BGH: „Drum prüfe was du bei Facebook postest – »Wir geben ihrer Zukunft ein Zuhause: JVA« ist nicht lustig“
An die Binsenweisheit „Drum prüfe was du in Sozialen Netzwerken postest“, sollten sich auch Richter halten. So mancher Facebook-Eintrag hat vor diesem Hintergrund das Zeug zur Juristischen Posse. So auch der Post eines Vorsitzenden Richters der 2. Großen Strafkammer des LG Rostock, der den BGH bereits im Januar beschäftigt und dazu veranlasst hatte, ein Urteil des LG Rostock aufzuheben (BGH, Beschl. vom 12.01.2016 – 3 StR 485/15). Ein Internetauftritt, der suggeriert, dass ein Richter Spaß an der Verhängung hoher Strafen hat und sich auch noch über die Angeklagten lustig macht, ist nämlich mit der gebotenen Haltung der richterlichen Unvoreingenommenheit nicht zu vereinbaren und kann daher die Besorgnis der Befangenheit nach § 24 II StPO begründen. Da über den Fall in der vergangenen Woche in verschiedenen Medien berichtet worden war, soll an dieser Stelle eine kurze rechtliche Zusammenfassung erfolgen.
Sachverhalt
Das Landgericht Rostock hatte im April 2015 zwei Angeklagte unter anderem wegen erpresserischen Menschenraubs zu langjährigen Freiheitsstrafen verurteilt. Im Rahmen des Strafverfahrens erlangte einer der Verteidiger am Abend des 22. Januar 2015 erstmals von dem Facebook-Account des Vorsitzenden der Strafkammer Kenntnis. Im öffentlich zugänglichen Bereich war auf der Profilseite ein Bild des Vorsitzenden zu sehen, auf dem dieser mit einem Bierglas in der Hand auf einer Terrasse sitzt und ein T-Shirt trägt, das mit der Aufschrift: „Wir geben Ihrer Zukunft ein Zuhause: JVA“ bedruckt ist. Auf derselben Seite war vermerkt: „2. Große Strafkammer bei Landgericht Rostock“. In der Zeile darunter hieß es: „1996 bis heute“. Im Kommentarbereich befand sich ein Eintrag des Vorsitzenden, der wie folgt lautete: „Das ist mein ‚Wenn du raus kommst, bin ich in Rente‘-Blick“. Dieser Eintrag wurde von einem Benutzer mit den Worten: „… sprach der schwedische Gardinen-Verkäufer!: -))“ kommentiert, was wiederum von zwei Personen, darunter der Vorsitzende, geliked wurde.
Zu Beginn des nächsten Hauptverhandlungstages lehnten die Angeklagten den Vorsitzenden wegen des Inhalts der Facebook-Seite und weiterer Umstände wegen der Besorgnis der Befangenheit ab. In der Folgezeit äußerte sich der Vorsitzende dienstlich zu dem den Facebook-Account betreffenden Inhalt des Ablehnungsgesuches wie folgt: „Zum weiteren Vorbringen im Ablehnungsgesuch gebe ich keine Stellungnahme ab. Ich werde mich nicht zu meinen privaten Lebensverhältnissen äußern.“ Am 28. Januar 2015 wies die Strafkammer die Ablehnungsgesuche der Angeklagten als unbegründet zurück. Dabei begründete sie die Ablehnung damit, dass der Internetauftritt des Vorsitzenden betreffe ausschließlich dessen persönlichen Lebensbereich und offensichtlich humoristisch geprägt sei.
Rechtslage
Diese eher naiv anmutende Einschätzung teilte der BGH vor dem Hintergrund des § 24 II StPO allerdings nicht, wie sich nun im Revisionsverfahren zeigte. Die maßgebliche Norm der StPO lautet:
§ 24: Ablehnung eines Richters; Besorgnis der Befangenheit
(2) Wegen Besorgnis der Befangenheit findet die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Mißtrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.
Befangenheit wird dabei als eine innere Haltung eines Richters verstanden, die im konkreten Fall seine Neutralität, Distanz und Unparteilichkeit gegenüber den Verfahrensbeteiligten störend beeinflusst, indem sie ein persönliches, parteiliches Interesse des Richters – sei es wirtschaftlicher, ideeller, politischer oder rein persönlicher Art – am Verfahrensgang und am Ausgang des Verfahrens begründet. (Definition nach: Scheuten, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, § 24 Rn. 3). Dabei kommt es für die Besorgnis von Befangenheit im Sinne eines objektiv-individuellen Maßstabes darauf an, ob der Ablehnende bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zu der Annahme hat, der Richter nehme ihm gegenüber eine innere Haltung ein, die seine erforderliche Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit störend beeinflussen kann (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschl. vom 8.05.2014 – 1 StR 726/13; Urt. vom 12. 11.2009 – 4 StR 275/09).
Diese Voraussetzungen sieht der BGH im konkreten Fall als erfüllt an:
Der Inhalt der öffentlich und somit auch für jeden Verfahrensbeteiligten zugänglichen Facebook-Seite dokumentiert eindeutig eine innere Haltung des Vorsitzenden, die bei verständiger Betrachtung besorgen lässt, dieser beurteile die von ihm zu bearbeitenden Strafverfahren nicht objektiv, sondern habe Spaß an der Verhängung hoher Strafen und mache sich über die Angeklagten lustig. Die beschriebene Facebook-Seite enthält auch einen eindeutigen Hinweis auf die berufliche Tätigkeit des Vorsitzenden und betrifft deshalb nicht lediglich dessen persönliche Verhältnisse. Unter diesen Umständen war ein noch engerer Zusammenhang mit dem konkreten, die Angeklagten betreffenden Strafverfahren nicht erforderlich, um bei ihnen die berechtigte Befürchtung zu begründen, dem Vorsitzenden mangele es an der gebotenen Neutralität. Das in dem Ablehnungsgesuch dargelegte Misstrauen in die Unparteilichkeit des Vorsitzenden ist deshalb gerechtfertigt. Dessen Internetauftritt ist insgesamt mit der gebotenen Haltung der Unvoreingenommenheit eines im Bereich des Strafrechts tätigen Richters nicht zu vereinbaren.
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