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Schlagwortarchiv für: Kauf

Gastautor

OLG Hamm: Zur erforderlichen Darlegung des Vermögensschadens bei Verurteilung wegen Betruges aufgrund Verheimlichens von Vorschäden beim Gebrauchtwagenkauf

Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Startseite, Strafrecht, Strafrecht BT

Wir freuen uns, nachfolgenden Gastbeitrag von Ass. iur. Dr. Lorenz Bode, LL.M. veröffentlichen zu können.

Die spannendsten Geschichten schreibt bekanntlich das Leben. Auch gerichtliche Entscheidungen sind letztlich nichts anderes als geronnenes Leben, aufbereitet und beurteilt als juristischer Sachverhalt. Spannend sind sie allerdings, zumindest für Juristinnen und Juristen, nur dann, wenn es in den Verfahren um für die Rechtspraxis oder -ausbildung bedeutsame Rechtsfragen geht.

Der Beschluss des OLG Hamm vom 7.4.2022 – 5 RVs 35/22 (= BeckRS 2022, 8093) ist insofern in doppelter Hinsicht spannend. Es ging in dem Strafverfahren – kurz gesagt – um einen Gebrauchtwagenverkauf, bei dem vom Verkäufer einige Vorschäden verschwiegen worden waren. Er wurde daraufhin strafrechtlich belangt und sowohl vom AG als auch – auf die Berufung hin – vom LG wegen Betruges zu einer Geldstrafe verurteilt. Dagegen wandte sich der Verkäufer (als Angeklagter) mit der Revision an das OLG Hamm – mit einem für ihn erfreulichen Ergebnis: Das OLG hob das (Berufungs-)Urteil des LG auf und verwies die Sache an eine andere Kammer des LG zurück. So viel zum Prozessverlauf.

Materiell-rechtlich betrachtet hält die Entscheidung einen für die Ausbildung und Praxis gleichermaßen spannenden Aspekt bereit. Denn das OLG (aaO, Rn. 7) schließt sich den Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft an und betont, dass der Betrug „kein bloßes Vergehen gegen die Wahrheit und das Vertrauen im Geschäftsverkehr“ ist, „sondern eine Vermögensstraftat“. Demgemäß sei für die Schadensbewertung „grundsätzlich die objektive Sicht eines sachlichen Beurteilers maßgebend, die sich nicht an der Schadensbewertung des Getäuschten, sondern an den Marktverhältnissen auszurichten hat“. Weiter heißt es: „Für einen Vermögensschaden reicht es nicht aus, dass der Käufer ohne die Täuschung durch den Verkäufer den Vertrag nicht abgeschlossen hätte. Durch den Betrugstatbestand wird lediglich das Vermögen, nicht aber die Verfügungsfreiheit geschützt.“

Die Ausführungen des OLG überzeugen. Schon wegen des Wortlauts von § 263 Absatz 1 StGB („das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt“) kann es nicht sein, dass sich eine Verurteilung wegen Betrugs auf die bloße Feststellung von Unwahrheiten stützt. Würde man dies anders sehen, so wäre zu befürchten, dass der Deliktscharakter der Strafrechtsnorm überdehnt wird, nämlich weg von einem Erfolgsdelikt hin zu einem bloßen Gefährdungsdelikt (Lorenz, FD-StrafR 2022, 448468). Der geprellte Käufer wird insoweit nicht schutzlos gestellt. Denn ihm steht neben dem Schutz durch das Strafrecht auch der Zivilrechtsweg offen.

Abschließend ein Hinweis zur Bedeutung der Entscheidung für die Ausbildung: Bekanntermaßen gehört das Justizprüfungsamt beim OLG Hamm zu den bundesweit eifrigsten Produzenten von Examensklausuren. Klausuren von dort gelangen im sogenannten Ringtausch der Bundesländer auch über die Landesgrenzen von Nordrhein-Westfalen hinaus zum Einsatz. Wenn es sich bei diesem Beschluss also nicht nur um eine Entscheidung handelt, die hervorragend als Tatkomplex in einer Strafrechtsklausur dienen kann, sondern auch um ein Judikat, das direkt vom OLG Hamm stammt, dann ist höchste Aufmerksamkeit geboten. Hinzu kommt, dass Klausurerstellerinnen und Klausurersteller – besonders im zweiten Examen – oftmals auf Fälle aus der Rechtsprechung zurückgreifen. Insofern ist auf den Aktendeckeln bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften zumeist ein eigenes Ankreuz-Feld vorgesehen, um geeignete Akten nach Abschluss dem Prüfungsamt vorzulegen. Die Rechtsprechung regelmäßig im Blick zu behalten, lohnt sich also doppelt: für den Autokauf und fürs Examen.

06.07.2022/0 Kommentare/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2022-07-06 09:00:002022-07-21 09:00:24OLG Hamm: Zur erforderlichen Darlegung des Vermögensschadens bei Verurteilung wegen Betruges aufgrund Verheimlichens von Vorschäden beim Gebrauchtwagenkauf
Dr. Melanie Jänsch

OLG Frankfurt zur Auslegung beim Vertragsschluss über eBay: Kein Auto für 1€

BGB AT, Examensvorbereitung, Für die ersten Semester, Lerntipps, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Schuldrecht, Startseite, Zivilrecht

Das OLG Frankfurt hat mit Hinweisbeschluss vom 14.05.2020 (Az.: 6 U 155/19) festgestellt, dass ein Verkäufer, der einen Pkw versehentlich zum Sofortkauf-Preis von einem Euro auf eBay einstellt, dem Käufer keinen Schadensersatz leisten muss. Die Internetplattform eBay ist nicht nur eines der beliebtesten Examensthemen im BGB AT und Schuldrecht, sondern findet – da diverse Probleme des Vertragsschlusses, des Schuldrecht AT oder des Gewährleistungsrechts abgeprüft werden können – auch immer wieder Einzug in Zwischenprüfungsklausuren. Die Entscheidung soll daher zum Anlass genommen werden, Grundprobleme des Zivilrechts unter Fokussierung des Vertragsschlusses bei eBay darzustellen und zu erläutern.
 
A) Sachverhalt
Auf der Internetauktionsplattform eBay bot der V einen BMW 318d, Erstzulassung April 2011, Laufleistung 172.000 km, mit einem Wert von ca. 13.000 Euro an. Nach ausführlicher Beschreibung des Fahrzeugs und der Ausstattung formulierte er: „Preis: Euro 1,00“ sowie: „Fahrzeug muss innerhalb drei Tagen noch Auktionsende – vom Höchstbietenden abgeholt und bar vor Ort gezahlt werden…, Sofortkaufangebote sind gerne erwünscht.“ Versehentlich legte der V den Preis von einem Euro jedoch nicht als Starpreis der Auktion, sondern als Sofortkauf-Preis fest. Der K stieß auf das Inserat, bot einen Euro und erhielt automatisiert den Zuschlag. Vor regulärem Ende der Auktion beendete der V manuell die Auktion und wies den K darauf hin, dass der Preis von einem Euro als Start- und nicht als Sofortkaufpreis gemeint gewesen sei. Zu einem Verkauf für einen Euro sei er keinesfalls bereit. K sah dies nicht ein; schließlich sei die Summe von einem Euro ausdrücklich als Sofortkauf-Preis und nicht als Gebotsuntergrenze ausgewiesen. Er begehrt nunmehr Schadensersatz in Höhe von 13.000 Euro, die er für ein vergleichbares Fahrzeug aufbringen müsste.
 
B) Rechtsausführungen
Die Entscheidung des Landgerichts (Urt. v. 18.07.2019, Az. 2-20 O 77/18), das die Klage abgewiesen hatte, ist rechtskräftig, nachdem der klagende Käufer nach einem Hinweisbeschluss des OLG Frankfurt (Hinweisbeschl. v. 14.05.2020, Az. 6 U 155/19) seine Berufung zurückgenommen hatte. Doch der Reihe nach:
 
I. Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB
Den Verkäufer trifft die Pflicht, die von ihm angebotene Ware zu liefern. Er hat den Kaufgegenstand gemäß § 433 Abs. 1 S. 1 BGB zu übergeben und zu übereignen. Tut er dies nicht, so kann der Käufer unter bestimmten Voraussetzungen Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB verlangen. Der Schaden bemisst sich nach der Differenzhypothese und beträgt grundsätzlich den Wert des Kaufgegenstandes abzüglich des Kaufpreises. Ein Anspruch des K gegen V auf Schadensersatz statt der Leistung in Höhe von 13.000 Euro könnte sich also aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB ergeben.
 
Achtung: Zwar geht es hier um einen Kaufvertrag, jedoch greift – mangels Anwendungsbereichs – nicht das kaufrechtliche Gewährleistungsrecht. Damit ein Anspruch aus §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB hergeleitet werden kann, ist ein Mangel bei Gefahrübergang erforderlich. Im vorliegenden Fall geht es aber um eine Nichtleistung vor Gefahrübergang, sodass die Grundsätze des Schuldrecht AT Anwendung finden.
 
1. Schuldverhältnis
Dies setzt zunächst das Vorliegen eines Schuldverhältnisses voraus. Vorliegend kommt ein vertragliches Schuldverhältnis in Form eines Kaufvertrags i.S.v. § 433 BGB in Betracht. Ein solcher verlangt eine Einigung, also zwei übereinstimmende, in Bezug aufeinander abgegebene Willenserklärungen. Ein Vertragsschluss bei eBay richtet sich nach allgemeinen Grundsätzen, d.h. ein Vertrag kommt durch Angebot und Annahme gemäß den §§ 145 ff. BGB zustande – nicht etwa durch Zuschlag nach § 156 BGB, da eBay-Auktionen keine Versteigerungen i.S.d. Norm darstellen. Dabei handelt es sich bereits bei dem Erstellen einer Auktion auf eBay bzw. beim Einstellen eines Sofortangebots um ein verbindliches Angebot, das durch die Bestellung des Kunden angenommen wird, so dass in diesem Moment der Vertrag geschlossen ist (also unmittelbar bei der Option „Sofort-Kaufen“) oder mit Zeitablauf einer Auktion zustande kommt (s. zum Zustandekommen eines Vertrags über die Sofort-Kaufen-Option auch unseren Beitrag). Dies ergibt sich aus den AGB von eBay, die zwar zwischen Käufer und Verkäufer nicht unmittelbar gelten, aber nach h.M. bei der Auslegung der Willenserklärungen zu berücksichtigen sind (s. hierzu BGH, Urt. v. 15.2.2017, Az.: VIII ZR 59/16).
Nach diesen Maßstäben hat der V zweifelsohne durch Einstellen des Autos auf der Plattform eBay ein verbindliches Angebot abgegeben. Jedoch ist problematisch – und Schwerpunkt der vorliegenden Entscheidung –, ob er ein Angebot für einen Sofortkauf des Pkw für einen Euro oder für die Option „Auktion“ mit dem Startgebot in Höhe von einem Euro abgegeben hat. Die Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen erfolgt gemäß §§ 133, 157 BGB nach Maßgabe des objektiven Empfängerhorizonts; das heißt, zu prüfen ist, wie sich das Angebot aus der Sicht eines verständigen, objektiven Betrachters darstellt. Hiervon ausgehend durfte der K die Preisangabe von einem Euro nach Ansicht des OLG Frankfurt nicht als Angebot zum Sofortkauf-Preis von einem Euro auffassen. Das Gericht erachtet die Auslegung der Willenserklärung des V nach dem objektiven Empfängerhorizont insofern als „eindeutig“: Er müsse sich nicht daran festhalten lassen, dass ihm bei der Eingabe seines Angebots ein Fehler unterlaufen sei, indem er versehentlich den Sofortkauf-Preis und nicht den Starpreis der Auktion festgelegt habe. Vielmehr sei aus dem Kontext klar ersichtlich, dass eine Versteigerung gewollt gewesen sei. Damit liege schon kein Sofortkauf-Angebot vor, das angenommen werden könnte.
 
Anmerkung: Unterstellt man eine wirksame Einigung, wäre in einem zweiten Schritt eine mögliche Nichtigkeit nach § 142 Abs. 1 BGB infolge einer Anfechtung seitens des V zu prüfen. Dass wirksam angefochten werden könnte, hat auch das OLG Frankfurt betont: Indem V gegenüber dem K erklärt habe, dass der Preis als Startpreis, nicht als Sofortkauf-Preis gemeint gewesen sei und die Transaktion abgebrochen habe, habe er konkludent die Anfechtung erklärt. In einer Klausur wäre sodann schwerpunktmäßig zu diskutieren, welcher Anfechtungsgrund – Inhaltsirrtum gemäß § 119 Abs. 1 Alt. 1 BGB oder Erklärungsirrtum gemäß § 119 Abs. 1 Alt. 2 BGB – in Betracht kommt. Geklärt werden müsste also, ob der Fehler bereits auf der Ebene der Willensbildung (dann Inhaltsirrtum) oder bei der Vornahme der Erklärungshandlung, also etwa durch Vertippen / Verklicken (dann Erklärungsirrtum), erfolgt ist – hierzu bedürfte es ergänzender Hinweise im Sachverhalt. Auch über den Schadensersatzanspruch des § 122 Abs. 1 BGB könnte dann aber keine Zahlung der 13.000 Euro verlangt werden, denn hiernach wird lediglich das negative und nicht das positive Interesse ersetzt.
 
2. Zwischenergebnis
Mithin liegt schon kein wirksamer Kaufvertrag und damit kein Schuldverhältnis zwischen den Parteien vor.
 
II. Ergebnis
Ein Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB scheidet infolgedessen aus.
 
C) Fazit
In summa: Wenn ein eBay-Verkäufer ein Auto zum Sofortkauf für einen Euro anbietet, muss er dem Verkäufer keinen Schadensersatz leisten, sofern nach der Auslegung der Willenserklärung vom objektiven Empfängerhorizont gemäß §§ 133, 157 BGB offensichtlich ist, dass es sich um ein Auktionsstartgebot und nicht um einen Sofortkauf-Preis handelt. Wer sich in einer entsprechenden Klausur also direkt auf die Anfechtung der Willenserklärung stürzt, der verkennt, dass der Auslegung stets  Vorrang gebührt. Ergibt diese bereits einen Versteigerungswillen, verbleibt für die Anfechtung kein Raum. Unklar bleibt freilich, ab welchem Preis auf einen „offensichtlichen“ Versteigerungswillen trotz versehentlicher Wahl der Sofortkauf-Option zu schließen ist, ist doch – auch vom BGH –anerkannt, dass durch die Nutzung der Plattform eBay ein auffälliges Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung bewusst in Kauf genommen wird (hierzu beispielhaft BGH, Urt. v. 12.11.2014, Az.: VIII ZR 42/14).
 

23.07.2020/1 Kommentar/von Dr. Melanie Jänsch
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Melanie Jänsch https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Melanie Jänsch2020-07-23 08:35:432020-07-23 08:35:43OLG Frankfurt zur Auslegung beim Vertragsschluss über eBay: Kein Auto für 1€
Gastautor

BGH: Kündigungsschutzklausel in Vertrag zwischen Veräußerer und Erwerber einer Immobilie begründet eigene Schutzrechte des Mieters

AGB-Recht, Examensvorbereitung, Lerntipps, Mietrecht, Mündliche Prüfung, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite, Zivilrecht

Wir freuen uns sehr, nachfolgend einen Gastbeitrag von Tobias Vogt veröffentlichen zu können. Der Autor war am Institut für Arbeitsrecht und Recht der sozialen Sicherheit der Universität Bonn tätig und ist derzeit Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Flick Gocke Schaumburg.
Der BGH stärkt in einer aktuellen Entscheidung (Urt. v. 14.11.2018, Az. VIII ZR 109/18) Mieterrechte und äußert sich dabei seit langem wieder einmal zu einem Vertrag zu Gunsten Dritter (VzD) i.S.d. § 328 BGB. Der Mieter kann sich gegenüber seinem Vermieter auf eine Kündigungsschutzklausel aus dem zwischen dem jetzigen Vermieter und dem vorherigen Eigentümer der Immobilie geschlossenen Kaufvertrag über die Immobilie berufen und sich so gegen eine Kündigung des Mietvertrags wehren, entschied der VIII Zivilsenat. Gerade aufgrund der enormen medialen Aufmerksamkeit in der Tagespresse liegt die Examensrelevanz auf der Hand. Zudem macht die Kombination aus Mietrecht, AGB-Kontrolle und VzD diese Entscheidung aus Prüfersicht attraktiv. Sie sollte daher jedem Examenskandidaten bekannt sein. Auch wenn die Entscheidung noch nicht im Volltext veröffentlicht wurde, ergeben sich die wesentlichen Gründe bereits aus der Pressemitteilung des BGH.
I. Sachverhalt (leicht abgewandelt)
Die Beklagten sind seit 1981 Mieter einer Wohnung in einem aus zwei Wohnungen bestehenden Siedlungshaus. Im Jahr 2012 erwarb die Klägerin das Hausgrundstück von der Stadt Bochum und bewohnt mittlerweile die zweite Wohnung des Hauses. Der Kaufvertrag zwischen der Stadt Bochum und der Klägerin enthält folgenden Klausel, die die Stadt Bochum für eine Vielzahl von Immobilienverträgen verwendete: „Die Mieter haben ein lebenslanges Wohnrecht. Der Käufer übernimmt das bestehende Mietverhältnis. Er darf insbesondere keine Kündigung wegen Eigenbedarfs oder wegen der Behinderung einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung aussprechen. Möglich ist lediglich eine Kündigung wegen der erheblichen Verletzung der dem Mieter obliegenden vertraglichen Verpflichtungen […] Für den Fall, dass der Käufer ohne Zustimmung des Verkäufers oder ohne Vorliegen eines außerordentlichen Kündigungsgrundes das Mietverhältnis kündigt, ist der Verkäufer berechtigt, das Kaufgrundstück lasten- und schuldenfrei wiederzukaufen.“ Dennoch kündigte die Klägerin das Mietverhältnis unter Berufung auf § 573a Abs. 1 S. 1 BGB, der eine Kündigung von Seiten des Vermieters unter erleichterten Bedingungen vorsieht, wenn dieser im selben Gebäude mit nicht mehr als zwei Wohnungen die zweite Wohnung selbst bewohnt. Mit der anschließenden Räumungsklage scheiterte die Klägerin in den Vorinstanzen und nun auch vor dem BGH.
II. Kündigungsschutzklausel als echter Vertrag zugunsten Dritter, § 328 BGB
Zunächst sollte in einer Prüfung festgestellt werden, dass die Klägerin durch den Erwerb des Hausgrundstücks nach § 566 Abs. 1 BGB in das zuvor zu der Stadt Bochum bestehende Mietverhältnis eingetreten ist und eine ordnungsgemäße Kündigungserklärung vorliegt. Auch sollten die Voraussetzungen des § 537a BGB geprüft werden, die hier vorliegen. Dann ist die Kündigungsschutzklausel aus dem Grundstückskaufvertrag anzusprechen, die einer Kündigung nach § 573a BGB entgegenstehen könnte. Dazu müsste diese aber auch im Verhältnis der Mieter zur Vermieterin gelten. Der Grundstückskaufvertrag ist jedoch zwischen jetzigem und vorherigem Vermieter geschlossen worden. Verträge gelten grundsätzlich nur inter partes. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz stellt das Konstrukt des Vertrags zugunsten Dritter nach § 328 BGB dar. Nach § 328 Abs. 1 BGB kann eine Leistung an einen Dritten derart bedungen werden, dass dieser unmittelbar das Recht erwirbt die Leistung zu fordern. Ob ein solches Recht bestehen soll, ist in Ermangelung einer besonderen Bestimmung gemäß § 328 Abs. 2 BGB aus den Umständen, insbesondere dem Zwecke des Vertrags, zu ermitteln. An dieser Stelle können Prüflinge mit einer umfassenden Auslegung der Klausel punkten, wobei insbesondere auf den Wortlaut und auch den von der Stadt Bochum bezweckten Mieterschutz aufgrund deren Verantwortung als kommunaler Eigentümer und Veräußerer eingegangen werden. So führte der BGH in seiner Pressemitteilung aus: „Schon der Wortlaut der Regelung, in der von einem bestehenden lebenslangen Wohnrecht der Mieter und einer Übernahme dieses Mietverhältnisses durch den Käufer die Rede ist, bringt hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass den Mietern hiermit eine (eigene) gesicherte Rechtsposition auch gegenüber dem Käufer als neuem Vermieter eingeräumt wird. Ihren bisherigen Wohnraum sollen sie lediglich bei selbst zu vertretender (erheblicher) Verletzung ihrer Mieterpflichten verlieren können. Für diese naheliegende Auslegung der vertraglichen Regelungen sprechen zusätzlich auch die hohe Schutzbedürftigkeit der Beklagten als langjährige Mieter und die Verantwortung der Stadt Bochum als kommunaler Eigentümer und Veräußerer. Darüber hinaus unterstreicht das für den Fall einer unberechtigten Vermieterkündigung vereinbarte Wiederkaufsrecht der Stadt, dass diese mit den vertraglichen Regelungen erkennbar einen möglichst umfassenden Schutz der Mieter herbeiführen wollte.“ Daher handelt es sich also um einen echten Vertrag zugunsten Dritter i.S.d. § 328 BGB, sodass die Mieter die Kündigungsschutzklausel dem Vermieter entgegenhalten können.
III. Auslegung der Klausel: Auch Kündigung nach § 573a BGB ausgeschlossen
Fraglich ist zudem, ob die Klausel ihrem Inhalt nach auch eine Kündigung nach § 573a BGB ausschließen soll. Dies ist durch Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont §§ 133,157 BGB zu ermitteln. Zwar sind ausdrücklich nur die Kündigung wegen Eigenbedarf und wegen Behinderung einer angemessenen Verwertung ausgeschlossen. Jedoch lässt sich schon aus der Formulierung „insbesondere“ erschließen, dass dies keine abschließende Aufzählung darstellt. Vielmehr wird im nächsten Satz klargestellt, dass lediglich eine Kündigung wegen der erheblichen Verletzung der vertraglichen Mieterpflichten möglich sein soll. Die Kündigung nach § 573a BGB erfordert jedoch – ebenso wie die in der Klausel ausdrücklich genannten Kündigungsgründe – weder eine Pflichtverletzung noch ein Verschulden des Mieters. Die Klausel umfasst daher auch eine Kündigung nach § 573a BGB.
IV. Keine Unwirksamkeit aufgrund AGB-Kontrolle
Die Kündigungsschutzklausel kann selbstverständlich aber nur dann der Kündigung entgegenstehen, wenn sie wirksam ist. Da die Klausel für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert und von der Stadt Bochum einseitig gestellt wurde, handelt es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung, § 305 BGB. Es ist daher zu prüfen, ob die Klausel gegen §§ 307 – 309 BGB verstößt. In Betracht kommt hier ein Verstoß gegen § 307 Abs. 1 BGB. Dazu müsste die Klägerin durch die Klausel unangemessen benachteiligen. Zwar wird das Recht zur Kündigung in weiten Fällen ausgeschlossen. Jedoch ist das Kündigungsrecht nicht völlig ausgeschlossen, sondern es verbleibt dem Erwerber die Möglichkeit zur Kündigung wegen wesentlicher Pflichtverletzung des Mieters. Die Regelung dient dem berechtigten Interesse der langjährigen Mieter, ohne eigene erhebliche Pflichtverletzung nicht einer Kündigung ausgesetzt zu werden. Auch die Stadt Bochum hat als kommunalen Träger ein berechtigtes Interesse, durch eine Kündigungsschutzklausel die bislang in ihrem Eigentum wohnenden Mieter vor einer Kündigung durch den neuen Vermieter zu schützen. Daher benachteiligen die „kaufvertraglichen Bestimmungen, mit denen das Recht der Erwerber zur ordentlichen Kündigung für die Lebensdauer der aktuellen Mieter eingeschränkt wird, […] den Käufer einer entsprechenden Immobilie nicht unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 und 2 BGB, sondern stellen vielmehr eine inhaltlich ausgewogene Regelung für den Verkauf eines im kommunalen Eigentum stehenden, von langjährigen Mietern bewohnten Siedlungshauses dar“, so der BGH in seiner Pressemitteilung.
V. Summa
Eine Klausel in dem Grundstückskaufvertrag zwischen Veräußerer und Erwerber, die das Kündigungsrecht des Erwerbers gegenüber den Mietern einschränkt, ist (jedenfalls bei ähnlicher Formulierung wie im konkreten Fall) als Vertrag zugunsten Dritter i.S.d. § 328 BGB auszulegen, so dass der Mieter sie dem (neuen) Vermieter entgegenhalten kann. Eine solche Vereinbarung stellt eine inhaltlich ausgewogene Regelung dar, die auch einer AGB-Kontrolle standhält.

16.11.2018/1 Kommentar/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2018-11-16 09:00:082018-11-16 09:00:08BGH: Kündigungsschutzklausel in Vertrag zwischen Veräußerer und Erwerber einer Immobilie begründet eigene Schutzrechte des Mieters
Dr. Christoph Werkmeister

Referendarexamensklausur: Schokoladendieb und Scheinerbe

Erbrecht, Fallbearbeitung und Methodik, Schuldrecht, Verschiedenes, Zivilrecht


Der Verlag De Gruyter stellt jeden Monat einen Beitrag aus der Ausbildungszeitschrift JURA – Juristische Ausbildung zwecks freier Veröffentlichung auf Juraexamen.info zur Verfügung.
Der heutige Beitrag

“Schokoladendieb und Scheinerbe” von Dr. Arndt Kiehnle

ist eine Übungsklausur samt Musterlösung, wobei der Fall vom Anspruch her dem Schwierigkeitsgrad des ersten juristischen Staatsexamens entspricht. In thematischer Hinsicht werden u.a. examensrelevante Problemkreise des Schuld- und Erbrechts aufgegriffen.
Den Beitrag findet ihr hier.

05.09.2012/0 Kommentare/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2012-09-05 19:00:122012-09-05 19:00:12Referendarexamensklausur: Schokoladendieb und Scheinerbe
Dr. Christoph Werkmeister

Verjährung und Nacherfüllung im Kaufrecht

Fallbearbeitung und Methodik, Für die ersten Semester, Schon gelesen?, Schuldrecht, Verschiedenes, Zivilrecht

Das Kaufrecht ist das mit Abstand am häufigsten abgeprüfte Rechtsgebiet in juristischen Staatsexamina. Aus diesem Grund ist die Kenntnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung in diesem Bereich unabdingbar (s. dazu hier). Im gleichen Maße interessant für die Prüfer sind daneben diejenigen Konstellationen, die obschon ihrer Praxisrelevanz noch keine höchstrichterliche Klärung erfahren haben. Einen solchen umstrittenen Problemkreis stellt die Verjährung des Nacherfüllungsanspruchs nach § 439 Abs. 1 BGB dar. Der folgende Beispielsfall soll dazu dienen, das Problem zu umschreiben.
Beispielsfall
Der A kauft am 04.03.2010 ein Navigationsgerät. Die Ortung der Satelliten funktioniert allerdings nach über einem Jahr nicht mehr richtig, was auf einen Mangel am Gerät zurückzuführen ist. Der A bringt das Gerät am 05.01.2012 in den Laden, bei dem er es erworben hat und verlangt unter Verweis auf seine Mängelrechte die Reparatur oder Nachlieferung des Geräts. Der Verkäufer nimmt das alte Gerät kommentarlos entgegen und tauscht es gegen ein neues aus. Nach gut einem Jahr, am 03.01.2013 funktioniert auch das ausgetauschte Gerät aufgrund desselben Fehlers nicht mehr. Der A geht erneut in den Laden und verlangt ein neues Gerät unter Verweis auf seine Mängelrechte. Der Ladeninhaber bestreitet nicht, dass das nachgelieferte Gerät auch mangelhaft ist. Er geht allerdings davon aus, dass mögliche Ansprüche des A längst verjährt sein müssen. Es könne doch nicht angehen, dass der A Mängelgewährleistungsrechte noch drei Jahre nach Erwerb der Sache gelten machen könnte.
Verjährung im Kaufrecht
Grundsätzlich steht dem A hier ein Anspruch auf Nacherfüllung gemäß § 439 Abs. 1 BGB zu, da die nachgelieferte Sache immer noch einen Mangel enthält. Fraglich ist jedoch, ob dieser Nacherfüllungsanspruch nicht bereits verjährt ist. Gemäß § 214 Abs. 1 BGB kann ein verjährter Anspruch nicht mehr durchgesetzt werden.
Beginn und Lauf der Verjährung sind im Kaufrecht spezialgesetzlich in § 438 BGB niedergelegt. Der Verjährungsbeginn fängt gemäß § 438 Abs. 2 BGB beim Kauf von beweglichen Sachen mit der Übergabe der Sache an den Käufer. Da der Mangel bereits bei Gefahrübergang vorliegen muss, damit das Mängelgewährleistungsrecht greift, verjährt der Anspruch auf Nacherfüllung gemäß § 439 Abs. 1 BGB demnach ab dem Zeitpunkt der Lieferung bzw. der Übergabe.
Fraglich ist nun, ob im Falle einer fehlgeschlagenen Nacherfüllung ein neuer Nacherfüllungsanspruch mit erneuter Verjährung nach § 438 BGB entsteht oder ob bloß der alte Anspruch und damit der alte Lauf der Verjährungsfrist Bestand hat. Die Stimmen sind in dieser Hinsicht geteilt: Nach Palandt/Weidenkaff, § 438 BGB, Rz. 16a ist im Falle des Nachlieferns an sich grundsätzlich ein Neubeginn der Verjährung anzunehmen (ähnlich Graf v. Westphalen, ZGS 2002, 19, 21). Beim Nachbessern liege hingegen im Regelfall kein solcher Fall vor. Ebenso argumentiert Jauernig/Berger, § 438 BGB, Rz. 15. Für die pauschale Annahme des Verjährungsneubeginns spricht natürlich der Schutz des Käufers. Andererseits kann dies erhebliche Folgen für den Verkäufer haben (so insb. Auktor/Mönch, NJW 2005, 1687). Bei einem strikten Befolgen einer solchen Dogmatik könnte der Käufer im besten Fall eine erhebliche Verlängerung der Verjährungsfrist bewirken. Auch der Gesetzgeberwille spricht dafür, dass mit der verkürzten Verjährung im Kaufrecht möglichst schnell Rechtssicherheit hergestellt werden soll.
Eine vermittelnde Lösung, die auf die konkreten Anhaltspunkte im Einzelfall abstellt, erscheint zwar zunächst interessengerecht. Eine solche Betrachtung bringt allerdings den Nachteil mit sich, dass es schwer fällt, Kriterien für eine Einzelfallabgrenzung zu normieren  (zurückhaltend auch OLG Celle, NJW 2006, 2643). Aus diesen Gründen erscheint eine restriktive Auslegung des § 439 bzw. des § 438 BGB durchaus gut vertretbar. Selbst bei Annahme einer solchen Ansicht ist der Käufer allerdings nicht gänzlich schutzlos gestellt, da die im Folgenden zu diskutierenden verjährungsrechtlichen Mechanismen bestehen.
Hemmung der Verjährung
Der Lauf der Verjährung kann zum einen regelmäßig gemäß § 203 BGB durch „Verhandlungen“ gehemmt werden. Dies ist insbesondere dann der Fall, wen der Kaufgegenstand vom Händler auf Mängel überprüft wird. Sofern die Ware also eingeschickt werden muss, geht dies nicht zu Lasten der Verjährung des Käufers (vgl. Reinking, ZGS 2002, 140; Wagner, ZIP 2002, 789).
Neubeginn der Verjährungsfrist
Darüber hinaus beginnt die Verjährungsfrist sogar neu zu laufen, wenn § 212 Abs 1 Nr 1 BGB einschlägig ist. Dies ist dann der Fall, wenn der Verkäufer den Anspruch auf Nacherfüllung anerkennt. Ein solches „Anerkennen“ i.S.d. § 212 BGB liegt dann vor, wenn der Verkäufer aus Sicht des Käufers nicht nur aus Kulanz oder zur gütlichen Beilegung eines Streits Maßnahmen zur Nacherfüllung ergreift (vgl. BGH NJW 1988, 254; BGH NJW 1999, 2961). Fraglich ist jedoch, wie der hier geschilderte Fall unter diese Definition zu subsumieren ist. Der Verkäufer kam bei der ersten Forderung nach Nacherfüllung ohne große Argumentation dem Begehren des A nach. Ob sich aus einer solchen Handlung bereits ein Anerkennen i.S.d. § 212 BGB ergibt ist fraglich.
Es lässt sich an dieser Stelle mit den obigen Argumenten zur restriktiven Auslegung des Verjährungsneubeginns argumentieren. Andererseits sprechen auch gute Gründe dafür, beim freiwilligen Nacherfüllen ein pauschales „Anerkennen“ des Mängelgewährleistungsanspruchs und damit den Neubeginn der Verjährung zu bejahen. Ansonsten läge nämlich beinahe nie ein „Anerkennen“ i.S.d. § 212 BGB vor, da sich der Verkäufer stets auf ein Handeln aus „Kulanz“ berufen könnte. Sofern man argumentiert, dass im anstandslosen Nacherfüllen ein solches Anerkennen liegt, steht der Verkäufer gleichwohl nicht völlig schutzlos da. Er kann sich bei einer solchen Auslegung nämlich trotzdem vor der Rechtsfolge des § 212 BGB schützen, indem er die Nacherfüllungshandlung explizit ohne Anerkennung einer Rechtspflicht durchführt. In der Praxis könnte dies beispielsweise auf einer entsprechenden Quittung vermerkt werden. Fehlt ein solcher Vermerk, so liefe die Verjährung erneut.
Auch, wenn man § 212 BGB in solchen Fällen restriktiv handhabt, ist daran zu denken, dass immer noch eine Hemmung durch Verhandeln i.S.d. § 203 BGB vorliegen kann. Für welche Ansicht man sich entscheidet, ist angesichts des Fehlens einer höchstrichterlichen Vorgabe nebensächlich. Wichtig ist lediglich, dass man den Grundkonflikt erkennt und möglichst auf allen Ebenen argumentiert.
Beweisprobleme
In Sachverhalten abseits der Klausuren gilt es allerdings gewichtige Beweisprobleme zu berücksichtigen. Im Regelfall wird es dem Käufer nach Ablauf einer so langen Zeit nämlich schwer fallen, zu beweisen, dass der Mangel auch bereits bei Gefahrübergang vorlag. Die Beweislastumkehr des § 476 BGB beim Verbrauchsgüterkauf hilft nach Ablauf von sechs Monaten auch nicht mehr weiter. In einer Klausur im ersten Examen stehen die Sachverhalte allerdings fest, so dass die Beweisprobleme unerheblich sind. Auch im zweiten Examen kann die Problematik Eingang in eine Klausur finden, sofern das Vorliegen des Mangels bei Gefahrübergang unstrittig ist.
Auswirkungen auf andere Forderungen
Zu beachten ist im Übrigen, dass Neubeginn und Hemmung der Verjährung nach den o.g. Normen jeweils nicht nur den Nacherfüllungsanspruch selbst betreffen. Über § 218 Abs. 1 S 1 BGB sind ebenso auch das Rücktritts- und Minderungsrecht betroffen. Über § 213 BGB gelten die gleichen Verjährungsverlängerungen auch für Ansprüche auf Schadensersatz statt der Leistung und den Aufwendungsersatz.

24.01.2012/1 Kommentar/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2012-01-24 20:56:032012-01-24 20:56:03Verjährung und Nacherfüllung im Kaufrecht
Dr. Gerrit Forst

BGH: Aufklärungspflicht bei Gebrauchtwagenkauf

Schuldrecht, Zivilrecht

Der BGH (Urt. v. 16.12.2009 – VIII ZR 38/09) hat entschieden, dass der Verkäufer eines Gebrauchtwagens den Erwerber darüber aufklären muss, dass er das Fahrzeug kurze Zeit vor dem Weiterverkauf von einem nicht im Kfz-Brief eingetragenen „fliegenden Zwischenhändler“ erworben hat.
Sachverhalt
Der Kläger macht Schadensersatzansprüche aus dem Kauf eines erstmals im Jahr 1994 zugelassenen Pkw Audi A 6 geltend, den er im März 2004 vom Beklagten-1 über einen Gebrauchtwagenhändler – den Beklagten-2 – als Vermittler erworben hatte. In den Kaufvertrags-AGB war unter „Gesamtfahrleistung nach Angaben des Vorbesitzers“ als Fahrleistung „201.000 km“ eingetragen worden, was dem tachostand entsprach. Als Vorbesitzer waren aus dem Kfz-Brief nur der ursprüngliche Halter sowie der seit dem 16. Februar 2004 als Halter eingetragene Beklagte-1 ersichtlich. Dieser hatte das Fahrzeug jedoch über den Beklagten-2 von einem Zwischenhändler erworben, der beiden Beklagten nur als „Ali“ bekannt war und der das Fahrzeug seinerseits von einem weiteren, ebenfalls nicht als Halter im Kfz-Brief eingetragenen Vorbesitzer erworben hatte. Über diese Umstände wurde der Kläger bei Abschluss des Kaufvertrages nicht informiert. Die tatsächliche Laufleistung des PKW betrug 340.000 km. Der Kläger macht geltend, dass er nicht auf die Angabe in den AGB und den tachostand vertraut hätte, wenn ihm bekannt gewesen wäre, dass der Wagen zuvor durch zahlreiche Hände gegangen war.
Entscheidung
Der BGH hält beide Beklagten wegen Verletzung einer vorvertraglichen Aufklärungspflicht für schadensersatzpflichtig. Bei Vertragsverhandlungen bestehe für jeden Vertragspartner die Pflicht, den anderen Teil über solche Umstände aufzuklären, die den Vertragszweck (des anderen) vereiteln können und daher für seinen Entschluss von wesentlicher Bedeutung sind, sofern er die Mitteilung nach der Verkehrsauffassung erwarten kann. Ein solcher Umstand liege vor, wenn der Verkäufer kurz zuvor den Pkw von einem „fliegenden Zwischenhändler“ erworben habe. Denn ohne einen entsprechenden Hinweis gehe der Käufer davon aus, dass der Vertragspartner das Fahrzeug von demjenigen übernommen habe, der als letzter Halter im Kraftfahrzeugbrief eingetragen ist. Habe der Verkäufer das Fahrzeug kurze Zeit vor dem Weiterverkauf selbst von einer Person mit unbekannter Identität erworben, liege der Verdacht nahe, dass es während der Besitzzeit des unbekannten Voreigentümers zu Manipulationen am Kilometerzähler oder einer sonstigen unsachgemäßen Behandlung des Fahrzeugs gekommen sei. Die Verlässlichkeit der Angaben zum Fahrzeug werde dadurch grundlegend entwertet. Insbesondere komme der Kilometerstandsanzeige und der Aussage zur „Gesamtfahrleistung nach Angabe des Vorbesitzers“ hinsichtlich der tatsächlichen Fahrleistung keine nennenswerte Bedeutung zu.
Bewertung
Der Anspruch gegen den Beklagten-2 folgt aus §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB i.V.m. § 241 Abs. 2 BGB, wobei sich der Beklagte-2 sowohl die Pflichtverletzung (analog § 278 BGB) als auch das Verschulden des Beklagten-1 (§ 278 BGB) zurechnen lassen muss. Die Ausführungen des BGH zur vorvertraglichen Pflichtverletzung überzeugen: Beim Gebrauchtwagenkauf muss der Käufer sich notgedrungen auf die Angaben des Veräußerers verlassen, weil er in der Regel keine Möglichkeit hat, den Wagen „auf Herz und Nieren“ zu prüfen, bevor er ihn erwirbt. Wird ihm nicht mitgeteilt, dass der Veräußerer selber keinen Überblick über die Vorgeschichte des Fahrzeugs hat, weil der Wagen durch zahlreiche Hände gewandert ist, ist ihm eine adäquate Einschätzung des Risikos einer Fehlinvestition nicht mehr möglich (s. zu Informationsasymmetrien im Vertragsrecht und die Funktion der c.i.c. ausführlich die gleichnamige Habilitation von Fleischer).
Interessanter ist die Haftung des Beklagten-1. Dieser haftet nach Auffassung des BGH persönlich als Sachwalter nach §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 3 BGB i.V.m. § 241 Abs. 2 BGB. Der Klausurbearbeiter muss erkennen, dass der Beklagte-1 nicht Vertragspartner wird und deshalb auch grundsätzlich nicht aus c.i.c. haftet. § 311 Abs. 3 BGB durchbricht diesen Grundsatz für den Fall, dass der Handelnde besonderes persönliches Vertrauen für sich in Anspruch nimmt, was auch und gerade bei einer besseren Erkenntnismöglichkeit der Fall ist.
Das Urteil ist außerordentlich wichtig für Ausbildung und Praxis, es reiht sich ein in einen stetig wachsenden Fundus von Entscheidungen den Gebrauchtwagenkauf betreffend. Kennen muss man auch die Rechtsprechung zu Behauptungen „ins Blaue hinein“ (dazu BGHZ 168, 64).

29.12.2009/3 Kommentare/von Dr. Gerrit Forst
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Gerrit Forst https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Gerrit Forst2009-12-29 20:22:112009-12-29 20:22:11BGH: Aufklärungspflicht bei Gebrauchtwagenkauf
Dr. Gerrit Forst

BGH: Absolute Unverhältnismäßigkeit der Nacherfüllung i.S.d. § 439 Abs. 3 BGB

Schuldrecht, Zivilrecht

Der 8. Zivilsenat hat sich am 14.1.2009 (VIII ZR 70/08, NJW 2009, 1660 = ZIP 2009, 376 = WM 2009, 524 = ZGS 2009, 186) zu der Frage geäußert, wie die Unverhältnismäßigkeit der Nacherfüllung bei § 439 Abs. 3 BGB zu definieren ist.
Sachverhalt
Der Käufer hatte von einem Baustoffhändler Bodenfliesen gekauft und diese selber eingebaut. Die Fliesen waren mangelhaft. Daraufhin verlangte der Käufer Nacherfüllung sowie Übernahme der für den Austausch der Fliesen erforderlichen Kosten. Der Beklagte erhob die Einrede nach § 439 Abs. 3 BGB. Das OLG Frankfurt (ZGS 2008, 315) verurteilte den Beklagten auf Übernahme der Kosten für die neuen Fliesen sowie die Kosten des Ausbaus und der Entsorgung der alten Fliesen.
Entscheidung
Der BGH lässt erkennen, dass er einem Anspruch des Käufers auf Ausbau der Fliesen (und dementsprechend auch Schadensersatzansprüche aus §§ 280, 281 BGB) ablehnend gegenüber steht, hält insoweit allerdings eine Vorabentscheidung des EuGH (Art. 234 Abs. 3 EG) darüber für erforderlich, ob die Ablehnung eines solchen Anspruches mit der RL 1999/44/EG vereinbar ist.
Weiter lässt der BGH die Entscheidung, ob der Ausbau geschuldet ist, offen, weil dem Anspruch die Einrede nach § 439 Abs. 3 BGB entgegenstehe. Als Faustregel gilt nach Auffassung des BGH, dass eine absolute Unverhältnimäßigkeit der Nacherfüllung gegeben ist, wenn die Kosten der Nacherfüllung 150% des Werts der Sache im mangelfreien Zustand oder 200% des mangelbedingten Minderwerts übersteigen würden. Diese Faustregel ersetze freilich nicht eine Wertung im Einzelfall.
Allerdings stellt sich dem BGH sodann das Problem, dass die RL 1999/44/EG die Einrede scheinbar nur dann gewährt, wenn die Nacherfüllung im Verhältnis zu der anderen Art der Nacherfüllung unverhältnismäßig wäre (relative Unverhältnismäßigkeit). Deshalb legt er dem EuGH als zweite Frage vor, ob § 439 Abs. 3 BGB mit der RL 1999/44/EG vereinbar ist.
Bewertung
Das Urteil ist äußerst examensrelevant, weil es nicht nur eine der streitigsten Fragen des neuen Schuldrechts behandelt, nämlich den Ersatz der Kosten für den Ausbau einer mangelhaften Sache, sondern weil auch die Europarechtskonformität des deutschen Umsetzungsrechts in Frage steht. Der deutsche Gesetzgeber könnte danach binnen kurzer Zeit gezwungen sein, das neue Kaufrecht aufgrund der Rechtsprechung des EuGH erneut zu ändern (s. zuletzt die Änderung des § 474 BGB infolge der EuGH-Rechtsprechung in der Rs. „Quelle“). Jeder Examenskandidat muss dieses Urteil und die damit verbundenen Rechtsfragen kennen! Solange der EuGH nicht entschieden hat, atmet hier allerdings alles große Unsicherheit.
S. auch: Unberath/Cziupka, JZ 2009, 313; Lorenz, NJW 2009, 1633 und AG Schorndorf, 25. Februar 2009, Az: 2 C 818/08.

18.08.2009/2 Kommentare/von Dr. Gerrit Forst
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Gerrit Forst https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Gerrit Forst2009-08-18 09:02:482009-08-18 09:02:48BGH: Absolute Unverhältnismäßigkeit der Nacherfüllung i.S.d. § 439 Abs. 3 BGB

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