BGH: Verhältnis von Freiheitsberaubung und Nötigung
Der BGH hat sich mit Beschl. v. 02.06.2018 – 3 StR 426/17 mit dem Verhältnis von Freiheitsberaubung und (versuchter) Nötigung auseinandergesetzt.
In dem zu Grunde liegenden Fall führte vereinfacht dargestellt der Täter (T) mit dem Opfer (O) zunächst ein Streitgespräch in der Wohnung einer bekannten Freundin, da er sich von O eine Antwort auf die Frage erhofft hatte, warum dieser ihn bei einer vorangegangenen Vernehmung durch die Polizei belastet hatte. Da dieser jedoch keine für T zufriedenstellende Antwort geben konnte, wurde T immer wütender. Während des Disputs ließ T den O nicht aus der Wohnung und schlug ihn mehrfach. Ferner drohte T dem O, er werde ihn umbringen, sollte er es wagen, seine Aussage in einer möglichen späteren Gerichtsverhandlung zu wiederholen.
Hinsichtlich der Strafbarkeit des T nach dem StGB sind nun fraglos eine Freiheitsberaubung nach § 239 Abs. 1 Alt. 2 StGB durch das Festhalten in der Wohnung sowie eine Körperverletzung durch die Schläge gemäß §§ 223 Abs. 1 Var. 1 und 2, 230 Abs. 1 S. 1, 77 Abs. 1 StGB, 158 StPO anzunehmen. In der Drohung, er werden O töten, wenn er seine belastende Aussage in einem späteren Prozess erneuere, liegt das unmittelbare Ansetzen (§ 22 StGB) zu einer versuchten Nötigung nach §§ 240 Abs. 1, Abs. 3, 22, 23 Abs. 1 Alt. 2 StGB, bei der auch an der Verwerflichkeit nach § 240 Abs. 2 StGB keine Zweifel bestehen, da schon das Mittel rechtswidrig war. Zugleich lag darin eine Bedrohung im Sinne des § 241 Abs. 1 StGB.
Problematisch war damit allein das oft unbeliebte Konkurrenzverhältnis der bejahten Delikte. Während § 241 Abs. 1 StGB nach absolut herrschender Meinung von § 240 StGB verdrängt wird, selbst dann, wenn die Nötigung nur im Versuch gegeben ist (BGH, Beschl. v. 08.04.2014 – 1 StR 126/14, NStZ-RR 2014, 208; MüKo-StGB/Sinn, 3. Aufl. 2017, § 240 StGB Rn. 167), war unklar, wie sich die vollendete Freiheitsberaubung zur versuchten Nötigung verhält. Dazu hat der BGH nun Stellung genommen. So führt der III. Senat aus, dass die Freiheitsberaubung dann im Wege der Gesetzeskonkurrenz zurücktreten muss, wenn es sich nur um das tatbestandsmäßige Mittel zur Begehung anderer Delikte handelt, wobei diese in der Regel schwerer wiegen sollten. Etwas anderes müsse aber spiegelbildlich – und das ist konsequent – für den Fall gelten, dass die Freiheitsberaubung über die später noch verwirklichten Delikte hinausgeht. Maßgeblich ist insoweit, ob der Freiheitsberaubung ein eigener Unrechtsgehalt zukommt. Das sei im vorliegenden Fall durch die Schläge und Drohung anzunehmen. Trotz gegebener Phasen der Beruhigung des Geschehens seien während des anhaltenden Dauerdelikts der Freiheitsberaubung weitere Delikte (hier Körperverletzungen und eine versuchte Nötigung) begangen worden. Um der Klarstellungsfunktion des Schuldspruchs gerecht zu werden, müssten deshalb beide Delikte, also sowohl Freiheitsberaubung als auch versuchte Nötigung, stehen bleiben. Kurzum: Erst bei einem eigenen Unrechtsgehalt erlangt die Nötigung im Verhältnis zur Freiheitsberaubung eine eigenständige Bedeutung (so schon angedeutet in BGH, Beschl. v. 02.10.1996 – 2 StR 455/96, NStZ 1997, 34, allerdings für das Verhältnis von Körperverletzung und Nötigung).
Mithin tritt nach dem BGH die versuchte Nötigung hier gerade nicht hinter die vollendete Freiheitsberaubung zurück; wegen des selbständigen Unrechtsgehalts ist deshalb von Tateinheit im Sinne von § 52 StGB auszugehen.
Wenn eine belastende Aussage (bewusst) falsch ist, kann u.U. noch denkbar sein, dass der Belastete zumindest etwa wegen Notstand entschuldigt sein kann, wenn er sich – verhältnimsäßig – mit Nötigungsmitteln dagegen wendet. Dies jedenfalls soweit eine Freiheitsstrafe im Raum steht. Im Zweifel kann dabei Unrichtigkeit annehmbar sein. Dazu kann es hier noch an erkennbaren Erwägungen mangeln.