Vereinsrecht: Verschärfung des Kennzeichenverbotes
Wir freuen uns, nachfolgend einen Gastbeitrag von Fabian Toros veröffentlichen zu können. Der Autor hat als Stipendiat der Konrad-Adenauer-Stiftung Rechtswissenschaften an der Universität Bonn studiert.
Fallkonstellationen rund um das Rockermilieu sind und bleiben ein beliebter Prüfungsgegenstand im Examen. Eine Novellierung des Vereinsgesetzes ist dabei von besonderer Brisanz und könnte demnächst Klausurgegenstand werden.
Derzeit sind diesbezüglich zwei Verfassungsbeschwerden vor dem Bundesverfassungsgericht anhängig. Der Bandidos MC Gelsenkirchen (vertreten durch Prof. Dr. Kathrin Groh) und der Hells Angels MC Stuttgart (vertreten durch Prof. Dr. Sönke Gerhold) halten § 9 und § 20 VereinsG für nicht verfassungsgemäß. Die Novellierungen sind am 15. März 2017 in Kraft getreten (BGBl. I 2017, 419).
In § 9 Abs. 1 VereinsG wird ein Tragen von Kennzeichen eines verbotenen Vereins untersagt. Gemäß § 9 Abs. 3 VereinsG gilt dies auch für Kennzeichen eines verbotenen Vereins, die
„im Wesentlichen in gleicher Form von anderen nicht verbotenen Teilorganisationen oder von selbstständigen Vereinen verwendet werden.“
Dabei wird
„ein Kennzeichen eines verbotenen Vereins insbesondere dann in im Wesentlichen gleicher Form verwendet, wenn bei ähnlichem äußerem Gesamterscheinungsbild das Kennzeichen des verbotenen Vereins oder Teile desselben mit einer anderen Orts- oder Regionalbezeichnung versehen wird.“
Gemäß § 20 Abs. 1 VereinsG drohen bei der Zuwiderhandlung gegen das Verbot eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe.
Die Neufassung des Gesetzes führt zu einer deutlichen Verschärfung der bisherigen Regelungen. Verboten sind hierdurch beispielsweise auch typische Symbole, wie der „Death Head“ der Hells Angels oder der „Fat Mexican“ der Bandidos. Darüber hinaus werden aber bei extensiver Auslegung der Vorschrift auch Schriftarten und Farbkombinationen erfasst, die von den verbotenen Gruppierungen genutzt wurden.
Bisher hat der Bundesgerichtshof in einer jüngeren Entscheidung (BGHSt 61, 1-14) festgelegt, dass das Verwenden der Kennzeichen eines verbotenen Vereins nicht strafbar ist,
„wenn die konkret benannte Ortsgruppe nicht zu den „Chaptern“ gehört, die durch Verbotsverfügungen (…) verboten worden sind“.
Grund für die restriktive Auslegung der Norm war die extensive Fassung des § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 VereinsG. Dabei positionierte sich das Gericht klar zugunsten der Rocker:
„Es ist den Anforderungen, die die Grundrechte etwa der Meinungsfreiheit aber auch der allgemeinen Handlungsfreiheit sowie das Grundrecht der Vereinigungsfreiheit an eine verfassungskonforme Auslegung des Tatbestands stellen, in der Weise Rechnung zu tragen, dass der mit dem Gebrauch des Kennzeichens verbundene Aussagegehalt anhand aller Umstände des Falles ermittelt wird.“
Das Gericht kam zu dem Schluss, dass aufgrund dieses Gesamtzusammenhanges nur die verbotenen Chapter unter das Verbot fallen.
Die neu eingefügten Paragraphen schieben dieser Rechtsprechung einen Riegel vor. Mit der Novellierung verfolgt der Gesetzgeber den Ansatz, gegen kriminelle Rockergruppierungen vorzugehen. Das Ziel ist klar:
„Kennzeichen verbotener Vereinigungen sowie solche, die mit denen eines bereits verbotenen Vereins im Zusammenhang stehen, sollen von anderen Gruppierungen im Bundesgebiet nicht mehr weiter genutzt werden.“ (BT Drs. 18/9758, S. 4).
Während das nicht verbotene „Chapter“ Hells Angels MC Stuttgart also zuvor weiter ihre Symbole mit der lokalen Ortsbezeichnung tragen durfte, ist dies nunmehr nicht mehr möglich. Jedwedes Tragen der Symbole ist verboten. Dies gilt zum Beispiel auch für körperliche Tätowierungen und Motorradlackierungen.
Die vorherige Fassung des § 9 Abs. 3 VereinsG (BT-Drs. 14/7386) enthielt eine subjektive Komponente. Danach musste der Verein die „Zielrichtung“ der verbotenen Organisation teilen. Die Gerichte verstanden dies dahingehend, dass sich die Teilung der Zielrichtung auf die Komponenten erstrecken musste, die letztlich zu dem Vereinsverbot geführt hatten (vgl. hierzu: BGHSt 61, 1-14). Dies hat dazu geführt, dass das Kennzeichenverbot für Schwestervereine faktisch ins Leere lief und nur dann eingriff, wenn diese faktisch direkt selbst verboten werden konnten. Durch das Streichen der subjektiven Elemente und das Integrieren einer nähergehenden Erläuterung, wann ein Kennzeichen verwendet wird, möchte der Gesetzgeber die Schlagkraft der Norm erhöhen und
„Gefahren abwehren, die allein mit dem äußeren Erscheinungsbild solcher Kennzeichen verbunden sind“ (BT-Drs. 18/9758, S. 8).
Der Gesetzgeber bezweckt damit das subjektive Sicherheitsempfinden der Bevölkerung nachhaltig zu verbessern indem die Kennzeichen aus dem öffentlichen Raum verbannt werden. Darüber hinaus soll illustrativ die Exekutivgewalt des Staates untermalt werden. Durch das extensive Verbot soll deutlich werden, dass der Staat Vereinsverbote nicht nur ausspricht, sondern auch effektiv umsetzt (BT-Drs. 18/9758, S. 8).
Mit der Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführer ungerechtfertigte Eingriffe in die Vereinigungsfreiheit aus Art. 9 GG und in die Eigentumsfreiheit aus Art. 14 GG.
Durch Art. 9 Abs. 1 GG wird die Vereinigungsfreiheit als Deutschen-Grundrecht gewährleistet. Zwar ist umstritten, inwieweit auch Tätigkeiten hiervon erfasst sind, die die Außenwirkung eines Vereines beschäftigen. Allerdings gehören diejenigen Aufgaben dazu, die den „Kernbereich der Vereinstätigkeit“ (BVerfG NJW 1971, 1123 f.) betreffen. Hierunter ist unter anderem auch die Außendarstellung eines Vereins zu subsumieren (vgl. umfassend zum sachlichen Schutzbereich BeckOK Grundgesetz Epping/Hillgruber/Cornils, 35. Edition, Stand: 15.11.2017, Art. 9 GG Rn. 9 ff.). Dazu gehört unter anderem auch das Recht sich nach außen darzustellen und Vereinskennzeichen zu tragen. Das Kennzeichenverbot stellt mithin einen Eingriff in den Schutzbereich dar.
Eine Grundrechtsschranke ergibt sich aus Art. 9 Abs. 2 GG. Danach sind
„Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten“
verboten. Vorliegend ist dies jedoch problematisch, dass nicht alle Vereine denen das Tragen ihrer Vereinsembleme untersagt wird gegen Strafgesetze verstoßen haben. Vielmehr ist dies lediglich bei den verbotenen Schwestervereinen positiv nachgewiesen. In der Gesetzesbegründung werden nur weiche Kriterien zur Legitimation angeführt. Die Durchsetzungsfähigkeit der Exekutivinstitutionen des Staates und das subjektive Sicherheitsempfinden der Bevölkerung gehören allerdings nicht zu den in Art. 9 Abs. 2 GG aufgeführten Schranken. Jedenfalls im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit lassen sich Argumente finden, die gegen die Verfassungsmäßigkeit der Norm sprechen. Die Verfassungswidrigkeit der Norm lässt sich mithin gut begründen.
Durch Art. 14 GG wird das Eigentum geschützt. Differenziert wird zwischen Enteignung und Inhalts- und Schrankenbestimmungen. Unter einer Enteignung ist
„die vollständige oder teilweise Entziehung konkreter durch Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG gewährleisteter Rechtspositionen zur Erfüllung bestimmter Aufgaben“ (vgl. hierzu nur BVerfGE 112, 93 (109))
zu verstehen. Vorliegend handelt es sich jedoch nicht um einen staatlichen Güterbeschaffungsvorgang. Vielmehr liegt eine Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums vor. Kennzeichen des Vereins müssen entfernt oder umgestaltet werden oder dürfen in der Öffentlichkeit nicht mehr getragen werden. Die Pflicht Kennzeichen zu verändern, um eine Verwechslung mit den Kennzeichen der verbotenen Organisation zu verhindern, wurde unter der alten Rechtslage als Ausdruck der Sozialpflichtigkeit des Eigentums interpretiert, die in Art. 14 Abs. 2 GG statuiert ist (NK-VereinsG/Groh, 1. Auflage 2012, § 9 Rn. 9 zur Vorgängerregelung). Fraglich ist inwieweit dies unter dem neuen Regelungsregime noch möglich ist. Vorher zulässige Zusätze mit dem Ortsnamen des Chapters, die für einen Ausschluss der Verwechslung ausreichend waren und auch im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit legitim erschienen, werden nunmehr verboten. In einer Prüfung bietet es sich an intensiv zu untersuchen, ob es sich durch die Novellierung nunmehr um eine ausgleichspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmung handelt.
Neben den vorgenannten Grundrechten ergeben sich auch in Hinblick auf die Meinungsfreiheit interessante Konstellationen. Gegenstand dieses Beitrages sind jedoch lediglich die in der Verfassungsbeschwerde gerügten Grundrechtsverletzungen. Subsidiär muss an die Allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG gedacht werden. Eine Individualverfassungsbeschwerde von Mitgliedern der beiden Vereine ist derzeit nicht Verfahrensgegenstand.
Hinterlasse einen Kommentar
An der Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns deinen Kommentar!