BGH: Regeln für Mietminderung bei Flächenunterschreitung gelten auch für möblierte Wohnung
Wir freuen uns über einen weiteren Gastbeitrag von Nicolas zu einem BGH Urteil vom 2.3.2011:
Wir berichteten bereits hier und zuletzt hier über die aktuelle Rechtsprechung des BGH zur Frage, wann eine Mietminderung wegen Unterschreitung der im Mietvertrag angegebenen Wohnfläche geltend gemacht werden kann. In einer neuen Entscheidung des BGH (Urteil vom 02.03.2011 – VIII ZR 209/10) wird klargestellt, dass diese Regeln auch für möbliert vermietete Wohnungen gelten.
Sachverhalt
M ist seit Oktober 2006 Mieter einer möblierten Appartementwohnung des V. Im Mietvertrag ist die Wohnungsgröße mit 50 qm angegeben. Die Kaltmiete beträgt 560 Euro, die Nebenkosten belaufen sich insgesamt auf 40 Euro. Im April 2009 stellt M fest, dass die tatsächlich Wohnfläche der Wohnung aufgrund der Möblierung stark eingeschränkt ist. Statt der im Vertrag bezeichneten Quadratmeteranzahl, betrage die tatsächliche Wohnfläche 44,30 qm und sei demnach um 11,5 % geringer als vereinbart. M verlangt daher für die vergangene Mietzeit vom 15. Oktober 2006 bis 30. April 2006 Erstattung der zu viel gezahlten Mietzahlungen entsprechend der flächenmäßigen Abweichung in Höhe von insgesamt 1964,20 Euro. Hat M einen solchen Zahlungsanspruch gegen V?
Unterschreitung der vereinbarten Wohnfläche um mehr als 10 % ist ein Mangel
Übereinstimmend kommen sowohl das Berufungsgericht, als auch der BGH zu dem Schluss, dass es sich um einen Mangel an der Mietsache gemäß § 536 Abs.1 S.2 BGB handelt, wenn die tatsächliche Wohnfläche um mehr als 10 % geringer ist, als im Mietvertrag angegeben. Damit wird die bisherige Rechtsprechung diesbezüglich fortgeführt.
Nach der Rechtsprechung des Senats – von der im Ansatz auch das Berufungsgericht ausgeht – stellt die Abweichung der tatsächlichen Wohnfläche von der vertraglich vereinbarten Wohnfläche um mehr als 10 % einen Mangel der Mietsache dar, der den Mieter gemäß § 536 Abs. 1 Satz 2 BGB zur Minderung der Miete in dem Verhältnis berechtigt, in dem die tatsächliche Wohnfläche die vereinbarte Wohnfläche unterschreitet (Senatsurteile vom 10. März 2010 – VIII ZR 144/09, NJW 2010, 1745 Rn. 8, 11 f.; vom 10. November 2010 – VIII ZR 306/09, NJW 2011, 220 Rn. 14; jeweils mwN). So liegen die Dinge nach den Feststellungen des Berufungsgerichts auch im Streitfall, denn die tatsächliche Wohnfläche weicht von der im Mietvertrag vereinbarten Wohnfläche um 11,5 % ab; in dieser Höhe war daher die vertraglich geschuldete Bruttomiete gemäß § 536 Abs. 1 Satz 2 BGB gemindert.
Keine Unterschied, ob Wohnraum möbliert oder unmöbliert
Das Berufungsgericht hatte dem M einen weitaus geringeren erstattungsfähigen Betrag zugesprochen, da der Gebrauchswert der Mietsache bei möbliertem Wohnraum regelmäßig auch das Mobiliar einschließe und diese zur „Mietsachgesamtheit“ gehöre. Im Gegensatz zu einer leer vermieteten Wohnung sei die Bewegungs- und Einrichtungsfreiheit bei einer möbliertem Wohnung daher von Anfang an begrenzt und Inhalt des „vertragsgemäßen Zustands“. Entsprechend sei das Maß der Beeinträchtigung bei einer Wohnflächenabweichung für den Mieter geringer, der sich um das Platzieren eigener Möbel bzw. das Verstauen von Hausrat nicht mehr kümmern bräuchte. Der BGH ist nicht dieser Ansicht.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die Minderung nicht etwa deshalb geringer, weil die an den Kläger vermietete Wohnung möbliert ist. Der Auffassung des Berufungsgerichts, bei einer vollständig möblierten und auch im Übrigen vollständig mit Hausrat eingerichteten Wohnung sei das Maß der Beeinträchtigung bei einer erheblichen Wohnflächenabweichung nicht mit dem Maß der Wohnflächenabweichung identisch, vermag der Senat nicht zu folgen. Die von einer Wohnflächenabweichung ausgehende Beeinträchtigung der Nutzungsmöglichkeit ist nicht deshalb geringer zu veranschlagen, weil trotz der geringeren Fläche die für eine Haushaltsführung benötigten Einrichtungsgegenstände vollständig untergebracht werden können.
Zur Berechnungsgrundlage eines etwaigen Erstattungsanspruchs führt der BGH aus:
Bemessungsgrundlage der Minderung nach § 536 BGB ist grundsätzlich die Bruttomiete einschließlich einer Nebenkostenpauschale oder einer Vorauszahlung auf die Nebenkosten (Senatsurteil vom 20. Juli 2005 – VIII ZR 347/04, NJW 2005, 2773 unter II 1 a). Daran ändert die Möblierung der Wohnung im Streitfall nichts, denn der Mietwert der Wohnungseinrichtung ist ausweislich § 3 Nr. 1 des Mietvertrags der Parteien vom 11. Oktober 2005 Teil der Kalkulation der Nettokaltmiete gewesen. Ob eine andere Beurteilung gerechtfertigt ist, wenn im Mietvertrag der Tatsache der Möblierung ein gegenüber den übrigen Mietkonditionen eigenständiges Gewicht – etwa durch die Vereinbarung eines Möblierungszuschlags – verliehen wird, bedarf hier keiner Entscheidung.
Fazit
M kann von V die zu viel gezahlte Miete in Höhe 1964,20 Euro verlangen. Damit hat der BGH die „Lücke“ der Rechtsprechung bezüglich möblierten Wohnraums geschlossen und festgesetzt, dass die Abweichung nicht etwa durch entsprechend schon vorhandenem Stauraum in Form von bereitgestellter Möbel inklusive Hausrat (zumindest teilweise) kompensiert werden kann. Was gilt ist allein die im Vertrag vereinbarte Wohnfläche. Abweichungen hiervon sind sodann nach den dafür von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zu behandeln. Dies erscheint sachgerecht, da z.B. auch bei einer möblierten Wohnung es letztendlich dem Mieter überlassen ist, wie er mit der Mietsache verfährt und sich nach seinen Vorstellungen einrichtet, ungeachtet des schon bereitstehenden Mobiliars. Dementsprechend muss er sich auf die im Vertrag getroffenen Abreden verlassen können.
Der Fall eignet sich gut, die vorhandene Rechtsprechung zur Wohnflächenabweichung in Mietverträgen abzuprüfen. Die gängigen Kriterien sollten daher bekannt sein.
Im SV steht „Mietzeit vom 15. Oktober 2006 bis 30. April 2006“
Richtig ist wohl „bis 30.April 2009“.
LG