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Schlagwortarchiv für: Kennzeichenverbot

Dr. Maike Flink

BVerfG: „Kuttenverbot“ für Rocker verfassungsgemäß

BVerfG Leitentscheidungen & Klassiker, Öffentliches Recht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite, Verfassungsrecht

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 9.7.2020 (Az. 1 BvR 2067/17, 1 BvR 424/19, 1 BvR 4423/18) die Verfassungsbeschwerden mehrerer lokaler Teilgruppierungen sowie einzelner Mitglieder verschiedener Motorradclubs (MC Gremium, Hells Angels und Bandidos) gegen das aus § 9 Abs. 3 VereinsG folgende „Kuttenverbot“ und die damit verbundene Strafnorm in § 20 Abs. 1 S. 2 VereinsG abgewiesen (vgl. unseren Bericht zur Erhebung der Verfassungsbeschwerden: Vereinsrecht: Verschärfung des Kennzeichenverbotes).
 
I. Sachverhalt
Der Gesetzgeber hatte mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung des Vereinsgesetzes (VereinsG) vom 10.3.2017 den § 9 Abs. 3 VereinsG ins das Vereinsgesetz eingefügt und die damit verbundene Strafnorm in § 20 Abs. 1 S. 2 VereinsG verändert. § 9 Abs. 1 VereinsG regelte schon bislang ein Verbot öffentlich, in einer Versammlung oder medial die Kennzeichen eines verbotenen Vereins zu verwenden. Der neu gefasste § 9 Abs. 3 VereinsG erstreckt dieses in § 9 Abs. 1 VereinsG enthaltene Verbot nunmehr auch auf Kennzeichen, die in „im Wesentlichen gleicher Form“ von nicht verbotenen Teilorganisationen oder von selbstständigen Vereinen verwendet werden. Die Norm lautet:

„Absatz 1 gilt entsprechend für Kennzeichen eines verbotenen Vereins, die in im Wesentlichen gleicher Form von anderen nicht verbotenen Teilorganisationen oder von selbständigen Vereinen verwendet werden. Ein Kennzeichen eines verbotenen Vereins wird insbesondere dann in im Wesentlichen gleicher Form verwendet, wenn bei ähnlichem äußerem Gesamterscheinungsbild das Kennzeichen des verbotenen Vereins oder Teile desselben mit einer anderen Orts- oder Regionalbezeichnung versehen wird.“

Zuwiderhandlungen gegen dieses Verbot stellt § 20 Abs. 1 S. 2 VereinsG unter Strafe: Möglich sind eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe.
Die Beschwerdeführer richteten sich gegen die geänderten Normen: Ihre Mitglieder tragen typische Symbole wie den „Death Head“ der Hells Angels oder den „Fat Mexican“ der Bandidos als einheitlich genutztes Vereinslogo auf ihren „Kutten“ und haben dieses Logo nicht selten auch auf dem Körper tätowiert. Allerdings seien die Teilorganisationen, denen sie angehören – was insbesondere einzelne Ortsverbände betrifft –, nicht verboten, sodass das Kennzeichenverbot sich für sie als nachträglich ausgesprochene „Sippenhaft“ darstelle. Durch die Neuregelung sei das Kennzeichenverbot eben nicht mehr – wie bislang – streng akzessorisch zum Vereinsverbot, sondern erstrecke sich auch auf von dem Verbot nicht Betroffene. Dadurch sehen sich die Beschwerdeführer unter anderem in ihrem Grundrecht auf Vereinigungsfreiheit (Art. 9 Abs. 1 GG), in ihrer Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 Var. 1 GG) und ihrer Eigentumsfreiheit (Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG) verletzt.
 
II. Die Entscheidung des Gerichts
Das Bundesverfassungsgericht hat eine Grundrechtsverletzung der Beschwerdeführer jedoch abgelehnt. Dabei hat das Gericht bewusst offen gelassen, ob die vereinsrechtlichen Kennzeichenverbote vorrangig an der Versammlungsfreiheit des Art. 9 Abs. 1 GG oder an der Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 S. 1 Var. 1 GG zu messen sind, da die Eingriffe in diese Grundrechte ohnehin gerechtfertigt seien. Dennoch ließ das Gericht eine Tendenz erkennen, vorrangig Art. 9 Abs. 1 GG heranzuziehen, wozu es ausführt:

„Es spricht viel dafür, die Kennzeichenverbote in erster Linie an Art. 9 GG zu messen (vgl. BVerfGE 28, 295 <310>; 149, 160 <192 Rn. 98; 200 f. Rn. 113 f.>). Das gilt jedenfalls für die Rechte von Vereinigungen selbst und von deren Mitgliedern. Daneben kann die Verwendung von Kennzeichen durch nicht organisierte Einzelpersonen – wie bei § 86a StGB – auch als Ausdruck einer Meinung an Art. 5 Abs. 1 GG zu messen sein (vgl. BVerfGE 93, 266 <289>), doch knüpft die Verbotsnorm weiter an das Verbot einer Vereinigung an, deren Symbole aus der Öffentlichkeit verbannt werden sollen (vgl. BTDrucks 14/7386 [neu], S. 49; BTDrucks 18/9758, S. 7).“

 
1.Verletzung von Art. 9 Abs. 1 GG
 Auf dieser Grundlage hat sich das Gericht zunächst mit einer möglichen Verletzung der Vereinigungsfreiheit auseinander gesetzt.
 
a) Eingriff in den Schutzbereich
Art. 9 Abs. 1 GG gewährleistet allen Deutschen das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden. Eine Vereinigung ist dabei ein freiwilliger Zusammenschluss mehrerer Personen, der auf eine gewisse Dauer angelegt ist und über eine gewisse organisatorische Festigkeit sowie eine gemeinsame Willensbildung verfügt und zu einem gemeinsamen Zweck erfolgt. Geschützt ist sowohl für die Mitglieder als auch für die Vereinigung selbst das Recht auf Entstehen und Bestehen in der gemeinsamen Form, aber auch die Mitgliederwerbung und die Selbstdarstellung sowie das Namensrecht. Die öffentliche Verwendung der Vereinskennzeichen stellt in diesem Zusammenhang einen Beitrag zur Erhaltung der Vereinigung dar, dient aber auch der Mitgliederwerbung und der Selbstdarstellung.

„Für die Identität der hier beteiligten Motorrad-Vereinigungen ist das öffentliche Verwenden der Kennzeichen auf ihren „Kutten“ sogar von grundlegender Bedeutung. Die für die jeweilige Dachorganisation stehenden „Top-Rocker“ und „Central Patches“ sind aus ihrer Sicht wie der Name der Vereinigung (vgl. BVerfGE 30, 227 <241 f.>) Ausdruck des Zusammenhalts und der gemeinsamen Identität; sie werden seit Jahrzehnten weitgehend unverändert genutzt, haben einen hohen Wiedererkennungseffekt und dienen auch der Anwerbung neuer sowie der Anbindung aktueller Mitglieder (dazu u.a. Bock, JZ 2016, S. 158 ff.).“

Durch die Neuregelung des § 9 Abs. 3 VereinsG sowie des § 20 Abs. 1 S. 2 VereinsG wird die Verwendung des Vereinskennzeichens verboten bzw. die Zuwiderhandlung gegen dieses Verbot unter Strafe gestellt, sodass sie als zwangsläufige Folge eines Vereinsverbots zu einer gezielten Verkürzung der Vereinigungsfreiheit führt. Sie stellt mithin einen Eingriff dar.
 
b) Verfassungsrechtliche Rechtfertigung
Dieser Eingriff ist nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts allerdings gerechtfertigt, da er insgesamt keine unverhältnismäßige Einschränkung der Vereinigungsfreiheit bedeutet:
Zunächst verfolgt der Gesetzgeber mit dem Kennzeichnungsverbot ein legitimes Ziel: Er möchte abstrakte Gefahren abwehren, die mit dem Kennzeichen verbunden sind und das Vereinsverbot tatsächlich durchsetzen. Daher ist auch nur die Verwendung solcher Kennzeichen verboten, die „in im Wesentlichen gleicher Form“ verwendet werden, bei denen also erkennbar ist, dass sich die Träger des Kennzeichens eindeutig mit der verbotenen Vereinigung identifizieren, die dieses Kennzeichen in ähnlicher Form ebenfalls verwendet. Entscheidend ist ein ähnliches äußeres Gesamterscheinungsbild. Davon ist – wie § 9 Abs. 3 S. 2 VereinsG klarstellt ­– beispielsweise auszugehen, wenn die nicht verbotene Vereinigung das Kennzeichen der verbotenen Vereinigung lediglich mit einer abweichenden Ortsbezeichnung weiter verwendet.
Darüber hinaus ist das Kennzeichenverbot zur Erreichung dieser Ziele auch geeignet, wie das Gericht ausführt:

„Wären die Kennzeichen der im Einklang mit Art. 9 Abs. 2 GG verbotenen Vereinigung mit einer abweichenden Ortsbezeichnung weiter präsent, liefe der Versuch, organisierte Aktivitäten zu unterbinden, die der Rechtsordnung fundamental zuwiderlaufen, weitgehend leer. Der Gesetzgeber darf insoweit davon ausgehen, dass eine Schwestervereinigung, die sich wie der verbotene Verein nach außen präsentiert, gleichermaßen für die strafbaren Aktivitäten oder verfassungswidrigen Bestrebungen des verbotenen Vereins steht (BTDrucks 18/9758, S. 8). Die hier angegriffenen Regelungen fördern jedenfalls den Zweck, die Kennzeichen verbotener Vereine effektiv aus der Öffentlichkeit zu verbannen.“

Das Kennzeichenverbot ist auch erforderlich, um die verfolgten Ziele zu erreichen. Insofern steht dem Gesetzgeber eine Einschätzungsprärogative zu, wobei nicht erkennbar ist, dass er diese mit seiner Einschätzung, dass weniger einschneidende, ebenso effektive Mittel nicht ersichtlich sind, überschritten hat. 
Das Kennzeichenverbot ist auch angemessen, die eintretenden Nachteile stehen nicht außer Verhältnis zu den erstrebten Vorteilen. Zwar stellt das Verbot für die Beschwerdeführer einen schweren Eingriff in ihre Vereinigungsfreiheit dar. Denn gerade das öffentliche Tragen der Vereinskennzeichen als Teil ihrer Selbstdarstellung ist für sie besonders wichtig, um ihre Zugehörigkeit zur Vereinigung zu verdeutlichen. Die besondere Bedeutung des Vereinskennzeichens zeigt sich bereits dadurch, dass die betroffenen Vereinigungen regelmäßig detailliert regeln, wer unter welchen Voraussetzungen ihre Kennzeichen in der Öffentlichkeit verwenden darf. Verschärft wird die Schwere des Verbots zudem dadurch, dass die Verwendung der Kennzeichen in der Öffentlichkeit, in einer Versammlung sowie ihre mediale Verbreitung nunmehr nach § 20 Abs. 1 S. 2 VereinsG strafbewehrt ist. Demgegenüber muss jedoch ebenfalls berücksichtigt werden, dass eben nicht jedwede Verwendung des Kennzeichens untersagt ist, sondern die private Verwendung weiterhin zulässig bleibt. Außerdem wird nur die Verwendung „in wesentlich gleicher Form“ verboten, sodass das Kennzeichenverbot nur dann eingreift, wenn das äußere Gesamterscheinungsbild dem Kennzeichen der verbotenen Vereinigung insgesamt erkennbar ähnelt. Zwar wirkt die Strafbewehrung des Verbots eingriffserhöhend, allerdings handelt es sich allein um ein Vergehen, das mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe belegt wird, wobei das Gericht nach § 20 Abs. 2 Nr. 1 VereinsG unter Umständen sogar ganz von einer Bestrafung absehen kann. Demgegenüber verfolgt der Gesetzgeber gewichtige Interessen:

„Insbesondere ist das Kennzeichenverbot untrennbar mit einem Vereinsverbot verknüpft, das als Instrument präventiven Verfassungsschutzes auf den Schutz von Rechtsgütern hervorgehobener Bedeutung zielt (vgl. BVerfGE 149, 160 <196 Rn. 104>). Nur in Art. 9 Abs. 2 GG ausdrücklich genannte Gründe – der eine Vereinigung prägende, also organisierte Verstoß gegen Strafgesetze (a.a.O., Rn. 106), die kämpferisch-aggressive Ausrichtung gegen die verfassungsmäßige Ordnung (a.a.O., Rn. 108) und die Ausrichtung auf Gewalt in den internationalen Beziehungen oder vergleichbare völkerrechtswidrige Handlungen und damit gegen den Gedanken der Völkerverständigung (a.a.O., Rn. 112) – rechtfertigen ein Verbot. Nur unter dieser Voraussetzung kann die Verwendung von Kennzeichen verboten werden, da dieses Verbot dem Vereinsverbot materiell folgt. Damit tragen die Rechtsgüter, zu deren Schutz eine Vereinigung nach Art. 9 Abs. 2 GG ausdrücklich verboten werden kann, auch das Verbot ihre Kennzeichen, öffentlich, in einer Versammlung oder medial verbreitet zu verwenden.“

Vor diesem Hintergrund ist der Eingriff in Art. 9 Abs. 1 GG gerechtfertigt.
 
2. Verletzung von Art. 5 Abs. 1 S. 1 Var. 1 GG
 Diese Erwägungen überträgt das Gericht auch auf die Prüfung des Art. 5 Abs. 1 S. 1 Var 1 GG: Auch ein Eingriff in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit ist gerechtfertigt: Die angegriffenen Normen sind allgemeine Gesetze i.S.v. Art. 5 Abs. 2 S. 1 GG, da sie die in Art. 9 Abs. 2 GG benannten Rechtsgüter schützen und nicht an den konkreten Inhalt des Kennzeichens, sondern allein an das formale Verbot der Vereinigung anknüpfen. Zudem kann dem Bedeutungsgehalt des Art. 5 Abs. 1 S. 1 Var. 1 GG bei der Auslegung und Anwendung von § 9 Abs. 3 VereinsG sowie § 20 Abs. 1 Nr. 5 VereinsG ohne Weiteres Rechnung getragen werden, sodass auch kein Verstoß gegen die Wechselwirkungslehre vorliegt.
 
3. Verletzung von Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG
Letztlich lehnt das Gericht auch eine Verletzung der Eigentumsfreiheit des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG ab. Zwar erkennt das Bundesverfassungsgericht an, dass die Kennzeichen, die auf den „Kutten“ der Vereinsmitglieder angebracht sind, ebenso wir die „Kutten“ selbst in den Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG fallen und sie damit durch das Verbot, diese in der Öffentlichkeit zu verwenden, in der Nutzung ihrer Eigentumsposition eingeschränkt werden. Diese Beeinträchtigungen seien jedoch gerechtfertigt, wie das Gericht knapp ausführt:

„Die angegriffenen Normen bewirken keine Enteignung (vgl. BVerfGE 20, 351 <359>), sondern eine Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Die Verwendungsverbote sind insofern Ausdruck der Sozialbindung des Eigentums und aus den für die Einschränkungen der Art. 9 Abs. 1 GG und Art. 5 Abs. 1 GG geltenden Gründen verhältnismäßig.“

Damit scheidet auch eine Verletzung von Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG aus.
 
III. Ausblick
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gibt nicht nur Anlass, sich erneut mit der in Klausuren immer wieder beliebten Meinungsfreiheit sowie der Eigentumsfreiheit auseinanderzusetzen, sondern sollte auch als Anknüpfungspunkt genutzt werden, um sich vertieft mit dem in der Prüfungsvorbereitung häufig stiefmütterlich behandelten Art. 9 Abs. 1 GG zu beschäftigen. Denn wie die Entscheidung zeigt, kann das Grundrecht nicht allein im Hinblick auf ein vollständiges Vereinsverbot, sondern auch für damit zusammenhängende Maßnahmen erhebliche Bedeutung gewinnen. Die dargestellte Entscheidung hat der Thematik erneut Aktualität verliehen, wodurch auch in Prüfungen jederzeit erwartet werden muss, dass sie aufgegriffen wird.
 
 

24.08.2020/1 Kommentar/von Dr. Maike Flink
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Maike Flink https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Maike Flink2020-08-24 08:40:122020-08-24 08:40:12BVerfG: „Kuttenverbot“ für Rocker verfassungsgemäß
Gastautor

Vereinsrecht: Verschärfung des Kennzeichenverbotes

Öffentliches Recht, Rechtsgebiete, Startseite, Verschiedenes

Wir freuen uns, nachfolgend einen Gastbeitrag von Fabian Toros veröffentlichen zu können. Der Autor hat als Stipendiat der Konrad-Adenauer-Stiftung Rechtswissenschaften an der Universität Bonn studiert.
Fallkonstellationen rund um das Rockermilieu sind und bleiben ein beliebter Prüfungsgegenstand im Examen. Eine Novellierung des Vereinsgesetzes ist dabei von besonderer Brisanz und könnte demnächst Klausurgegenstand werden.
Derzeit sind diesbezüglich zwei Verfassungsbeschwerden vor dem Bundesverfassungsgericht anhängig. Der Bandidos MC Gelsenkirchen (vertreten durch Prof. Dr. Kathrin Groh) und der Hells Angels MC Stuttgart (vertreten durch Prof. Dr. Sönke Gerhold) halten § 9 und § 20 VereinsG für nicht verfassungsgemäß. Die Novellierungen sind am 15. März 2017 in Kraft getreten (BGBl. I 2017, 419).
In § 9 Abs. 1 VereinsG wird ein Tragen von Kennzeichen eines verbotenen Vereins untersagt. Gemäß § 9 Abs. 3 VereinsG gilt dies auch für Kennzeichen eines verbotenen Vereins, die
„im Wesentlichen in gleicher Form von anderen nicht verbotenen Teilorganisationen oder von selbstständigen Vereinen verwendet werden.“
Dabei wird
„ein Kennzeichen eines verbotenen Vereins insbesondere dann in im Wesentlichen gleicher Form verwendet, wenn bei ähnlichem äußerem Gesamterscheinungsbild das Kennzeichen des verbotenen Vereins oder Teile desselben mit einer anderen Orts- oder Regionalbezeichnung versehen wird.“
Gemäß § 20 Abs. 1 VereinsG drohen bei der Zuwiderhandlung gegen das Verbot eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe.
Die Neufassung des Gesetzes führt zu einer deutlichen Verschärfung der bisherigen Regelungen. Verboten sind hierdurch beispielsweise auch typische Symbole, wie der „Death Head“ der Hells Angels oder der „Fat Mexican“ der Bandidos. Darüber hinaus werden aber bei extensiver Auslegung der Vorschrift auch Schriftarten und Farbkombinationen erfasst, die von den verbotenen Gruppierungen genutzt wurden.
Bisher hat der Bundesgerichtshof in einer jüngeren Entscheidung (BGHSt 61, 1-14) festgelegt, dass das Verwenden der Kennzeichen eines verbotenen Vereins nicht strafbar ist,
„wenn die konkret benannte Ortsgruppe nicht zu den „Chaptern“ gehört, die durch Verbotsverfügungen (…) verboten worden sind“.
Grund für die restriktive Auslegung der Norm war die extensive Fassung des § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 VereinsG. Dabei positionierte sich das Gericht klar zugunsten der Rocker:
„Es ist den Anforderungen, die die Grundrechte etwa der Meinungsfreiheit aber auch der allgemeinen Handlungsfreiheit sowie das Grundrecht der Vereinigungsfreiheit an eine verfassungskonforme Auslegung des Tatbestands stellen, in der Weise Rechnung zu tragen, dass der mit dem Gebrauch des Kennzeichens verbundene Aussagegehalt anhand aller Umstände des Falles ermittelt wird.“
Das Gericht kam zu dem Schluss, dass aufgrund dieses Gesamtzusammenhanges nur die verbotenen Chapter unter das Verbot fallen.
Die neu eingefügten Paragraphen schieben dieser Rechtsprechung einen Riegel vor. Mit der Novellierung verfolgt der Gesetzgeber den Ansatz, gegen kriminelle Rockergruppierungen vorzugehen. Das Ziel ist klar:
„Kennzeichen verbotener Vereinigungen sowie solche, die mit denen eines bereits verbotenen Vereins im Zusammenhang stehen, sollen von anderen Gruppierungen im Bundesgebiet nicht mehr weiter genutzt werden.“ (BT Drs. 18/9758, S. 4).
Während das nicht verbotene „Chapter“ Hells Angels MC Stuttgart also zuvor weiter ihre Symbole mit der lokalen Ortsbezeichnung tragen durfte, ist dies nunmehr nicht mehr möglich. Jedwedes Tragen der Symbole ist verboten. Dies gilt zum Beispiel auch für körperliche Tätowierungen und Motorradlackierungen.
Die vorherige Fassung des § 9 Abs. 3 VereinsG (BT-Drs. 14/7386) enthielt eine subjektive Komponente. Danach musste der Verein die „Zielrichtung“ der verbotenen Organisation teilen. Die Gerichte verstanden dies dahingehend, dass sich die Teilung der Zielrichtung auf die Komponenten erstrecken musste, die letztlich zu dem Vereinsverbot geführt hatten (vgl. hierzu: BGHSt 61, 1-14). Dies hat dazu geführt, dass das Kennzeichenverbot für Schwestervereine faktisch ins Leere lief und nur dann eingriff, wenn diese faktisch direkt selbst verboten werden konnten. Durch das Streichen der subjektiven Elemente und das Integrieren einer nähergehenden Erläuterung, wann ein Kennzeichen verwendet wird, möchte der Gesetzgeber die Schlagkraft der Norm erhöhen und
„Gefahren abwehren, die allein mit dem äußeren Erscheinungsbild solcher Kennzeichen verbunden sind“ (BT-Drs. 18/9758, S. 8).
Der Gesetzgeber bezweckt damit das subjektive Sicherheitsempfinden der Bevölkerung nachhaltig zu verbessern indem die Kennzeichen aus dem öffentlichen Raum verbannt werden. Darüber hinaus soll illustrativ die Exekutivgewalt des Staates untermalt werden. Durch das extensive Verbot soll deutlich werden, dass der Staat Vereinsverbote nicht nur ausspricht, sondern auch effektiv umsetzt (BT-Drs. 18/9758, S. 8).
Mit der Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführer ungerechtfertigte Eingriffe in die Vereinigungsfreiheit aus Art. 9 GG und in die Eigentumsfreiheit aus Art. 14 GG.
Durch Art. 9 Abs. 1 GG wird die Vereinigungsfreiheit als Deutschen-Grundrecht gewährleistet. Zwar ist umstritten, inwieweit auch Tätigkeiten hiervon erfasst sind, die die Außenwirkung eines Vereines beschäftigen. Allerdings gehören diejenigen Aufgaben dazu, die den „Kernbereich der Vereinstätigkeit“ (BVerfG NJW 1971, 1123 f.) betreffen. Hierunter ist unter anderem auch die Außendarstellung eines Vereins zu subsumieren (vgl. umfassend zum sachlichen Schutzbereich BeckOK Grundgesetz Epping/Hillgruber/Cornils, 35. Edition, Stand: 15.11.2017, Art. 9 GG Rn. 9 ff.). Dazu gehört unter anderem auch das Recht sich nach außen darzustellen und Vereinskennzeichen zu tragen. Das Kennzeichenverbot stellt mithin einen Eingriff in den Schutzbereich dar.
Eine Grundrechtsschranke ergibt sich aus Art. 9 Abs. 2 GG.  Danach sind
„Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten“
verboten. Vorliegend ist dies jedoch problematisch, dass nicht alle Vereine denen das Tragen ihrer Vereinsembleme untersagt wird gegen Strafgesetze verstoßen haben. Vielmehr ist dies lediglich bei den verbotenen Schwestervereinen positiv nachgewiesen. In der Gesetzesbegründung werden nur weiche Kriterien zur Legitimation angeführt. Die Durchsetzungsfähigkeit der Exekutivinstitutionen des Staates und das subjektive Sicherheitsempfinden der Bevölkerung gehören allerdings nicht zu den in Art. 9 Abs. 2 GG aufgeführten Schranken. Jedenfalls im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit lassen sich Argumente finden, die gegen die Verfassungsmäßigkeit der Norm sprechen. Die Verfassungswidrigkeit der Norm lässt sich mithin gut begründen.
Durch Art. 14 GG wird das Eigentum geschützt. Differenziert wird zwischen Enteignung und Inhalts- und Schrankenbestimmungen. Unter einer Enteignung ist
„die vollständige oder teilweise Entziehung konkreter durch Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG gewährleisteter Rechtspositionen zur Erfüllung bestimmter Aufgaben“ (vgl. hierzu nur BVerfGE 112, 93 (109))
zu verstehen. Vorliegend handelt es sich jedoch nicht um einen staatlichen Güterbeschaffungsvorgang. Vielmehr liegt eine Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums vor. Kennzeichen des Vereins müssen entfernt oder umgestaltet werden oder dürfen in der Öffentlichkeit nicht mehr getragen werden. Die Pflicht Kennzeichen zu verändern, um eine Verwechslung mit den Kennzeichen der verbotenen Organisation zu verhindern, wurde unter der alten Rechtslage als Ausdruck der Sozialpflichtigkeit des Eigentums interpretiert, die in Art. 14 Abs. 2 GG statuiert ist (NK-VereinsG/Groh, 1. Auflage 2012, § 9 Rn. 9 zur Vorgängerregelung). Fraglich ist inwieweit dies unter dem neuen Regelungsregime noch möglich ist. Vorher zulässige Zusätze mit dem Ortsnamen des Chapters, die für einen Ausschluss der Verwechslung ausreichend waren und auch im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit legitim erschienen, werden nunmehr verboten. In einer Prüfung bietet es sich an intensiv zu untersuchen, ob es sich durch die Novellierung nunmehr um eine ausgleichspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmung handelt.
Neben den vorgenannten Grundrechten ergeben sich auch in Hinblick auf die Meinungsfreiheit interessante Konstellationen. Gegenstand dieses Beitrages sind jedoch lediglich die in der Verfassungsbeschwerde gerügten Grundrechtsverletzungen. Subsidiär muss an die Allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG gedacht werden. Eine Individualverfassungsbeschwerde von Mitgliedern der beiden Vereine ist derzeit nicht Verfahrensgegenstand.
 

07.03.2018/0 Kommentare/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2018-03-07 09:31:432018-03-07 09:31:43Vereinsrecht: Verschärfung des Kennzeichenverbotes

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