.
d) Schlussendlich zu erwähnen ist noch der Ansatz der neueren Rechtsprechung, die sich nicht festlegen lässt, sondern mit einem gemischt objektiv-subjektiven Täterbegriff operiert. Dieser wird auf die folgende, stets wiederkehrende Formel gebracht: „Ob ein Tatbeteiligter eine Tat als Täter begeht, ist in wertender Betrachtung nach den gesamten Umständen, die von seiner Vorstellung umfaßt sind, zu beurteilen. Wesentliche Anhaltspunkte können sein der Grad des eigenen Interesses am Erfolg der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung, die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille zur Tatherrschaft, so dass Durchführung und Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Betreffenden abhängen“ (so etwa BGHSt 37, 289, 291; BGHR StGB § 25 Abs. 2 Mittäter 13, 14 und 18). Die Rechtsprechung verwendet also ein Gemisch aus objektiven und subjektiven Kriterien, die dann auch noch mit dem Kunstgriff der „wertenden Gesamtbetrachtung“ bearbeitet werden können. Vorteil dieser Formel ist, dass die Gerichte hiermit so ziemlich jedes Ergebnis, was sie begründen wollen, auch begründen können, indem sie einmal diesen, einmal jenen Aspekt verstärkt in den Vordergrund rücken; die Methode sichert also eine gewisse Flexibilität bei der Rechtsanwendung. Die Kehrseite dieses Verfahrensweise ist freilich, dass keine Rechtssicherheit besteht, da es an verbindlichen Vorgaben, die der Betroffene in jedem Fall erfüllen muss, damit er als Täter einzustufen ist, gerade fehlt. Der Täterbegriff der Rechtsprechung ist also kein trennscharfer, sondern vielmehr ein Typus-Begriff.
2. Anwendung auf den „Fall Zschäpe“
Wendet man die unterschiedlichen Täterbegriffe auf das Verhalten der Angeklagten Zschäpe an, so wie es sich nach der Beschreibung der Anklageschrift darstellt, kann man zu folgenden Ergebnissen gelangen:
a) Der subjektive Täterbegriff der älteren Rechtsprechung würde eine Täterschaft von Frau Zschäpe wohl ohne Weiteres bejahen: Diese war zwar nie an den Tatorten beteiligt und hat nie die Waffe abgedrückt, allerdings hat sie durch ihre Vor- und Nachbereitung der Taten durchaus unterstützende und damit äquivalente Beiträge zu den Morden geleistet. Zudem dürfte sie auch den Willen, die Taten als eigene durchzuführen, gehabt haben, da sie sich, in den Worten der Bundesanwaltschaft, zusammen mit Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos als einheitliches „Tötungskommando“ sah, so dass sie sich durchaus als wesentlicher Teil der durchgeführten Aktionen verstanden hat.
b) Geht man von dem formal-objektiven Täterbegriff aus, ist demgegenüber eine Einstufung der Angeklagten als Täter klar zu verneinen: Da Frau Zschäpe keines der Merkmale, die etwa der Tatbestand des § 212 Abs. 1 StGB näher umschreibt, in eigener Person erfüllt hat, wäre ihr nach dieser Lehre allein eine Position als Teilnehmer an den Taten der übrigen beiden NSU-Mitglieder zuzubilligen.
c) Die materiell-objektive Theorie kann die Frage nach der Täterschaft von Frau Zschäpe nicht direkt beantworten, da dies maßgeblich vom Vorverständnis des für diese Lehre so zentralen Begriffes der „Tatherrschaft“ abhängig ist: Geht man davon aus, dass sich dieser Begriff immer auf das konkrete, zeitlich-räumliche Geschehen beziehen muss, welches zur Deliktsverwirklichung führt, dürfte eine Tatherrschaft der Angeklagten selbst dann, wenn man hierfür auch nicht gesetzlich umschriebene Verhaltensweisen ausreichen lässt, ausscheiden. Da die Angeklagte weder am Tatort anwesend noch mittels telefonischen Kontakts unmittelbar, etwa durch Ratschläge, auf das konkrete Geschehen einwirken konnte, wäre sie in diesem Fall lediglich als Teilnehmer einzuordnen. Aber auch dann, wenn man den Begriff der Tatherrschaft weiter fasst und ebenfalls Vorbereitungshandlungen mit in die Beurteilung einer täterschaftlichen Deliktsverwirklichung einbezieht, dürfte eine diesbezügliche Erfassung des Verhaltens von Frau Zschäpe schwierig werden: Insofern ist zu berücksichtigen, dass der oben angesprochene „Bandenchef“, dem verschiedene Stimmen unabhängig von seiner Mitwirkung am Tatort die Stellung als Mittäter zubilligen, eine besondere Ausnahme darstellt, da dessen Mittäterschaft mit seiner größeren Gestaltungsherrschaft im Vorfeld begründet wird. Da er der „Boss“ ist, dirigiert er die einzelnen Mitglieder quasi bereits vorab und teilt ihnen mit, wie sie sich bei der Tatausführung im Einzelnen zu verhalten haben. Diese hierarchisch hervorgehobene Position ist bei Frau Zschäpe freilich nicht zu finden. Vielmehr betont die Staatsanwaltschaft, dass keiner der drei NSU-Mitglieder eine Anführerrolle innegehabt habe und alle Entscheidungen gemeinsam getroffen und vorbereitet worden seien. Geht man damit davon aus, dass die Angeklagte Zschäpe ein gleichberechtigtes Mitglied der NSU-Zelle gewesen ist, kann man ihr gegebenenfalls eine „Mittäterschaft“ im Hinblick auf die Gesamtorganisation der Terrorvereinigung zubilligen. Dies ändert jedoch nichts daran, dass bezüglich der einzelnen Taten, die aus dieser Organisation heraus begangen wurden, die Zuschreibung einer solchen Rolle schwierig bleibt; schließlich wäre es auch schief, würde man behaupten, dass einer ihrer Spießgesellen die Wohnmobile, mit welchen sich das Trio durch Deutschland bewegte, aufgrund seiner Stellung in der Organisation mit angemietet habe, obwohl dies offenbar allein in den Verantwortungsbereich von Frau Zschäpe gefallen ist.
d) Geht man schließlich von der aktuellen Rechtsprechung und ihrem gemischt objektiv-subjektiven Täterbegriff aus, ist, wie bereits angedeutet, jedwede Lösung vertretbar, sofern man sie nur stringent begründet. Danach kann im Hinblick auf die wesentliche Beteiligung der Angeklagten an der Gesamtorganisation und ihrem Willen zur Tat durchaus eine Täterschaft ins Auge gefasst werden.
Der BGH hat in einem Beschluss vom 28. Februar 2012 (3 StR 435/11 = StraFo 2012, 239 = wistra 2012, 302 f.) zu einigen Fragen der Beihilfe Stellung genommen und dabei insbesondere die Anforderungen, die an den Vorsatz des Gehilfen zu stellen sind, präzisiert.
1. Worum geht’s?
Nach den Feststellungen der Eingangsinstanz leisteten die Angeklagten in unterschiedlichem Umfang durch das Bereitstellen von Bankkonten, durch Weiterüberweisung und die Abhebung eingegangener Geldbeträge Beihilfe zum Computerbetrug zum Nachteil von Online-Banking-Nutzern durch sog. „Phishing“. Zur subjektiven Tatseite hat das Landgericht festgestellt, den Angeklagten sei bewusst gewesen, „dass die Zahlungseingänge einen illegalen Hintergrund hatten“. Die Angeklagte A habe zumindest mit bedingtem Vorsatz gehandelt, da sie „bewusst in Kauf genommen“ habe, „jedwede, den Umständen nach nicht fernliegende Art von Vermögensdelikten, insbesondere auch Delikte des Computerbetrugs durch ihr Verhalten zu unterstützen“. Ebenso habe der Angeklagte B den subjektiven Tatbestand der Beihilfe zum Computerbetrug erfüllt. Auch wenn er Einzelheiten dazu, wie die Gelder auf die Konten gelangt seien, nicht „konkret“ gekannt habe, sei ihm doch bewusst gewesen, dass es sich um etwas „Illegales“ gehandelt habe. Er habe dies nicht weiter hinterfragt und damit „bewusst in Kauf genommen, irgendeine, nicht fernliegende Art von Vermögensdelikten, darunter auch einen etwaigen Computerbetrug, durch sein Verhalten zu unterstützen“. Das Landgericht hat beide Angeklagte wegen Beihilfe zum Computerbetrug verurteilt.
2. Was sagt der BGH?
Der BGH hat beide Urteile aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an eine andere Kammer des LG zurückverwiesen. Zu den wesentlichen Aussagen des Beschlusses:
a) Keine ausreichenden Feststellungen zum Beihilfevorsatz
Der entscheidende Senat hat zunächst bemängelt, dass nach den Feststellungen des LG den Erfordernissen an die subjektive Tatseite einer Beihilfe nicht genügt sei:
Zwar braucht der Gehilfe Einzelheiten der Haupttat nicht zu kennen und keine bestimmte Vorstellung von ihr zu haben (BGH, Beschluss vom 20. Januar 2011 – 3 StR 420/10, NStZ 2011, 399, 400; Urteil vom 18. April 1996 – 1 StR 14/96, BGHSt 42, 135, 137). Eine andere rechtliche Einordnung der Tat ist für den Gehilfenvorsatz unschädlich, sofern die vorgestellte Haupttat in ihrem Unrechtsgehalt von der tatsächlich begangenen nicht gänzlich abweicht (Fischer, StGB, 59. Aufl., § 27 Rn. 22). Allerdings muss der Gehilfe seinen eigenen Tatbeitrag sowie die wesentlichen Merkmale der Haupttat, insbesondere deren Unrechts- und Angriffsrichtung, im Sinne bedingten Vorsatzes zumindest für möglich halten und billigen. Dieses Mindestmaß einer Konkretisierung des Gehilfenvorsatzes hat das Landgericht nicht festgestellt. Dass die Angeklagten „jedwedes“ oder „irgendein“ Vermögensdelikt fördern wollten, reicht nicht aus.
b) Möglichkeit der Strafbarkeit wegen Begünstigung
Des Weiteren weist der BGH darauf hin, dass nach vorliegender Sachverhaltskonstellation, bei der es u.a. um die Weiterleitung und Abhebung von durch Computerbetrug erlangten Geldern ging, neben einer Beihilfe auch eine Strafbarkeit wegen Begünstigung (§ 257 StGB) im Raum stehe. Er macht aus diesem Anlass Ausführungen zur Abgrenzung beider Delikte:
Der neue Tatrichter wird bei der Bewertung der Tatbeiträge der Angeklagten zu berücksichtigen haben, dass Beihilfe nur bis zur materiellen Beendigung der Haupttat, also bis zur endgültigen Sicherung ihres Erfolges, möglich ist. Danach kommt nach Maßgabe des § 257 Abs. 3 StGB eine Strafbarkeit wegen Begünstigung in Betracht. Von einer materiellen Beendigung solcher Taten des Computerbetruges, bei denen aufgrund einer Manipulation des Datenverarbeitungsvorgangs Geldbeträge von Konten der Geschädigten auf Empfängerkonten geleitet werden, ist auszugehen, sobald entweder das überwiesene Geld vom Empfängerkonto abgehoben wurde oder es auf ein zweites Konto weiterüberwiesen worden ist.
c) Abgrenzung von Tateinheit zu Tatmehrheit
Schließlich nimmt der Senat – wiederum eingekleidet in einen Hinweis für die neue Verhandlung – zur Differenzierung zwischen Tateinheit und Tatmehrheit bei einer Diskrepanz zwischen der Anzahl an geleisteten Beihilfehandlungen zu der Menge der geförderten Haupttaten Stellung:
Bei der Bestimmung des Konkurrenzverhältnisses (…) wird der neue Tatrichter zu beachten haben, dass die Förderung mehrerer rechtlich selbständiger Taten durch eine Beihilfehandlung nur als eine Beihilfe im Rechtssinne zu werten ist. Leistet der Gehilfe allerdings nicht nur durch eine Beihilfehandlung zu verschiedenen Haupttaten, sondern zusätzlich zu jeder Haupttat noch durch weitere selbständige Unterstützungshandlungen Hilfe im Sinne des § 27 Abs. 1 StGB, so stehen die Beihilfehandlungen für jede Haupttat im Verhältnis der Tatmehrheit zueinander (…).
3. Warum ist die Entscheidung wichtig?
a) Der Beschluss des BGH präzisiert zunächst die Erfordernisse, die an einen tauglichen Beihilfevorsatz zu stellen sind, was grundsätzlich begrüßenswert ist. Im Allgemeinen wird ja angenommen, dass die Anforderungen an den subjektiven Tatbestand des Gehilfen geringer anzusetzen sind als diejenigen, die für den Anstifter gelten. Begründet wird dies damit, dass letzterer eine zu konkretisierende Tat erst vorgibt, während der Gehilfe eine bereits konkretisierte Tat begleitet (prägnant Satzger, Jura 2008, 514 [520]). Der BGH stellt nun klar, dass diese Herabsetzung der Anforderungen an die Beihilfe nicht so weit reichen kann, dass bereits der Gedanke an „irgendein Vermögensdelikt“, welches der Haupttäter verwirklicht, ausreichend wäre, um die Strafbarkeit des Gehilfen zu begründen. Dies erscheint insoweit stimmig, als dass die Unrechtsdiskrepanz zwischen unterschiedlichen Vermögensdelikten beträchtlich sein kann (vgl. z.B. den Strafrahmen des Diebstahls mit demjenigen des Raubes), so dass eine automatische Haftung des Gehilfen, der keine präziseren Vorstellungen hegt, für einen durch den Haupttäter erfüllten Tatbestand mit hohem Strafrahmen evident ungerecht erscheint. Freilich kann diese Linie zu einer Begünstigung von Gehilfen führen, die bewusst davor die Augen verschließen, welche Delikte der Haupttäter realisiert – man denke etwa an die Ehefrau des Mafiabosses, die ihren Mann in dessen illegalem Tun durch Verstecken von Geld o.ä. mittelbar unterstützt, ohne dass sie so genau weiß, noch wissen möchte, womit der werte Gatte so den gemeinsamen Lebensstil erwirtschaftet.
b) Bei dem Hinweis des Gerichts, dass zusätzlich zu der von der Vorinstanz angenommenen Beihilfe nach § 27 StGB auch eine Begünstigung gem. § 257 StGB in Betracht komme, ist insbesondere der auch in den Entscheidungsgründen zu findende Verweis auf Abs. 3 der letztgenannten Norm wichtig. Danach wird nämlich wegen Begünstigung nicht bestraft, wer wegen Beteiligung an der Vortat strafbar ist (S. 1), wobei eine Ausnahme für denjenigen Vortatbeteiligten gilt, der sich an der anschließenden Begünstigung durch Anstiftung des Helfenden beteiligt (S. 2). Legt man danach die Feststellungen der Vorinstanz zugrunde, wie sie aus dem Beschluss des BGH hervorgehen, dürfte eine (zusätzliche) Strafbarkeit der Angeklagten wegen Begünstigung im Ergebnis zu verneinen sein: Denn soweit beide Angeklagten bereits durch das „Bereitstellen von Bankkonten“ (erstmalig) den Zufluss von Geldern aus der Begehung von Taten des Computerbetrugs an den Haupttäter ermöglicht haben, liegt darin noch eine Förderung der Vortat, die erst mit der Realisierung der subjektiven Innentendenz, also dem tatsächlichen Erlangen des mit Bereicherungsabsicht erstrebten Vermögensvorteils, beendet ist. Die weitergehenden Unterstützungshandlungen, die durch das Abheben bzw. die Weiterleitung des Geldes eingeleitet wurden, wären dann straflos.
c) Zuletzt noch einige ergänzende Worte im Hinblick auf die vom BGH ebenfalls erörterte Behandlung der Konkurrenzen bei der Beihilfe: Dass es bei der Frage des Vorliegens von Tateinheit oder Tatmehrheit bei der Teilnahme auf das Verhalten des Teilnehmers und nicht etwa auf die Anzahl der Taten des Haupttäters ankommt, erscheint unmittelbar einsichtig, da der Teilnehmer schließlich für seine eigenen Verhaltensweisen und nicht für diejenigen des Haupttäters bestraft wird. Zu ergänzen bleibt allerdings, dass nach der Rspr. wegen der Akzessorietät der Teilnahme zur Haupttat ebenfalls nur Tateinheit gegeben ist, wenn zwar mehrere Teilnahmehandlungen, aber nur eine Haupttat vorliegt (vgl. BGH, Urteil v. 14.04.1999 – 1 StR 678/98 [= NStZ 1999, 513 f.]) – die Abhängigkeit der Teilnahme von der Haupttat wirkt sich i.E. also stets zu Gunsten, nie zu Lasten des Teilnehmers aus. Zum Schluss sei noch darauf hingewiesen, dass das eigentlich als selbstverständlich erscheinende Abstellen auf die bereits verwirklichten Tathandlungen des jeweiligen Beteiligten im Rahmen der versuchten Beteiligung nach § 30 Abs. 2 StGB zwischen den Senaten des BGH lebhaft umstritten ist: Während auch hier teilweise (zu Recht) die bereits vollzogenen Beteiligungshandlungen als Maßstab genommen werden (BGH, Urteil v. 17.02.2011 d – 3 StR 419/10 [= BGHSt 56, 170 ff.]), stellt eine andere Entscheidung zur Bestimmung des Konkurrenzverhältnisses auf die erst zukünftig geplanten Taten ab (BGH, Urteil v. 13.01.2010 – 2 StR 439/09 [= NJW 2010, 623 f.]).
Anm. zu BGH, Urteil v. 29.11.2011 – 1 StR 287/11, wistra 2012, 180 ff.
1. Worum geht es?
Die Vorinstanz, das LG Traunstein, verhandelte einen Fall von (teilweise versuchten) Vermögens- und Körperverletzungsdelikten, bei denen das Opfer R im Auftrag eines Dr. S durch verschiedene Attacken in Re. eingeschüchtert werden sollte, um von S erhobene Forderungen, die tatsächlich nicht bestanden, zu begleichen. Beteiligt an diesen Attacken sollte u.a. der Angeklagte B sein. Dieser hat „im Laufe der Hauptverhandlung“ zunächst mündlich und am zehnten Verhandlungstag schriftlich über seinen Verteidiger Folgendes erklärt: Er sei von einem Mitglied der „Hells Angels“ beauftragt worden, in Re. bei einer „Abreibung (…) Schmiere zu stehen“ und erforderlichenfalls einzugreifen. Der Tatort sei ihm genannt worden, sonst nichts. Die Täter der Abreibung seien ihm ebenso unbekannt gewesen wie der Auftraggeber. Er habe aus der Ferne beobachtet, wie zwei Männer R angriffen. Als diesem eine Frau zu Hilfe kam, seien die Männer geflüchtet, worauf er (der Angeklagte) ebenfalls geflüchtet sei. Sonst wisse er nichts. Das LG hat den B u.a. mit der Erwägung freigesprochen, dass nach seiner (als glaubhaft bewerteten) Aussage keine Strafbarkeit wegen Beihilfe in Betracht komme.
2. Was sagt der BGH dazu?
Der BGH hat zunächst der Rechtsansicht des LG zugestimmt. Dabei differenziert er zwischen mehreren Beihilfeformen, die vorliegend in Betracht kommen: Zunächst führt er aus, dass aufgrund der bloßen Anwesenheit des B am Tatort eine psychische Beihilfe vorliegen könne (Beihilfe durch Bestärken des Tatentschlusses); diese setze aber im Gegensatz zu einer die Tat objektiv fördernden, physischen Beihilfe eine Kenntnis des Täters von der Anwesenheit des Gehilfen voraus, was hier nach der Einlassung des B nicht gegeben sei (Rz. 18 f. – zitiert nach juris). Daneben komme aber auch eine psychische Beihilfe in Betracht, da B nach eigenen Angaben am Tatort nicht nur anwesend sein, sondern auch Schmierestehen sollte (Rz. 19). Insoweit fehle es aber am Eintritt einer tauglichen Beihilfehandlung: Das bloße Bereitstehen für ein Eingreifen sei noch kein objektiver, die Tat fördernder Beitrag, sondern bloße Vorbereitungshandlung hierzu. Dass dadurch der Bereich strafbaren Verhaltens noch nicht erreicht sei, folge aus der Straflosigkeit der gegenüber einer Vorbereitung sogar weiter gehenden versuchten Beihilfe (Rz. 20). Nach Auffassung des BGH hat die Vorinstanz allerdings eine ausreichende Beweiswürdigung im Hinblick auf das Tatgeschehen insoweit vermissen lassen, als nach den Darlegungen in den Urteilsgründen eine bloß isolierte Würdigung der Aussage des B zu befürchten sei. Insbesondere könne nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass die Haupttäter tatsächlich keine Kenntnis von der Anwesenheit des B gehabt hätten (Rz. 21); u.a. deswegen hat der BGH die Sache an eine andere Kammer des LG zurückverwiesen.
3. Warum ist die Entscheidung wichtig?
Der BGH behandelt in dem vorliegenden Urteil einige wichtige Fragen bzgl. der Anforderungen an eine taugliche Beihilfehandlung (ein Prüfungsschema zur Beihilfe findet sich hier):
a) Zunächst erscheint hierbei seine Feststellung kritikwürdig, dass die „bloße objektiv die Tat nicht fördernde Anwesenheit am Tatort (…) ‚psychische‘ Beihilfe sein“ kann. Denn sofern allein auf die bloße Anwesenheit des Gehilfen am Tatort abgestellt wird, geht es im Grunde genommen um den Vorwurf eines Unterlassens (nicht weggehen, nicht einschreiten), was aber nur im Falle einer Garantenstellung strafwürdig sein kann (vgl. Kindhäuser, Lehr- und Praxiskommentar StGB, 4. Aufl. 2010, § 27 Rn. 11). Da der BGH in früheren Entscheidungen die bloße Anwesenheit am Tatort gerade noch nicht als ausreichend für die Erfüllung einer Beihilfehandlung angesehen hat (dazu BGH, NStZ 2002, 139 m.w.N.; anders für den Fall, dass darüber hinaus eine Billigung der Tat gegenüber dem Täter zum Ausdruck gebracht wird, BGH, a.a.O.), ist die vorliegende Formulierung zumindest missverständlich.
b) Soweit das Gericht sodann feststellt, dass bei einer psychischen Beihilfe eine Kenntnis des Haupttäters vom Gehilfen zwingend erforderlich ist, erscheint diese Anforderung bereits aus der Natur der Sache einleuchtend. Zusätzlich ist eine solche Position auch deswegen konsistent, weil ebenso bei der Anstiftung als „großem Bruder“ der psychischen Beihilfe nach überwiegender Auffassung eine Kenntnis des Haupttäters vom beeinflussenden Teilnehmer gefordert wird (was, wenn man mit einer M.M. bei der Anstiftung keinen „Kommunikationsakt“ einfordert, sondern auch das Herstellen eines situativen Tatanreizes für ausreichend erachtet, bei Weitem nicht selbstverständlich ist).
c) Die interessanteste Aussage zur Beihilfe findet sich dann aber am Schluss der einschlägigen Textpassage: Wenn der BGH dort ausführt, dass ein Schmierestehen am Tatort die Haupttat noch nicht unmittelbar „fördert“, sondern als bloße Vorbereitungshandlung hierzu zu bewerten sei, überrascht dies insoweit, als dem BGH oft der Vorwurf gemacht wird mit seiner „Förderungstheorie“, die explizit das Erfordernis einer Kausalität des Teilnehmerbeitrags für die Haupttat zurückweist, Vorschub für die Einbeziehung auch versuchter Beihilfehandlungen zu leisten (vgl. nur Roxin, AT/2, 1. Aufl. 2003, § 26/189). Dass sich der BGH zur Begründung seiner vorliegenden Wertung dabei gerade auf einen Aufsatz von Roxin beruft (Miyazawa-FS, 1995, S. 504 ff – s. Rz. 19, 20 des Urteils), verblüfft noch zusätzlich: Denn Roxin führt in seinem Beitrag zwar im Einklang mit der hiesigen Entscheidung aus, dass bei einem bloßen „Bereithalten“ des Gehilfen, von dem der Haupttäter nichts weiß, keine (objektive) Beihilfe anzunehmen sei (hierzu bedient er sich des Schulbeispiels, dass der „Kollege“ eines Taschendiebes sich – von diesem unbemerkt – in der Nähe aufstellt, um ihm notfalls unter Verursachung eines künstlichen Gedränges die Arbeit zu erleichtern). Eine taugliche Beihilfehandlung scheidet hierbei nach Roxin deswegen aus, da zwar durch ein solches Verhalten die Chancen des Haupttäters ex ante gesteigert würden, es aber an einer kausalen Veränderung des Tatablaufs fehle, wenn weder eine Verabredung mit dem Täter bestehe noch ein äußerer Deliktsbezug des Verhaltens erkennbar sei (Miyazawa-FS, S. 504 [511 f.]). Roxin lässt die Beihilfe hier also an einem Merkmal, nämlich der Kausalität, scheitern, dessen Erfordernis für eine taugliche Beihilfehandlung vom BGH gerade bestritten wird. Wenn man aber wie die Rspr. keine Kausalität für die Beihilfe fordert, bietet es sich an mit einem Teil der Literatur (insbesondere zur Abgrenzung vom [straflosen] untauglichen Versuch der Beihilfe) für die „Förderung“ der Haupttat allein darauf abzustellen, ob sich durch die Beihilfehandlung das Risiko zu Lasten des Opfers erhöht und sich diese Risikoerhöhung in der Haupttatbegehung niedergeschlagen hat (so z.B. S/S/W-Murmann, 1. Aufl. 2009, § 27 Rn. 3 m.w.N.). Ein solches könnte man im vorliegenden Fall aber durchaus vertreten: Denn aufgrund des „Bereithaltens“ des B am Tatort sind die Chancen zur erfolgreichen Deliktsbegehung ex-ante sicherlich gesteigert worden (vgl. hierfür auch Maurach/Gössel/Zipf, AT/2, 7. Aufl. 1989, § 52/8; S/S/W-Murmann, 1. Aufl. 2009, § 27 Rn. 4; die vorhandene Risikosteigerung räumt ja auch Roxin ein, s.o.). Damit ist im Ergebnis festzuhalten, dass die Verneinung einer Beihilfe durch den BGH in Hinblick auf das „Schmierestehen“ des B, jedenfalls unter Zugrundelegung der eigenen Prämissen des Gerichts, fragwürdig erscheint. Hinzu kommt, dass auch die Wertungen, die Roxin in seinem Festschriftbeitrag trifft, nicht unbedingt einleuchtend erscheinen: So möchte er es nur einige Textzeilen vor der vom BGH angeführten Stelle für eine taugliche Beihilfehandlung ausreichen lassen, dass eine Absicherung der Tat durch Schmierestehen des Gehilfen vorgenommen wird, auch wenn diese sich ex post als überflüssig darstellt (Miyazawa-FS, S. 504 [511]). Der wesentliche Unterschied zu seinem später gebrachten Schulbeispiel des Taschendieb-Kollegen ist aber offensichtlich in der dort fehlenden Kenntnis des Täters von der Hilfe zu erblicken: Denn der bereits vorhandene, objektive Tatbeitrag des Gehilfen ist in beiden Fällen mit einem konzentrierten Abwarten und Bereithalten für die jeweils erforderliche Eingriffshandlung (Verursachung eines Gedränges hier, Warnrufe dort) zutreffend beschrieben. Damit wird aber der Unterschied zwischen der gerade auf eine Kenntnis des Täters verzichtenden, objektiv chancensteigernden physischen Beihilfehandlung und der einer solche Kenntnis bedürftigen, täterbeeinflussenden psychischen Gehilfenschaft verwischt.