Zuvor-Beschäftigung und Befristungsrecht – des LAG Baden-Württemberg Urteil vom 13.10.2016 – 3 Sa 34/16
Tendenzen in der Landesarbeitsgerichtsrechtsprechung könnten dazu führen, dass die Rechtsprechung des BAG in Bezug auf die sachgrundlose Befristung und „Zuvor Beschäftigung“ sich demnächst (doch) ändert. Auf jeden Fall sollte dieses Thema auch bei Prüflingen auf dem Schirm sein, da es sich hervorragend für eine mündliche Prüfung eignet. Gerade im Arbeitsrecht als sog. Richterrecht ist es wichtig auf dem aktuellen Stand der Rechtsprechung zu sein und auch mögliche Tendenzen aus anderen Rechtsquellen im Auge zu haben. Dieser Beitrag beschäftigt Urteil des LAG Baden-Württemberg Urteil vom 13.10.2016 – 3 Sa 34/16.
Dieses Urteil ist nicht nur wegen der Befristungsrechtsprechung lesenswert, sondern auch wegen der Thematik der Verzugspauschale nach § 288 Abs. 5 BGB und deren Anwendbarkeit im Arbeitsrecht. Auch zuvor gab es bereits LAG Entscheidungen, die von der BAG –Rechtsprechung abgewichen sind beispielsweise: LAG, Baden-Württemberg Urteil vom 21.2.2014 – Az. 7 Sa 64/14; LAG, Baden-Württemberg Urteil vom 26. September 2013 – Az 6 Sa 28/13.
Wer sich das BAG Urteil v. 6.April 2011 – 7 AZR – 716/09 nochmals in Erinnerung rufen möchte findet auch einen Beitrag hierzu hier im Blog.
A. Sachverhalt (Kurzdarstellung)
Die Klägerin war bei der Beklagten, einem Handelsunternehmen, im Zeitraum vom 3. November 2008 bis 30. Dezember 2009 als geringfügige Beschäftigte tätig.
Ab dem 15. September 2014 stellte die Beklagte die Klägerin wieder als teilzeitbeschäftigte Verkäuferin ein. Ein Arbeitsvertrag wurde von den Parteien nicht unterzeichnet, jedoch eine Mitarbeitermeldung, in der eine Befristung schriftlich festgehalten und unterzeichnet war.
Diese lautete: „ X Einstellung zum 15.09.2014 Erstbefristung bis zum 30.09.2015. Das Arbeitsverhältnis ist gem. § 14 Abs. 2 TzBfG befristet und endet mit Ablauf dieser Befristung ohne dass es einer Kündigung bedarf. Soll das Arbeitsverhältnis über den genannten Termin fortgeführt werden, so bedarf es einer ausdrücklichen Erklärung der Arbeitgeberin in Form einer Mitarbeitermeldung“.
Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass
„das im Jahr 2008 im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung begründete Arbeitsverhältnis dazu führe, dass das am 15. September 2014 neu begründete Arbeitsverhältnis nicht gem. § 14 Abs. 2 TzBfG wirksam befristet werden konnte. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vom 6. November 2011 (Az. 7 AZR 716/09), wonach eine Zuvorbeschäftigung im Sinne von § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nicht gegeben sei, wenn das frühere Arbeitsverhältnis mehr als drei Jahre zurückliegt, halte im Hinblick auf die Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 26. September 2013 (6 Sa 28/13) und vom 21. Februar 2014 (7 Sa 64/13) einer rechtlichen Prüfung nicht mehr stand. Wegen der Unwirksamkeit der Befristung gem. § 14 Abs. 2 TzBfG bestehe das Arbeitsverhältnis der Parteien unbefristet fort.“
Die Beklagte beantragt eine Klageabweisung,
und beruft sich auf die Rechtsprechung des BAG v. 6. April 2011 – 7 AZR 716/09 sowie läge der Sinn und Zweck darin, rechtsmissbräuchliche „Befristungsketten“ zu verhindern, es bedürfe es keines lebenslangen Anschlussverbots.
B. Entscheidungsgründe
Das Gericht stellte fest, dass die Klage begründet ist.
I. Form
Es wurde angenommen, dass die Form für eine Befristung eingehalten worden ist und nicht gegen § 14 Abs. 4 TzBfG bzw. § 305 ff BGB verstößt.
Anmerkung: Die Wirksamkeit der Befristung einzelner Vertragsbedingungen werden am Maßstab der §§ 305 ff BGB gemessen.
II. Problem: Wirksame Befristung
Ist die Befristungsabrede unwirksam wegen eines Verstoßes gegen § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG mit Folge, dass gem. § 16 S. 1 TzBfG das Arbeitsverhältnis über den 30. September 2015 hinaus fortbesteht.
Das LAG stellt fest: „Die Klägerin war vom 3. November 2008 bis 30. Juni 2009 aufgrund eines befristeten Arbeitsvertrages bei der Beklagten beschäftigt und damit „bereits zuvor“ iSd. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG, weshalb die Befristung vom 15. September 2014 unwirksam ist. Die Kammer folgt der überzeugenden früheren Rechtsprechung verschiedener Senate des Bundesarbeitsgerichts, wonach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ein zeitlich unbegrenztes Anschlussverbot enthält. Durchgreifende unions- oder verfassungsrechtliche Bedenken hiergegen sind nicht ersichtlich (…)“
Weiter heißt es: „Auch in Anbetracht der Vorgängerregelungen zu § 14 Abs. 2 TzBfG spricht alles dafür, dass es für das Anschlussverbot in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG grundsätzlich nicht auf den zeitlichen Abstand zum früheren Arbeitsverhältnis ankommt. Der Gesetzgeber musste dies nicht durch ein „jemals zuvor“ nochmals unterstreichen oder gar „zuvor“ durch „in aller Vergangenheit“ ersetzen“.
Argumente sind:
- Wortlaut der gesetzlichen Bestimmung ist eindeutig.
- Kein gesetzgeberisches Redaktionsversehen
- Sinn- und Zweck der Richtlinie 1999/70/EG
- Gesetzgeber wäre es ohne weiteres möglich gewesen eine sachgrundlose Befristungen völlig zu verbieten
- Unerheblich ist es, dass es sich bei der „Zuvor“- Beschäftigung um eine geringfügige Beschäftigung gehandelt hat
Zur Tatsache, dass sich der Arbeitgeber an die aktuelle Rechtsprechung des BAG gehalten hat äußert sich das LAG wie folgt:
„Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (26. Juni 1991 – 1 BvR 779/85 – NJW 1991, 2549) besteht kein schutzwürdiges Vertrauen, wenn die fachgerichtliche Rechtsprechung, von der abgewichen werden soll, „auf so erhebliche Kritik gestoßen ist, dass der unveränderte Fortbestand dieser Rechtsprechung nicht gesichert erscheinen konnte“ (vgl. dazu Gräf jurisPR – ArbR 29/2013 Anmerkung 2).“
III. Frist
Die Befristungskontrollklage wurde auch rechtzeitig innerhalb der 3-Wochen-Frist, des § 17 S. 1 TzBfG eingereicht.
IV. Fazit
Ein schönes Urteil, welches wieder einmal aufzeigt, dass Arbeitsrecht eben Richterrecht ist und der stetigen Änderung der Rechtsprechung unterliegt und daher ein schönes Prüfungsthema auch im Zusammenhang mit der Thematik der Auslegung. Für die Beratungspraxis muss auf jeden Fall auf die Kritik und die Abweichende Rechtsprechung zur BAG-Rechtsprechung hingewiesen werden.
Inwieweit kann hier etwa § 139 BGB mit von Bedeutung sein?