Das OLG Schleswig hatte kürzlich (Az. 3 U 22/12) einen sehr examensrelevanten Fall aus dem Mängelgewährleistungsrecht zu entscheiden (der beck-Ticker berichtete). Es ging hierbei um die Frage, ob ein Gewährleistungsrecht selbst dann noch besteht, wenn zwar ein Mangel bei Gefahrübergang unstrittig vorgelegen hatte, dieser aber mittlerweile weggefallen ist.
I. Sachverhalt
Im konkreten Fall erwarb ein Käufer einen gebrauchten PKW. Kurz nach dem Kauf wurde durch den Käufer das – unbestrittene – Vorliegen eines Mangels festgestellt, den er aber selbst beseitigte. Kurze Zeit später machte der Käufer aber dennoch sein Rücktrittsrecht geltend.
Fraglich war im konkreten Fall, ob die Ausübung dieses Rechts (noch) möglich war.
II. Lösung des OLG Schleswig
Nach § 437 Nr. 2 Var. 1 BGB setzt das Rücktrittsrecht zunächst das Vorliegen eines Mangels bei Gefahrübergang voraus. Gefahrübergang ist nach § 446 S. 1 BGB die Übergabe der Sache. Zu diesem Zeitpunkt war sie unwidersprochen mangelhaft (vgl. § 434 Abs. 1 BGB), sodass die Grundvoraussetzung dieses Mängelgewährleistungsrechts zu bejahen ist. [Im konkreten Fall nahm die Prüfung des Mangels einen größeren Raum ein; hierauf wird aber aus Vereinfachungsgründen verzichtet.]
Fraglich ist aber, welche Folgen die Reparatur für das Rücktrittsrecht hat. Unbeachtlich wäre die Reparatur dann, wenn auch danach eine mangelhafte Beschaffenheit nicht vorliegen würde. Das wäre insbesondere dann gegeben, wenn eine vollständige Reparatur nicht möglich war. Denkbar wäre es aber auch, selbst bei erfolgreicher Reparatur einen Mangel dann noch zu bejahen, wenn der PKW durch den vorherigen Mangel faktisch makelbehaftet ist, bspw. weil ein (erhöhtes) Risiko eines erneuten Mangels vorliegt. Im konkreten Sachverhalt sind aber diesbezüglich keine Indizien ersichtlich. Es ist davon auszugehen, dass zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung der Mangel nicht mehr bestand.
Es bleibt damit die Frage, ob der zwischenzeitliche Wegfall des Mangels das Mängelgewährleistungsrecht an seiner Entstehung hindert. Nach Ansicht des OLG Schleswig erfordert ein Mängelgewährleistungsrecht, dass der Mangel auch bei Ausübung des Gewährleistungsrechts noch vorliegt. Das OLG Schleswig stellt dies hier erstmalig ausdrücklich fest:
Für die Beurteilung, ob ein den Rücktritt rechtfertigender Mangel vorliegt, ist auf den Zeitpunkt der Rücktrittserklärung abzustellen (BGH NJW 2009, 508, 509; Palandt/Weidlich, § 437 Rn. 22; Staudinger/Schwarze, Bearb. 2009, § 323 Rn. D 5).
In der Vergangenheit wurde lediglich der Fall behandelt, dass der Verkäufer den Mangel beseitigt hat. Nunmehr hat das OLG Schleswig diese Rechtsprechung aber auch für den Fall verallgemeinert, dass der Käufer oder Dritte den Mangel beseitigen bzw. dass dieser von selbst entfällt:
Soweit ersichtlich, wird dies in der Kommentierung zwar stets nur unter der Fragestellung behandelt, ob der Käufer noch zurücktreten könne, wenn der Verkäufer den Mangel nachgebessert habe (zu einer Ausnahme sogleich). Die fachgerechte, vollständige und nachhaltige Beseitigung des Mangels durch den Verkäufer schließt nach einhelliger Auffassung den Rücktritt aus. Ist die Nachbesserung erst nach Ablauf einer hierzu gesetzten Frist oder gar erst nach der Rücktrittserklärung erfolgt, wird dies damit begründet, dass in der Entgegennahme der Nachbesserung durch den Käufer ein Verzicht auf sein Rücktrittsrecht liege (OLG Düsseldorf, Urteil vom 19. Juli 2004 – 1 U 41/4 -, bei juris 35; Reinking/Eggert, 10. Aufl. 2009, Rn. 505; juris-PK-BGB/Alpmann, Stand 01.10.2012, § 323 Rn. 63; MüKo-BGB/Ernst, 5. Aufl. 2007, § 323 Rn. 154, 166; insoweit auch Erman/Grunewald, 13. Aufl. 2011, § 434 Rn. 68 und § 437 Rn. 4). Zum gleichen Ergebnis muss es aber führen, wenn der Käufer selbst den Mangel beseitigt hat. Die tatsächliche Folge der Mangelbeseitigung ist dieselbe. Die Sache ist nun vertragsgerecht. Rechtsfolge muss sein, dass kein Gewährleistungsanspruch wegen Vertragswidrigkeit mehr besteht. Der Käufer verhielte sich widersprüchlich, wenn er den Mangel beseitigte und dann den Kaufvertrag wegen eines Mangels rückabwickeln möchte, der nicht mehr vorliegt.
Sofern der BGH in der Vergangenheit etwas Abweichendes vertreten hatte (BGH NJW 2001, 66, 66 f), beruhte dies auf der Rechtslage vor der Schuldrechtsreform und kann nicht mehr aufrechterhalten werden. Hier war das Gewährleistungsrecht nicht als einseitiges Gestaltungsrecht ausgebildet. Stattdessen kamen ein Rückabwicklungsverhältnis oder eine Minderung erst nach Einverständniserklärung des Verkäufers mit dem Wandelungs- oder Minderungsverlangen des Käufers zustande. In diesem Zwischenzeitraum war ein Wegfall des Mangels unerheblich. Eine Übertragung auf die aktuelle Rechtslage ist aber unerheblich, da die Ausübung des Gestaltungsrecht im Herrschaftsbereich des Käufers liegt.
Maßgebliche Begründung des OLG Schleswig ist das widersprüchliche Verhalten des Käufers (§242 BGB). Behebt dieser den Mangel, zeigt er damit ja gerade, er wolle die Sache behalten. Ein Rücktritt ist damit nicht vereinbar. [In der Klausur würde sich hier dann die Frage nach der Ersetzbarkeit der entsprechenden Reparaturkosten stellen – Stichwort Selbstvornahme] Desweiteren widerspricht auch der Telos des Gewährleistungsrechts einer solchen Ausübung. Beim Rücktritt ist stets der Vorrang der Nachfüllung zu beachten; eine solche ist hier aber deshalb nicht mehr möglich, da sie nicht zielführend wäre. Der Rücktritt müsste damit hier ohne Nacherfüllungsverlangen möglich sein. Dies kann nicht überzeugen. Zudem würden sich – bei einem erfolgten Rücktritt – auch Probleme im Rahmen der Abwicklung zeigen. Es würde sich die Frage stellen, wer letztendlich die Reparaturkosten zu tragen hat – Käufer oder Verkäufer.
Dem Urteil des OLG Schleswig ist damit im Ergebnis vollumfänglich zuzustimmen; in der Begründung bleibt es freilich etwas „dünn“.
III. Fazit/Klausurrelevanz
Schuldrecht wird sehr gern in Examensklausuren geprüft, auch weil die dort auftretenden Probleme schier endlos sind. Für die Klausur sollte man sich als Voraussetzung des Mängelgewährleistunsgrechts folgendes merken:
- Der Mangel muss zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorgelegen haben (§ 437 BGB).
- Der Mangel muss zum Zeitpunkt der Geltendmachung des Gewährleistungsrechts noch vorliegen.
Die zweite Voraussetzung ergibt sich nicht aus dem Wortlaut, wohl aber aus dem Telos der Gewährleistungsrechte. Eine Nacherfüllung wäre hier reine Förmelei. Die übrigen Gewährleistunsgrechte knüpfen aber stets an den Vorrang der Nacherfüllung an und passen demnach hier auch nicht. Dennoch muss das Verneinen eines Mangels bei Ausübung des Gewährleistungsrechts sorgfältig geprüft werden, insbesondere darf auch ein Makel nicht mehr vorliegen.
Das Kaufrecht bleibt also ein Dauerbrenner in Rechtsprechung und Examen. Die nächste Entscheidung des BGH steht bereits an (siehe hier).
IV. Exkurs
Ein alternativer Schwerpunkt – insbesondere im Rahmen einer mündlichen Prüfung könnte in einer solchen Konstellation auch auf die Frage der Erfüllung nach §§ 362 ff. BGB gelegt werden, schließlich liegt am Ende eine wirksame Leistung vor, sodass die Frage aufzuwerfen ist, ob eine Erfüllung auch ohne eigene Leistungshandlung des Schuldners (hier: Verkäufer) möglich ist. Hier wäre dann die Frage aufzuwerfen, inwiefern dabei ein finales Element zu fordern ist; die herrschende Meinung verzichtet nach der sog. Theorie der realen Leistunsgbewirkung hierauf, sodass die tatsächliche Erbringung der Leistung ausreicht. Zu diskutieren wäre dann hier freilich, inwiefern eine solche Leistungsbewirkung ohne Mitwirken des Schuldners möglich ist. Nach herrschender Meinung ist dies nicht möglich (vgl. nur Palandt /Grüneberg Rn. 2); der Leistungsanspruch (hier der Nacherfüllungsanspruch) würde dann aber nach § 275 BGB untergehen.