Rezension: Jäckel/Schneider, Der strafrechtliche Aktenvortrag im Assessorexamen, 2. Aufl. 2011
Von Claudia Lecking
Jäckel/Schneider, „Der strafrechtliche Aktenvortrag im Assessorexamen“, 2. Auflage 2011, ISBN 978-3-406-62816-0
Das Buch ist Teil der JuraKompakt-Reihe – Studium und Referendariat. In dieser Reihe sind außerdem noch Jäckel, „Der zivilrechtliche Aktenvortrag im Assessorexamen“ und Kerst, „Der öffentlich-rechtliche Aktenvortrag im Assessorexamen“ erschienen. Das Buch ist für Referendare geschrieben, die frühestmöglich damit beginnen sollten Aktenvorträg einzuüben – dies zu betonen, werden alle Verfasser der Ratgeber-Bücher nicht müde.
1. Erscheinungsbild
Das Buch überzeugt durch sein ansprechendes äußeres Erscheinungsbild. Den Lesefluss störende Rechtschreibfehler sind nicht ersichtlich, lediglich die Schrift könnte ein wenig größer sein. Die gewählten Zwischenüberschriften sind sinnvoll und aussagekräftig. Der maßvolle Fettdruck ermöglicht es sich auch im Nachhinein, also nach der vollständigen Lektüre, noch einmal schnell das bereits Gelesene vor Augen zu führen. Die Formulierungsbeispiele, die sich durch die ersten 66 der 118 Seiten ziehen, sind grau unterlegt und kursiv gedruckt. Ebenfalls grau unterlegt sind die abgebildeten Prüfungsschemata.
2. Aufbau und Inhalt
Im Kapitel 1 bis Kapitel 4 finden sich eher allgemeine Ratschläge und Erläuterungen zu Grundlagen, Vorbereitung auf den Aktenvortrag, äußerer Vortragsweise und typische Hindernissen sowie der Bearbeitung der Prüfungsaufgabe. Diese ersten circa fünfundzwanzig Seiten sind beinahe wortgleich auch in den bereits erwähnten anderen Büchern dieser Reihe zu finden. Hierbei haben sich die jeweiligen Verfasser allerdings durchaus die Mühe gemacht, die Besonderheiten des jeweiligen Rechtsgebietes zu berücksichtigen. Besonders hilfreich fand ich insofern die Formulierungshilfen für den Fall, dass dem Examenskandidaten während des Vortrags der rote Faden verloren geht oder die Zeiteinteilung misslingt.
Kapitel 5 enthält detailliertere Erläuterungen zum grundlegenden Aufbau des Vortrags bezüglich der Begrüßungsformel, der Einleitung, des Sachberichts, des kurzen Entscheidungsvorschlags, der rechtlichen Würdigung inkl. vermeidbarer Fehler und des vollständigen Entscheidungsvorschlags. Auch in diesem Kapitel finden sich viele einfach umzusetzende Ratschläge und Beispielformulierungen, die auf viele denkbare Fragestellungen Antwort geben. Außerdem verdeutlichen die Verfasser sehr anschaulich, welche Unterschiede sich aus den verschiedenen Aufgabenstellungen ergeben können. Ebenfalls lobenswert ist der sehr deutliche Hinweis auf die möglichen Anknüpfungspunkte der rechtlichen Prüfung. Mag es noch jedem geläufig sein, dass für einen Haftbefehl ein dringender Tatverdacht erforderlich ist, so ist das Prüfungsprogramm aus Sicht des Richters, der über die Anordnung einer Durchsuchung zu entscheiden hat, vielleicht nicht jedem Referendar auf Anhieb bekannt.
In den folgenden Kapiteln 6, 7 und 8 werden die Besonderheiten von Aktenvorträgen aus Sicht des Staatsanwalts, des Richters und aus der Anwaltsperspektive dargestellt.
Jeweils zu Beginn der Kapitel 6 bis 8 finden sich Erläuterungen zu den denkbaren Aufgabenstellungen. So kann beispielhaft aus Sicht der Staatsanwaltschaft nicht nur über die Frage der Anklageerhebung oder des Erlasses eines Haftbefehls zu entscheiden sein, schon vorgekommen sind auch Aufgaben, in denen zu prüfen ist, ob eine Beschwerde gegen eine richterliche Entscheidung eingelegt werden soll oder wie zu einer Vorschaltbeschwerde des verletzten Strafantragsstellers Stellung zu nehmen ist. Schade ist allerdings, dass die an andere Stelle durchaus vorhandenen Prüfungsschemata in diesen Kapiteln fehlen und man sie sich im Rahmen der Vorbereitung aus anderen Lehr- und Lernunterlagen selbst zusammen suchen muss. Es dürfte für die Verfasser ein Leichtes sein, beispielsweise die Prüfungspunkte im Rahmen des Klageerzwingungsverfahrens oder auch die formellen Voraussetzungen für den Erlass des Haftbefehls, die teilweise bereits im Fließtext enthalten sind, in grau unterlegte Kästen einzufügen, so wie es im Kapitel über die Revision in der hier vorliegenden 2. Auflage bereits erfolgt ist. Gleiches gilt für die Entscheidung des Gerichts bei einer Beschwerde des Beschuldigten gegen den Erlass eines Haftbefehls oder die Zulässigkeit eines Einspruchs gegen einen Strafbefehl aus der Sicht des beratenden Anwalts. Dies würde es dem Referendar erheblich erleichtern sich schnell wieder in der – im Zweifel bereits bekannten – Materie zurecht zu finden. Wirklich bedauerlich ist allerdings, dass sich die Ausführungen zum Strafurteil – naturgemäß aus Richtersicht – darauf beschränken, dass es keine Besonderheiten beim Aufbau des Vortrages gäbe. Zwar wird in einer Fußnote ein weiterführender Hinweis auf einen Beispielsfall aus der Ausbildungsliteratur gegeben, der Referendar, der sich aber doch dieses Werk zum Lernen ausgesucht hat oder – noch schlimmer – der Examenskandidat unmittelbar vor der mündlichen Prüfung fühlt sich indes im Regen stehen gelassen. Auch Ausführungen zu Fällen, in denen ein Nebenkläger auftritt, ein Adhäsionsverfahren vorkommt, eine Stellungnahme der Staatsanwaltschaft zu einer Haftbeschwerde zu erstellen ist oder der Anwalt über die Erfolgsaussichten einer Haftbeschwerde oder über ein Vorgehen gegen einen Einstellungsbescheid zu beraten hat, fehlen bedauernswerter Weise völlig. Auch diesem „Manko“ könnte leicht abgeholfen werden.
Dem revisionsrechtlichen Vortrag ist ein eigenes Kapitel gewidmet. Vorbildlich finden sich hier neben den Formulierungsbeispielen auch Schemata zur Zulässigkeit der Revision, der Begründetheit der Revision und zur allgemeinen Prüfung einer Verfahrensrüge. Das Kapitel enthält auch gesonderte Zweckmäßigkeitserwägungen des Anwalts bezüglich der Revisionseinlegung.
In Kapitel 10 – nach immerhin 67 von 118 Seiten – sind schließlich fünf Übungsfälle, jeweils bestehend aus Vorbemerkung, Aktenauszug, ausformulierter Lösung und abschließenden ergänzenden Bemerkungen enthalten. Zwei der Fälle befassen sich mit Aktenvorträgen aus der Sicht der Staatsanwaltschaft, einer mit einer gerichtlichen Entscheidung und die letzten beiden Fälle betreffen Aufgabenstellungen, in denen aus Anwaltsperspektive zu beraten ist. Die ausformulierte Lösung ist besonders hilfreich, denn insbesondere über die Sachverhaltsdarstellung verlieren die in einigen Bundesländern über die Internetauftritte der Landesjustizprüfungsämter aufzufindenden Lösungsskizzen zu den dort zu Übungszwecken angebotenen Aktenvorträgen kein Wort. Die abschließenden ergänzenden Bemerkungen sind dazu gedacht dem Leser noch einmal die Besonderheiten und Schwerpunkte des jeweiligen Falles aufzuzeigen.
Auf den letzten beiden Seiten – vor dem Stichwortverzeichnis – sind zwei Kurzübersichten über den Aufbau und die Zeiteinteilung sowie das „Wichtigste auf einen Blick“ zu finden.
3. Fazit
Das Werk ist trotz der angesprochenen Verbesserungsmöglichkeiten wohl mit das beste der derzeitig erhältlichen Bücher zum strafrechtlichen Aktenvortrag im Assessorexamen. Es bietet den vollständigsten Überblick, so dass der Referendar und Examenskandidat nach der Lektüre dieses Buches wohl am wenigsten Gefahr läuft in der Examensprüfung von einer unbekannten Fallkonstellation kalt erwischt zu werden. Wirklich vollständig ist aber auch der hier vermittelte Eindruck der möglichen Prüfungsaufgaben leider nicht. Insbesondere die – zugegebenermaßen eher seltenen – denkbaren Beratungssituationen aus Anwaltssicht sind spürbar zu kurz gekommen. Anzumerken ist weiterhin, dass die Übungsfälle nur bedingt zur – examensrealitätsnahen – Vorbereitung geeignet sind. Allein die Vorbereitungszeit variiert in den verschiedenen Bundesländern von 60 bis zu 90 Minuten, so dass dieses Buch das selbständige Einüben von Aktenvorträgen wohl weder ersetzen kann, noch will. Hier ist vor allem der Referendar selbst gefragt, sich über die entsprechenden Internetangebote einiger Justizprüfungsämter das notwendige Übungsmaterial zu verschaffen.
Die Autorin Claudia Lecking absolvierte ihr Studium und ihr Referendariat in Bonn. Sie ist derzeit wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Freshfields Bruckhaus Deringer in Düsseldorf.
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