Rezension: Peine, Klausurenkurs im Verwaltungsrecht, 4. Auflage 2010
Rezension von Julien Lindner zu Peine, Klausurenkurs im Verwaltungsrecht, 4. Auflage, Heidelberg [u.a.] (2010), 554 S., € 24,95.
Der Rezensent studiert Jura an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn und ist dort als studentische Hilfskraft am Zentrum für Europäische Integrationsforschung (ZEI), Lehrstuhl Prof. Dr. Koenig, LL.M. (LSE), beschäftigt.
I. Aufbau
Der Klausurenkurs im Verwaltungsrecht von Peine behandelt auf 554 Seiten das examensrelevante Allgemeine und Besondere Verwaltungsrecht, also das Polizei-, Bau- und Kommunalrecht. Im ersten Teil wird auf gut hundert Seiten ein Überblick über die Klage- und Antragsarten der VwGO sowie über das Widerspruchsverfahren gegeben. Im zweiten Teil folgen auf den restlichen 450 Seiten 35 Fälle zu den genannten Rechtsgebieten. Diese sind in zwei Schwierigkeitsgrade eingeteilt: einige einfachere Fälle jeweils zum Einstieg in das Rechtsgebiet, gefolgt von solchen auf Examensniveau.
Jeder Fall besteht aus einer kurzen Vorüberlegung, die das Problemzentrum des Falles benennt und den Gang der Bearbeitung umreißt, einer ausführlichen Gliederung, der gutachterlichen Lösung und zumeist einem Repetitorium. Letzteres ist eine knapp gehaltene Darstellung eines Themas (z. B. die Tatbestandsmerkmale des VA), das in einer inhaltlichen Beziehung zum jeweiligen Fall steht.
II. Inhalt
Das Buch wendet sich zwar laut Einführung an fortgeschrittene Studenten, die Lektüre des ersten Teils wird jedoch gerade auch demjenigen Leser von großem Nutzen sein, dem die nötige Souveränität im Lösen verwaltungsrechtlicher Fälle noch fehlt. Die Darstellungsweise ist kompakt, beinhaltet zahlreiche Schemata und legt den Schwerpunkt auf der Anwendung der Materie in der Klausur. Auch Anfängerfehler werden eingehend behandelt. Examenskandidaten können hiermit ihr Wissen auffrischen. Examenskandidaten, die sich in puncto VwGO schon sicher fühlen und bereits ihre ‚eigenen‘ Aufbauschemata im Kopf haben, können dagegen ohne schlechtes Gewissen direkt mit der Falllösung beginnen.
Eine Klausur gutachterlich zu lösen, ist nicht allein durch Kenntnisse der jeweiligen Rechtsmaterie zu schaffen. Vielmehr muss gerade die Technik der Falllösung geübt werden. Doch selbst die Darstellungsweise von Fallbearbeitungen in Ausbildungszeitschriften weichen häufig von dem ab, was von Studenten in einem Gutachten erwartet wird. In diesem Punkt ist Peine vorbildhaft. Auf hohem Niveau kann hier das Schreiben verwaltungsrechtlicher Klausuren geübt werden. Mitunter werden auch Details behandelt, unter denen die Beispielskraft des Falles leidet. Dagegen ist das Abdecken des gesamten examensrelevanten Stoffs der behandelten Rechtsgebiete selbstverständlich nicht gewollt. Die getroffene Auswahl überzeugt insgesamt.
Die Sprache ist klar und komplizierte Satzkonstruktionen sucht man vergebens. Auch das Druckbild ist wegen des weitgehenden Verzichts auf Fußnoten sehr übersichtlich geraten. Ein Manko, das aber nicht zu vermeiden ist, ist die Notwendigkeit ständiger Verweise, da die Fälle nach brandenburgischem Recht gelöst werden.
III. Fazit
Das Werk gibt einen guten Überblick über die gängigen verwaltungsrechtlichen Klausurkonstellationen und wie man diese gelungen löst. Dabei merkt man dem Autor stets an, dass es ihm tatsächlich um praktische Hilfestellung geht. Wer das Buch komplett durchgearbeitet hat, darf daher den Examensklausuren im Verwaltungsrecht ein Stück gelassener entgegenblicken.
„Der Klausurenkurs im Verwaltungsrecht von Peine behandelt auf 554 Seiten das examensrelevante Allgemeine und Besondere Verwaltungsrecht, also das Polizei-, Bau- und Kommunalrecht.“
„Dagegen ist das Abdecken des gesamten examensrelevanten Stoffs der behandelten Rechtsgebiete selbstverständlich nicht gewollt.“
Was denn nun
Die genannten Rechtsgebiete werden – auf Examensniveau – thematisch behandelt, aber nicht mit dem Bestreben, den gesamten klausurrelevanten Stoff systematisch aufzuarbeiten. Fallbücher mit dieser Zielsetzung gibt es schließlich auch.
Die wichtigste Info für VerwR-Klausurenkurse fehlt mir noch: Welches Landesrecht wird denn zugrunde gelegt? Ich bräuchte BaWü, zumindest jedenfalls durch Fußnotenverweis auf die entsprechende Vorschrift…
Die Fälle werden nach brandenburgischem Recht gelöst.
Im Unterschied zu dieser Rezension halte ich die Lösungsvorschläge des Buches nach bisheriger Durchsicht des Buches für nicht besonders gelungen. Zugegebenermaßen habe ich mit der 3. Auflage gearbeitet, auf die ich mich hier dementsprechend beziehe – möglicherweise wurde im Rahmen der Neuauflage nachgebessert.
Vielfach wird innerhalb des Gutachtenstils auf den Urteilsstil umgeschwenkt. Damit meine ich, dass die grobe Struktur dem Gutachtenstil entspricht, einzelne Tatbestandsmerkmale dann aber ohne nachvollziehbaren Grund im Urteilsstil behandelt werden. Das mag manchmal aus Zeitgründen gerechtfertigt sein. Zum einen kann man aber auch im Gutachtenstil problemlos verkürzt darstellen. Zum anderen hat der Urteilsstil auch dann keinen Sinn, wenn man den kompletten Abschnitt so wie er dort steht umdrehen und so in ebenso knappen Gutachtenstil verwandeln kann.
Beispiel aus Rn 544:
„Ihr Handeln ist auch als Maßnahme zu betrachten; denn darunter ist jedes zweckgerichtete Verhalten, welches Menschen oder juristische [sic!] Personen zurechenbar ist, zu verstehen; das verbindliche Befinden über das Begehren des A ist zweckgerichtetes Verhalten.“
Nun die magische Verwandlung – nach der der Abschnitt sogar um drei Wörter kürzer ist:
„Eine Maßnahme ist jedes zweckgerichtete Verhalten, welches Menschen oder juristischen Personen zurechenbar ist. Das verbindliche Befinden über das Begehren des A ist zweckgerichtetes Verhalten. Daher ist es als Maßnahme zu beurteilen.“
Auch unschön (meines Erachtens schlicht falsch!) der folgende Satz aus Rn 435:
„Das bedeutet, dass der Bewilligungsbescheid vom 1.4.2003 nicht nach §48 Abs. 2 VwVfG aufgehoben werden kann, weil seine Voraussetzungen nicht vorliegen.“
Das ist der Ergebnissatz dazu, dass eine Aufhebung vor dem Hintergrund von §48 II VwVfG für grds. möglich gehalten wurde, dann aber auf Grund von Nichtgebrauch des in §48 I 1 VwVfG eingeräumten Ermessens für rechtswidrig erklärt wurde!
Sehr gut gefiel mir auch das Argument, das in dem Lösungsvorschlag in Rn 540 für die Anwendung der modifizierten Subjektstheorie ohne weitere Erläuterung gebracht wurde:
„Weil die modifizierte Subjektstheorie die beste Differenzierungsleistung erbringt, wird das Problem durch Rückgriff auf sie gelöst.“
Zusammengefasst entsprechen die Lösungsvorschläge meiner Meinung nach damit schlicht nicht dem, was man sich in der Examensvorbereitung zu Gemüte führen sollte.