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Schlagwortarchiv für: Zweckveranlasser

Marie-Lou Merhi

Ein Lied macht Schlagzeilen:  „L’amour toujours“

Aktuelles, Öffentliches Recht, Polizei- und Ordnungsrecht, Rechtsgebiete, Schon gelesen?, Startseite, Uncategorized, Verschiedenes

Kann das Abspielen des Liedes „L’amour toujours“ verboten werden? Dieser Frage, die sich besonders für die mündliche Prüfung und das schriftliche Examen eignet, geht die Gastautorin Marie-Lou Merhi in diesem Beitrag nach. Marie-Lou studiert Rechtswissenschaften an der Universität Bonn und ist dort studentische Hilfskraft am Institut für Arbeitsrecht und Recht der Sozialen Sicherheit.

Fast jeder hat es mitbekommen: Das Lied „L’amour toujours“des italienischen DJs und Musikproduzenten Gigi D’Agostino ist wieder in aller Munde. Doch nicht etwa, weil es mit über 440 Millionen Streams auf Spotify zu den bekannteren Liedern des Musikproduzenten gehört, sondern vielmehr, weil der Refrain des Songs mit der ausländerfeindlichen Parole „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“versehen und öffentlichkeitswirksam gegrölt wurde. So zuletzt geschehen am Pfingstwochenende auf der deutschen Insel Sylt. Inzwischen ist das Video, das die dortigen Vorgänge festhält, in den sozialen Netzwerken und Medien viral gegangen und hat unter anderem eine Diskussion über ein Verbot des Liedes angefacht, um präventiv das Singen der ausländerfeindlichen Parole zu verhindern. Zu den Verfechtern eines solchen Verbots zählen beispielsweise die Veranstalter des Münchener Oktoberfestes (vgl. https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/wiesn-oktoberfest-l-amour-toujours-100.html, letzter Abruf am 4.6.2024). Anderer Ansicht hingegen ist Kulturstaatsministerin Claudia Roth, die sich gegen ein solches Verbot auf Volksfesten wendet. Unter anderem führt sie an, es könne weder der Song noch dessen Produzent Gigi D’Agostino etwas dafür, dass das Lied für das Singen fremdenfeindlicher Parolen missbraucht werde. (https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/sylt-skandal-claudia-roth-gegen-verbot-von-l-amour-toujours-19751607.html, letzter Abruf am 4.6.2024).

Es stellt sich die Frage, ob die für die Gefahrenabwehr zuständigen Behörden bereits das Abspielen des Liedes untersagen können, um dessen Missbrauch für ausländerfeindliche Parolen zu unterbinden. Diese Frage bietet sich als Klausurgegenstand gerade zu an. Ihre Antwort knüpft an einen Klassiker des Polizeirechts an: Das Institut des sogenannten Zweckveranlassers. Zweckveranlasser ist, wer eine Gefahr nur mittelbar verursacht hat, das heißt zurechenbar eine Ursache dafür gesetzt hat, dass andere unmittelbar die Gefahrenschwelle überschreiten (Dietlein/Hellermann, Öffentliches Recht in Nordrhein-Westfalen, § 3 Rn. 80; BeckOK PolG NRW, OBG § 17 Rn. 10). Seinen Ursprung hat das Rechtsinstitut des Zweckveranlassers in einem Fall, in dem eine ähnliche belanglose Schnulze die zentrale Rolle spielt: Dem Borkumlied-Fall (Preußisches OVG, 14.5.1925 – III. A. 68/24, ProVGE 80, 176-195).

Im Jahr 1925 untersagte die Ordnungsbehörde der Kurkapelle im Nordseebad Borkum das Abspielen der traditionellen Melodie eines Marsches, um präventiv das Singen des antisemitischen „Borkumlieds“ zu unterbinden. Das preußische OVG entschied, dass die Polizei nicht gegen die Kapelle vorgehen dürfe, denn sie sei für die Störung durch das Singen des antisemitischen Liedes nicht verantwortlich. Bis heute entfachen in der Literatur Diskussionen darüber, ob die damalige Entscheidung richtig war (siehe dazu Eberl, Jus 1985, 257; Doerfert, JA 2003,  385, 389).

Auch 100 Jahre später ist die Erläuterung dieses Falls immer noch in fast jedem Lehrbuch zum Polizeirecht zu finden (bspw. Dietlein/Hellermann, Öffentliches Recht in Nordrhein-Westfalen, § 3 Rn. 8; Schenke, Polizeirecht, § 4 Rn. 318; Möstl/Kugelmann, Polizei- und Ordnungsrecht Nordrhein-Westfalen) und gilt als einer der Klassiker des Rechtsgebiets. Die aktuelle Debatte wird die juristische Relevanz des Falls wohl weiter steigern und bietet insbesondere für Examenskandidaten Anlass, die damit verbundene Rechtsfigur des Zweckveranlassers zu wiederholen.

Vor diesem Hintergrund soll dieser Beitrag erörtern, unter welchen Voraussetzungen ein Verbot des Abspielens des Liedes „L’amour toujours“ durch die Ordnungsbehörden materiell rechtmäßig wäre. Die Darstellung erfolgt anhand der geltenden Rechtsgrundlagen des Landes Nordrhein-Westfalens.

I. Taugliche Ermächtigungsgrundlage

Als Teil der Eingriffsverwaltung unterliegt das Polizei- und Ordnungsrecht dem strikten Vorbehalt des Gesetzes (Art. 20 III GG), sodass ein entsprechendes Verbot einer tauglichen Ermächtigungsgrundlage bedarf. Soweit keine Spezialbefugnisse und keine Standardbefugnisse einschlägig sind, ist auf die ordnungsbehördliche Generalklausel nach § 14 I OBG NRW abzustellen. Gleichwohl kann je nach Fallgestaltung auch auf die polizeiliche Generalklausel nach § 8 I PolG NRW abzustellen sein.

II. Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung

Es müsste eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung vorliegen. Als unbestimmte Rechtsbegriffe sind die Begriffe der Gefahr, der öffentlichen Sicherheit und der öffentlichen Ordnung auslegungsbedürftig und voll auslegungsfähig. Eine Gefahr liegt bei einem Lebenssachverhalt vor, der bei ungehindertem Ablauf in absehbarer Zeit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden an den polizei- bzw. ordnungsrechtlichen Schutzgütern führen wird. (Dietlein/Hellermann, Öffentliches Recht in Nordrhein-Westfalen, § 3 Rn. 61). Das Singen der Parole „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“ müsste somit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die öffentliche Sicherheit oder Ordnung schädigen.

1. Die öffentliche Sicherheit

Die öffentliche Sicherheit umfasst den „Schutz zentraler Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit, Freiheit, Ehre, Eigentum und Vermögen des Einzelnen sowie die Unversehrtheit der Rechtsordnung und der staatlichen Einrichtungen.“ (BVerfG, Beschl. v. 14.5.1985 – 1 BvR 233/81, 1 BvR 341/81, BVerfGE 69, 315, 352).

a. Verstoß gegen § 130 I StGB

Die Kundgabe der Parole könnte eine Verletzung der objektiven Rechtsordnung darstellen. Von dieser sind alle materiellen Gesetze erfasst (Dietlein/Hellermann, Öffentliches Recht in Nordrhein-Westfalen, § 3 Rn. 53).

Konkret in Betracht kommt ein Verstoß gegen § 130 I StGB, der die Volksverhetzung unter Strafe stellt.

aa. Auswirkung der Meinungsfreiheit nach Art. 5 I 1 GG auf die Prüfung

Entscheidende Bedeutung hat bei der Frage der Strafbarkeit, ob derartige Parolen unter den Schutzbereich der Meinungsfreiheit nach Art. 5 I 1 GG fallen. Eine Meinung ist jedes Werturteil, gleichgültig, auf welchen Gegenstand es sich bezieht und welchen Inhalt es hat. Unerheblich ist ob sie öffentlich oder private Angelegenheiten betrifft, vernünftig oder unvernünftig, wertvoll oder wertlos ist (Kingreen/Poscher, § 13 Rn. 650). Die Parole „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“ ist als wertende Stellungnahme und damit als Meinung zu qualifizieren. Die Meinungsfreiheit findet gem. Art. 5 II GG ihre Grenzen in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, zu denen auch § 130 I StGB zu zählen ist. Aufgrund des verfassungsrechtlichen Schutzes der Meinungsfreiheit sind die allgemeinen Gesetze in ihrer das Grundrecht begrenzenden Wirkung ihrerseits wiederum einschränkend auszulegen (sog. Wechselwirkungslehre). Im Falle der Mehrdeutigkeit einer Äußerung ist bei der Gesetzesanwendung die dem sich Äußernden günstigere Deutung zugrunde zu legen (BVerfG, Beschl. v. 7.11.2008 – 1 BvQ 43/08, BeckRS 2008, 40863 Rn. 21 zum Motto „gegen einseitige Vergangenheitsbewältigung! Gedenkt der deutschen Opfer!“; BVerfG, Beschl. v. 4.2.2010 – 1 BvR 369, 370, 371/04, BeckRS 2010, 47951 zu „Aktion Ausländerrückführung – Für ein lebenswertes deutsches Augsburg“ ; BVerwG, Urt. v. 25.6.2008 – 6 C 21/07, NJW 2009, 98 „Gedenken an Rudolf Hess“).

bb. Verstoß gegen § 130 I Nr. 1 StGB

Die Parole könnte den Straftatbestand des § 130 I Nr. 1 StGB erfüllen. Dafür müsste ein Aufstacheln zum Hass gegen Teile der Bevölkerung gegeben sein oder ein Auffordern zur Gewalt- oder Willkürmaßnahmen. Ein Aufstacheln zum Hass ist gegeben, wenn eine verstärkte, auf die Gefühle des Aufgestachelten gerichtete, über eine bloße Ablehnung oder Verachtung hinausgehende Form des Anreizens zu einer emotional gesteigerten feindseligen Haltung vorliegt(OLG Brandenburg, Urt. v. 28.11.2001, NJW 2002, 1440, 1441; OVG Brandenburg, Beschl. v. 13.9.2002 – 4 B 228/02, LKV 2003, 102, 103). Ein Auffordern zu Gewalt und Willkürmaßnahmen liegt demgegenüber vor, wenn der Erklärende auf die Empfänger mit dem Ziel einzuwirken versucht, in ihnen den Entschluss hervorzurufen, derartige Maßnahmen gegen einen Teil der Bevölkerung zu ergreifen (BGH, 14.3.1984 – 3 StR 36/84, BGHSt 32, 310; Schönke/Schröder, § 130, Rn. 5b).

Durch die Aussage „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“ kommt eine ausländerfeindliche Grundrichtung zum Ausdruck, die der für die freiheitliche demokratische Grundordnung grundlegenden Erwartung einer Toleranz der deutschen Bevölkerung gegenüber Ausländern widerspricht (so auch das BVerfG, Beschl. v. 7.4.2001 – 1 BvQ 17/01, NJW 2001, 2072, 2073, zu dem Motto der Kundgebung „Herren im eigenen Land statt Knechte der Fremde“). Allerdings sind ausländerfeindliche Äußerungen im StGB nicht schon als solche strafbewehrt (BVerfG, Beschl. v. 7.4.2001 – 1 BvQ 17/01, NJW 2001, 2072, 2073). Im Hinblick darauf, dass die Äußerung dem Grundsatz nach unter die Meinungsfreiheit nach Art. 5 I 1 GG fällt, ist die für den Äußernden günstigste Deutung zugrunde zu legen (dazu siehe oben Gliederungspunkt II.1.a.aa.).

Der Aufruf richtet sich pauschal an alle in Deutschland wohnhaften Ausländer und verlangt, dass sie ohne Ausnahme das Land verlassen, wobei Anknüpfungspunkt der Forderung allein die fremde Nationalität ist. Die Aussage kann somit so verstanden werden, dass Ausländern das Leben in der Gemeinschaft innerhalb Deutschlands abgesprochen werden soll (OLG Hamm, Urt. v. 2.11.1995 – 4 Ss 491/94, NStZ 1995, 136, 137 zu der Parole „Ausländer raus“).

In Abhängigkeit des streitgegenständlichen Kontextes, kann sie aber auch so verstanden werden, dass sie auf politische Ablehnung der bisherigen Migrationspolitik gerichtet ist und sich insoweit „nur“ auf die gegenwärtige Politik gegenüber Ausländern bezieht (VG Gelsenkirchen, Urt. v. 18.5.2010 – 14 K 5459/08, BeckRS 2010, 49994 zu der Parole „Deutschland den Deutschen“). Weiterhin ist eine Deutung in dem Sinne möglich, dass die Interessen des deutschen Staatsvolks denen der Ausländer vorangestellt werden sollen oder das lediglich Ängste und Vorbehalte der Bevölkerung zum Ausdruck gebracht werden. (AG Rathenow, Beschl. v. 13.4.2006 – 2 Ds 496 Js 37539/05 (301/05), NStZ-RR 2007, 341, 342 zu der Parole „Deutschland den Deutschen – Ausländer raus“). Es ist somit nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls zu beurteilen, ob die Parole bereits ein strafbewehrtes Aufstacheln gegen Teile der Bevölkerung oder gar eine Aufforderung zu Gewalt und Willkürmaßnahmen darstellt, oder als politische Meinungskundgabe anzusehen ist (siehe dazu OLG Brandenburg, Urt. v. 28.11.2001, NJW 2002, 1440, 1441: Das Gericht bejaht eine Strafbarkeit der Parole „Ausländer raus“ nach § 130 I Nr. 1 StGB unter anderen unter Berücksichtigung der Umstände, dass es in dem Ort bereits zu allgemein bekannten gewalttätigen Ausschreitungen gegen Ausländer gekommen war und zusätzlich die Parole „Sieg Heil“ gerufen wurde und ein Auftreten in Bomberjacken und Springerstiefeln erfolgte). Entscheidend ist, dass unter den gegebenen Umständen aus der Sicht eines objektiven Durchschnittsbeobachters die Aussage nur dahin gedeutet werden kann, dass gegen Ausländer nicht nur Vorbehalte oder Ablehnung, sondern eine aggressive Missachtung und Feindschaft erzeugt oder gesteigert werden sollte. (OLG Brandenburg, Urt. v. 28.11.2001 – 1 Ss 52/01).

cc. Verstoß gegen § 130 I Nr. 2 StGB

Ähnliches gilt auch für die Verwirklichung des Tatbestands nach § 130 I Nr. 2 StGB. Ein Verstoß gegen die Menschenwürde macht erforderlich, dass der angegriffenen Person ihr Lebensrecht als gleichwertige Persönlichkeit in der staatlichen Gemeinschaft abgesprochen und sie als unterwertiges Wesen behandelt wird. Der Angriff muss sich gegen den die menschliche Würde ausmachenden Kern der Persönlichkeit, nicht lediglich gegen Persönlichkeitsrechte richten (BVerfG, Beschl. v. 4.2.2010 – 1 BvR 369/04, JuS 2011, 88, 89; BVerfG, Beschl. 6.9.2000 – 1 BvR 1056/95, NJW 2001, 61, 63).

Auch insoweit muss die Mehrdeutigkeit einer Parole Beachtung finden, um zu einer über den reinen Wortlaut hinausgehenden Deutung zu gelangen, die im Kontext mit den konkreten Begleitumständen auf einen Menschenwürdeverstoß schließen lässt (BVerfG, Beschl. v. 4.2.2010 – 1 BvR 369/04, NJW 2010, 2193 zu einem Plakat mit der Aufschrift: „Ausländerrückführung – Für ein lebenswertes deutsches Augsburg“).

Ausgehend davon, dass für die Annahme eines Verstoßes gegen die Menschenwürde eine besonders sorgfältige Prüfung erforderlich ist, darf aus „der Pauschalität einer verbalen Attacke nicht ohne Weiteres auf ein Verächtlichmachen geschlossen werden, dass den Betreffenden ihre Anerkennung als Person abspricht.“ (BVerfG, Beschl. v. 4.2.2010 – 1 BvR 369/04, NJW 2010, 2193).  Ohne das Hinzutreten konkreter Begleitumstände ist somit unter Zugrundelegung der für den Äußernden günstigere Deutung die Aussage „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“ nicht als Verstoß gegen die Menschenwürde, der in Deutschland wohnhaften Ausländer zu sehen (dazu ausführlich AG Rathenlow, Beschl. v. 13.4.2006 – 2 Ds 496 Js 37539/05 (301/05), NStZ-RR 2007, 341, 342).

b. Zwischenergebnis

Ob ein Verstoß gegen § 130 I StGB vorliegt kann nicht pauschal beantwortet werden, sondern hängt von den konkreten Einzelfallumständen ab. Für das gefahrenabwehrrechtliche Einschreiten ist ein Verstoß auch nicht erforderlich, es muss lediglich mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Verstoß gegen § 130 I StGB (und damit gegen die öffentliche Sicherheit) bevorstehen. Entscheidend ist somit, ob nach allen zu erwartenden Begleitumständen aus Sicht eines objektiven Durchschnittsbeobachters eine Verwirklichung des § 130 I StGB naheliegt (siehe auch OVG Münster, Beschl. v. 22.6.1994 – 5 B 193/94, NJW 1994, 2909, 2910).

2. Öffentliche Ordnung

Fraglich ist, ob  die Parole für den Fall, dass die Schwelle der hinreichenden Wahrscheinlichkeit der Strafbarkeit noch nicht erreicht ist, gegen die öffentliche Ordnung verstößt. Diese umfasst die Gesamtheit der ungeschriebenen Regeln, deren Befolgung nach den jeweils herrschenden sozialen und ethischen Anschauungen als unerlässliche Voraussetzung eines geordneten menschlichen Zusammenlebens innerhalb eines bestimmten Gebiets angesehen wird. (BVerfG, Beschl. v. 14.5.1985 – 1 BvR 233/81, 1 BvR 341/81, BVerfGE 69, 315, 352). Gemeint sind Sozialnormen, die außerhalb eines Gesetzestatbestands liegen (Fencher, Jus 2003, 734; Dietlein/Hellermann, Öffentliches Recht in Nordrhein-Westfalen, § 3 Rn. 55). Auch bei Prüfung der öffentlichen Ordnung ist die besondere Gewährleistung der Meinungsfreiheit nach Art. 5 I 1 GG zu berücksichtigen und damit eine restriktive Auslegung geboten. Ist eine geäußerte Meinung nicht strafbar, ist nur unter besonderen äußeren Umständen (beispielsweise aggressives oder einschüchterndes Verhalten) eine konkrete Gefahr für die öffentliche Ordnung anzunehmen. Durch die enge Fassung der Straftatbestände hat der Gesetzgeber deutlich gemacht, im Übrigen grundsätzlich keinen Vorrang des Rechtsgüterschutzes gegenüber Meinungsäußerungen anzuerkennen (vgl. BVerfG, 7.4.2001 – 1 BvQ 17/01, BeckRS 2001, 30173985; BVerfG, Beschl. v. 24.3.2001 – 1 BvQ 13/01, NJW 2001, 2069) zu dem Begriff der „öffentlichen Ordnung“ bei § 15 VersG; VG Gelsenkirchen, Urt. v. 18.5.2010 – 14 K 5459/08, BeckRS 2010, 49994). Ein Verstoß gegen die öffentliche Ordnung ist somit regelmäßig bei Verneinung der Strafbarkeit der Äußerung abzulehnen.

3. Zwischenergebnis

Bei der Frage, ob der Straftatbestand des § 130 I StGB verwirklicht ist, kommt es somit in einer Klausursituation auf den konkreten Sachverhalt an. Dieser ist vollumfänglich auszuschöpfen – entscheidend ist dann einen überzeugende Argumentation, die auf alle angeführten Begleitumstände eingeht! Insbesondere sollte der Klausurbearbeiter im Hinterkopf behalten, dass das BVerfG die Meinungsfreiheit als für die freiheitlich demokratische Grundordnung des Grundgesetzes schlechthin konstituierend ansieht (BVerfG, Urt. v. 15.1.1958 – 1 BvR 400/57, NJW 1958, 257, 258) und nicht vorschnell einen Verstoß gegen § 130 I  StGB annehmen: Bei mehrdeutigen Äußerungen ist bei der Anwendung des Gesetzes, die dem sich Äußernden günstigste Deutung zugrunde zu legen!

III. Ordnungsgemäßer Adressat

Der Abspielende des Liedes müsste tauglicher Adressat des ordnungsbehördlichen Verbot sein. Das richtet sich nach §§ 17 bis 19 OBG NRW. Für das Verhalten von Personen regelt § 17 I OBG NRW die Verantwortlichkeit; demnach ist der richtige Adressat der ordnungsbehördlichen Maßnahme, derjenige der eine Gefahr verursacht.

1. Begriff  des „Verursachens“

Es kommt somit entscheidend darauf an, wie „verursachen“ im Sinne des § 17 I OBG zu verstehen ist. Dies ist durch Auslegung zu ermitteln.

a. Ausgangspunkt: Conditio-sine-qua-non-Formel als notwendige aber nicht hinreichende Bedingung

Im Sinne einer systematischen Auslegung erscheint es naheliegend auf die im Zivil- und Strafrecht bekannte conditio-sine-qua-non-Formel abzustellen. Demnach ist ein Verhalten dann ursächlich, wenn es nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der konkrete Erfolg (hier: die Gefahr) entfiele (Dölling/Duttge/Rössner/Heinrich, Gesamtes Strafrecht, § 13 Rn. 19). Allerdings würde durch diese Formel der Adressatenkreis für ordnungsbehördliche bzw. polizeiliche Maßnahmen zu weit gefasst; es könnte gegen jede Person die in irgendeiner Weise kausal für die Gefahr wäre, eine ordnungsbehördliche bzw. polizeiliche Maßnahme und damit zumindest ein Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 I GG erfolgen. Zudem wäre bei lebensnaher Betrachtung, die durch diese Theorie unüberschaubare Adressatenkette kaum zu ermitteln, was zu Rechtsunsicherheit führen könnte und wohl auch würde. Somit ist die Kausalität zwar notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung der Adressatenstellung (Gusy/Eichenhofer, Polzei- und Ordnungsrecht, § 5 Rn. 334; Schenke, Polizeirecht, § 4 Rn. 313; Pietsch/Sommerfeld, JA 2022, 840, 842). Es bedarf weitere Einschränkungen, um dem Handelnden die Gefahr zurechnen zu können.

b. Einschränkung durch die Rechtswidrigkeitslehre

Als Einschränkung der Kausalität wird teilweise angeführt, ein „Verursachen“ könne nur dann vorliegen, wenn eine Person rechtliche Handlungs- oder Unterlassungspflichten verletze, das heißt rechtswidrig handele (Möstl/Kugelmann, Polizei- und Ordnungsrecht NRW, § 4 Rn. 6). Handele die Person dagegen im Einklang mit der Rechtsordnung könne gegen sie keine Maßnahme gerichtet werden (sog. Rechtswidrigkeitslehre).

Die Abspielenden des Liedes handeln im Einklang mit der geltenden Rechtsordnung. Lediglich die Reaktion des Publikums führt gegebenenfalls zu einer konkreten Gefahr für die öffentliche Sicherheit. Nach dieser Auffassung wären die Abspielenden des Liedes somit keine tauglichen Adressaten.

Diese Lehre lässt allerdings außer Acht, dass auch eine Person, die sich rechtmäßig verhält durch ihr Verhalten faktisch eine Gefahr verursachen kann. Eine effektive Gefahrenabwehr gebietet es, auch gegen rechtmäßiges Verhalten einschreiten zu können, welches eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung herbeiführt (Pietsch/Sommerfeld, JA 2022, 840, 845). Die Rechtswidrigkeitslehre ist somit abzulehnen.

c. Lehre der unmittelbaren Verursachung

Nach ganz herrschender Meinung hat derjenige eine Gefahr verursacht, der durch sein Verhalten selbst die konkrete Gefahr unmittelbar herbeigeführt und damit in eigener Person die Gefahrenschwelle überschritten hat (sog. Lehre der unmittelbaren Verursachung s. Dietlein/Hellermann, Öffentliches Recht in Nordrhein-Westfalen, § 3 Rn. 79; BVerwG, Beschl. v. 12.4.2006 – 7 B 30.06, BeckRS 2006, 23702 Rn. 4). Derjenige, der das Lied abspielt,  verursacht dadurch nicht unmittelbar eine Gefahr. Eine solche kommt unter Umständen nur mittelbar aufgrund der Reaktion des Publikums durch das Singen ausländerfeindlicher Parolen in Betracht. Demnach würde ein ordnungsbehördliches Verbot des Abspielens des Liedes ausscheiden.

d. Modifikation der Unmittelbarkeitslehre durch die Rechtsfigur des Zweckveranlassers

Allerdings ist die Unmittelbarkeitslehre durch die Rechtsfigur des Zweckveranlassers modifiziert worden (Beaucamp/Seifert, JA 2007, 577, 577). Demnach ist nach der gebotenen wertenden Betrachtung und, um die Effektivität der Gefahrenabwehr zu gewährleisten, auch derjenige Veranlasser,  der eine Gefahr nur mittelbar verursacht, sofern eine natürliche Einheit zwischen dem Handeln und der Gefahr besteht (BVerwG, Beschl. v. 12.4.2006 – 7  B 30.06, BeckRS 2006, 23072 Rn. 4).

e. Haftungsbegründung des Zweckveranlassers

Die besondere Verantwortungsnähe des Zweckveranlassers wird unterschiedlich begründet. Nach der subjektiven Theorie ist nur derjenige Zweckveranlasser, der beabsichtigt oder zumindest in Kauf nimmt, eine Sachlage hervorzurufen, die mit einer Gefahr für die Sicherheit oder Ordnung einhergeht (Schenke, Polizeirecht, § 4 Rn. 316; BeckOK/Barczak, Polizei- und Ordnungsrecht NRW, OBG § 17 Rn. 12). Demnach käme es für ein Verbot des Abspielens des Liedes „L’amour toujours“ auf die Intention des Abspielenden an. Dieser müsste durch sein Verhalten das Singen fremdenfeindlicher Parolen verursachen wollen oder diese zumindest billigend in Kauf nehmen.

Demgegenüber stellt die objektive Theorie darauf ab, ob das Verhalten der Person bei objektiver Betrachtung typischerweise eine Gefahr zur Folge hat (Schenke, Polizeirecht, § 4 Rn. 316). Entscheidend wäre somit, ob das Abspielen des Songs „L’amour toujours“ typischerweise zu dem Singen strafbarer ausländerfeindlicher Parolen führt. Dies kann zumindest nicht pauschal angenommen werden. Zwar mögen sich die Fälle häufen, bei denen es zu derartigen Vorfällen kommt (siehe https://www.butenunbinnen.de/nachrichten/lamour-toujours-sylt-lka-niedersachsen-faelle-100.html). Doch erscheint es fernliegend, dass das Abspielen des Liedes generell typischerweise zu ebendieser Folge führt. Entscheidend sind somit erneut die konkreten Umstände des Einzelfalls, unter anderem die Art der Veranstaltung und das zu erwartende Publikum. Sind bei bestimmten Veranstaltungen bereits in der Vergangenheit ausländerfeindliche Parolen geäußert worden oder handelt es sich um nationalistische oder rechtsextreme Zusammenkünfte liegt eine entsprechende Prognose zumindest nahe.

Merkposten: Sollten die beiden Theorien zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, ist an dieser Stelle ein Streitentscheid erforderlich! Gegen die subjektive Theorie spricht, dass es einer aufwendigen Motiverforschung des Handelnden bedürfte, die ein schnelles Handeln verhindern würde. Zudem ist das Polizei- und Ordnungsrecht auf die Beseitigung objektiv gegebener Störungs- und Gefahrenlagen ausgerichtet, wohingegen die Sanktion einer inneren Einstellung Aufgabe des Strafrechts ist (Beaucamp/Seifert, JA 2007, 577, 578; Pietsch/Sommerfeld, JA 2022, 840, 844; Ebert, JuS 1985, 257, 262). Vorzugswürdig erscheint es somit, im Polizei- und Ordnungsrecht, das auch allgemein nicht vom Verschuldensprinzip ausgeht, der objektiven Theorie zu folgen.

2. Zwischenergebnis

Ob der Abspielende des Liedes als Zweckveranlasser Adressat eines ordnungsbehördlichen Verbots sein kann hängt somit vom konkreten Einzelfall ab. Der Klausurbearbeiter muss gegebenenfalls nach Ablehnung der subjektiven Theorie eingehend dazu Stellung nehmen, ob das Abspielen des Liedes nach objektiver Betrachtung typischerweise zu dem Singen ausländischer Parolen führt. Je nach dem zu welchem Ergebnis man kommt wäre das ordnungsbehördliche Verbot materiell rechtmäßig oder nicht.

III. Ergebnis

Insgesamt zeigt sich, dass an ein ordnungsbehördliches Verbot des Abspielens des Liedes „L’amour toujours“ hohe Hürden gestellt sind und die materielle Rechtmäßigkeit eines solchen Verbots vom konkreten Einzelfall abhängt. Bejaht man die materielle Rechtmäßigkeit des ordnungsbehördlichen Verbots, ist zudem zu beachten, dass § 14 I OBG NRW den Ordnungsbehörden auf der Rechtsfolgenseite ein Ermessen einräumt. Die Behörde müsste die Grenzen des Ermessens einhalten. Ermessensgrenze könnte vorliegend die Kunstfreiheit nach Art. 5 III 1 Var. 1 GG des Abspielenden sein. Dieser bringt mit dem Abspielen des Liedes dieses dem Publikum gegenüber zur Geltung und verbreitet es, sodass er eine unentbehrliche Mittelfunktion zwischen Künstler und Publikum wahrnimmt und sich damit auf die Kunstfreiheit berufen kann (dazu: BVerfG, Beschl. v. 3.11.2000 – 1 BvR 581/00, NJW 2001, 596 in Bezug auf das Abspielen des Liedes „Deutschland muss sterben“). Der Schwerpunkt der Klausur könnte folglich auch im Verfassungsrecht liegen und lediglich die Einkleidung des Falls im allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht!

07.06.2024/15 Kommentare/von Marie-Lou Merhi
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Marie-Lou Merhi https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Marie-Lou Merhi2024-06-07 08:00:002024-06-08 11:02:45Ein Lied macht Schlagzeilen:  „L’amour toujours“
Gastautor

Störerkategorien des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechtes

Öffentliches Recht, Polizei- und Ordnungsrecht, Rechtsgebiete, Schon gelesen?, Startseite, Verschiedenes

Wir freuen uns, nachfolgenden Gastbeitrag von Sofiane Benamor, LL.B. veröffentlichen zu können. Der Autor wird demnächst im Justizministerium des Landes Mecklenburg-Vorpommern tätig sein und beginnt ab kommendem Wintersemester ein Studium der Rechtswissenschaften an der Fernuniversität Hagen.
 
Die Störer- bzw. Verantwortlichkeitskategorien gehören zu den zentralen Begriffen des Polizei- und Ordnungsrechtes. Sie behandeln die Personen, gegen die sich die Ordnungs- und Polizeibehörden zur Gefahrenabwehr wenden können (vgl. §§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 PolG NRW, §§ 13 f. ASOG Bln, explizit § 68 Abs. 1 SOG M-V). Die Verantwortlichkeit als normative Voraussetzung der Inanspruchnahme ist wesentliches Element rechtsstaatlichen Polizei- und Ordnungsrechtes. Es stellt sicher, dass nur derjenige, dem eine Gefahr zuzurechnen ist, auch in Anspruch genommen wird. Zwar ist das Gefahrenabwehrrecht typisches Landesrecht, sodass sich bundeslandspezifische Unterschiede ergeben können, wesentliche gesetzgeberische Entscheidungen sind jedoch weitestgehend bundeseinheitlich. Im Wesentlichen finden sich zwei bzw. drei Kategorien in den Polizeigesetzen:
I. Verhaltens- bzw. Handlungsstörer
II. Zustandsstörer
III. Nichtstörer

Diese sollen folgend skizziert und ihre wesentlichen Merkmale und praxis- bzw. fallrelevanten Gesichtspunkte dargestellt werden. Abschließend soll unter IV. ein kurzer Abriss der Problematik um die Auswahl bei Störermehrheit gegeben werden.
 
I. Verhaltens- bzw. Handlungsstörer
Bei dieser Störerkategorie ist, wie der Name bereits sagt, das Verhalten der Person maßgeblich. Dieses Verhalten kann zum einen im positiven, eigenen Tun liegen, also der aktiven Verursachung einer Gefahrenlage (z. B. dem Erzeugen nächtlichen Lärms durch Brüllen). Die Verhaltensverantwortlichkeit besteht verschuldensunabhängig, kann also einerseits Einsichtsunfähige und Betrunkene (z. B. den Betrunkenen, der nachts durch sein Liegen auf der Straße den Verkehr gefährdet) andererseits aber auch Kinder treffen. Bei Kindern und Jugendlichen unter 14 (§ 17 Abs. 2 BPolG; § 4 Abs. 2 PolG NRW; § 68 Abs. 2 SOG M-V; § 13 Abs. 2 ASOG Bln) bzw. unter 16 Jahren (§ 6 Abs. 2 PolG BW) besteht daneben auch eine Zusatzverantwortlichkeit für den bzw. die Aufsichtspflichtigen. Eine solche kann auch für den Betreuer einer behinderten Person oder für den Geschäftsherrn eines Verrichtungsgehilfen bestehen (§ 69 Abs. 3 SOG M-V, § 6 Abs. 3 HSOG, § 17 Abs. 3 BPolG). Dieser Zusatzverantwortliche tritt neben den Hauptverantwortlichen, sodass beide je nach Zweckmäßigkeit in Anspruch genommen werden können.
Die Verhaltensverantwortlichkeit kann auch aus einem Unterlassen resultieren (OVG Münster, DVBl. 1979, 735; Kingreen/Poscher, POR, § 9 Rn.6). Voraussetzung hierfür sind gesetzlich normierte Handlungspflichten aus dem öffentlichen Recht (z. B. Pflicht der Eltern, ihre Kinder in die Schule zu schicken; Straßenreinigungspflicht aus Landesrecht; vgl. auch § 10 KrWG, § 26 WHG), bzw. Pflichten aus öffentlich-rechtlichem Vertrag, Verwaltungsakt oder auch Garantenstellung. Ob zivilrechtliche Handlungspflichten ausreichen, ist umstritten und jedenfalls hinsichtlich der Pflicht zur Haltung einer Sache im ordnungsgemäßen Zustand eher abzulehnen, da ansonsten die normative Distinktion zwischen Verhaltens- und Zustandsverantwortlichkeit unterlaufen würde (Thiel, POR, Rn. 228). Daran ändert auch die verfassungsrechtliche Sozialbindung des Eigentums aus Art. 14 Abs. 2 GG nichts.
Regelmäßige Probleme bereiten Fälle, in denen der Gefahrzusammenhang bzw. die Gefahrverursachung des (vermeintlich) Verhaltensverantwortlichen nicht zweifellos feststeht. Zur Abgrenzung verwendet die h. M. die sog. Theorie der unmittelbaren Verursachung (Selmer, JuS 1992, 97 <98>). Danach ist das Verhalten maßgeblich, welches nach den Umständen des Einzelfalles die Gefahrengrenze überschreitet. Abzustellen ist mithin auf das letzte Glied der Kausalkette, mittelbare Verursacher scheiden damit aus. Die Gefahrenschwelle überschreitet eine Handlung, wenn sie nicht mehr denjenigen Anforderungen entspricht, die von der Rechtsordnung im Interesse eines störungsfreien Gemeinschaftslebens verlangt werden (OVG Münster, NVwZ 1985, 355 <356>). Es erfolgt also keine objektive naturwissenschaftliche, sondern eine normativ wertende Gesamtbetrachtung.
Als Korrektiv dieser Theorie wurde die Figur des Zweckveranlassers entwickelt. Hierunter ist die Person zu verstehen, welche „zwar die Gefahrengrenze überschreitet, aber nicht die zeitlich letzte Handlung vor dem Schadenseintritt vornimmt“ (Gusy, POR, Rn. 336). Er veranlasst eine Situation, in welcher durch das Verhalten anderer eine Gefahr entwickelt wird, er „fordert“ den unmittelbaren Störer „heraus“ (Schmidt, POR, Rn. 776). Die enge sachliche Nähe von Veranlassung und dem die Gefahr herbeiführenden Verhalten soll hier die Verantwortlichkeit begründen. Historisch entwickelt wurde die Figur im Schaufensterpuppenfall des Preußischen Oberverwaltungsgerichtes (PrOVGE 40, 216 <217>). Der Eigentümer eines Ladens stellte diverse bewegliche Puppen in sein Schaufenster. Diese lockten viele schaulustige Passanten an, die dann Ansammlungen bildeten und mithin den Verkehr behinderten. Andere Fälle sind etwa die Vermietung von Wohnungen in Sperrbezirken gem. Art. 297 EGStGB an Prostituierte (VGH Kassel, NVwZ 1992, 1111), die Anmeldung einer potenziell unfriedlichen Demonstration (OVG Weimar, NVwZ-RR 1997, 287) oder die Einladung zu einer Facebook-Party (Klas/Bauer, K&R 2011, 533).
An dieser Rechtsfigur gibt es zahlreiche Kritik (vgl. exemplarisch Erbel, JuS 1985, 257), deren Bearbeitung jedoch den Rahmen dieses Beitrages erheblich übersteigen würde.
 
II. Zustandsstörer bzw. -verantwortlichkeit
Die Zustandsverantwortlichkeit als Ausfluss der Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG stellt im Gegensatz dazu auf die tatsächliche Sachherrschaft oder Eigentum an einer Sache, die wiederum Gefahren verursacht, ab (§ 18 BPolG; § 70 SOG M-V; § 7 PolG BW; § 5 PolG NRW; § 14 ASOG Bln). Es kommt hier also nicht darauf an, ob der Eigentümer oder Inhaber der tatsächlichen Gewalt etwas für den Gefahrenzustand der betreffenden Sache kann oder diesen (schuldhaft oder unschuldhaft) verursacht hat, sondern nur auf die objektiven Gefahren, die von der Sache ausgehen. Klassische Anwendungsfälle für die Zustandsverantwortlichkeit sind der Baum auf einem Privatgrundstück, der auf die Straße (und damit auf Passanten) zu fallen droht oder der um sich beißende Hund.
Die Eigentümereigenschaft ist akzessorisch zu den Wertungen des bürgerlichen Rechts (Götz, POR, § 9 Rn. 55). Eigentümer ist somit, wer nach den Vorschriften des BGB Eigentum an einer Sache hat. Bei gemeinschaftlichem Miteigentum ist jeder Eigentümer eigenständig verantwortlich. Die Verantwortlichkeit des Eigentümers entfällt allerdings, wenn der Inhaber der tatsächlichen Welt diese ohne den Willen des Eigentümers oder des Nutzungsberechtigten ausübt (§ 18 Abs. 2 S. 2 BPolG, § 5 Abs. 2 S. 2 PolG NRW, § 14 Abs. 2 S. 2 ASOG Bln, § 7 Abs. 2 S. 2 HSOG). Dies kann durch typische Fallkonstellationen wie Diebstahl und Unterschlagung, aber auch durch hoheitliche Beschlagnahme (z. B. Pfändung) geschehen.
Nicht beendet wird die Zustandsverantwortlichkeit des Eigentümers jedoch durch Dereliktion gem. §§ 928, 959 BGB. Hier regeln die Polizeigesetze explizit, dass diese auch nach der Dereliktion weiterhin besteht (vgl. § 18 Abs. 3 PolG BW; 5 Abs. 3 PolG NRW; § 14 Abs. 4 ASOG Bln; § 6 Abs. 3 BremPolG; § 70 Abs. 3 SOG M-V). Der Derelinquierende soll sich seiner Verantwortung nicht einfach durch Eigentumsaufgabe entziehen können.
Die andere Form der Zustandsverantwortlichkeit ist die des Inhabers der tatsächlichen Gewalt, also der tatsächlichen Sachherrschaft. Die tatsächliche Gewalt bzw. Sachherrschaft ist ein polizeirechtseigener Begriff, der zwar ähnlich, aber nicht völlig deckungsgleich mit dem zivilrechtlichen Besitzbegriff ist (Götz, § 9 Rn. 51), da er keinen Besitzbegründungswillen erfordert und nach der Verkehrsauffassung zu bestimmen ist. Er wird jedoch in aller Regel zum selben Ergebnis führen.  Beispiele für diese Kategorie sind Mieter, Pächter und Verwahrer, aber auch Insolvenz- und Konkursverwalter.
 
III. Inanspruchnahme des Nichtstörers
Unter gewissen, sehr engen Voraussetzungen können auch Personen, die weder Verhaltens- noch Zustandsstörer bzw. Verantwortliche sind, in Anspruch genommen werden (§ 71 SOG M-V; § 20 BPolG, § 6 PolG NRW; § 9 PolG BW; § 16 ASOG Bln; § 7 BremPolG). Man spricht in diesem Zusammenhang vom polizeilichen Notstand. (Pieroth/Schlink/Kniesel, § 9 Rn. 74). Erforderlich ist hier eine Gefahr, die gegenwärtig und zumeist auch erheblich sein muss.  Weiterhin ist die Inanspruchnahme des nichtverantwortlichen Dritten subsidiär zu anderen Möglichkeiten der Gefahrenabwehr. Das bedeutet sowohl, dass die Gefahr weder durch Inanspruchnahme des Verhaltens- noch Zustandsstörer, noch durch die Behörde selbst gebannt werden kann. Die Inanspruchnahme des Nichtverantwortlichen ist insoweit „doppelt subsidiär“ (Gusy, Rn. 384). Bei der Wahl und Ausprägung der Maßnahme muss die Behörde zudem darauf achten, dass diese sich auf das unbedingt notwendige Maß beschränkt und so wenig invasiv wie möglich ist. Außerdem steht dem Nichtstörer ein öffentlich-rechtlicher Ausgleichsanspruch zu (§ 59 Abs. 1 Nr. 1 ASOG Bln; § 56 Abs. 1 Satz 1 BremPolG; § 72 Abs. 1 SOG M-V; § 67 PolG NRW; § 55 Abs. 1 PolG BW).
Klassische Beispiele für diese Konstellation sind die sog. Obdachlosenfälle, in denen die Ordnungsbehörde eingreift, um drohende Obdachlosigkeit zu verhindern oder bestehende Obdachlosigkeit (auch nur temporär) zu beenden (vgl. OVG Berlin, NVwZ 1991, 692; VGH München, BayVBl. 1991, 114). Hier wird der Eigentümer der bereits bewohnten oder einer unbewohnten Wohnung als Nichtstörer in Anspruch genommen, da eine Inanspruchnahme des tatsächlichen Störers – hier des Obdachlosen – nicht erfolgsversprechend ist. Da allerdings auch hier die Nachrangigkeit der Inanspruchnahme des Nichtstörers gilt, muss sich die Ordnungsbehörde zunächst bemühen, andere Unterkünfte für den (potenziell) Obdachlosen zu finden (Schmidt, Rn. 837).
Weiterhin in der Praxis bedeutsam sind Fälle auf dem Gebiet des Versammlungsrechtes, in denen die Teilnehmer einer Demonstration zwar friedlich agieren, eine Gefahr jedoch von der Gegendemonstration zu erwarten ist. Hier ist das Verhältnis der potenziellen Maßnahmen zueinander jedoch komplexer, da die Notstandsverantwortung z. B. durch Auflagen oder ggf. auch ein Totalverbot der gefährlichen Demonstration (vgl. § 15 Abs. 1 VersG) teilweise vermieden werden kann (BVerfG, NVwZ 2000, 1406). Hier ist auch zu prüfen, ob der Demonstrationsanmelder nicht bereits als Zweckveranlasser in Anspruch genommen werden kann.
 
IV. Polizei- und ordnungsbehördliche Störerauswahl
In vielen Fällen wird es nicht nur einen, sondern mehrere Verantwortliche geben, die zur Abwehr der Gefahr in Anspruch genommen werden können. Gerade die aufgezeigten Zusatzverantwortlichkeiten bei der Verhaltens- und Zustandsverantwortlichkeit oder die sog. Doppelstörer, die sowohl verhaltens- als auch zustandsverantwortlich sind, geben den zuständigen Behörden zur Gefahrenabwehr die Möglichkeit der individuellen Auswahl. Diese Entscheidung steht im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde (vgl. § 12 ASOG Bln, § 14 SOG M-V, § 3 PolG NRW; § 3 PolG BW; § 4 Abs. 1 BremPolG; § 16 BPolG). Sie hat dabei Entschließungs- und Auswahlermessen. Bei „besonders hoher Intensität der Störung oder Gefährdung“ (BVerwGE 11, 95 <97>) oder „besonders schweren Gefahrenfällen“
(BVerwG, DÖV 1969, 465) kann dieser Ermessensspielraum eingeschränkt sein. Zentrales und entscheidendes Kriterium bei der Störerauswahl ist der gefahrenabwehrrechtliche Grundsatz der Effektivität der Gefahrenabwehr, dass sich die Behörde also an denjenigen wendet, der die Gefahr am schnellsten und effektivsten beseitigen kann (Schmidt, Rn. 816). So ist im Verhältnis Mieter (als Inhaber der tatsächlichen Gewalt) und Eigentümer der Mieter als Anwesender, sofort Handlungsfähiger eher in der Lage, einen losen Ziegelstein vom Dach des Hauses zu entfernen als der entfernt wohnende Eigentümer. Andersherum wird sich die Behörde an den Eigentümer wenden, wenn es um bestimmte Handlungen geht, die dem Mieter aus mietvertraglichen bzw. eigentumsrechtlichen Gründen verboten sind, er dazu also rechtlich nicht in der Lage ist. In der Literatur finden sich darüber hinaus vermehrt Faustformeln für die Inanspruchnahme, etwa „Verhaltensverantwortlicher/Handlungsstörer vor Zustandsstörer“ oder „Doppelstörer vor einfachem Störer“ (Thiel, Rn. 305). Die Tauglichkeit solcher Faustformeln ist umstritten (Vgl. Schoch, JURA 2012, 685 <688>). Es wird hier zu raten sein, eine wertende Gesamtbetrachtung der jeweiligen Umstände des konkreten Einzelfalls vorzunehmen.

23.08.2021/3 Kommentare/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2021-08-23 09:00:592021-08-23 09:00:59Störerkategorien des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechtes
Zaid Mansour

Überblick zur Rechtsfigur des sog. Zweckveranlassers

Für die ersten Semester, Öffentliches Recht, Polizei- und Ordnungsrecht, Schon gelesen?, Verschiedenes

Die Figur des Zweckveranlassers ist seit geraumer Zeit in Schrifttum und Rechtsprechung höchst umstritten und mithin ein „Klassikerproblem“ des Polizei- und Ordnungsrechts. Solides Grundwissen erleichtert dem Prüfling dabei den Einstieg in die Falllösung. Klausurtechnisch taucht die Zweckveranlasserproblematik im Rahmen der auf Tatbestandsebene zu verortenden Prüfung auf, ob die handelnde Polizei- oder Ordnungsbehörde ihre Maßnahme gegen den richtigen Störer bzw. den Verursacher der Gefahr gerichtet hat. Zunächst sollen die gängigen Verursachungstheorien hinsichtlich der polizei- und ordnungsrechtlichen Handlungsverantwortlichkeit kurz dargestellt werden (I.). Im Anschluss daran folgt eine sich auf das im Rahmen des Examens erforderliche Wissen beschränkende Darstellung des Streitstandes hinsichtlich Zulässigkeit und Voraussetzungen einer Inanspruchnahme als Zweckveranlasser (II.).

I. Verursacherbegriff im Polizei- und Ordnungsrecht

Die Störereigenschaft hängt maßgeblich davon ab, ob im polizeirechtlichen Sinne eine Gefahr verursacht wurde. Auf ein Verschulden oder eine Verschuldensfähigkeit kommt es dabei nicht an. Zur Ermittlung der polizeirechtlichen Kausalität kommt zunächst die Äquivalenztheorie i.S.d condicio sine qua non – Formel in Betracht, wonach grundsätzlich jede getätigte Handlung, die nicht hinweggedacht, bzw. jede unterlassene Handlung, die nicht hinzugedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele, ursächlich ist. Die Äquivalenztheorie wird allerdings in diesem Kontext von der h.M aufgrund ihrer Uferlosigkeit und der damit einhergehenden übermäßigen Ausdehnung der polizeirechtlichen Verantwortlichkeit abgelehnt. Beim polizeirechtlichen Verursacherbegriff darf also nicht allein auf die Kausalität im Sinne naturwissenschaftlicher Regeln abgestellt werden. Auch die aus dem Zivilrecht bekannte Adäquanztheorie erscheint im Kontext des Polizeirechts als untauglich, da Ädaquanz im Ergebnis auf die Vorhersehbarkeit und damit auf das Verschulden abstellt. Die polizeirechtliche Haftung ist jedoch, wie eingangs bereits erwähnt, verschuldensunabhängig (täterindifferent). Die Theorie der rechtswidrigen Verursachung stellt hingegen darauf ab, dass die Handlungsverantwortlichkeit Folge rechtswidrigen Handelns ist. Nach einer anderen Literaturmeinung ist die Frage der Verhaltensverantwortlichkeit anhand wertender Kriterien wie Pflichtwidrigkeit oder Risikosphäre zu ermitteln (Lehre von der Risikosphäre).

Nach der mittlerweile wohl herrschenden Theorie der unmittelbaren Verursachung ist nur diejenige Person verhaltensverantwortlich, die die Gefahr unmittelbar herbeigeführt hat und damit selbst und in eigener Person die Gefahrenschwelle überschritten hat.

II. Die Lehre vom Zweckveranlasser

Als Zweckveranlasser (auch mittelbarer Verursacher genannt) wird im polizei- und ordnungsrechtlichen Sinne eine Person bezeichnet, der eine Gefährdung oder Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung durch Dritte aufgrund einer eigenen, für sich betrachtet rechtmäßigen bzw. neutralen Handlung zugerechnet wird.

Die Rechtsfigur des Zweckveranlassers wird von Teilen des Schrifttums grundsätzlich abgelehnt. Begründet wird dies mit dem Analogieverbot, dem Schutz von Grundrechten sowie dem Verweis auf den Grundsatz, wonach eine polizeirechtwidrige Situation nur durch eigenverantwortliches Handeln geschaffen werden kann. Danach soll gegen denjenigen, der lediglich einen mittelbaren Verursachungsbeitrag geleistet hat, nur unter den Voraussetzungen der Notstandverantwortlichkeit vorgegangen werden können.

Der herrschenden Ansicht zufolge kann auch ein mittelbarer Verursacher einer Gefahr als Handlungsverantwortlicher im polizeirechtlichen Sinne angesehen werden, wobei allerdings streitig ist, unter welchen Voraussetzungen dies der Fall ist.

Die subjektive Zweckveranlassertheorie stellt primär darauf ab, ob der Handelnde zweckgerichtet die Gefahrenverwirklichung durch Dritte beabsichtigt oder zumindest billigend in Kauf genommen hat. Auf Grundlage der objektiven Zweckveranlassertheorie ist eine Verhaltensstörereigenschaft dann zu bejahen, wenn aus der Sicht eines unbeteiligten Dritten die eingetretene Folge typischerweise durch die Veranlassungshandlung herbeigeführt wird. Die h.M vertritt hingegen eine vermittelnde Sichtweise, indem sie diese beiden Ansichten in ein Alternativitätsverhältnis stellt. Danach ist Zweckveranlasser und damit Verhaltensstörer, wer die Störung bzw. Gefahr subjektiv bezweckt oder dessen Verhalten zwangsläufig eine Störung oder Gefahr zur Folge hat.

Gegner und Befürworter dieser Rechtsfigur sind sich allerdings einig, dass eine Inanspruchnahme als Zweckveranlasser in der Regel jedenfalls dann ausscheiden muss, wenn bei wertender Betrachtungsweise in rechtmäßiger Weise von grundrechtlich geschützten Verhaltensweisen Gebrauch gemacht wurde. In derartigen Konstellationen kommt jedoch eine Inanspruchnahme als Nichtstörer in Betracht.

Beispiel 1: Ladeninhaber L engagiert gutaussehende (weibliche) Models und lässt sie im Schaufenster seines Ladengeschäfts spärlich bekleidet in aufreizender Weise posieren. Dadurch entsteht eine große Menschenansammlung, die eine Blockade der am Laden vorbeiführenden Straße und ein Verkehrschaos nach sich zieht. L ist jedenfalls objektiver Zweckveranlasser, obwohl ihm das Verkehrschaos möglicherweise (subjektiv) unerwünscht war.

 Beispiel 2: A ist Inhaber eines Warenlagers und will seinem Nachbarn eins auswischen. Dazu weist er seinen Warenlieferanten unter Mitgabe des Schlüssels für das Warenlager an, in den nächsten Tagen nur zur Nachtzeit anzuliefern. Hinsichtlich der eintretenden nächtlichen Ruhestörung ist A (subjektiver) Zweckveranlasser. Die Tatsache, dass der Warenlieferant ebenfalls Verhaltensstörer ist, steht dem nicht entgegen. Dies spielt im Falle der Inanspruchnahme des A allein auf Ebene der Ermessensprüfung eine Rolle (Störerauswahlermessen).

26.05.2012/5 Kommentare/von Zaid Mansour
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Zaid Mansour https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Zaid Mansour2012-05-26 19:25:022012-05-26 19:25:02Überblick zur Rechtsfigur des sog. Zweckveranlassers

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