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Schlagwortarchiv für: VG Berlin

Dr. Jan Winzen

VG Berlin: Ferienwohnungen im allgemeinen Wohngebiet unzulässig

Baurecht, Öffentliches Recht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Startseite

Das VG Berlin hat in einer aktuellen Entscheidung vom 21.02.2014 (VG 13 L 274. 13) einen Eilantrag zurückgewiesen, mit dem sich der Eigentümer eines Wohnkomplexes in Berlin Pankow gegen eine Untersagungsverfügung des zuständigen Bezirksamts gewendet hatte.
I. Sachverhalt
Das streitbefangene mit einem mehrgeschossigen Wohnhaus bebaute Grundstück liegt im unbeplanten Innenbereich. Die nähere Umgebung ist ganz überwiegend durch Wohnnutzung geprägt. Ab dem Frühjahr 2013 gingen beim Antragsgegner (dem zuständigen Bezirksamt) widerholt Mieterbeschwerden ein. Gegenstand der Beschwerden waren u.a. nächtliche und am Wochenende erfolgende Lärmbelästigungen durch den Ein- und Auszug von Feriengästen, laute Musik, versehentliches Klingeln und den Lärm von Reinigungskräften. Bei bauaufsichtlichen Kontrollen vor Ort stellte der Antragsgegner fest, dass eine Reihe der insgesamt etwa 30 Wohnungen als Ferienwohnungen genutzt wurden. Daraufhin untersagte der Antragsgegner der Hauseigentümerin nach vorheriger Anhörung unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Nutzung der „Ferienwohnungen“. Hiergegen hat die Antragstellerin am 27. November 2013 einstweiligen Rechtsschutz beantragt. Sie macht geltend, die tatsächlich ausgeübte Nutzung halte sich im Rahmen der gewöhnlichen „Wohnnutzung“. Insbesondere liege kein Beherbergungsbetrieb vor. Davon abgesehen sei die Nutzungsuntersagung ermessensfehlerhaft.
II. Entscheidung des Gerichts
Das VG Berlin weist den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO zurück.
Auf die Zulässigkeit des Antrags geht das Gericht in seiner vorliegenden Entscheidung zwar nicht ein. Im Examen sollte man aber zumindest kurz etwas zur Statthaftigkeit und zum Rechtsschutzbedürfnis sagen (siehe zur Zulässigkeit eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO ausführlich hier).
In der Begründetheit prüft das Gericht die formelle Rechtmäßigkeit der Anordnung der sofortigen Vollziehung und die Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung. Dies wäre in einer Klausur gutachterlich wie folgt darzustellen.
1. Obersatz
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO, gerichtet auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist begründet, wenn das private Aussetzungsinteresse (auch: Suspensivinteresse) der Antragstellerin das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Nutzungsuntersagung überwiegt. Dies richtet sich in erster Linie nach der (summarisch geprüften) Erfolgsaussicht des Rechtsbehelfs in der Hauptsache. Ist der Verwaltungsakt (offensichtlich) rechtswidrig, hat der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO Erfolg. Ist der Verwaltungsakt rechtmäßig, bedarf es darüber hinaus noch eines besonderen Vollzugsinteresses der Behörde.
2. Ermächtigungsgrundlage
Rechtsgrundlage für die Nutzungsuntersagung ist § 79 Satz 2 BauO Bln. Danach kann eine im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften erfolgende Nutzung von baulichen Anlagen untersagt werden (in anderen Landesbauordnungen finden sich gleichlautende Ermächtigungsgrundlagen).
a) Nutzung im Widerspruch zu öffentlich rechtlichen Vorschriften
Eine Nutzung im Widerspruch zu öffentlich rechtlichen Vorschriften läge jedenfalls dann vor, wenn die Wohnungen, für die nur eine gewöhnliche Wohnnutzung genehmigt ist, als Ferienwohnungen genutzt werden, ohne dass die für diese Nutzungsänderung erforderliche Baugenehmigung vorliegt.
aa) Definition „Nutzung als Ferienwohnung“
Eine Nutzung als Ferienwohnung ist nach dem VG Berlin gegeben, wenn

eine Wohnung ständig wechselnden Gästen zum vorübergehenden Aufenthalt zur Verfügung gestellt wird. Eine solche gewerbliche Kurzzeitvermietung stellt zwar regelmäßig (noch) keinen Beherbergungsbetrieb im bauplanungsrechtlichen Sinne dar, bildet aber eine eigenständige planungsrechtliche Nutzungsart, nämlich eine besondere Art der gewerblichen Nutzung, die von der gewöhnlichen Wohnnutzung zu unterscheiden ist. Darüber besteht soweit ersichtlich Einigkeit in der obergerichtlichen Rechtsprechung. Einigkeit besteht ferner darüber, dass der „vorübergehende“ Charakter des Aufenthalts nicht nur einen wenige Tage dauernden, sondern auch einen nach Wochen bemessenen Aufenthalt umfasst. Maßgeblich für die auf Dauer angelegte Häuslichkeit, die den Begriff des Wohnens prägt, ist darüber hinaus nach Ansicht der Kammer, dass es bei den abgeschlossenen Mietverträgen typischerweise zu einer Anmeldung i. S. des Melderechts kommt.

Gemessen an diesen Kriterien spricht nach Ansicht des VG Berlin, bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren allein möglichen summarischen Prüfung, alles dafür, dass die streitgegenständlichen Wohnungen als Ferienwohnungen i. S. der dargestellten obergerichtlichen Rechtsprechung genutzt werden. Das Gericht lässt sich dabei von folgenden Erwägungen leiten:

  • Die Auslobung der Wohnungen zur (auch) tageweisen Vermietung im Internet auf mehreren Webseiten sowie die aktenkundigen Beschwerden mehrerer Hausbewohner über die „in kurzen Intervallen“ an- und abreisenden Touristengruppen und die von diesen ausgehenden, konkret beschriebenen, Störungen stellen gewichtige Indizien dafür dar, dass eine gewerbliche Kurzzeitvermietung stattfindet.

  • Dasselbe gilt für die auf den Klingelschildern der entsprechenden Wohnungen angebrachten Fantasienamen (ohne entsprechenden Melderegistereintrag), den Wäscheservice (Wäschewechsel nach Ein- und Auszug, spezieller Kellerraum zur Lagerung der Wäsche) sowie die Informationsblätter in englischer Sprache, die ganz augenscheinlich für die Kurzzeitmieter bestimmt sind und u. a. eine „check-in time“ und „check-out time“ festlegen sowie einen Briefkasten angeben, in den der Wohnungsschlüssel bei Abreise einzuwerfen ist. Anmeldungen erfolgen offensichtlich nicht.

Der Einwand der Antragsstellerin, die ensprechenden Mietverträge sähen überwiegend eine Mietzeit von mehreren Wochen oder Monaten vor, greift nach Ansicht des Gerichts nicht durch,

da eine Nutzung als Ferienwohnung auch dann vorliegen kann, wenn die Nutzungsüberlassungen nicht lediglich tageweise erfolgen, sondern sich jeweils über mehrere Wochen erstrecken. Eine äußerste Grenze dürfte nach Ansicht der Kammer bei 12 Wochen zu ziehen sein. Dabei dürften einzelne Überschreitungen ebenso unerheblich sein wie eine gelegentliche (Mit-)Nutzung durch den Eigentümer oder Hauptmieter selbst, weil solche „Einsprengsel“ das Gesamtbild einer gewerblichen Kurzzeitvermietung nicht beeinflussen.

Die Wohnungen werden im Ergebnis also als Ferienwohnungen genutzt.
bb) Genehmigungspflicht
Die als Ferienwohnung genutzten Wohnugen werden im Widerspruch zu öffentlich rechtlichen Vorschriften genutzt, wenn für diese Nutzungsänderung eine Baugenehmigung erforderlich ist und nicht vorliegt.
Nach dem VG Berlin liegt eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung vor, wenn

sich die neue Nutzung von der bisherigen (legalen), durch die Baugenehmigung dokumentierten Nutzung dergestalt unterscheidet, dass sie anderen oder weitergehenden bauordnungs- oder bauplanungsrechtlichen Anforderungen unterworfen ist oder unterworfen sein kann, also die der bisherigen Nutzung eigene, gewisse Variationsbreite verlassen wird und durch die Veränderung bodenrechtliche Belange neu berührt werden können.

Diese Voraussetzungen sind im Hinblick auf die streitgegenständlichen Wohnungen erfüllt:

Das ist für eine Nutzung als gewerbliche Ferienwohnung im Verhältnis zur gewöhnlichen Wohnnutzung ersichtlich der Fall (vgl. nur VGH München, Beschluss vom 4. September 2013 – 14 ZB 13.6 -; VG Schwerin, Urteil vom 20. Dezember 2012 – 2 A 621/11 -). Die Nutzung durch Feriengäste ist gegenüber der „normalen“ Wohnnutzung typischerweise andersartig; ihr Nebeneinander kann zu städtebaulichen Konflikten führen, weil damit Unruhe in ein Wohngebiet getragen wird (so ausdrücklich OVG Lüneburg, Beschluss vom 22. November 2013 – 1 LA 49/13 -; VGH München, Beschluss vom 4. September 2013 – 14 ZB 13.6 -).

Die nach §§ 60 Abs. 1, 62 Abs. 2 Nr. 1 BauO Bln für die Nutzungsänderung erforderliche Baugenehmigung liegt nicht vor.
Die Wohnungen werden im Ergebnis im Widerspruch zu öffentlich rechtlichen Vorschriften genutzt.
b) Ermessen
Auf der Rechtsfolgenseite dürfte die Untersagungsverfügung schließlich nicht ermessensfehlerhaft sein. Dies erscheint hier zunächst insoweit unproblematisch, als eine Untersagungsverfügung (anders als eine Beseitigungsverfügung) bei (nur) formeller Illegalität ergehen kann. Anderenfalls würde das bauordnungsrechtliche Genehmigungsverfahren weitgehend unterlaufen und könnte das formelle Baurecht seine Ordnungsfunktion nicht mehr erfüllen.
Etwas anderes kann allerdings dann gelten, wenn, wenn die streitige Nutzung offensichtlich genehmigungsfähig ist oder unter Bestandsschutz steht oder wenn bei atypischen Fallgestaltungen ein Verstoß gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip vorliegt (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15. Mai 2007- OVG 2 S 26.07 -).
Das Gericht verneint in der vorliegenden Konstellation einen solchen Ausnahmefall. Der offensichtlichen Genehmigungsfähigkeit steht nach Ansicht des Gerichts entgegen, dass

wegen der von der Ferienwohnungsnutzung ausgehenden erheblichen Störungen ein Verstoß gegen das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot naheliegt.

Zur weiteren Begründung bezieht sich das Gericht auf zwei aktuelle Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts:

U. U. ist das Vorhaben bereits gebietsunverträglich, also aufgrund typisierender Betrachtungsweise mit der Zweckbestimmung eines allgemeinen Wohngebiets nicht verträglich (vgl. BVerwG, Beschluss vom 31. Juli 2013 – 4 B 8/13 -), weil allgemeine Wohnnutzung und Freizeitwohnen „grundverschieden“ sind (so BVerwG, Urteil vom 11. Juli 2013 – 4 GN 7/12 -).

Auch ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz liegt, mangels milderer Mittel, nicht vor:

Ebenso wenig erscheint die Nutzungsuntersagung unverhältnismäßig. Mildere Mittel als eine (vollständige) Untersagung der Nutzung als Ferienwohnungen sind nicht ersichtlich.

Die Untersagungsverfügung stellt sich damit im Ergebnis als offensichtlich rechtmäßig dar.
3. Besonderes Vollzugsinteresse
Das bei einer Anordnung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO erforderliche besondere Vollzugsinteresse sieht das Gericht schließlich auf der Grundlage folgender Erwägung als gegeben an:

Es liegt ein besonderes Vollzugsinteresse insbesondere wegen der Besorgnis einer negativen Vorbild- oder Nachahmungswirkung vor. Es ist geboten, die rechtswidrigen Zustände umgehend zu beenden, um die Ordnungsfunkti-on des formellen Baurechts zu sichern und zugleich den wirtschaftlichen Anreiz für illegale Nutzungsänderungen gegenüber einer sonst möglichen Ausnutzung des Suspensiveffektes von Widerspruch und Klage möglichst effektiv zu minimieren. Zudem liegen zahlreiche Nachbarbeschwerden wegen Lärmbelästigungen vor

III. Fazit
Ein interessanter Fall zu § 80 Abs. 5 VwGO, der sich gut für Klausuren des ersten und zweiten Staatsexamens eignet. Da der Sachverhalt relativ einfach und schnell erzählt ist, scheint der Fall auch für ein Prüfungsgespräch nicht ungeeignet, zumal § 80 Abs. 5 VwGO und bauordnungsrechtliche Grundlagen gerne auch zum Gegenstand mündlicher Prüfungen gemacht werden.
Die Originalentscheidung enthält zudem noch einige Passagen, die zum einen eher die tatsächliche Ebene betreffen. Dabei geht es um die Frage, ob die Antragstellerin richtige Adressatin der Untersagungsverfügung war (sie hatte geltend gemacht, die Vermietung sei doch eine dritte GmbH erfolgt) und ob die Verfügung inhaltlich hinreichend bestimmt war. Zum anderen enthält die Entscheidung noch eine teilweise übereinstimmende Erledigung und einen weiteren Antrag, der sich gegen eine Zwangsgeldandrohung richtet. Insgesamt also reichlich Themen, die sie für das zweite Staatsexamen besonders interessant machen. Die Lektüre der Originalentscheidung ist insoweit also durchaus zu empfehlen.

25.03.2014/2 Kommentare/von Dr. Jan Winzen
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Jan Winzen https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Jan Winzen2014-03-25 09:00:302014-03-25 09:00:30VG Berlin: Ferienwohnungen im allgemeinen Wohngebiet unzulässig
Tom Stiebert

Error in persona vel objecto einmal anders: Wenn das Wildschwein ein Pony ist

Öffentliches Recht, Polizei- und Ordnungsrecht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite, Verwaltungsrecht

Nahezu jeder Jurastudent kennt wahrscheinlich die bekannten Irrtumskonstellationen im Strafrecht:

  • Ein Schütze schießt auf einen Menschen und verletzt ihn tödlich, den er in der Dunkelheit für ein Tier gehalten hat (Folge: Kein Vorsatz bezogen auf § 211 StGB, da Irrtum – § 16 Abs. 1 StGB – über das Tatobjekt Mensch; mglw. aber Strafbarkeit nach § 222 StGB – sog. beachtlicher error in persona vel objecto)
  • Ein Schütze schießt mit Tötungsvorsatz auf den Briefträger A und verletzt ihn tödlich, tatsächlich wollte er aber den Nachbarn B erschießen. In der Dunkelheit hielt er den A für B (Folge: Vorsatz bezogen auf § 211 StGB liegt vor, da kein Irrtum hinsichtlich des Tatobjekts; sog. unbeachtlicher error in persona vel objecto; Strafbarkeit wegen vorsätzlicher Tötung des A; keine versuchte Tötung des B)
  • Ein Schütze schießt mit Tötungsvorsatz auf den (zutreffend identifizierten) Nachbarn B. Da er aber im Schießen ungeübt ist, trifft er den wenige Meter entfernt stehenden A und verletzt ihn tödlich. (Folge: Vorsatz bezogen auf § 211 StGB hinsichtlich des A liegt nicht vor, da Vorsatz allein auf eine Person beschränkt und diese auch anvisiert wurde. Allein § 222 StGB bezogen auf A. Ergänzend versuchte Tötung des B – Fall des sog. aberratio ictus)

Auch im Verwaltungsrecht können vergleichbare Konstellationen relevant werden, wie ein aktueller Fall des VG Berlin (VG 1 L 251.13) deutlich macht:

Der Antragsteller hatte bei der Jagd im August 2012 ein Islandpony mit einem Wildschwein verwechselt und das Pony getötet. Daraufhin widerrief die Waffenbehörde seine waffen- und munitionsrechtliche Erlaubnis (vgl. die Voraussetzungen in § 5 WaffG)

Hiergegen erhob der Schütze Klage. Das Gericht stellte aber fest:

Es fehle an der Zuverlässigkeit des Antragstellers, da Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass er Waffen oder Munition auch künftig missbräuchlich oder leichtfertig verwenden werde. Denn es gehöre zu den elementaren Verhaltensregeln des Gebrauchs von Schusswaffen bei der Jagd, dass der Jäger einen Schuss auf Wild nur dann abgeben dürfe, wenn er sich über das Tier, das er beschieße, vergewissert habe. Der Jäger müsse daher das Tier vor Schussabgabe jedenfalls nach seiner Art, eventuell auch nach Alter, Geschlecht und Körperzustand bestimmen. Jede noch so geringe Unsicherheit und Unwägbarkeit verbiete den Schuss.

Die Waffen- und Munitionserlaubnis durfte aufgrund des Irrtums folglich zurecht entzogen werden. Hier zeigen sich deutlich die Wertungen dieses Sonderordnungsrechts. Es sind durchaus Fälle denkbar, in denen ein (möglicherweise strafbares) fahrlässiges Handeln nach dem StGB nicht vorliegt und dennoch ein Entzug der waffenrechtlichen Erlaubnis in Betracht kommt. Dies zeigt die strikte Ausrichtung des Waffenrechts. Bereits kleinere Verfehlungen können zur Ablehnung der Zuverlässigkeit (vgl. § 5 WaffG) führen. Dies ist im Ergebnis auch richtig so. Die strafrechtliche Sanktion ist deutlich strenger als der bloße Entzug der Waffenbesitzkarte. Das Waffenrecht enthält gerade besondere Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, um mit einer Waffe umgehen zu dürfen. § 5 WaffG normiert hier gerade besondere Vorgaben, die über die Verurteilung wegen einer Straftat (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 WaffG; § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG) weit hinausgehen. Auch eine Person, die strafrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten ist, kann folglich unzuverlässig sein. Insofern ist es auch nur konsequent, die Voraussetzungen des Zuverlässigkeit nicht an die Fahrlässigkeitsvoraussetzungen des StGB zu knüpfen.

  • Siehe zum Entzug der Waffenbesitzkarte auch unseren Beitrag zum Entzug wegen einer Mitgliedschaft in der NPD

 

07.11.2013/0 Kommentare/von Tom Stiebert
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Tom Stiebert https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Tom Stiebert2013-11-07 10:00:342013-11-07 10:00:34Error in persona vel objecto einmal anders: Wenn das Wildschwein ein Pony ist
Tom Stiebert

VG Berlin: Tiertötung als Kunst?

Öffentliches Recht, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite, Verfassungsrecht

Das VG Berlin hat am 24.4.2012 einen Fall (24 L 113.12) entschieden, dessen Ergebnis zwar auf jeden Fall eindeutig und richtig ist, dessen dogmatische Herleitung aber zumindest zweifelhaft wirkt.
I. Sachverhalt
Es ging kurz gesagt um die Frage, ob die Tötung zweier Hundewelpen mittels Kabelbinder zulässig oder unzulässig sei. Der Sachverhalt stellte sich wie folgt dar:

„Die Antragstellerin teilte dem Veterinäramt des Antragsgegners mit Schreiben vom 17. Februar 2012 mit, dass sie die Aufführung ihrer Performance „Der Tod als Metamorphose“ am 30. April 2012 im S… plane. Sie verwies auf ihre Internetseite und auf anliegende „screenshots“, aus denen hervorging, dass sie im Rahmen einer auch musikalisch an traditionelle thailändische Kunstformen orientierten Veranstaltung im Anschluss an eine 15-minütige Meditation zunächst einen und sodann einen zweiten Hundewelpen mittels eines Kabelbinders töten wolle. Nach 2 Minuten trete jeweils die Bewusstlosigkeit eines Tieres ein und nach 5 Minuten seien die Tiere tot. Mit einem Gong und Trauermusik schließe die Performance nach weiteren 10 Minuten. Das Kunstwerk solle provozieren und erregen. Denn in Alaska würden ausgediente Schlittenhunde und in Spanien leistungsschwache Jagdhunde auf gleiche Weise zu Tode stranguliert. Das gleiche Schicksal erlitten Millionen von Hunden in China vor ihrer Schlachtung.“

II. Dogmatisch problematische Lösung des Gerichts
Die Problemlage liegt hier auf der Hand – das Töten von Wirbeltieren ist nach §§ 3 und 4 TierSchG unzulässig; jedenfalls müssen die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten für ein schmerzfreies Töten vorliegen. Insbesondere ist es nach § 3 Nr. 6 TierSchG verboten, „ein Tier zu einer Filmaufnahme, Schaustellung, Werbung oder ähnlichen Veranstaltung heranzuziehen, sofern damit Schmerzen, Leiden oder Schäden für das Tier verbunden sind“. Dem entgegen steht aber die Kunstfreiheit, die nach § 5 Abs. 3 GG geschützt ist. Nach dem offenen Kunstbegriff (siehe hierzu unseren Beitrag) muss wohl auch die hier durchzuführende Performance als Kunst anzusehen sein.
Es stellt sich damit die Frage, welche Folgen aus der Verortung der Kunstfreiheit im Grundgesetz resultieren, insbesondere weil auch der Tierschutz den Niederschlag in Art. 20a GG gefunden hat. Klausurtechnisch korrekt müsste man hier zunächst prüfen, ob der Schutzbereich der Kunstfreiheit eröffnet ist, sodann einen Eingriff durch das Verbot bejahen und schließlich auf der Rechtfertigungsebene die Abwägung mit Art. 20a GG nach den Grundsätzen der praktischen Konkordanz vornehmen.
Das VG Berlin scheint hier einen anderen Weg zu gehen: Es legt nur kurz dar, dass die geplante Handlung gegen den Tierschutz und insbesondere gegen das TierSchG verstößt und betrachtet sie damit als unzulässig:

„Die geplante Tötung als solche verstößt gegen die Regelung des § 1 Satz 2 TierSchG, wonach niemand einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen darf. Der Verstoß ist gemäß § 17 Nr. 1 TierSchG strafbewehrt. Ein vernünftiger Grund für die geplante Tötung der Welpen ist auch unter Berücksichtigung der in Anspruch genommenen Kunst- und möglicherweise der Religionsfreiheit nicht anzuerkennen.“

Klarer wird diese Sichtweise des Gerichts noch, wenn man ein weiteres Urteil des KG Berlin vom 24.07.2009 ((4) 1 Ss 235/09 (150/09)) betrachtet. Auch dieses hatte einen vergleichbaren Sachverhalt zum Inhalt. Das Gericht legte hierzu dar:

„Der Senat lässt dahinstehen, ob angesichts der Regelung in § 3 Nr. 6 TierSchG, der untersagt, ein Tier zu einer Schaustellung, Werbung oder ähnlichen Veranstaltung heranzuziehen, sofern damit Schmerzen, Leiden oder Schäden für das Tier verbunden sind, überhaupt eine Abwägung zwischen der Kunstfreiheit und dem Tierschutz geboten oder ob eine solche – wie teilweise vertreten wird (vgl. Caspar aaO; Ort/Reckewell Rn 160; Pfohl Rn 36; wohl auch Metzger Rn 28 – alle aaO; LG Köln NuR 1991, 42; zur Bedeutung des Verbotskatalogs des § 3 TierSchG für die Frage der Sozialadäquanz s. auch OLG Hamm NStZ 1985, 275) – wegen dieser ausdrücklichen gesetzlichen Grenzziehung entbehrlich ist.“

Lies das Gericht hier noch offen, ob die Tötung von Tieren aufgrund der Regelung in § 3 Nr. 6 TierSchG bereits aus dem Schutzbereich der Kunstfreiheit herausgelöst werden sollte, so scheint das VG Berlin diese Ansicht nun zu teilen. Dies erscheint insbesondere deshalb problematisch, weil die offene Definition des Kunstbegriffs gemeinhin anerkannt ist und das Grundrecht schrankenlos gewährt wird.
III. Normative Begrenzung der Kunstfreiheit?
Eine vergleichbare Wertung ist dem deutschen Recht aber nicht fremd. Auch im – zu Recht – viel gescholtenen Graffiti-Urteil des BVerfG von 19854 – 2 BvR 1/84) wurde festgestellt, dass das Verfassen von Graffitis auf Grund des Verstoßes gegen diverse Strafnormen nicht vom Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 GG erfasst ist. Auch dies ist problematisch, wird doch auch hier die Grundrechtsdogmatik entscheidend verändert und bekommt Art. 5 Abs. 3 GG einen stark normativ geprägten Inhalt, der sonst nur von Art. 14 GG bekannt ist. Aus diesen Gründen wurde das Urteil, nicht vom Ergebnis her, wohl aber von der Herleitung, stark kritisiert.
IV. Klausurtipp
Wie sollte nun also in der Klausur verfahren werden, wenn eine mögliche Verletzung der Kunstfreiheit zu prüfen ist. Optimal ist es natürlich, wenn man die hier gezeigten Problemkreise kennt. Dennoch empfiehlt es sich, der bekannten Dogmatik zu folgen und zunächst den (weiten) Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 GG(und zu bejahen) und danach Eingriff und Rechtfertigung zu prüfen und hierbei die praktische Konkordanz mit weiteren Grundrechten zu beachten. Hier wird man zum selben Ergebnis wie in den gezeigten Urteilen kommen, der Weg dorthin ist aber auf jeden Fall dogmatisch sauberer und wird in der Klausur auch honoriert werden.

30.04.2012/0 Kommentare/von Tom Stiebert
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Tom Stiebert https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Tom Stiebert2012-04-30 15:41:542012-04-30 15:41:54VG Berlin: Tiertötung als Kunst?

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