An dieser Stelle möchten wir Euch ausdrücklich auf eine weitere aktuelle Entscheidung des OLG Hamm zu der Frage hinweisen, ob der für Zwecke einer Ankaufuntersuchung zwischen einem Verkäufer und dem Tierarzt geschlossene Vertrag Schutzwirkung zu Gunsten des späteren Käufers entfaltet (21 U 143/12). Die Entscheidung ist deshalb von besonderer Bedeutung, weil der 21. Zivilsenat die Schutzwirkung zu Gunsten Dritter bejaht und sich dabei ausdrücklich gegen die erst vor wenigen Monaten ergangenen Rechtsprechung des 12. Zivilsenats wendet (wir hatten berichtet).
I. Sachverhalt
Der Sachverhalt ist in den hier problematischen Fällen in seinen Grundzügen gleich: Die Klägerin erwirbt von einem Pferdeverkäufer ein Pferd (hier eine Schimmelstute), das über eine im Kaufvertrag festgehaltene Eigenschaft verfügt (hier war die Stute laut Kaufvertrag vier Jahre alt und wurde als Reitpferd erworben). Das ganze erfolgt zu einem bestimmten Kaufpreis (hier 2.700 Euro). Der Kaufvertrag wird erst wirksam, wenn eine Ankaufsuntersuchung durch eine Tierarztpraxis erfolgreich durchgeführt worden ist. Der Verkäufer beauftragt daraufhin die Beklagte (Tierarztpraxis) mit der Ankaufsuntersuchung. Ansprüche der Käuferin gegen die Praxis sind in den Vertragsbedingungen, die dem Vertrag zwischen Verkäufer und Praxis zu Grunde liegen, ausgeschlossen. Die Untersuchung wird fehlerhaft durchgeführt (hier versäumte es der untersuchende Tierarzt, in dem über die Ankaufsuntersuchung erstellten Protokoll zu vermerken, dass das Tier noch ein vollständiges Milchgebiss hatte und deshalb – entgegen den Angaben im Kaufvertrag und im Pferdepass – noch keine vier Jahre alt sein konnte). Die Käuferin billigt das Protokoll und der Vertrag wird wirksam. Nachdem die Käuferin erfährt, dass das Tier erst ca. 2 ½ Jahre alt ist, nimmt sie die Tierarztpraxis auf Schadensersatz in Höhe ihrer Aufwendungen für das Pferd (bis zum Erreichen des vierten Lebensjahres) in Anspruch, weil sie zum einen das Pferd vor diesem Hintergrund nicht gekauft hätte und es zum anderen vorher als Reitpferd nicht einsetzbar gewesen sei.
II. Anspruch der Käuferin gegen die Tierarztpraxis aus § 280 Abs. 1 in Verbindung mit dem Untersuchungsvertrag und den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung für Dritte (VSD)
Ein solcher Anspruch setzt voraus, dass die Voraussetzungen eines VSD vorliegen.
a) Leistungsnähe der K und Erkennbarkeit für den Tierarzt
Insoweit hat der 21. Zivilsenat, genau wie auch der 12. Zivilsenat, keine Bedenken:
Ein – wie hier – zwischen Verkäufer und Tierarzt im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Kaufvertrages geschlossener Vertrag über die Durchführung einer tierärztlichen Ankaufsuntersuchung entfaltet Schutzwirkung für den Kaufinteressenten. Dies ergibt sich aus der – der Beklagten naturgemäß bekannten – Bestimmung der Ankaufsuntersuchung, der Klägerin als Kaufinteressentin Aufschluss über die gesundheitliche Verfassung des Tieres zu geben und ihr so als Grundlage für ihren Kaufentschluss zu dienen.
b) Einbeziehungsinteresse des Verkäufers
Während der 12. Zivilsenats das Einbeziehungsinteresse des Verkäufers mit dem Argument verneint hatte, durch den Ausschluss der Haftung gegenüber Dritten hätten die Parteien zum Ausdruck gebracht, dass eine solche Einbeziehung Dritter nicht gewollt sei (siehe dazu hier), bejaht der 21. Zivilsenat auch insoweit die Voraussetzungen des VSD.
Der Senat begründet seine Auffassung mit § 242 BGB. Denn der Untersuchungsvertrag sah ausdrücklich vor, dass der Verkäufer das Ergebnis der Untersuchung dem Käufer vorlegen konnte. Dann aber, so der 21. Zivilsenat, könne der Tierarzt sich nicht andererseits auf den ebenfalls in dem Vertrag vereinbarten Haftungsausschluss gegenüber Dritten (also dem Käufer) berufen.
Dabei verkennt der Senat zunächst nicht, dass sich die Klägerin grundsätzlich Haftungsbeschränkungen und -freizeichnungen, die sich aus dem Verhältnis zwischen der Beklagten und ihrem Vertragspartner, dem Verkäufer F, ergeben, analog § 334 BGB entgegenhalten lassen muss (vgl. BGH NJW 1971, 1931 [1932]). Eine Haftungsfreizeichnung nur zu Lasten der Klägerin ist aber in der vorliegenden Konstellation zum einen als venire contra factum proprium gem. § 242 BGB und zum anderen als AGB – was der Senat jedoch letztlich offen lassen kann – entweder bereits gem. §§ 309 Nrn. 7 und 8 lit. b) aa) BGB oder aber jedenfalls gem. § 307 Abs. 1 und 2 BGB unwirksam (vgl. MünchKomm/Gottwald, 6. Aufl. 2012, § 328 BGB, Rdnr. 191 mwN.).
Besonders wichtig ist es nun, zu erkennen, dass sich der Fall möglicherweise genau an dieser Stelle doch entscheidend von dem Sachverhalt, der dem 12. Zivilsenat zur Entscheidung vorlag, unterscheidet. Ob insoweit nämlich auch eine Klausel in dem Vertrag enthalten war, die eine Vorlage des Untersuchungsergebnisses beim Käufer ausdrücklich vorsah, lässt sich den Entscheidungsgründen nicht entnehmen.
Der insoweit (möglicherweise) gegenteiligen Auffassung des 12. Zivilsenats (vgl. OLG Hamm, Urteil v. 29.05.2013, Az. 12 U 178/12, Tz. 37, zit. nach juris, aus dem sich der genaue Wortlaut der dort einschlägigen Klausel allerdings nicht ergibt) folgt der erkennende Senat nicht. Die Beklagte kann nicht einerseits dadurch einen Vertrauenstatbestand schaffen, dass sie die Vorlage des Untersuchungsergebnisses an den jeweiligen Kaufinteressenten ausdrücklich gestattet, weil es gerade Sinn und Zweck einer – auch vom Verkäufer in Auftrag gegebenen – Ankaufsuntersuchung ist, dem Käufer hierdurch eine (entscheidende) Grundlage für seinen Kaufentschluss zu verschaffen, zugleich aber jegliche Haftung hierfür gegenüber dem Dritten ausschließen wollen. Dies gilt umso mehr, als ein Schaden infolge einer fehlerhaft durchgeführten Ankaufsuntersuchung typischerweise gerade – ausschließlich – beim Käufer eintritt.
III. Bewertung
Die Tatsache, dass zwei Senate desselben Gerichts binnen weniger Monate über grundsätzlich identische Sachverhalte unterschiedlich entschieden haben, dürfte schon Grund genug sein, die Thematik zum Gegenstand einer Examensklausur zu machen. Mit guter Argumentation dürfte hier vieles vertretbar sein. Enthält der Untersuchungsvertrag eine Klausel, wonach der Verkäufer ausdrücklich zur Vorlage des Untersuchungsergebnisses beim Käufer berechtigt ist, empfiehlt es sich aber, mit dem 21. Senat das Einbeziehungsinteresse des Verkäufers zu bejahen und die Wirksamkeit des Haftungsausschlusses zu verneinen.
Darüber hinaus behandelt die neue Entscheidung des 21. Senats zahlreiche weitere examensrelevante Fragen. Hingewiesen sei insoweit auf folgende Gesichtspunkte (im Übrigen wird die Lektüre der Originalentscheidung dringend empfohlen):
Das Gericht spricht den Anspruch konkret aus §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 BGB in Verbindung mit den Grundsätzen des VSD zu. Da durch eine Nachbesserung des Gutachtens der streitgegenständliche Schaden, welcher der Klägerin durch den Ankauf des Pferdes entstanden ist, nicht mehr verhindert oder vermindert werden kann, sondern die Klägerin vielmehr Schadensersatz wegen Mangelfolgeschadens begehrt, war eine mit einer entsprechenden Fristsetzung verbundene Aufforderung zur Mängelbeseitigung (§§ 634 Nr. 4, 281 BGB) entbehrlich.
Fürs zweite Examen interessant ist die Frage der Kausalität des Fehlers für den Kaufentschluss der Klägerin. Insoweit lässt sich leicht eine Beweisaufnahme in die Akte einbauen.
Wird eine Tierarztpraxis in Anspruch genommen, muss sie sich das (gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB vermutete) Verschulden des behandelnden Arztes über § 31 BGB zurechnen lassen.
Der Verkäufer und die Käuferin hatten im Laufe des Verfahrens einen Vergleich geschlossen. Insoweit wäre § 423 BGB zu erörtern, wonach ein zwischen dem Gläubiger und einem Gesamtschuldner vereinbarter Erlass auch für die übrigen Schuldner wirkt, wenn die Vertragschließenden das ganze Schuldverhältnis aufheben wollen. Entsprechendes gilt zwar auch für den Vergleich, wenn der Tierarzt und der Verkäufer Gesamtschuldner sind. Die Auslegung des Vergleichs wird aber (wie hier) regelmäßig ergeben, dass eine Wirkung auch für den Tierarzt nicht gewollt gewesen sein dürfte.