Überblick: Examensrelevante Änderungen der StPO
Die StPO gehört regelmäßig nicht zu den Kerngebieten des 1. Staatsexamens. Gleichwohl wird zumindest die Kenntnis soliden Grundwissens verlangt: selten als Einstieg in die materiell-rechtliche Prüfung (zB über den Erlass eines Haftbefehls gemäß §§ 112 ff. StPO oder die Prüfung einer Revision nach den §§ 333 ff. StPO), ab und an im Rahmen einer prozessualen Zusatzfrage zu einer materiell-rechtlichen Strafrechtsklausur, häufiger dagegen im Zuge der mündlichen Prüfung, die vermehrt von Praktikern abgehalten wird.
Auf Grund dieser Relevanz gibt der nachfolgende Beitrag einen Kurzüberblick über die examensrelevanten Änderungen der StPO:
- Befangenheitsantrag nach § 26 I 2 StPO: Das Gericht kann nunmehr dem „Antragsteller aufgeben, ein in der Hauptverhandlung angebrachtes Ablehnungsgesuch innerhalb einer angemessenen Frist schriftlich zu begründen“, wobei das Gericht bei Nichteinhaltung der Frist den Befangenheitsantrag als unzulässig verwerfen kann.
- Entnahme einer Blutprobe: § 81a II StPO wird dergestalt ergänzt, dass bei Verkehrsdelikten (§ 315a I Nr. 1, II, III, § 315c I Nr. 1a, II, III oder § 316 StGB) die richterliche Anordnung der Entnahme einer Blutprobe nicht mehr erforderlich ist.
- Besonders examensrelevant, da die nachfolgenden Normen auch im öffentlichen Recht mit Blick auf verfassungsrechtliche Gewährleistungen im Mittelpunkt einer Prüfung stehen können: Neufassung der §§ 100a, 100b, 100c, 100d, 100e StPO: Der Einsatz des in der Tagespresse viel diskutierten Staatstrojaners wird für besonders schwerwiegende, enumerativ aufgezählte Straftaten gestattet. Die Telekommunikationsüberwachung wird im Zuge dessen erleichtert; die sog. Online-Durchsuchung eingeführt.
- Besonders examensrelevant, da bislang in Rechtsprechung und Literatur umstritten: Die ggü. dem Beschuldigten bestehenden Belehrungspflichten nach § 136 II StPO werden deutlich erweitert. Soweit der Beschuldigte vor Beginn seiner Vernehmung einen Verteidiger befragen möchte, sind ihm „allgemeine Informationen zur Verfügung zu stellen, die es ihm erleichtern, einen Verteidiger zu kontaktieren“, wobei auf einen „bestehenden anwaltlichen Notdienst“ hinzuweisen ist.
- Zur Wiederholung: Auf Grund der weitreichenden Folgen einer fehlerhaften Belehrung bis hin zum Entstehen eines Beweisverwertungsverbotes ist diese Neuerung als besonders relevant zu qualifizieren – bislang gern gestellte Fälle, in denen dem Beschuldigten, der der deutschen Sprache nicht mächtig ist, allein ein anwaltliches Branchenbuch, das auf Deutsch verfasst ist, zur Verfügung gestellt wird, ohne auf den bestehenden anwaltlichen Bereitschaftsdienst bei Nacht hinzuweisen, sind von nun an mit einem Blick in das Gesetz lösbar.
- Denn: Bei unzureichender Belehrung des Beschuldigten vor Beginn der Vernehmung dürften im Anschluss erfolgende Angaben grundsätzlich nicht mehr zu seinem Nachteil verwertet werden (vgl. etwa BGH, Urt. v. 29.10.1992 – 4 StR 126/92, BGHSt 38, 372 = NJW 1993, 338).
- Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn der Beschuldigte der Verwertung im Nachhinein ausdrücklich zustimmt, sein Schweigerecht nachweislich gekannt hat (BGH, Urt. v. 22. 11. 2001 – 1 StR 220/01, BGHSt 47, 172 = NJW 2002, 975), die Fehlerhaftigkeit der Belehrung nicht beweisen kann (in dubio pro reo gilt im Verfahren nicht!) oder einen Verteidiger hat, der der Verwertung im Sinne der Widerspruchslösung nicht widerspricht (zu den Grenzen der Widerspruchslösung zuletzt BGH, Urt. v. 6.10.2016 – 2 StR 46/15, BGHSt 61, 266 = NJW 2017, 1332).
- § 153a StPO wird in Zukunft dergestalt modifiziert, dass die Einstellung des Verfahrens gegen Auflagen in der Revisionsinstanz ebenfalls möglich wird.
- In ARD-Krimis oft falsch gemacht, nun aber rechtlich zutreffend: Durch Neufassung des § 163 III StPO haben Zeugen künftig die Pflicht, auch auf eine Ladung durch die Polizei hin, soweit es sich um Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft handelt, zu erscheinen sowie zur Sache auszusagen.
- Parallel dazu hat auch der Verteidiger nicht nur im Rahmen der richterlichen oder staatsanwaltlichen, sondern auch bei der rein polizeilichen Vernehmung ein Anwesenheitsrecht, § 163a IV StPO.
- Die Verlesung von Vernehmungsprotokollen wird für Fälle erweitert, in denen „die Verlesung lediglich der Bestätigung eines Geständnisses des Angeklagten dient und der Angeklagte, der keinen Verteidiger hat, sowie der Staatsanwalt der Verlesung zustimmen“, § 251 I Nr. 2 StPO.
- Besonders examensrelevant: Die einfache Nötigung gemäß § 240 I, II, III StGB ist nun als Privatklagedelikt ausgestaltet, § 374 I Nr. 5 StPO.
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