Die Figur des Zweckveranlassers ist seit geraumer Zeit in Schrifttum und Rechtsprechung höchst umstritten und mithin ein „Klassikerproblem“ des Polizei- und Ordnungsrechts. Solides Grundwissen erleichtert dem Prüfling dabei den Einstieg in die Falllösung. Klausurtechnisch taucht die Zweckveranlasserproblematik im Rahmen der auf Tatbestandsebene zu verortenden Prüfung auf, ob die handelnde Polizei- oder Ordnungsbehörde ihre Maßnahme gegen den richtigen Störer bzw. den Verursacher der Gefahr gerichtet hat. Zunächst sollen die gängigen Verursachungstheorien hinsichtlich der polizei- und ordnungsrechtlichen Handlungsverantwortlichkeit kurz dargestellt werden (I.). Im Anschluss daran folgt eine sich auf das im Rahmen des Examens erforderliche Wissen beschränkende Darstellung des Streitstandes hinsichtlich Zulässigkeit und Voraussetzungen einer Inanspruchnahme als Zweckveranlasser (II.).
I. Verursacherbegriff im Polizei- und Ordnungsrecht
Die Störereigenschaft hängt maßgeblich davon ab, ob im polizeirechtlichen Sinne eine Gefahr verursacht wurde. Auf ein Verschulden oder eine Verschuldensfähigkeit kommt es dabei nicht an. Zur Ermittlung der polizeirechtlichen Kausalität kommt zunächst die Äquivalenztheorie i.S.d condicio sine qua non – Formel in Betracht, wonach grundsätzlich jede getätigte Handlung, die nicht hinweggedacht, bzw. jede unterlassene Handlung, die nicht hinzugedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele, ursächlich ist. Die Äquivalenztheorie wird allerdings in diesem Kontext von der h.M aufgrund ihrer Uferlosigkeit und der damit einhergehenden übermäßigen Ausdehnung der polizeirechtlichen Verantwortlichkeit abgelehnt. Beim polizeirechtlichen Verursacherbegriff darf also nicht allein auf die Kausalität im Sinne naturwissenschaftlicher Regeln abgestellt werden. Auch die aus dem Zivilrecht bekannte Adäquanztheorie erscheint im Kontext des Polizeirechts als untauglich, da Ädaquanz im Ergebnis auf die Vorhersehbarkeit und damit auf das Verschulden abstellt. Die polizeirechtliche Haftung ist jedoch, wie eingangs bereits erwähnt, verschuldensunabhängig (täterindifferent). Die Theorie der rechtswidrigen Verursachung stellt hingegen darauf ab, dass die Handlungsverantwortlichkeit Folge rechtswidrigen Handelns ist. Nach einer anderen Literaturmeinung ist die Frage der Verhaltensverantwortlichkeit anhand wertender Kriterien wie Pflichtwidrigkeit oder Risikosphäre zu ermitteln (Lehre von der Risikosphäre).
Nach der mittlerweile wohl herrschenden Theorie der unmittelbaren Verursachung ist nur diejenige Person verhaltensverantwortlich, die die Gefahr unmittelbar herbeigeführt hat und damit selbst und in eigener Person die Gefahrenschwelle überschritten hat.
II. Die Lehre vom Zweckveranlasser
Als Zweckveranlasser (auch mittelbarer Verursacher genannt) wird im polizei- und ordnungsrechtlichen Sinne eine Person bezeichnet, der eine Gefährdung oder Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung durch Dritte aufgrund einer eigenen, für sich betrachtet rechtmäßigen bzw. neutralen Handlung zugerechnet wird.
Die Rechtsfigur des Zweckveranlassers wird von Teilen des Schrifttums grundsätzlich abgelehnt. Begründet wird dies mit dem Analogieverbot, dem Schutz von Grundrechten sowie dem Verweis auf den Grundsatz, wonach eine polizeirechtwidrige Situation nur durch eigenverantwortliches Handeln geschaffen werden kann. Danach soll gegen denjenigen, der lediglich einen mittelbaren Verursachungsbeitrag geleistet hat, nur unter den Voraussetzungen der Notstandverantwortlichkeit vorgegangen werden können.
Der herrschenden Ansicht zufolge kann auch ein mittelbarer Verursacher einer Gefahr als Handlungsverantwortlicher im polizeirechtlichen Sinne angesehen werden, wobei allerdings streitig ist, unter welchen Voraussetzungen dies der Fall ist.
Die subjektive Zweckveranlassertheorie stellt primär darauf ab, ob der Handelnde zweckgerichtet die Gefahrenverwirklichung durch Dritte beabsichtigt oder zumindest billigend in Kauf genommen hat. Auf Grundlage der objektiven Zweckveranlassertheorie ist eine Verhaltensstörereigenschaft dann zu bejahen, wenn aus der Sicht eines unbeteiligten Dritten die eingetretene Folge typischerweise durch die Veranlassungshandlung herbeigeführt wird. Die h.M vertritt hingegen eine vermittelnde Sichtweise, indem sie diese beiden Ansichten in ein Alternativitätsverhältnis stellt. Danach ist Zweckveranlasser und damit Verhaltensstörer, wer die Störung bzw. Gefahr subjektiv bezweckt oder dessen Verhalten zwangsläufig eine Störung oder Gefahr zur Folge hat.
Gegner und Befürworter dieser Rechtsfigur sind sich allerdings einig, dass eine Inanspruchnahme als Zweckveranlasser in der Regel jedenfalls dann ausscheiden muss, wenn bei wertender Betrachtungsweise in rechtmäßiger Weise von grundrechtlich geschützten Verhaltensweisen Gebrauch gemacht wurde. In derartigen Konstellationen kommt jedoch eine Inanspruchnahme als Nichtstörer in Betracht.
Beispiel 1: Ladeninhaber L engagiert gutaussehende (weibliche) Models und lässt sie im Schaufenster seines Ladengeschäfts spärlich bekleidet in aufreizender Weise posieren. Dadurch entsteht eine große Menschenansammlung, die eine Blockade der am Laden vorbeiführenden Straße und ein Verkehrschaos nach sich zieht. L ist jedenfalls objektiver Zweckveranlasser, obwohl ihm das Verkehrschaos möglicherweise (subjektiv) unerwünscht war.
Beispiel 2: A ist Inhaber eines Warenlagers und will seinem Nachbarn eins auswischen. Dazu weist er seinen Warenlieferanten unter Mitgabe des Schlüssels für das Warenlager an, in den nächsten Tagen nur zur Nachtzeit anzuliefern. Hinsichtlich der eintretenden nächtlichen Ruhestörung ist A (subjektiver) Zweckveranlasser. Die Tatsache, dass der Warenlieferant ebenfalls Verhaltensstörer ist, steht dem nicht entgegen. Dies spielt im Falle der Inanspruchnahme des A allein auf Ebene der Ermessensprüfung eine Rolle (Störerauswahlermessen).