Das AG Mannheim (Urteil vom 20.5.2011, 10 C 14/11) hat im Anschluss an die BGH Rechtsprechung (BGH NJW 2006, 2116) entschieden, dass bei zwei für sich genommen wirksamen Regelungen (Formularklausel und individuelle Parteivereinbarung) in einem Mietvertrag über Wohnraum aufgrund eines sog. Summierungseffekt letztendlich doch von einer Unwirksamkeit ausgegangen werden kann. Betroffen war die Verpflichtung zu Schönheitsreparaturen bzw. zur Endrenovierung. Zur Problematik der Schönheitsreparaturen-Klauseln siehe insbesondere hier und hier.
Sachverhalt (vereinfacht)
M hatte mit V einen Mietvertrag über Wohnraum geschlossen. In dem Mietvertrag wurde unter § 5 Abs.1 formularvertraglich festgelegt, dass M für Schönheitsreparaturen während der Mietzeit aufzukommen habe. Unter Abs.4 war hierzu ein Fristenplan aufgestellt. In § 19 des Mietvertrags haben M und V individualvertraglich folgendes vereinbart: „§ 5 Abs. 4 wird gestrichen. Bei Beendigung des Mietverhältnisses ist die Wohnung renoviert und in ursprünglichem, bezugsfertigen Zustand zu übergeben““
Das Mietverhältnis endete zum 31.07.2010. Mit mehreren Schreiben verweigert M die Durchführung bzw. Zahlung der Kosten der Schönheitsreparaturen, obwohl V ihm schon vorher eine Frist dazu gesetzt hatte. M begründet sein Verhalten damit, dass die Klauseln im Mietvertrag unwirksam seien und er deshalb nicht zahlen müsse. Außerdem habe er während der Mietzeit in ausreichender Weise Schönheitsreparaturen durchgeführt. Der Grad der Abnutzung zum Ende des Mietverhältnisses sei in Anbetracht des Alters der Wohnräume völlig normal.
V verweist darauf, dass sich die Badinstallationen in einem desolaten, weil verdreckten Zustand befänden und deswegen ausgetauscht werden müssten. V verlangt die entstandenen Kosten für die Renovierung der Wohnung und die angefallenen Schönheitsreparaturen. Zu Recht?
Formularklausel und Individualvereinbarung für sich genommen wirksam
Zu prüfen ist, ob die jeweiligen Regelungen wirksam sind. Die Formularklausel lässt sich an §§ 305 ff messen. Die Individualvereinbarung folgt den allgemeinen Grundsätzen nach §§ 134, 138 BGB. Sowohl eine Pflicht zur Vornahme von Schönheitsreparaturen während der Mietzeit, als auch eine Pflicht zur Endrenovierung am Ende der Mietzeit können taugliche Ausgestaltungen des Vertragsverhältnisses sein. Das Gericht hat diesbezüglich keine Bedenken, denn
[m]aßgeblich kommt es dabei auf das Zusammenspiel der Formularklausel unter § 5 und der Individualvereinbarung unter § 19 an. Mit letzterer wurde nicht die gesamte unter § 5 des Vertrages enthaltene Verpflichtung zur Durchführung von Schönheitsreparaturen gestrichen, sondern lediglich der Fristenplan gemäß § 5 Abs. 4 sowie die dort weiter enthaltene Regelung zur Abgeltung im Falle nicht durchgeführter Schönheitsreparaturen zum Zeitpunkt des Auszug des Mieters. Die grundsätzliche Pflicht zur Durchführung der Schönheitsreparaturen gem. § 5 Abs. 1 des Vertrages blieb damit unverändert in Kraft. Dabei begegnet sowohl die Klausel unter § 5 Abs. 1 wie auch die individualvertraglich vereinbarte Pflicht zur Renovierung bei Auszug, unabhängig von dem Zustand der Wohnung bzw. des Zeitpunktes der letztmals durchgeführter Renovierungsarbeiten, für sich betrachtet keinen Bedenken.
Gesamtwirkung der Klauseln führt zu einem Summierungseffekt
Die Individualvereinbarung und Formularklausel dürfen nicht streng unabhängig voneinander betrachtet werden. Vielmehr besteht durch die Streichung von § 5 Abs.4 durch § 19 ein innerer Zusammenhang, sodass es nicht etwa darauf ankommt, dass die Regelungen in unterschiedlichen Paragrafen stehen. Denn trotz dieses Umstands
[…] müssen sie ihrer Bestimmung wegen als zusammengehörig gewertet werden und zwar auch dann, wenn – wie hier – es sich bei der einen um eine Formularklausel handelt und die andere auf individueller Vereinbarung beruht (vgl. hierzu BGH NJW 1993, 532). Derartige, jeweils für sich unbedenkliche Klauseln haben wegen ihres inhaltlichen Zusammenhangs einen Summierungseffekt und führen in ihrer Gesamtwirkung zu einer unangemessenen Benachteiligung des Mieters und zwar gerade auch in dem Fall, dass die formularvertragliche Verpflichtung zur Durchführung von Schönheitsreparaturen mit einer Individualvereinbarung zusammentrifft, wonach bei Auszug auf alle Fälle eine Endrenovierung durchzuführen ist (vgl. hierzu BGH NJW 2006, 2116). Dies hat zunächst gem. § 307 Abs. 1 BGB zur Folge, dass die Formularklausel unwirksam ist (vgl. hierzu BGH a.a.O.).
Ferner ist nach dem Schicksal der Individualvereinbarung zu fragen, deren Wirksamkeit zunächst nicht berührt ist. Anders ist jedoch dann zu entscheiden, wenn die Klauseln gemäß § 139 BGB eine wirtschaftliche Einheit bilden, sodass die Nichtigkeit der einen Regelung die der anderen zur Folge hätte.
Da beide Klauseln wegen ihres sachlichen Zusammenhangs ein einheitliches Rechtsgeschäft darstellen, hat dies weiter gemäß Regelfall des § 139 BGB zur Folge, dass die Nichtigkeit dieses Teils des Vertrages dazu führt, dass auch die inhaltlich und wirtschaftlich nicht zu trennende Individualabrede – der Vermieter will, dass die Renovierungslast insgesamt auf den Mieter übertragen wird – über die Endrenovierung nichtig ist, somit beide Regelungen insgesamt unwirksam sind (vgl. hierzu LG Freiburg WuM 2005, 383; LG Hamburg ZMR 2008, 454; Langenberg, Schönheitsreparaturen 4. Aufl. Teil I, Rdnr. 248; Blank/Börstinghaus Miete 3. Aufl. § 535 BGB Rdnr. 399; Staudinger BGB 2010 § 139 Rdnr. 40; Derleder, Individuelle Abreden bei Vertragsdurchführung zur Rettung unwirksamer Schönheitsreparaturenklauseln, NZM 2009, 227). Insbesondere liegt auch entgegen der Regelvermutung des § 139 BGB nicht die als Sonderfall zu wertende Konstellation vor, dass die Individualvereinbarung über die Endrenovierungsverpflichtung erst zeitlich nach Abschluss des Mietvertrags und hiervon gesondert erfolgte (vgl. hierzu BGH NJW 2009, 1075).
Ergebnis: Die Klauseln sind unwirksam. V hat weder Anspruch auf Ersatz der Kosten der Schönheitsreparaturen, noch der Endrenovierung.
Fazit
Das Ergebnis überzeugt. Durch den Summierungseffekt wird der Mieter übermäßig benachteiligt, da er nicht nur während der Mietzeit für Schönheitsreparaturen aufkommen muss, sondern auch noch, unabhängig davon, in jedem Fall eine Endrenovierung durchführen muss (Vertragsparität!). Da man über die jeweiligen Einzelprüfungen der Klauseln (weil jeweils wirksam) nicht rausfällt, behilft sich das Gericht mit der Annahme eines Summierungseffekts, der die Formularklausel aufgrund der angesprochenen Gesamtwirkung nach § 307 Abs.1 BGB unwirksam werden lässt. Über § 139 BGB trifft die Individualvereinbarung dann das gleiche Schicksal.