Die Frage um die rechtliche Zulässigkeit des sog. Dash Buttons von Amazon geht in die nächste Runde. Mit seinem Urteil vom 10. Januar 2019 – 29 U 1091/18 entschied das Oberlandesgericht München, dass die derzeitige Funktionsweise des WLAN Knopfes gegen verschiedene rechtliche Vorgaben verstößt und gab der Unterlassungsklage der Verbraucherschutzzentrale NRW vollumfänglich statt. Wie bereits aus der erstinstanzlichen Entscheidung des LG München I vom 1. März 2018 – 12 O 730/17 ersichtlich war, ergibt sich die Rechtswidrigkeit der Vorrichtung auch und insbesondere aus einem Verstoß gegen zivilrechtliche Vorgaben des BGB. Man wird deshalb von einer erhöhten Prüfungs- und Examensrelevanz des Urteils ausgehen müssen. Der nachstehende Beitrag beleuchtet die Rechtsstreitigkeit unter besonderer Berücksichtigung der klausurrelevanten Problemstellungen:
I. Sachverhalt (dem erstinstanzlichen Urteil entnommen)
„Die Parteien streiten im Wege einer Verbandsklage nach dem UKlaG um die Zulässigkeit von Bestellungen mittels des von der Beklagten vertriebenen „A Dash Buttons“ (im Folgenden: Dash Button) […]
Die Beklagte betreibt unter der Adresse www.a de eine Plattform für den Online-Handel mit Waren und bietet zusätzlich weitere Dienstleistungen an […]
Der Dash Button ist ein Gerät, das sich mit dem WLAN eines Nutzers verbinden und über die WLAN-Verbindung Signale an den WLAN-Router versenden kann. Die Versendung eines Signals wird durch das Drücken einer elektromechanischen Schaltfläche ausgelöst. Der Dash Button ist auf der Vorderseite mit dem jeweiligen Herstellerlogo und auf der Rückseite mit Angaben über technische Details beschriftet. Darüber hinaus ist er nicht beschriftet […]
Die Beklagte gibt Dash Buttons mit Beschriftung verschiedener Marken auch an Verbraucher heraus. Verbraucher, die bei der Beklagten eine kostenpflichtige A… Mitgliedschaft unterhalten, können mit diesem Gerät Haushaltsgegenstände des täglichen Bedarfs bestellen, zum Beispiel Waschmittel, Zahnhygieneartikel, Windeln, Kosmetikprodukte oder Hundefutter […]
Der Dash Button muss zunächst vom Nutzer eingerichtet werden. Dabei legt der Nutzer ein Produkt fest, das über den Dash Button bestellt werden soll. Nach der Registrierung ist der Dash Button mit einem konkreten Produkt nach Wahl des Nutzers verknüpft. Der Dash Button selbst ist mit dem WLAN des Nutzers verbunden. Für die Einrichtung des Dash Buttons ist die A Shopping App erforderlich, die der Nutzer auf seinem Smartphone installieren muss […]
Sobald der Nutzer die Schaltfläche des Dash Buttons betätigt, erhält er auf seinem Smartphone eine Push-Nachricht mit Informationen zur Bestellung, zum Preis und zum voraussichtlichen Lieferzeitpunkt. Dies aber nur, wenn er der A Shopping App erlaubt, Push-Nachrichten auf sein Smartphone zu schicken. Beim Anklicken dieser Push-Nachricht wird der Nutzer zur A Shopping App weitergeleitet. Dort werden die Details der Bestellung des Produkts, das zuvor mit dem Dash Button verknüpft wurde, aufgeführt. Der Nutzer muss die Bestellung über die A Shopping App nicht nochmals separat bestätigen. Er kann zudem über die A Shopping App die Bestellung binnen 15 Minuten nach dem Drücken des Dash Buttons kostenfrei stornieren […]“
Anmerkung: Das erstinstanzliche Urteil enthält zudem weitere Ausführungen zu den „A Dash Replenishment Nutzungsbedingungen“, die mit jedem Nutzer als Rahmenvereinbarung geschlossen werden. Die entscheidungserheblichen Passagen werden nachfolgend an den maßgeblichen Stellen genannt.
II. Was entschied das LG München?
Das Urteil der ersten Instanz thematisierte in besonders ausführlicher Weise zwei Verstöße des Dash Buttons gegen Verbraucherschutzvorschriften. Im Fokus stand dabei § 312j BGB: Gemäß § 312j Abs. 3 S. 1 BGB ist der Unternehmer verpflichtet, beim Abschluss von entgeltlichen Verbraucherverträgen im elektronischen Geschäftsverkehr Bestellvorgänge derart auszugestalten, dass der Verbraucher mit seiner Bestellung ausdrücklich bestätigt, dass er sich zu einer Zahlung verpflichtet. Erfolgt die Bestellung über eine Schaltfläche, erfüllt der Unternehmer seine Pflichten, wenn diese gut lesbar mit nichts anderem als den Wörtern „zahlungspflichtig bestellen“ oder mit einer anderweitigen, entsprechenden und vor allem eindeutigen Formulierung beschriftet ist. Eben hier liegt das Problem des Dash Buttons: Dieser ist auf seiner Vorderseite nur mit dem Logo des jeweiligen Herstellers und auf der Rückseite mit technischen Details versehen. Eine ausdrückliche, eindeutige Erklärung zur zahlungspflichtigen Bestellung – wie sie etwa in einem Zahlungsbutton von Online Shops expressiv verbis vorzufinden ist – fehlt. Auch wenn es sich beim Dash Button nicht um eine virtuelle, sondern physische Schaltfläche handelt, geltend die Vorgaben des § 312j Abs. 3 S. 2 BGB unbeschränkt.
Zusätzlich sah das LG München in der Gestaltung des Dash Buttons einen Verstoß gegen § 312j Abs. 2 BGB, wonach dem Verbraucher die Informationen nach Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 4, 5, 11 und 12 EGBGB unmittelbar vor der Abgabe der Bestellung klar und verständlich in hervorgehobener Weise zur Verfügung zu stellen sind. Das LG München misst der Vorschrift eine zeitlich-räumliche Dimension bei, mit der Folge, dass die wesentlichen Eigenschaften der Ware sowie der Gesamtpreis inkl. Steuern und Abgaben bei jedem Bestellvorgang erkennbar mitgeteilt werden müssen. Auch dies vermag der Dash Button nicht zu gewährleisten.
III. Aufrechterhaltende Entscheidung des OLG München
Die Berufungsinstanz bestätigt nun das Ergebnis des Landgerichts München I. Das Oberlandesgericht machte deutlich, dass der Verbraucher vor Absenden der Bestellung über den Preis und die tatsächliche Bestellte Ware informiert werden muss. Die Rahmenvereinbarung ist mit diesem verbraucherschutzrechtlichen Grundsatz jedoch unvereinbar. Das Bedingungswerk zum Dash Button sieht vor:
„1. Bestellungen, Geräte und Software
Mit einem Service-fähigen Gerät aufgegebene Bestellungen.
[…] Wenn Sie ein Produkt gewählt haben, das Sie über Ihr Service-fähiges Gerät kaufen möchten, können sich manche Angebote und Produktdetails bei späteren Nachbestellungen eventuell ändern (zum Beispiel Preis, Steuern, Verfügbarkeit, Lieferkosten und Anbieter). Jede Bestellung unterliegt den zum jeweiligen Zeitpunkt geltenden Angebotsdetails. […] Sollte Ihr Produkt zum Zeitpunkt ihrer Bestellung nicht verfügbar sein, ermächtigen Sie uns, Ihre Bestellung mit einem geeigneten Ersatzartikel der gleichen Produktart und derselben Marke (z.B. mit leicht abweichender Füllmenge) zu erfüllen.“
Neben den unzulässigen Änderungsvorbehalten, die die Klauseln insgesamt nach Auffassung der Richter intransparent wirken lassen und damit AGB rechtlich unzulässig seien, sei auch das Fehlen des Hinweises zur Zahlungspflicht ausschlaggebend für die Rechtswidrigkeit der derzeitigen Ausgestaltung des Buttons. Das OLG schließt sich demnach in vollem Umfang den Entscheidungsgründen der ersten Instanz an. Für den Dash Button besteht demzufolge dringender Änderungs- und Anpassungsbedarf. Da das Oberlandesgericht auch die Revision zum BGH nicht zugelassen hat, wird Amazon um eine Anpassung der Funktionsweise des Buttons an die Vorgaben des deutschen Zivilrechts nicht herumkommen. Notwendig wäre jedenfalls eine Anpassung des Rahmenvertrags hinsichtlich der Änderungsvorbehalte sowie eine Kennzeichnung des Buttons, die den Vorgaben aus § 312j Abs. 3 BGB entspricht.
IV. Was man für die Klausur wissen muss
Die Rechtsprechung zum Amazon Dash Button lässt sich problemlos universitäre Zivilrechtsklausuren als auch Examensklausuren einbauen. Für eine erfolgreiche Bearbeitung ist ein guter Überblick zu den Verbraucherschutzvorschriften der §§ 312 ff. BGB notwendig. Im Detail muss erkannt werden, dass auch der physische Dash Button isoliert als Telemedium i.S.v. § 312i Abs. 1 S. 1 BGB in Verbindung mit § 1 Abs. 1 S. 1 TMG zu qualifizieren ist. Zudem müssen die Sonderbestimmungen für den elektronischen Geschäftsverkehr nach § 312j Abs. 2, 3 BGB erkannt und geprüft werden. Darüber hinaus wird die Klausur eine klassische AGB Prüfung zum Gegenstand haben. Aufgrund des von Amazon bislang genutzten Änderungsvorbehalts muss in einem ersten Schritt § 308 Nr. 4 BGB problematisiert werden. Auch bedarf es einer Transparenzprüfung nach § 307 Abs. 1 S. 1, 2 BGB. Punkten wird, wer beide Problemfelder erkennt und die Funktionsweise des Dash Buttons sauber subsumiert.
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Schlagwortarchiv für: WLAN
Nach langer Diskussion hat sich die Große Koalition auf ein neues WLAN-Gesetz geeinigt, welches bereits im Herbst 2016 in Kraft treten könnte. Medienberichten zufolge soll nun die sog. Störerhaftung, die bis dato ein Hemmnis für den Ausbau offener WLAN-Hotspots darstellte, abgeschafft werden. Künftig sollen also private und nebengewerbliche Betreiber offener WLAN-Zugänge nicht mehr für Rechtsverletzungen ihrer Nutzer verantwortlich gemacht werden können – eine sicherlich begrüßenswerte Entwicklung!
Da das aktuelle Vorhaben nicht nur gesellschaftlich interessant ist, sondern auch insbesondere in der mündlichen Prüfung Potenzial hat, im Rahmen allgemeiner zivilrechtlicher Normen (§§ 1004, 823 I BGB) abgeprüft zu werden, sollen die rechtlichen Grundlagen der (derzeit noch bestehenden) Störerhaftung vorliegend noch einmal näher beleuchtet werden.
I. Haftungsgrundsätze der Störerhaftung
Da wegen über das Internet begangener Rechtsverletzungen wie Verletzungen des Markenrechts, des Urheberrechts oder des allgemeinen Persönlichkeitsrechts häufig keine Ansprüche gegen den Schädiger geltend gemacht werden können, weil dieser nicht ermittelt werden kann – da die bloße Ermittlung der IP-Adresse hierzu nicht genügt –, versuchen Geschädigte, gegen den Betreiber des Internetzugangs vorzugehen. Allerdings scheitern Schadensersatzansprüche wie § 823 I BGB i. d. R. am fehlenden Verschulden des Vermittlers.
Ein Anspruch auf Unterlassung analog § 1004 I 1 BGB (oder spezialgesetzlich z.B. § 97 I UrhG, der sich an § 1004 BGB orientiert) könnte sich allerdings aus den vom BGH entwickelten Grundsätzen der Störerhaftung ergeben. Als Störer gilt, wer ohne Täter oder Teilnehmer zu sein, in irgendeiner Weise willentlich und adäquat-kausal zur Verletzung eines geschützten Rechtsguts beiträgt. In dem Betrieb eines ungesicherten Internetzugangs liegt jedenfalls eine für die Rechtsverletzung mitursächliche Handlung des Vermittlers. Zudem wird hierbei eine Verletzung von Prüfungspflichten vorausgesetzt, wobei der konkrete Umfang dieser sich danach bestimmt, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenem nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist (BGH v. 17.5.2001 – I ZR 251/99, BGHZ 148, 13). Welche konkreten Maßnahmen der Betreiber eines WLAN-Zugangs ergreifen soll, ist nicht gesetzlich geregelt, sondern wird von der Rechtsprechung anhand des Kriteriums der Zumutbarkeit bzw. einer Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls festgelegt. Nach Ansicht des BGH genügt jedoch die „Unterstützung oder Ausnutzung der Handlung eines eigenverantwortlichen Dritten, sofern der Inanspruchgenommene die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte“ (BGH v. 8.1.2014 – I ZR 169/12, BGHZ 200, 76), um eine Haftung zu begründen.
1. Ungesichertes WLAN
In der Entscheidung Sommer unseres Lebens (BGH v. 12.5.2010 – I ZR 121/08, siehe auch hierzu unseren Artikel v. 14.5.2010) hat der BGH erstmals festgelegt, dass eine Pflicht besteht, den WLAN-Anschluss durch ein Passwort zu sichern und somit den Zugriff durch unbefugte Dritte zu verhindern. Die Verletzung dieser Sorgfaltspflicht führt zu einem Unterlassungsanspruch gem. § 97 I 1 UrhG sowie einem Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten gem. § 97a II UrhG. Dem privaten Betreiber eines WLAN-Netzes könne zwar nicht zugemutet werden, die Netzwerksicherheit fortlaufend dem neuesten Stand der Technik anzupassen und dafür entsprechende finanzielle Mittel aufzuwenden. Die Prüfpflicht beziehe sich aber auf die Einhaltung der im Zeitpunkt der Installation des Routers für den privaten Bereich marktüblichen Sicherungen, wobei sich dieser Sorgfaltsmaßstab auch auf die allgemeine Störerhaftung analog § 1004 I 1 BGB übertragen lässt.
2. Überlassung des Zugangs an Familienangehörige
Diese Grundsätze sind wohl aber nicht auf das Überlassen eines Internetanschlusses an Familienangehörige übertragbar (vgl. BGH v. 8.1.2014 – I ZR 169/12, BGHZ 200, 76 – BearShare; s. auch v. 15.11.2012 – I ZR 74/12, NJW 2013, 1441 – Morpheus), da insofern ein grundrechtlich geschütztes familiäres Vertrauensverhältnis (Art. 6 I GG) besteht, in dem keine Überwachungspflichten gefordert werden dürfen. Sogar hinsichtlich Minderjährigen gilt, dass Eltern grundsätzlich keine Pflicht trifft, die Nutzung des Internets durch ihr Kind zu überwachen oder diesem den Zugang zum Internet zu versperren, sofern nicht konkrete Anhaltspunkte bestehen, dass Rechtsverletzungen begangen werden (BGH v. 15.11.2012 – I ZR 74/12, NJW 2013, 1441 – Morpheus).
II. Privilegierung nach dem Telemediengesetz (TMG)
Besondere Bedeutung kommt im Kontext der Haftung für Rechtsverletzungen Dritter im Internet dem TMG zu. Für sog. Access Provider, also Diensteanbieter, die Zugang zur Nutzung von Informationen vermitteln (worunter nach h. M. auch das Zurverfügungstellen eines offenen WLAN-Zugangs fällt, vgl. auch Mantz/Sassenberg, NJW 2014, 3537; Hoeren/Jakopp, ZRP 2014, 72), findet sich in den §§ 7 ff. TMG als Umsetzung der E-Commerce-RL 2000/31/EG eine Privilegierung. Gem. § 8 TMG sind Access Provider für die Übermittlung von Informationen nicht verantwortlich, sofern sie die Übermittlung nicht veranlasst (§ 8 I Nr. 1 TMG), den Adressaten der übermittelten Information nicht ausgewählt (Nr. 2) und die übermittelten Informationen nicht ausgewählt oder verändert haben (Nr. 3). Ungeklärt war bis jetzt jedoch, ob auch Privatpersonen und Nebengewerbliche unter den persönlichen Anwendungsbereich der Norm fallen. Zudem findet die Privilegierung auf Unterlassungsansprüche wie die Störerhaftung nach ständiger Rechtsprechung des BGH gerade keine Anwendung (s. z.B. BGH v. 1.4.2004 – I ZR 317/01, BGHZ 158, 343). Ob dies nun durch das neue Gesetz geändert wird, und ob nun endgültig klargestellt wird, dass alle WLAN-Betreiber unter die Privilegierung des § 8 TMG fallen, bleibt abzuwarten, bis das neue Gesetz final verabschiedet ist. Den Medienberichten zufolge sollen jedenfalls künftig auch private und nebengewerbliche Anbieter das Providerprivileg genießen, wohl indem der Abs. 4 des § 8 TMG des umstrittenen Referentenentwurfs vom 11.3.2015, der forderte, dass WLAN-Anbieter zumutbare Maßnahmen ergreifen müssen, um Rechtsverletzungen der Nutzer zu verhindern, ersatzlos weggestrichen wird. Machen Sie erfolgreich Wetten auf der Website der Österreichischen Spielbanken spielautomaten
III. Ansicht des EuGH
Den Anstoß für das neue Gesetz hat wohl Generalanwalt Szpunar des Europäischen Gerichtshofs gegeben, der sich in seinem Schlussantrag zur Rechtssache C-484/14 gegen die Störerhaftung ausspricht. Das LG München I hatte mit seinem Beschluss v. 18.9.2014 (Az. 7 O 14719/12) dem EuGH die Frage vorgelegt, ob und inwiefern ein gewerblich handelnder Betreiber eines offenen WLAN für Urheberrechtsverstöße seiner Nutzer haftet, insb. ob die Privilegierung des § 8 TMG anwendbar ist. Szpunar führt u.a. dazu aus, dass
„[…]eine Verallgemeinerung der Verpflichtung, WLAN-Netze zum Schutz von Urheberrechten im Internet zu sichern, für die Gesellschaft insgesamt von Nachteil sein könnte und dass dieser Nachteil den möglichen Vorteil für die Inhaber dieser Rechte überwiegen könnte.
Zum einen ist die Bandbreite der von vielen Personen genutzten öffentlichen WLAN-Netze verhältnismäßig begrenzt, so dass es dort nicht zu vielen Beeinträchtigungen von Rechten an urheberrechtlich geschützten Werken und Gegenständen kommt. Zum anderen bieten WLAN-Hotspots zweifellos ein wichtiges Innovationspotenzial. Jede Maßnahme, die die Entwicklung dieser Tätigkeit bremsen könnte, ist deshalb im Hinblick auf ihren potenziellen Nutzen gründlich zu prüfen.“
Seiner Ansicht nach könne ein WLAN-Betreiber zwar gerichtlich verpflichtet werden, eine Rechtsverletzung zu verhindern, jedoch seien hierbei die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und Effektivität zu beachten. Aus EU-rechtlicher Sicht schränke die Pflicht zur Überwachung, wie sie in der deutschen Störerhaftung vorgesehen ist, die unternehmerische Freiheit zu stark ein. Auch wenn noch keine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vorliegt, deutet der Schlussantrag des Generalanwalts jedenfalls auf eine Einschränkung der Störerhaftung hin – die ja jetzt in Form des neuen Gesetzes wohl sowieso gänzlich abgeschafft wird.
IV. Zusammenfassung
Nach dem neuen Gesetz, das auch private und nebengewerbliche WLAN-Anbieter von der Verantwortlichkeit für Rechtsverletzungen Dritter befreit, müssen jene ihren WLAN-Zugang nicht mehr mit einem Passwortschutz oder einer Vorschaltseite sichern, was den Betrieb offener Hotspots – wie sie in anderen Ländern bereits gang und gäbe sind – ermöglicht.
Für eine mündliche Prüfung sollte die Störerhaftung angesichts der Aktualität des Themas im Auge behalten werden, da sie beispielsweise im Zusammenhang mit dem allgemeinen zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch des § 1004 BGB angesprochen werden kann.
Wir freuen uns Euch einen Gastbeitrag von Stefan Glasmacher veröffentlichen zu können. Stefan arbeitete als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Öffentliches Recht an der Universität Bonn bei Herrn Prof. Dr. Löwer. Derzeit ist er in Station bei Dr. Axel Spies (Morgan, Lewis & Bockius LLP) in Washington, D. C.
„Big Data“ in Deinem Alltag und Examen: Welche datenschutzrechtlichen Fragestellungen sind im Ersten und Zeiten Staatsexamen aktuell?
Der Umgang mit Deinen Daten begleitet Dich nicht nur im Alltag, sondern auch in beiden juristischen Examina. Er kann zum Gegenstand von Klausuren, aber aufgrund aktueller politischer Bezüge auch leicht der mündlichen Prüfung gemacht werden. Liest Du vor der mündlichen Prüfung die überregionalen Zeitungen? Dann wirst Du regelmäßig auf ein datenschutzrechtliches Thema stoßen. Wir machen einen „datenschutzrechtlichen Streifzug“ anhand aktueller Themen durch Deutschland und Europa und schlagen die transatlantische Brücke in die USA.[1]
- „Verwertbarkeit von „Dash-Cam“-Aufzeichnungen im Zivil- und Strafprozess – Pro und Contra
Seit geraumer Zeit streiten die unterinstanzliche Rechtsprechung und Literatur über die Zulässigkeit von sog. „Dash-Cam“-Aufzeichnungen. Dann verwundert es kaum, dass das Thema auf die Agenda des 54. Verkehrsgerichtstages gesetzt wurde. Eine „Dash-Cam“ ist eine Kamera, die in einem Fahrzeug ständig oder anlassbezogen mitläuft und den Straßenraum aufzeichnet. Der Aufzeichnende verspricht sich von den Bildern der Kamera bessere Erfolgsaussichten in der Beweisführung. Doch genau diese Zulässigkeit in der Beweisführung wird im Zivil- und Strafprozess datenschutzrechtlich infrage gestellt. Eine Einladung an Studenten und Referendare beim Auslegungskanon aus dem Vollen zu schöpfen. Das Thema ist auch der Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht fremd, wie ein Urteil des VG Ansbach[2] zeigt, in dem sich die Filmende gegen eine Unterlassungsverfügung des Ordnungsamts wehrt. Taucht das Thema der Verwertbarkeit von Dash-Cam Aufnahmen in der Prüfung auf, sollte anhand der folgenden Argumente Stellung zu den drei maßgeblichen Fragen genommen werden:
- Ist der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht (APR) gem. Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG gerechtfertigt?
- Liegt ein Verstoß gegen § 6b I BDSG vor?
- Liegt ein Verstoß gegen § 22 I KunstUrhG vor?
Hier sind die wesentlichen Argumente der Rechtsprechung und Literatur tabellarisch aufgearbeitet:
Pro Zulässigkeit | Contra Zulässigkeit |
Gerechtfertigter Eingriff in das APR[3] · Kein absoluter Kernbereich · Keine wesentlichen Nachteile des Gefilmten, Daten werden mit der Zeit überschrieben · Aufklärung von Straftaten und materielle Wahrheit wird gestärkt |
Nicht gerechtfertigter Eingriff in das APR[4] · Stetige und gezielte Überwachung ist ein heftiger Eingriff · Im Vorfeld unklar, ob Videoaufzeichnungen gebraucht werden (Möglichkeit nicht ausreichend) |
Aufdeckung von provozierten Unfällen wird deutlich erleichtert[5] und Beweisnotstand der geschädigten Partei wird beseitigt | Verstoß gegen § 6b I BDSG · Anwendbar (nicht nur für stationäre Kameras) · Verbot von Videoaufzeichnungen ohne Grund · Datensammlung möglich ohne individuelle Einwilligung |
Prozessrecht offen für technische Innovationen | Verstoß gegen § 22 S. 1 KunstUrhG, da Gefilmte insbes. nicht bloß „Beiwerk“ von Landschaften gem. § 23 I Nr. 2 KunstUrhG sind[6] und die Aufzeichnungen in einer öffentlichen Hauptverhandlung (vgl. § 169 GVG) wiedergegeben werden sollen |
Personen in fremden Fahrzeugen oft nicht identifizierbar, wenn es nicht zu einem Unfall kommt[7] | Permanenter Überwachungsdruck auf Gefilmten[8] |
Auch Anscheinsbeweise behalten im Kern eine signifikante Ungewissheit eines anderen Unfallhergangs |
Der 54. Verkehrsgerichtstag hat sich für eine gesetzliche Lösung dieser Fragen ausgesprochen. Bis zu einer Novelle des Gesetzgebers werden sie aber in der Praxis virulent bleiben. Während sich eine „gefestigte“ einheitliche Meinung dort noch nicht gebildet hat, spricht eine Tendenz bei jedenfalls anlassbezogenen Aufzeichnungen für eine Verwertbarkeit. Bei dauerhaften nicht anlassbezogenen Aufzeichnungen hingegen nimmt die „herrschende Meinung“ eine Unverwertbarkeit an. Das Problem wurde bislang wenig aus einer europäischen Perspektive betrachtet, obwohl der Straßenverkehr in großen Teilen grenzübergreifend in Europa „rollt“.
- WLAN-Gesetzgebungsverfahren
Ein anderes aktuelles Spannungsfeld betrifft das WLAN-Gesetzgebungsverfahren. Es lädt dazu ein, die staatsrechtlichen Grundlagen des Gesetzgebungsverfahrens abzufragen. Gleichzeitig stellt sich aber auch die Frage: Warum ist ein Gesetz notwendig geworden? Wie ist die Haftung überhaupt entstanden?
In seiner Entscheidung aus dem Jahre 2010 legte der BGH den Betreibern von WLAN eine hohe Verantwortung auf: Sie müssen das WLAN gegen die unbefugte Nutzung durch Dritte ausreichend absichern, um nicht in Haftung genommen werden zu können: „Der Inhaber eines WLAN-Anschlusses, der es unterlässt, die im Kaufzeitpunkt des WLAN-Routers marktüblichen Sicherungen ihrem Zweck entsprechend anzuwenden, haftet als Störer auf Unterlassung, wenn Dritte diesen Anschluss missbräuchlich nutzen, um urheberrechtlich geschützte Musiktitel in Internettauschbörsen einzustellen.“[9] Dabei umfasst „marktüblich“ eine ganze Menge an Pflichten: Absicherung durch Virenschutz, Aktualisierung des Virenschutzes, Nutzung einer Firewall und Aktualisierung des Systems durch Patches und Updates sowie die Verschlüsselung des WLAN.[10] Vor dem Hintergrund dieser umfangreichen Pflichten erscheint es für den Betreiber von WLAN nicht einfach, ein „marktüblich“ gesichertes Netzwerk zu unterhalten. Die Bundesregierung wollte Abhilfe schaffen und hat den Ausbau des kabellosen Netzwerks zum Ziel erklärt, ist dabei aber immer wieder auf Kritik gestoßen. Wie weit sollten die Pflichten der WLAN-Betreiber reichen? Solange diese Frage ungeklärt ist, kommt der Netzausbau in Deutschland jedenfalls nicht weiter.
- Vorratsdatenspeicherung
Ein aus der politischen Diskussion und der (Prüfungs-) Praxis nicht mehr hinwegzudenkendes Thema betrifft die Vorratsdatenspeicherung. Seitdem die CDU die Ausweitung der Vorratsdatenspeicherung plant, kommt neue Bewegung in das Thema. Wo hat alles angefangen? Angefangen hat es bei der Idee, dass die europäischen Sicherheitsbehörden in der digitalen Welt neue Mittel zur Strafverfolgung an die Hand bekommen sollen. Dazu wurde eine europäische Richtlinie erlassen, die wiederum in deutsches Recht umgesetzt wurde. Im Jahre 2010 urteilte schließlich das BVerfG über die Vorratsdatenspeicherung: „Eine sechsmonatige, vorsorglich anlasslose Speicherung von TK-Verkehrsdaten durch private Diensteanbieter, wie sie die RL 2006/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.3.2006 (RL 2006/24/EG) vorsieht, ist mit Art. 10 GG nicht schlechthin unvereinbar; auf einen etwaigen Vorrang dieser RL kommt es daher nicht an.“[11] Das BVerfG erkannte einen Eingriff in Art. 10 I GG, stellte aber gleichzeitig klar, dass weder dessen Menschenwürdekern (Art. 1 I GG) noch dessen Wesensgehalt (Art. 19 II GG) angetastet seien. Dennoch: „Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt, dass die gesetzliche Ausgestaltung einer solchen Datenspeicherung dem besonderen Gewicht des mit der Speicherung verbundenen Grundrechtseingriffs angemessen Rechnung trägt. Erforderlich sind hinreichend anspruchsvolle und normenklare Regelungen hinsichtlich der Datensicherheit, der Datenverwendung, der Transparenz und des Rechtsschutzes.“
Im Anschluss entschied der EuGH, dass die Vorratsdatenspeicherungsrichtlinie[12] ungültig sei.[13] Positiv gesprochen machte die Entscheidung den Weg frei für eine Novellierung. Das Ergebnis ist noch heute eine Rechtsunsicherheit, die in einem Dickicht an Entscheidungen und Vorgaben nach einer neuen Regelung sucht.
- „Privacy Shield“ als neuer „Safe Harbor“ in den USA
Wer auf Facebook, Twitter & Co angemeldet ist, muss damit rechnen, dass seine Daten an Server in den Vereinigten Staaten weitergeleitet werden. Nach Art. 25 IV EG-Datenschutzrichtlinie[14] ist ein Datentransfer aus den Mitgliedstaaten der Union in ein Drittland nur möglich, wenn ein „angemessenes Schutzniveau“ besteht. Dies war in die Vereinigten Staaten, insbesondere unter dem Freedom Act, lediglich möglich, weil sich die Parteien mit „Safe Harbor“ auf einen besonderen Schutz europäischer Daten in den USA einigten. Dieser modus vivendi blieb solange bestehen bis der EuGH die Regelung in der vielbeachteten Schrems-Entscheidung[15] missbilligte. Was waren die Gründe des EuGH?
Durch die Veröffentlichung geheimer Dokumente durch Edward Snowden wurde evident, dass europäische Daten in den Vereinigten Staaten nicht in einem „sicheren Hafen“ waren. Diese Bedenken nahm der Generalanwalt auf und wurde durch den EuGH bestätigt. Dieser erkannte in den Vereinigten Staaten kein „angemessenes“ Schutzniveau der Daten und stellte Verstöße gegen Art. 7 „Achtung des Privat- und Familienlebens“, Art. 8 „Schutz personenbezogener Daten“ und Art. 47 „Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht“ EU-GrCH fest und verwarf die Angemessenheitsentscheidung der Kommission gegenüber den Vereinigten Staaten. Dazu heißt es in dem Urteil des EuGH lediglich: „Die Entscheidung 2000/520 ist ungültig.“
Mit Hochdruck wurde an einer neuen Regelung gearbeitet, die fortan den Namen „Privacy Shield“ trägt. An erster Stelle der Beratungen zu einer neuen Vereinbarung steht die Notwendigkeit einer Beschränkung des Zugangs der Daten durch US-Behörden. Darüber hinaus sollen US-Unternehmen transparenter machen, was sie über ihre Nutzer wissen und wie sie ihre Daten verwenden. Damit dies nicht in bloßen „Absichtserklärungen“ mündet, soll eine unabhängige Kontrolle durch einen Ombudsmann stattfinden und der Zugang zu den Gerichten vollumfänglich eröffnet werden. Damit gehen die Individualbeschwerde und die Streitschlichtung einher, die auch den einzelnen Nutzern offen stehen sollen. Schließlich wackelt noch die Rechtsgrundlage, auf der das Abkommen stehen soll. Derzeit wird dazu ein diplomatischer Briefwechsel fixiert, der spannende Fragen nach der Verbindlichkeit und den rechtlichen Anknüpfungspunkten aufwirft.
- Zusammenfassung
Datenschutzrechtliche Fragen sind im Allgemeinen im Spannungsfeld zwischen dem (staatlichen) Sicherheitsinteresse und den (individuellen) Freiheitsrechten angesiedelt. Wie stark darf der Staat in die Sphäre der Bürger eingreifen, um seinem Strafverfolgungsauftrag gerecht zu werden? Wie weit dürfen die Bürger selbst gehen, um zur Aufklärung von Straftaten oder Fehlverhalten (Unfällen etc.) beizutragen? Diese Fragen wurden anhand aktueller Berichterstattung, Rechtsprechung und Literatur exemplarisch aufbereitet und dennoch stellen sie nur ein Fragment der aktuellen datenschutzrechtlichen Fragen dar. Technische Innovation durchzieht alle Lebensbereiche und wirft immer schneller neue juristische Fragen auf, die mehr nach einer internationalen und europäischen als nach einer deutschen Lösung rufen.
[1] Die Themen werden im Folgenden nur exemplarisch behandelt. Spannend bleiben auch Fragen zu der Ausrüstung von Polizisten mit Kameras sowie die Videoüberwachung von Demonstrationen, um nur einige weitere Beispiele zu nennen.
[2] AG Ansbach, Urt. v. 12.8.2014, AN 4 K 13.01634.
[3] In diese Richtung: Greger, NZV 2015, 114 (115f.).
[4] LG Heilbronn, Urt. v. 3.2.2015, I 3 S 19/14, 3 S 19/14.
[5] Franzke/Nugel, NJW 2015, 2071 (2076f.).
[6] AG München, Beschl. v. 13.8.2014, 345 C 5551/14.
[7] AG Nürnberg, Urt. v. 8.5.2015, 18 C 8938/14.
[8] LG Memmingen, Urt. v. 14.1.2016, 22 O 1983/13.
[9] BGH, Urt. v. 12.5.2010, I ZR 121/08.
[10] Aufzählung nach: Borges, NJW 2010, 2624 (2624) m. w. N.
[11] BVerfG, MMR 2010, 356.
[12] Richtlinie 2006/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über die Vorratsspeicherung von Daten, die bei der Bereitstellung öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste oder öffentlicher Kommunikationsnetze erzeugt oder verarbeitet werden, und zur Änderung der Richtlinie 2002/58/EG.
[13] EuGH, Urteil vom 08.04.2014, C-293/12.
[14] Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr.
[15] EuGH, ZD 2015, 549 (m. Anm. Spies)
Beck-online titelte vor kurzem „Anonyme Hotspots erlaubt“ (becklink 1021386). In dem Artikel wurde über eine Entscheidung des LG München I berichtet, wonach Anbieter kostenloser Hotspots ihre Nutzer nicht identifizieren müssen (Urteil vom 12.01.2012, Az.: 17 HK O 1398/11, abrufbar im Volltext hier).
Dieser Bericht und insbesondere die gewählte Überschrift sind irreführend. Die Entscheidung des LG München I bezieht sich auf eine Fallgestaltung aus dem Wettbewerbsrecht. Ein Konkurrent hatte den Betreiber des Hotspots verklagt, das Anbieten eines Internetzugangs ohne Identifizierung zu unterlassen. Das Gericht entschied, dass es nach dem TKG und anderen Rechtsvorschriften keine Pflicht gibt Nutzer zu identifizieren.
Keine Aussage hat das Urteil dagegen zu der Haftung für Rechtsverletzungen, welche mittels des zur Verfügung gestellten WLANs begangen werden, getroffen. Es bleibt vielmehr dabei, dass dem Betreiber eines solchen ungesicherten und der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellten WLAN-Zugangs erhebliche Haftungsrisiken drohen. Dabei kann es für das „ob“ und den Umfang der Haftung dann durchaus eine Rolle spielen, ob der Betreiber auf die Identifizierung der Nutzer verzichtet oder nicht. Verzichtet er darauf, kann man möglicherweise annehmen, dass er Rechtsverletzungen mit bedingtem Vorsatz in Kauf nimmt.
Das wäre etwa für die Haftung von mittels eines Netzwerks begangenen Urheberrechtsverletzungen relevant. Das folgt aus der BGH-Rechtsprechung (BGH Urteil vom 12. 5. 2010 – I ZR 121/08, BGHZ 185, 330 = NJW 2010, 206 – Sommer unseres Lebens, hier ein Bericht auf juraexamen.info). Dort hatte der BGH entschieden, dass Inhaber von Urheberrechten von den Betreibern des WLANs Beseitigung bzw. Unterlassung der durch das WLAN begangenen Urheberrechtsverletzungen gem. § 97 Abs. 1 UrhG verlangen können. Das gelte selbst dann, wenn, wie in dem BGH entschiedenen Fall, ein Dritter unberechtigt das WLAN nutze.
Eine Haftung auf Schadensersatz gem. § 97 Abs. 2 UrhG scheide aber aus, da der Betreiber des WLANs, jedenfalls wenn er es Dritten nicht zur Verfügung stellt, nicht Täter oder Teilnehmer der Urheberrechtsverletzung ist. Denn um Täter zu sein, müsste er selbst das Werk zugänglich gemacht haben (§ 19a UrhG). Das jedoch ist nicht bereits mit der Zurverfügungstellung eines Internetanschluss der Fall, sondern erst mit dem Onlinestellen des Werkes. Eine Haftung als Teilnehmer käme jedoch in Betracht, wenn er vorsätzlich handelt. Ein solcher Vorsatz wird im vom BGH entschiedenen Fall des Einbruchs in ein privates Netzwerk fernliegend sein. Anders mag es liegen, wenn man ein Netzwerk öffentlich zur Verfügung stellt und die anonyme Nutzung desselben erlaubt. Daran ändert auch die zitierte Entscheidung des LG München I nichts.
Es soll ja durchaus den ein oder anderen Studenten geben, der sich über einen „kostenlosen Internetzugang“ dank eines technisch wenig versierten Nachbarns freuen kann, da dieser ein unverschlüsseltes WLan-Netz Tag und Nacht angeschaltet hat. Aber ist dieses „Anzapfen“ fremder Internetzugänge strafbar?
LG Wuppertal: Schwarzsurfen nicht strafbar!
Nein, hat nun das LG Wuppertal entschieden (19.10.2010 – 25 Qs 177/10). In Betracht kamen in erster Linie einige etwas abseitige Straftatbestände aus dem TKG und dem BDSG. Aber auch an das StGB konnte man denken, insbesondere an eine Strafbarkeit wegen Ausspähens von Daten (§ 202a StGB) oder an ein Delikt nach § 202b StGB (Abfangen von Daten). Ferner hätte man noch einen versuchten Computerbetrug (§§ 263a Abs. 1 und 2, 263 Abs. 2 , 22 StGB) oder § 265a StGB anprüfen können. Im Ergebnis ging aber kein Tatbestand durch.
Das ganze dürfte für eine Klausur doch recht exotisch sein, aber in der mündlichen Prüfung kann man sicher mal den ein oder anderen Tatbestand gedanklich durchspielen. Für den Alltag kann es natürlich nicht schaden, wenn man weiß, dass „Schwarzsurfen“ straffrei ist.