BGH: Zum arglistigen Verschweigen eines Mangels beim Grundstückskauf
Der BGH hat in einer aktuellen Entscheidung (Urt. v. 16.3.2012 – V ZR 18/11) den ausgesprochen klausurträchtigen § 444 BGB ausgelegt. Hier zunächst der Leitsatz (s. bereits hier):
Das Unterlassen eines Hinweises des Verkäufers, dass er sich über die Ursache der sichtbaren Symptome eines Mangels (Feuchtigkeitsflecken) nicht sicher sei, stellt kein arglistiges Verschweigen eines Mangels dar.
I. Sachverhalt (vereinfacht)
Der Kläger kaufte mit notariellem Kaufvertrag für rund EUR 600.000,- ein mit einem unterkellerten Einfamilienhaus bebautes Grundstück. Das Haus stammte von 1936. Der Vertrag enthielt einen Ausschluss für die Haftung wegen eines Sachmangels des Grundstücks und des Gebäudes mit Ausnahme vorsätzlich zu vertretender oder arglistig verschwiegener Mängel.
In dem Exposé war die rede davon, dass ein Kellerraum „nicht wirklich Keller“ sei, sondern als „Gästezimmer, Büro, Club oder Bibliothek“ geeignet sei. Bei der Besichtigung des Hauses stellte der Kläger Feuchtigkeit an einer der Wände des Kellerraums fest. Auf die Nachfrage, woher diese Feuchtigkeitsflecken stammten, aüßerte der Beklagte nur Vermutungen (die im Urteil nicht widergegeben werden). Tatsächlich war ihm die Ursache nicht bekannt.
Später stellte sich heraus, dass eine sog. Horizontalsperre, die das Aufsteigen von Wasser durch die Wände verhindern soll, entweder nicht vorhanden oder eine vorhandene Horizontalsperre nicht mehr intakt war. Dadurch wurde das gesamte Gebäude in seiner Substanz bedroht.
Der Kläger forderte den Beklagten erfolglos zur Nachbesserung auf und beauftragte anschließend selbst einen Handwerker mit der Reparatur. Er verlangt von dem Beklagten die Kosten in Höhe von rund EUR 130.000 ersetzt.
Das Landgericht gab der Klage dem Grunde nach statt. Der Beklagte habe den Mangel arglistig verschwiegen und könne sich nach § 444 BGB nicht auf den vereinbarten Haftungsausschluss berufen.
II. Entscheidung
Der BGH hebt das Urteil des Landgerichts auf und verweist es zur erneuten Verhandlung zurück. Ein Anspruch könne sich dem Grunde nach zwar aus den §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 Abs. 1, 437 Nr. 3, 434, 433 BGB ergeben. Das Landgericht habe aufgrund des festgestellten Sachverhalts zu Unrecht die Arglist bejaht.
Allerdings sei das Gebäude schon allein wegen der Feuchtigkeit des Kellerraums – und nicht etwa wegen der Gefahr für die übrige Bausubstanz – als mangelhaft anzusehen. Dem steht nach Ansicht des Fünften Senats im Ergebnis nicht entgegen, dass das Gebäude von 1936 stammt und Kellerabdichtungen damals unter Umständen noch nicht üblich waren (Rn. 14):
Richtig ist, dass bei Häusern, die zu einer Zeit errichtet wurden, als Kellerabdichtungen noch nicht üblich waren, nicht jede Feuchtigkeit im Keller einen Sachmangel begründet, sondern es auf die Umstände des Einzelfalls ankommt (Senatsurteile vom 7. November 2008 – V ZR 138/07, Rn. 13, juris und vom 27. März 2009 – V ZR 30/08, BGHZ 180, 205, 208; Krüger, ZNotP 2010, 42, 43). Im Einzelnen ist von Bedeutung, ob das Haus in einem sanierten Zustand verkauft wurde, der Keller Wohnzwecken diente, welcher Zustand bei der Besichtigung erkennbar war und wie stark die Feuchtigkeitserscheinungen sind (Senatsurteil vom 7. November 2008 – V ZR 138/07, Rn. 13, juris; Krüger, ZNotP 2010, 42, 43). Der bei Altbauten übliche Standard ist dann nicht maßgebend, wenn die Parteien eine abweichende Beschaffenheit vereinbart haben (§ 434 Abs. 1 Satz 1 BGB) oder wenn diese für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung (Nutzung des Kellers als Aufenthaltsraum) erforderlich ist.
Der Kellerraum eigne sich jedenfalls nicht für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung (Rn. 16):
Vertraglich vorausgesetzt im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB ist die nicht vereinbarte, aber von beiden Parteien übereinstimmend unterstellte Verwendung der Kaufsache, die von der gewöhnlichen Verwendung (hier von der bei Altbauten üblichen Nutzung der Kellerräume als Lagerraum) abweichen kann (Lemke/D. Schmidt, Immobilienrecht, § 434 BGB Rn. 36; ders. in PWW, BGB, 6. Aufl., § 434 Rn. 40; NK-BGB/Büdenbender, BGB, 2. Aufl., § 434 Rn. 21; Palandt/Weidenkaff, BGB, 71. Aufl., § 434 Rn. 20; OLG Düssel-dorf, NJW 2006, 2858, 2859). Zur Sollbeschaffenheit der Kaufsache gehören nach § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB zudem die Eigenschaften, die der Käufer nach den öffentlichen Äußerungen des Verkäufers oder der von ihm beauftragten Gehilfen erwarten darf, wozu auch die Angaben zur Nutzbarkeit eines Gebäudes in einem Exposé gehören (vgl. OLG Hamm, OLGR 2009, 161).
Nach dem Exposé sollte der Kellerraum als Gästezimmer etc. geeignet sein. Mit dieser vertraglich vorausgesetzten Nutzung sei Feuchtigkeit in den Wänden – anders als eventuelle bei einer Nutzung als Lagerraum – nicht zu vereinbaren.
Der Anspruch wäre allerdings ausgeschlossen, wenn der vertraglich vereinbarte Haftungsausschluss eingreifen würde. Dieser war für sich genommen wirksam, weil er nicht in AGB vereinbart war und die Grenze des § 309 Nr. 7 lit. b) BGB damit nicht galt.
Somit musste der Fünfte Senat sich mit der Frage auseinandersetzen, ob es dem Beklagten nach § 444 BGB verwehrt war, sich auf den Haftungsausschluss zu berufen. § 444 BGB ist allerdings dann nicht anwendbar, wenn der Mangel offensichtlich ist (Rn. 22 f.):
Bei einem Verkauf eines Gebäudegrundstücks besteht eine Pflicht nur zur Offenbarung verborgener Mängel oder von Umständen, die nach der Erfahrung auf die Entstehung und Entwicklung bestimmter Mängel schließen lassen, wenn es sich um Umstände handelt, die für den Entschluss des Käufers von Bedeutung sind, insbesondere die beabsichtigte Nutzung erheblich zu mindern geeignet sind (Senat, Urteile vom 7. Juni 1978 V ZR 46/75, WM 1978, 1073, 1074 und vom 16. Juni 1989 – V ZR 74/88, Rn. 15, juris). Bei den Mängeln, die einer Besichtigung zugänglich und damit ohne weiteres erkennbar sind, besteht dagegen keine Offenbarungspflicht. Der Käufer kann insoweit eine Aufklärung nicht erwarten, weil er diese Mängel bei der im eigenen Interesse gebotenen Sorgfalt selbst wahrnehmen kann…
Nicht ohne weiteres erkennbar sind indes solche Mängel, von denen bei einer Besichtigung zwar Spuren zu erkennen sind, die aber keinen tragfähi-gen Rückschluss auf Art und Umfang des Mangels erlauben (vgl. Senatsurteile vom 20. Oktober 2000 – V ZR 285/99, NJW 2001, 64 und vom 12. Januar 2001 – V ZR 322/99, Rn. 9, juris). In diesen Fällen muss der Verkäufer gemäß sei-nem Kenntnisstand aufklären und darf sein konkretes Wissen nicht zurückhal-ten (vgl. Senatsurteile vom 20. Oktober 2000 – V ZR 285/99, NJW 2001, 64 und vom 12. Januar 2001 – V ZR 322/99, Rn. 9, juris). Vermag der Verkäufer auf Grund eigener Sachkunde oder auf Grund eines von ihm eingeholten Gutach-tens Schlüsse auf den Mangel und seine Ursachen zu ziehen, die sich dem Käufer bei einer Inaugenscheinnahme der Symptome nicht in gleicher Weise aufdrängen, kann der Käufer erwarten, dass ein redlicher Verkäufer ihm diese Schlussfolgerungen mitteilt (Senatsurteil vom 7. Februar 2003 – V ZR 25/02, NJW-RR 2003, 772, 773).
Hier waren nur Feuchtigkeitsflecken zu sehen, während deren Ursache – das Fehlen einer Horizontalsperre – nicht zu erkennen war. Daraus folgert der BGH, dass den Beklagten eine Aufklärungspflicht traf, sofern ihm die Ursache des Mangels positiv bekannt war (Rn. 20).
Demgegenüber müsse der Beklagte nicht darauf hinweisen, dass er sich über die Ursache der Feuchtigkeitsflecken nicht sicher sei (Rn. 24 ff.):
Richtig ist zwar, dass das Tatbestandsmerkmal der Arglist in § 444 BGB nicht nur ein Handeln des Verkäufers, das von betrügerischer Absicht ge-tragen ist, sondern auch Verhaltensweisen erfasst, die auf bedingten Vorsatz im Sinne eines „Fürmöglichhaltens und Inkaufnehmens“ reduziert sind und mit denen kein moralisches Unwerturteil verbunden sein muss (vgl. Senatsurteile vom 3. März 1995 – V ZR 43/94, NJW 1995, 1549, 1550 und vom 22. Novem-ber 1996 – V ZR 196/95, NJW-RR 1997, 270). Voraussetzung für ein vorsätzliches Verschweigen eines Mangels ist jedoch stets, dass der Verkäufer den konkreten Mangel kennt oder zumindest für möglich hält (vgl. Senat, Urteil vom 7. März 2003 V
ZR 437/01, NJW-RR 2003, 989, 990).
Diese postive Kenntnis bzw. das „Für-Möglich-Halten“ habe das Landgericht nicht hinreichend festgestellt.
Der Beklagte habe auch nicht dadurch arglistig gehandelt, dass er Vermutungen über die Feuchtigkeistursache getätigt habe (Rn. 28):Der Verkäufer ist zwar verpflichtet, Fragen des Käufers richtig und vollständig zu beantworten (Senatsurteile vom 20. September 1996 – V ZR 173/95, NJW-RR 1997, 144, 155 und vom 27. März 2009 – V ZR 30/08, BGHZ180, 205, 215 Rn. 25). Allein der Umstand, dass Fragen – hier die nach der Ursache der Feuchtigkeitsflecken – falsch beantwortet wurden, begründet jedoch noch nicht den Vorwurf der Arglist. Derjenige, der gutgläubig falsche Angaben macht, handelt nämlich grundsätzlich nicht arglistig, mag der gute Glaube auch auf Fahrlässigkeit oder selbst auf Leichtfertigkeit beruhen (BGH, Urteil vom 8. Mai 1980 – IVa ZR 1/80, NJW 1980, 2460, 2461; Senatsurteil vom 12. Janu-ar 2001 – V ZR 322/99, BGHReport, 2001, 362, 363). Anders ist es, wenn der Verkäufer auf Fragen des Käufers falsche Angaben ohne tatsächliche Grundlage – „ins Blaue hinein“ – macht, mit deren Unrichtigkeit er rechnet. Wer so antwortet, handelt grundsätzlich bedingt vorsätzlich (Senat, Urteile vom 26. Sep-tember 1997 – V ZR 29/96, NJW 1998, 302, 303 und vom 12. Januar 2001 V ZR 322/99, BGHReport 2001, 362, 363).
Der Beklagte habe hier aber nicht „ins Blaue hinein“ Behauptungen aufgestellt, sondern dem Kläger die Ursache der Feuchtigkeitsflecken genannt, die er für plausibel hielt und hinsichtlich derer er gutgläubig war.
Hinterlasse einen Kommentar
An der Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns deinen Kommentar!