Das OLG Köln hat mit Urteil vom 16.05.2012 (Az. 6 U 239/11) über eine Streitfrage des Urheberrechts entschieden, die allerdings auch allgemeine zivilrechtliche Kategorien betrifft. Es ging in der Sache darum, ob und wann ein Internetanschlussinhaber für Urheberrechtsverletzungen haftet, die von seinem (den Anschluss mitbenutzenden) Ehegatten begangen wurden. Das Urheberrecht, insbesondere die spezialgesetzlich geregelten Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche nach § 97 UrhG, sind nicht examensrelevant. Gleichwohl eignet sich die Entscheidung hervorragend dazu, um Probleme wie die Störerhaftung und die Zurechnung von Verursachungsanteilen allgemein und ganz losgelöst von einem bestimmten Rechtsrahmen zu diskutieren. Deshalb und nicht zuletzt auch weil die Haftung für Rechtsverletzungen im digitalen Zeitalter eines der umstrittensten Themen der aktuellen Tagespresse darstellt (Stichwort: Piratenpartei), sollte das hier angemerkte Urteil für anstehende mündliche Prüfungen berücksichtigt werden.
Sachverhalt
In dem zur Entscheidung stehenden Fall wurde über den Internetanschluss der beklagten Ehefrau an zwei Tagen jeweils ein Computerspiel zum Download angeboten. Die Inhaberin des Urheberrechts an diesem Spiel mahnte die Beklagte ab. Die Beklagte nahm die Abmahnung nicht hin, sondern widersprach. Im anschließenden Rechtsstreit vor dem LG Köln verteidigte sich die Beklagte damit, das Spiel sei nicht von ihr selbst angeboten worden. Der Anschluss sei auch und sogar hauptsächlich von ihrem – zwischenzeitlich verstorbenen – Ehemann genutzt worden. Das Landgericht hatte der Klage stattgegeben und die Ehefrau zu Unterlassung und Schadensersatz einschließlich Erstattung der Abmahnkosten verurteilt. Das OLG Köln hat auf die Berufung der Beklagten das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Beweislast
Im zu entscheidenden Fall war zunächst problematisch, wie in einem derartigen Fall die Darlegungs- und Beweislast verteilt ist. Dieser Problemkreis ist allgemeiner Natur und kann deshalb auch als Aufhänger für entsprechende Fragerunden im Beweisrecht dienen. Grundsätzlich gilt, vereinfacht ausgedrückt, dass alle anspruchsbegründenden Tatsachen vom Anspruchssteller, und damit vom Kläger zu beweisen sind. Im vorliegenden Fall lässt sich anhand der IP-Protokolle (siehe zur faktischen Verfolgbarkeit urheberrechtlicher Straftaten hier und hier) beweisen, dass die Verletzung vom Anschluss der Ehefrau ausging. Welche Person aber den Anschluss zum Zeitpunkt des Verstoßes benutzt hat, war zwischen den Parteien streitig. Es stellt sich damit die Frage, ob die Verletzung vom Anschlussinhaber selbst oder durch einem Dritten begangen worden ist.
Zu diesem Aspekt berief sich das OLG Köln auf die Rechtsprechung des BGH, wonach zwar eine Vermutung dafür spreche, dass der Anschlussinhaber selbst der Täter gewesen sei. Lege der Inhaber jedoch – wie hier – die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufes dar, müsse wiederum die klagende Seite den Beweis für die Täterschaft führen.
Zurechnung des Verhaltens des Ehemanns
Da eine Urheberrechtsverletzung durch die Ehefrau somit nicht bewiesen werden konnte, kam eine Haftung ihrerseits nur dann in Betracht, sofern ihr das Verhalten ihres Mannes haftungsrechtlich zuzurechnen war. Das OLG hatte somit zu klären, ob der Anschlussinhaber auch für Urheberrechtsverletzungen haftet, die nicht von ihm selbst, sondern von einem Dritten begangen werden.
Das OLG Köln vertrat in diesem Kontext, dass die bloße Überlassung der Mitnutzungsmöglichkeit an den Ehegatten noch keinerlei Haftung auslöse. Eine Haftung käme nur dann in Betracht, wenn die Ehefrau als Anschlussinhaber Kenntnis vom illegalen Verhalten des Dritten, in diesem Fall also des Ehemannes, habe. Zudem käme eine Haftung in Betracht, wenn eine Aufsichtspflicht der Ehefrau bestünde. Eine solche Pflicht in Form einer Prüf- und Kontrollpflicht könne nach dem OLG Köln etwa dann angenommen werden, wenn Eltern ihren Internetanschluss auch für ihre Kinder zugänglich machen. Eine solche Überwachungspflicht bestehe aber nicht im Verhältnis zum Ehepartner.
Eingang der Problematik ins allgemeine Zivilrecht
Im Ergebnis handelt es sich also um eine Problematik, die sich genauso im Rahmen eines Unterlassungs- oder Schadensersatzanspruchs nach §§ 1004, 823 BGB abspielen könnte. Insbesondere im Rahmen von Cyberkriminalität und anderen computerbezogenen Eingriffen (etwa in Form von Hackerangriffen) kommen die Erwägungen des OLG Köln auch im allgemeinen Zivilrecht zum Tragen. Bei Ansprüchen nach § 1004 Abs. 1 BGB stellt sich dann die Frage, ob der Anschlussinhaber als Störer im Sinne der Anspruchsgrundlage eingeordnet werden kann. Bei Ansprüchen auf Schadensersatz nach § 823 Abs. 1 BGB ist dagegen zu fragen, ob ein schadensstiftendes Handeln oder Unterlassen seitens des Anschlussinhabers vorlag, was insbesondere im Falle der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht der Fall wäre.
Die Entscheidung des OLG geht dabei in die Richtung, dass der Anschlussinhaber nicht per se für jede Rechtsverletzung durch Dritte haftet. Nur dann, wenn eine bestimmte Überwachungspflicht, etwa in Form der elterlichen Fürsorge, besteht, könne von einer Zurechnung des Verhaltens ausgegangen werden. Im Ausgleich hierzu bestehen wiederum die besonderen beweisrechtlichen Vermutungsregeln, wonach der Anschlussinhaber darlegen muss, dass er selbst nicht den Anschluss genutzt hat.
More to come…
Die Entscheidung des OLG Köln stellt sicherlich nicht das Ende der Judikatur zur Frage der computerspezifischen Zurechnungsproblematik dar. Im hier besprochenen Fall wurde die Revision zum BGH zugelassen, so dass mit weiterer Rechtsprechung in diesem zukunftsträchtigen Feld zu rechnen ist.