• Suche
  • Lerntipps
    • Examensvorbereitung
    • Fallbearbeitung und Methodik
    • Für die ersten Semester
    • Mündliche Prüfung
  • Examensreport
    • 2. Staatsexamen
    • Baden-Württemberg
    • Bayern
    • Berlin
    • Brandenburg
    • Bremen
    • Hamburg
    • Hessen
    • Lösungsskizzen
    • Mecklenburg-Vorpommern
    • Niedersachsen
    • Nordrhein-Westfalen
    • Rheinland-Pfalz
    • Saarland
    • Sachsen
    • Sachsen-Anhalt
    • Schleswig-Holstein
    • Thüringen
    • Zusammenfassung Examensreport
  • Interviewreihe
    • Alle Interviews
  • Rechtsgebiete
    • Strafrecht
      • Klassiker des BGHSt und RGSt
      • StPO
      • Strafrecht AT
      • Strafrecht BT
    • Zivilrecht
      • AGB-Recht
      • Arbeitsrecht
      • Arztrecht
      • Bereicherungsrecht
      • BGB AT
      • BGH-Klassiker
      • Deliktsrecht
      • Erbrecht
      • Familienrecht
      • Gesellschaftsrecht
      • Handelsrecht
      • Insolvenzrecht
      • IPR
      • Kaufrecht
      • Kreditsicherung
      • Mietrecht
      • Reiserecht
      • Sachenrecht
      • Schuldrecht
      • Verbraucherschutzrecht
      • Werkvertragsrecht
      • ZPO
    • Öffentliches Recht
      • BVerfG Leitentscheidungen & Klassiker
      • Baurecht
      • Europarecht
      • Europarecht Klassiker
      • Kommunalrecht
      • Polizei- und Ordnungsrecht
      • Staatshaftung
      • Verfassungsrecht
      • Versammlungsrecht
      • Verwaltungsrecht
      • Völkerrrecht
  • Rechtsprechungsübersicht
    • Strafrecht
    • Zivilrecht
    • Öffentliches Recht
  • Karteikarten
    • Strafrecht
    • Zivilrecht
    • Öffentliches Recht
  • Suche
  • Menü Menü
Du bist hier: Startseite1 > Prozessrecht

Schlagwortarchiv für: Prozessrecht

Philip Musiol

Ein Königreich für eine Gaststättenlizenz – OVG Münster zur Zulässigkeit der Schließung des Vereinslokals des „Königreichs Deutschland“

Öffentliches Recht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite, Verwaltungsrecht

Mit Beschluss vom 12.08.2022 (Az.: 4 B 61/21) entschied das OVG Münster im Eilverfahren unter anderem über die Zulässigkeit der Schließung und Versiegelung einer Gaststätte. Eine vertiefte Auseinandersetzung mit der Entscheidung lohnt sich nicht nur angesichts des ungewöhnlichen Sachverhalts: Denn der Fall führt quer durch das gesamte Öffentliche Recht, was ihn für Prüfungsämter besonders interessant machen dürfte. Der Kern des Falls liegt im Ordnungs- und Verwaltungsvollstreckungsrecht, daneben stellen sich prozessuale und sogar völkerrechtliche Fragen. Dass der Schwerpunkt einer Examensklausur im Völkerrecht liegt, ist zwar genauso unwahrscheinlich, wie dass hierin vertiefte Kenntnisse erwartet werden. Trotzdem sehen die Prüfungsordnungen der meisten Bundesländer vor, dass zumindest „völkerrechtliche Bezüge“ Teil des Pflichtfachstoffs sind, s. etwa § 18 Abs. 2 Nr. 5 lit. a JAPO (Bayern).

I.             Der Sachverhalt

Die Antragstellerin betrieb in Köln eine Gaststätte, die sie als „Zweckbetrieb“ des „Königreichs Deutschland“ als Vereinslokal ohne gaststättenrechtliche Genehmigung führen wollte. Sie wies ihre Gäste darauf hin, dass das Lokal nur von „Staatsangehörigen und Zugehörigen des Königreichs Deutschland“ betreten werde dürfe, und dass die Gäste mit dem Betreten des Lokals temporär „Zugehörige des Königreichs Deutschland“ seien. Noch am Tag der Eröffnung kam es zu Verstößen gegen Hygienevorschriften zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie. Die Antragstellerin war der Ansicht, dass neben dem Recht des „Königreichs Deutschland“ keine weiteren Rechte und Pflichten – insbesondere nicht die Gesetze der Bundesrepublik – zu beachten seien. Nachdem es am Folgetag erneut zu Verstößen kam, schloss die Stadt Köln das Lokal und versiegelte es. Hiergegen ging die Antragstellerin um Eilverfahren vor. Im Rahmen des Eilverfahren beantragte sie „sinngemäß“, das „Königreich Deutschland“ beizuladen.

II.            Die Entscheidung

Das OVG entsprach dem Antrag, das „Königreich Deutschland“ beizuladen nicht. Dafür hätten die rechtlichen Interessen des „Königreichs“ als Drittem nach § 65 Abs. 1 VwGO durch die Entscheidung berührt werden müssen. Ein rechtliches Interesse besteht, wenn der Dritte in einer solchen Beziehung zu einem Hauptbeteiligten des Verfahrens oder zu dem Streitgegenstand steht, dass das Unterliegen eines der Hauptbeteiligten seine Rechtsposition verbessern oder verschlechtern könnte. Nach den Feststellungen des Gerichts fehlte es hieran, denn Betreiberin der Gaststätte war allein die Antragstellerin selbst, ebenso war sie allein Mieterin der Räumlichkeiten. Zur Untervermietung der Räumlichkeiten an das „Königreich Deutschland“ war sie dagegen ausdrücklich nicht berechtigt. Auch für das Vorbringen der Antragstellerin, dass sie das Lokal als „Zweckbetrieb“ für das „Königreich Deutschland“ betreibe, sah das OVG Münster „keine nachvollziehbare Grundlage im geltenden Recht“: An dieser Stelle thematisierte das OVG, ob es sich beim „Königreich Deutschland“ um einen Staat im Sinne des Völkerrechts handele. Maßgeblich für das Bestehen eines Staates ist das Vorhandensein eines Staatsvolks, eines Staatsgebiets und einer souveränen Staatsgewalt. Erforderlich ist, dass sich ein auf einem bestimmten Gebiet sesshaftes Volk unter einer selbstgesetzten, von keinem Staat abgeleiteten, effektiv wirksamen und dauerhaften Ordnung organisiert hat. Da das „Königreich Deutschland“ weder völkerrechtlich als Staat anerkannt ist noch über ein eigenes Staatsgebiet verfügt, handelt es sich um keinen Staat im Sinne des Völkerrechts. Daneben könne sich das „Königreich Deutschland“ dafür, dass Zweckbetriebe durch abhängige Inhaber betrieben werden, nicht auf Art. 9 Abs. 1 GG berufen. Der Schutzbereich des Art. 9 Abs. 1 GG sei nicht eröffnet, weil keine „dem in Deutschland geltenden Recht entsprechende Organisationsform erkennbar“ sei, aus der das „Königreich Deutschland“ auf Grundlage von Art. 9 GG eigene Rechte ableiten könnte.

Nach Ansicht des OVG Münster war die Schließung und Versiegelung des Lokals als Zwangsmaßnahme durch die Stadt Köln rechtmäßig. Die Maßnahme stützte sich dabei auf §§ 55 Abs. 2, 57 Abs. 1 Nr. 3, 62, 66, 69 VwVG NRW, es handelte sich also um eine Maßnahme des sofortigen Vollzuges, mit der einer Gefahr begegnet werden sollte, die aufgrund außergewöhnlicher Dringlichkeit des behördlichen Eingreifens ein gestrecktes Verfahren nicht zugelassen hätte. Die Voraussetzungen hierfür lagen vor, die Stadt Köln war zu der im Wege der Versiegelung vollstreckten Schließung des Gaststättenbetriebs nach § 31 GastG iVm. § 15 Abs. 2 S. 1 GewO befugt. Nach § 31 GastG iVm. § 15 Abs. 1 S. 1 GewO kann die Fortsetzung des Betriebes von der zuständigen Behörde verhindert werden, wenn ein Gewerbe, zu dessen Ausübung eine Erlaubnis, Genehmigung, Konzession oder Bewilligung (Zulassung) erforderlich ist, ohne diese Zulassung betrieben wird. Nach § 2 Abs. 1 GastG bedarf der Betrieb eines Gaststättengewerbes einer Erlaubnis. Ob eine Gaststätte vorliegt, richtet sich nach § 1 GastG. Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass die Antragstellerin eine genehmigungspflichtige Gaststätte betrieb. Eine Ausnahme ergebe sich nicht aus § 23 Abs. 2 S. 1 GastG: Denn hierfür hätte das Lokal einem Verein im Sinne des BGB überlassen sein müssen, was, wie eingangs festgestellt, nicht der Fall war. Damit wäre eine Genehmigung erforderlich gewesen, die – unstreitig – nicht vorlag.

Die Antragstellerin war auch richtige Adressatin der Maßnahme, da sie allein Betreiberin der Gaststätte war. Dem „Königreich Deutschland“ standen keine Rechte an dem Betrieb zu, stattdessen war die Antragstellerin wie gesehen Vertragspartnerin des Mietvertrags sowie Vertragspartnerin sämtlicher Lieferanten.

Auch war die Anwendung von Verwaltungszwang für die Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr notwendig. Einerseits handelte es sich angesichts der fehlenden Genehmigung um einen formell rechtswidrigen Gaststättenbetrieb. Andererseits wäre der Betrieb einer Gaststätte durch die Antragstellerin auch materiell rechtswidrig, die Antragstellerin sei „unzuverlässig“ im Sinne des Gewerberechts. Unzuverlässig ist ein Gewerbetreibender, der nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß betreibt. Eine Gaststättenbetreiberin, die sich nicht an geltendes Recht gebunden fühlt, bietet offenkundig nicht die Gewähr dafür, den Betrieb zukünftig in Übereinstimmung gerade mit diesem geltenden Recht zu führen. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Antragstellerin im Verfahren wohl mehrfach erkennen ließ, ausschließlich die Gesetze des „Königreichs Deutschland“ zu achten.

III.          Einordnung der Entscheidung

Erneut ist die Prüfungsrelevanz der Entscheidung hervorzuheben. Es handelt sich um ein Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz, wodurch sich prozessuale Schwierigkeiten stellen. Statthafte Antragsart gegen die Schließung und Versiegelung einer Gaststätte im Wege des Sofortvollzuges ist nach Ansicht des VG Köln und des OVG Münster § 80 Abs. 5 VwGO. Auch muss sich mit der Frage, ob das „Königreich Deutschland“ beizuladen ist, auseinandergesetzt werden. Im Klausuraufbau geschieht dies eleganterweise zwischen der Prüfung der Zulässigkeit und der Begründetheit des Antrags. Hier sind Grundkenntnisse des Völkerrechts gefragt, es muss sauber begründet werden, wieso das „Königreich Deutschland“ kein Staat im Sinne des Völkerrechts ist, was mithilfe der Sachverhaltsinformationen gelingen dürfte. Abhängig davon, wie breit das Problem im Sachverhalt angelegt ist, könnten auch Ausführungen dazu gemacht werden, ob die Antragstellerin überhaupt dem deutschen Recht unterworfen ist. Ebenfalls muss in diesem Zusammenhang auf Art. 9 GG eingegangen werden. Hier macht es sich das OVG Münster augenscheinlich zu leicht, wenn es zur Ablehnung von Art. 9 GG schlicht darauf verweist, dass das „Königreich Deutschland“ nicht in einer Weise dem in Deutschland geltenden Recht entsprechenden Form organisiert sei. Auch wenn zur Definition einer „Vereinigung“ (als Gedächtnisstütze) auf § 2 Abs. 1 VereinsG zurückgegriffen wird, kann das einfache Recht das Verfassungsrecht nicht verbindlich definieren. Art. 9 Abs. 1 schützt mit dem (formalen) Begriff der Vereinigung auch – aus der Sicht des einfach-gesetzlichen Vereins- und Gesellschaftsrechts – atypische Zusammenschlüsse; Voraussetzungen für deren verfassungsrechtlichen Schutz ist allein, dass sie die verfassungsrechtlichen Begriffsmerkmale einer Vereinigung erfüllen (Scholz in Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz-Kommentar, Werkstand: 97. EL Januar 2022, Art. 9 GG Rn. 63). Soweit das Gericht darauf hinauswollte, dass Art. 9 GG einer Vereinigung kein Recht verleiht, in Gerichtsprozessen beigeladen zu werden, weil es hierfür auf die Rechtsfähigkeit der Vereinigung ankommt, wird dies dagegen nicht hinreichend deutlich. In einer Klausur sind solche Ungenauigkeiten zwingend zu vermeiden!

Zuzustimmen ist dem OVG Münster dagegen, soweit es im Rahmen der Frage, ob es sich um ein Vereinslokal handelt (§ 23 Abs. 2 S. 1 GastG), darauf hinweist, dass das „Königreich Deutschland“ nicht in einer Rechtsform nach deutschem Recht organisiert ist. Denn hierfür kommt es tatsächlich darauf an, dass es sich um einen Verein nach Bürgerlichem Recht handelt. Auch im Übrigen ist die Entscheidung nachvollziehbar. Das Gewerbe- und Gaststättenrecht dürfte zwar in der Examensvorbereitung nur in Grundzügen behandelt werden, es lohnt sich aber, sich zumindest einen Überblick über das Rechtsgebiet zu verschaffen. Dabei ist im Rahmen der Prüfung, ob eine Gaststätte eröffnet bzw. geschlossen werden darf im Grundsatz nach dem aus dem Baurecht bekannten Schema vorzugehen. Einerseits sind die Genehmigungspflichtigkeit und -fähigkeit des Vorhabens zu prüfen, andererseits, sofern es um die Schließung geht, die formelle und materielle Illegalität der Gaststätte.

Die Erteilung einer gaststättenrechtlichen Erlaubnis richtet sich nach §§ 2, 4 GastG, Rücknahme und Widerruf der Erlaubnis richten sich nach § 15 GastG. Im Grundsatz besteht ein Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis, sofern nicht ein Versagungsgrund nach § 4 GastG vorliegt. Auf eben diese Versagungsgründe kommt es auch im Rahmen des § 15 GastG an, wonach die Erlaubnis zurückzunehmen bzw. zu widerrufen ist, wenn nachträglich ein entsprechender Grund eintritt bzw. bekannt wird. § 31 GastG enthält schließlich eine wichtige Verweisungsklausel auf die GewO, nachdem der im Fall entscheidende § 15 Abs. 2 S. 1 GewO, der die Schließung eines Gewerbes regelt, anwendbar ist. Zentral wird es in Klausuren zum Gaststätten- und Gewerberecht zumeist auf die Frage ankommen, ob ein Betreiber „zuverlässig“ ist.

29.08.2022/1 Kommentar/von Philip Musiol
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Philip Musiol https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Philip Musiol2022-08-29 07:55:552022-10-24 14:43:38Ein Königreich für eine Gaststättenlizenz – OVG Münster zur Zulässigkeit der Schließung des Vereinslokals des „Königreichs Deutschland“
Dr. Lena Bleckmann

Grundlagen StPO: Ermittlung von Beweisverwertungsverboten

Examensvorbereitung, Lerntipps, Rechtsgebiete, Startseite, StPO, Strafrecht, Verschiedenes

Das Strafprozessrecht kommt bei Vielen im Studium zu kurz und dürfte eines der Gebiete sein, bei denen im Examen am häufigsten „auf Lücke“ gesetzt wird. Dabei lassen sich mit den häufigen StPO-Zusatzfragen am Ende der Klausur noch ein paar Punkte sammeln und für ihre Beantwortung genügen oft schon Grundlagenkenntnisse und Argumentationsgeschick. Ein beliebter Gegenstand solcher Zusatzfragen ist die Ermittlung von Beweisverwertungsverboten bei rechtswidriger Beweiserlangung. Dieser Beitrag soll einen Überblick über die Herangehensweise und die wichtigsten Stichpunkte zu diesem Thema geben.
I. Grundlage für ein Beweisverwertungsverbot
Zunächst ist zu unterscheiden, ob ein sog. Beweiserhebungsverboteinschlägig ist, oder ein bloßes Verwertungsverbot.
Beweiserhebungsverbote sind ausdrücklich normiert und verbieten die Erhebung zu einzelnen Beweisthemen oder unter Verwendung bestimmter Beweismittel oder ‑methoden. Verstößt eine Maßnahme gegen ein Beweiserhebungsverbot, können die hieraus gewonnen Erkenntnisse auch im Prozess nicht verwendet werden und weitere Überlegungen erübrigen sich. Die wichtigsten Beweiserhebungsverbote finden sich in § 100d Abs. 1 StPO (Erkenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung), § 136a Abs. 3 S. 2 StPO (unzulässige Vernehmungsmethoden) und § 160a Abs. 1 S. 2 StPO (Erkenntnisse aus Maßnahmen gegen Berufsgeheimnisträger).
Schwieriger gestaltet sich die Ermittlung von Beweisverwertungsverboten. Hier ist zwischen selbständigen und unselbständigen Beweisverwertungsverboten zu unterscheiden.

  1. Selbständige Beweisverwertungsverbote

Solche regeln den Fall, dass Erkenntnisse unabhängig von der Rechtmäßigkeit ihrer Erlangung im Prozess nicht verwendet werden dürfen. Diese Verbote können ausdrücklich normiert sein oder aus den Grundrechtenhergeleitet werden.
Bsp: Trotz Rechtmäßigkeit der Maßnahme dürfen Erkenntnisse aus dem Bereich privater Lebensgestaltung gemäß § 100d Abs. 2 S. 1 StPO nicht verwendet werden. Auch rechtmäßig mitgehörte Selbstgespräche des Betroffenen sind unverwertbar, dies ergibt sich u.a. aus Art. 2 Abs. 1 GG (vgl. hierzu auch BGH, Urt. v. 22.12.2011 – 2 StR 209/10).

  1. Unselbständige Beweisverwertungsverbote

Diese sind indes die Folge rechtswidriger Beweisgewinnung und häufiger Klausurfall. Zu Beginn der Prüfung ist daher stets die Rechtmäßigkeit der in Frage stehenden Maßnahme zu überprüfen. Erst wenn diese verneint wurde stellt sich die Frage der Verwertbarkeit der erlangten Erkenntnisse.
Häufige Ursachen der Rechtswidrigkeit: Missachtung eines Richtervorbehalts; fehlerhafte Belehrung; fehlende Ermächtigungsgrundlage.
Wichtig: Aus der Rechtswidrigkeit allein folgt nie die Unverwertbarkeit! Ein solches allgemeines Beweisverwertungsverbot ist der StPO fremd und verstößt gegen den Amtsermittlungsgrundsatznach § 244 Abs. 2 StPO – hiernach hat das Gericht die Beweisaufnahme auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die von Bedeutung sind. Ein unselbständiges Beweisverwertungsverbot ist daher die Ausnahme, die sachlich begründet werden muss.
II. Vorgehen bei festgestellten Beweisermittlungsfehlern
Ist für den jeweiligen Verstoß ein ausdrückliches Verwertungsverbot normiert (selbständiges Verwertungsverbot, s.o.), erübrigen sich weitere Überlegungen, die Verwertung des Beweises scheidet aus.
Ist das hingegen nicht der Fall, ist eine Einzelfallentscheidung geboten. Hier wird die von der Rechtsprechung entwickelte Abwägungslehre zugrunde gelegt. Folgende Punkte sind zu prüfen:
– „Rechtskreistheorie“:Schützt die verletzte Verhaltensnorm überhaupt den Rechtskreis des Betroffenen? Wenn nicht, scheidet ein Verwertungsverbot aus.
– Interessenabwägungzwischen Ausmaß des staatlichen Aufklärungsinteresses und den Rechten des Betroffenen. Kriterien sind hierbei u.a. die Intensität des Tatverdachts, die Schwere der Straftat und die Schwere des Beweiserhebungsfehlers. Auch die Möglichkeit einer rechtmäßigen Alternativerlangung ist von Bedeutung – wäre es den Strafverfolgungsorganen auch möglich gewesen, das Beweismittel auf rechtmäßige Weise zu erlangen, spricht dies gegen ein Verwertungsverbot.
– Zwingend zur Unverwertbarkeit führen hingegen Willkür undbewusste, planmäßige Verstößeder Strafverfolgungsorgane sowie Verstöße gegen grundlegende Rechte. So führen z.B. Verstöße gegen Belehrungspflichten beim Beschuldigten wegen Verletzung des nemo-tenetur-Grundsatzes fast immer zu Beweisverwertungsverboten. Auch die bewusste Missachtung eines Richtervorbehalts kann zur Unverwertbarkeit führen.
III. Mögliche Ergebnisse
Wird ein unselbständiges Beweisverwertungsverbot nach der Interessenabwägung bejaht, muss der Beweis im Prozess unberücksichtigt bleiben. Andernfalls ist es dennoch möglich, die Rechtswidrigkeit der Beweiserlangung zu berücksichtigen. Dies kann z.B. im Rahmen der Beweiswürdigung durch das Gericht oder im Rahmen der Strafzumessung erfolgen.

  1. Weitere Probleme im Zusammenhang mit Beweisverwertungsverboten   

a. Fortwirkung von Beweisverwertungsverboten
Von Fortwirkungspricht man, wenn ein früherer Verfahrensfehler Auswirkungen auf spätere Verfahrenshandlungen hat. Das Problem stellt sich häufig beim Verstoß gegen Belehrungspflichten. Wurde der Beschuldigte nicht ordnungsgemäß belehrt und legt ein Geständnis ab, ist dieses wegen des Verstoßes gegen § 136 Abs. 1 S. 2 StPO und den nemo-tenetur-Grundsatznicht verwertbar. Fraglich ist dann, wie es sich auswirkt, wenn der Beschuldigte erneut, diesmal mit ordnungsgemäßer Belehrung, vernommen wird und erneut gesteht. Insoweit ist anerkannt, dass der Verstoß bei der ersten Vernehmung fortwirkt. Der Beschuldigte geht nun davon aus, dass Leugnen ohnehin keinen Zweck mehr habe. Die Selbstbelastungsfreiheit ist weiterhin beeinträchtigt. Auch die Erkenntnisse aus der zweiten Vernehmung wären somit nicht verwertbar. Etwas anderes gilt nur, wenn eine sog. Qualifizierte Belehrungvorgenommen wird: Der Beschuldigte wird hierbei darauf hingewiesen, dass die Erkenntnisse aus der ersten Vernehmung nicht verwertbar sind. In diesem Fall wird die Fortwirkung durchbrochen.  
b. Vorhalt unzulässiger Erkenntnisse
Wurden indes Erkenntnisse auf anderem Wege erlangt, als durch fehlerhafte Vernehmung – etwa durch eine rechtswidrige Durchsuchung – sind die Grundsätze zur qualifizierten Belehrung allerdings nicht ohne weiteres übertragbar (siehe hierzu aktuell BGH, Urt. v. 3.5.2018 – 3 StR 390/17). Gesteht der Beschuldigte, weil ihm Erkenntnisse vorgehalten werden, die auf rechtswidrigem Wege erlangt wurden, findet eine Abwägung nach den oben aufgeführten Kriterien statt.
c. Fernwirkung von Beweisverwertungsverboten
Von der anerkannten Möglichkeit der Fortwirkung zu unterschieden ist die Fernwirkung eines Verwertungsverbots. Hierbei geht es um die Frage, ob neue Beweismittel, die infolge von Erkenntnissen erhoben werden, die aufgrund eines Verwertungsverbots selbst nicht verwendet werden dürfen, auch von diesem Verbot erfasst werden.
Bsp: Bei einer rechtswidrigen Überwachung nach § 100d Abs. 2 S. 1 StPO wird ein Gespräch angehört, aus dem sich ein Versteck weiterer Beweismittel ergibt. Können diese im Prozess verwendet werden?
Nach der nur vereinzelt vertretenen „Fruit of the poisonous tree“-Lehrebesteht hier eine Fernwirkung, sodass auch die aufgefundenen Beweismittel nicht verwendet werden können.
Dem wird von der hM entgegengehalten, dass ein Fehler zu Beginn des Strafverfahrens dieses im Ganzen verhindern könnte. Ausnahmen können sich nur im Zusammenhang mit besonders schwerwiegenden Verstößen ergeben.
Fazit
Beweisverwertungsverbote sind ein immer wiederkehrendes Thema in Examensklausuren mit strafprozessrechtlichem Einschlag. Bei der ersten Lektüre kann der Eindruck entstehen, dass zur richtigen Lösung solcher Problemstellungen die Kenntnis einer Vielzahl von Entscheidungen notwendig ist. Zwar ist die Rechtsprechung zu dem Thema tatsächlich sehr umfangreich, in der Klausur im ersten Staatsexamen geht es allerdings nicht um die Kenntnis aller Einzelfälle, sondern um die systematische Problemlösung. Mit der hier vorgeschlagenen Vorgehensweise und etwas Fingerspitzengefühl für den Einzelfall sollte dies ohne Probleme gelingen.

31.01.2019/1 Kommentar/von Dr. Lena Bleckmann
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Lena Bleckmann https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Lena Bleckmann2019-01-31 09:00:092019-01-31 09:00:09Grundlagen StPO: Ermittlung von Beweisverwertungsverboten

Über Juraexamen.info

Deine Zeitschrift für Jurastudium, Staatsexamen und Referendariat. Als gemeinnütziges Projekt aus Bonn sind wir auf eure Untersützung angewiesen, sei es als Mitglied oder durch eure Gastbeiträge. Über Zusendungen und eure Nachrichten freuen wir uns daher sehr!

Werbung

Anzeige

Neueste Beiträge

  • BGH zur Halterhaftung nach dem StVG
  • Basiswissen Kriminologie – über Genese, bekannte Persönlichkeiten und die relativen Straftheorien
  • Die mündliche Prüfung im ersten Staatsexamen

Weitere Artikel

Auch diese Artikel könnten für dich interessant sein.

Redaktion

BGH zur Halterhaftung nach dem StVG

Rechtsprechung, Startseite

Wir freuen uns, nachfolgenden Gastbeitrag von Simon Mantsch veröffentlichen zu können. Er studiert Rechtswissenschaften an der Universität Bonn und ist als Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Flick Gocke Schaumburg tätig. In einer kürzlich veröffentlichten […]

Weiterlesen
16.03.2023/1 Kommentar/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2023-03-16 08:30:022023-03-16 08:33:08BGH zur Halterhaftung nach dem StVG
Alexandra Ritter

Die mündliche Prüfung im ersten Staatsexamen

Lerntipps, Mündliche Prüfung, Öffentliches Recht, Rechtsgebiete, Startseite, Strafrecht, Uncategorized, Verschiedenes, Zivilrecht

Viele Jahre bereitet man sich durch Studium und Repetitorium darauf vor und irgendwann ist es soweit: man schreibt das erste Staatsexamen. Sechs Klausuren und eine mündliche Prüfung (so zumindest in […]

Weiterlesen
06.03.2023/2 Kommentare/von Alexandra Ritter
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Alexandra Ritter https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Alexandra Ritter2023-03-06 09:00:002023-03-13 08:18:47Die mündliche Prüfung im ersten Staatsexamen
Gastautor

Basiswissen Kriminologie – über Genese, bekannte Persönlichkeiten und die relativen Straftheorien

Rechtsgebiete, Startseite, Strafrecht, Strafrecht AT, Verschiedenes

Wir freuen uns, nachfolgenden Gastbeitrag von Sabrina Prem veröffentlichen zu können. Die Autorin ist Volljuristin. Ihr Studium und Referendariat absolvierte sie in Düsseldorf. Was genau verbirgt sich eigentlich hinter dem Begriff „Kriminologie“? […]

Weiterlesen
06.03.2023/1 Kommentar/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2023-03-06 09:00:002023-03-15 09:06:21Basiswissen Kriminologie – über Genese, bekannte Persönlichkeiten und die relativen Straftheorien

Support

Unterstütze uns und spende mit PayPal

Jetzt spenden
  • Über JE
  • Das Team
  • Spendenprojekt
  • Gastautor werden
  • Mitglied werden
  • Alumni
  • Häufige Fragen
  • Impressum
  • Kontakt
  • Datenschutz

© 2022 juraexamen.info

Nach oben scrollen