In Köln kam es am gestrigen 18.1.2014 zu einer folgenschweren verabredeten Massenschlägerei zwischen verfeindeten Fußballhooligans von Schalke 04, 1. FC Köln und Borussia Dortmund. Anlässlich des Freundschaftsspiels Köln gegen Schalke verabredeten sich die Hooligangruppen zu einer Schlägerei am zentralen Rudolfplatz. Hier kam es dann am Nachmittag unter Beteiligung von 200-300 Personen zu einer Schlägerei, bei der einer der Beteiligten (wohl durch einen Schlag gegen den Kopf) schwere Verletzungen erlitten hat und zeitweise in Lebensgefahr schwebte (siehe Artikel).
In einer mündlichen Prüfung konnte dieser Fall sehr gut herangezogen werden, um die Strafbarkeit des oder der möglichen Täter abzufragen. Hier zeigen sich diverse Probleme und Szenarien.
I. Täter klar ermittelbar
1. Mögliche Strafbarkeit
Ist der Täter, der den entscheidenden Schlag ausgeführt hat ermittelbar, so muss die Frage des Zurechnungs von Verhalten Dritter und damit von Täterschaft und Teilnahme nicht geklärt werden.
Hier kommt eine Strafbarkeit nach §§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB (Schlagwerkzeug als gefährliche Waffe) und Nr. 5 (bei Schlägen gegen den Kopf ist im Regelfall von einer abstrakten Lebensgefährdung auszugehen; hier ohnehin schon konkrete Lebensgefahr) in Betracht. Ein hinterlistiger Überfall (§ 224 Abs. 1 Nr. 3 StGB) scheidet hingegen aus; von einer planmäßigen auf Verdeckung ausgerichteten Tatbegehung kann bei einer geplanten Schlägerei gerade nicht ausgegangen werden. Dagegen ist eine gemeinschaftliche Begehung (§ 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB) wohl anzunehmen. Erforderlich ist hier gerade nicht, dass mehrere Beteiligte die Verletzungen tatbestandlich herbeiführen. Aktive Beihilfe wäre bereits ausreichend, das Opfer muss mehreren Beteiligten gegenüberstehen. Davon ist je nach Fallgestaltung auszugehen.
Angeprüft werden kann auch eine schwere Körperverletzung, wobei im Sachverhalt keine entsprechenden Voraussetzungen ersichtlich sind.
Relevanter ist hingegen die Prüfung des versuchten Totschlags, bzw. sogar versuchten Mordes (§§ 211, 212, 23 StGB). Ein entsprechender Eventualvorsatz liegt hier nicht völlig fern, kann aber auch nach der sog. Hemmschwellentheorie gut vertretbar abgelehnt werden. Hier kommt es auf gute Argumentation an. Schwieriger ist dagegen die Prüfung der Morderkmale: In Betracht kommen niedrige Bewegründe und gemeingefährliche Mittel. Von einem gemeingefährlichen Mittel ist dann auszugehen, wenn das konkrete Tatmittel üblicherweise zu einer Gefährdung von mindestens 3 Personen führt. Zwar erfolgte die Schlägerei hier an einem belebten Platz, konkretes Tatmittel waren aber die Schläge gegen das Opfer. Der Begriff des Mittels ist restriktiv auszulegen, sodass es nicht genügt, dass durch die Schlägerei an sich auch anderen Unbeteiligten Gefahr droht. Insofern muss dieses Mordmerkmal abgelehnt werden. Somit verbleiben allein niedere Beweggründe (sittlich auf tiefster Stufe stehend). Hier kommt es auf die konkrete Motivlage des Täters an: Will er sein Opfer nur töten, weil er Fan einer anderen Mannschaft ist, kann im Ergebnis der niedere Beweggrund bejaht werden. Dennoch ist hier eine sorgfältige Prüfung nötig. Zu vorschnell darf ein Mordmerkmal nicht bejaht werden.
Leichter zu bejahen ist hingegen die Strafbarkeit wegen Landfriedensbruch bzw. schwerem Landfriendensbruch nach §§ 125 Abs. 1 Nr. 1 und 2; 125a Nr. 2 und 3 StGB. Im Gegensatz zu § 224 StGB bedarf es aber einer (hier vorliegenden) konkreten Todesgefahr.
Ergänzend kommt auch noch eine Strafbarkeit wegen Beteiligung an einer Schlägerei (§ 231 StGB) in Betracht. Ist der Tatbestand hier unproblematisch zumindest dann erfüllt, wenn das Opfer tatsächlich eine schwere Gesundheitsschädigung davonträgt, so stellt sich die Frage nach dem Verhältnis dieses Delikts zur Körperverletzung. Nach h.M. liegt hier Tateinheit vor, da von § 231 StGB noch weitere Rechtsgüter als von § 223, 224 StGB geschützt seien (BGHSt 33, 100, 104; BGH Urt v 21.8.2008 – 3 StR 236/08; NStZ-RR 2009, 309, 310;). Eine Gesetzeskonkurrenz kommt nur dann in Betracht, wenn dieser Unrechtsgehalt des § 231 StGB (also die Gefährdung Dritter) mit in §§ 223, 224 StGB aufgeht. Dies soll nur bei Schlägereien mit wenigen Beteiligten erfüllt sein (BeckOK/Eschelbach, § 231 StGB, Rn. 25) – hier also offensichtlich nicht.
2. Problem: Einwilligung des Opfers
Schnell zeigt sich aber ein weiteres Problem: Das Opfer hat sich hier bewusst an der Schlägerei beteiligt und könnte damit zumindest in die Körperverletzungen eingewilligt haben, sodass eine Strafbarkeit hierfür nicht in Betracht kommt. Die Tat könnte somit nach den Grundsätzen der Einwilligung (in den Grenzen des § 228 StGB) gerechtfertigt sein. Von der Wirksamkeit der Einwilligung an sich muss hier – mangels abweichender Anhaltspunkte – ausgegangen werden. Fraglich ist aber, ob die Wirksamkeit aufgrund einer möglichen Sittenwidrigkeit ausgeschlossen ist. Entscheidend für den BGH ist dabei insbesondere der Grad der Gefährdung des Opfers; aufgrund des besonders bedeutsamen Lebensschutzes (vgl. auuch § 216 StGB) kommt eine Einwilligung zumindest in lebensgefährdende Behandlungen nicht in Betracht (BGHSt 49, 34, 42 = NJW 2004, 1054, 1055; BGHSt 49, 166, 170 f = NJW 2004, 2458, 2459 f; BGH NStZ 2013, 342, 343). Gerade bei Körperverletzungen im Rahmen von Massenschlägereien verneint der BGH eine Rechtfertigung zudem generell mit folgender Begründung:
Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat bislang bereits Einwilligungen von späteren Opfern von Körperverletzungen keine rechtfertigende Wirkung beigemessen, wenn die Taten mit einer konkreten Gefahr des Todes für die Opfer verbunden sind. Nunmehr hat der 1. Strafsenat deutlich gemacht, dass, jedenfalls bei wie hier verabredeten wechselseitigen Tätlichkeiten zwischen Gruppen, § 228 StGB die Wirksamkeit der erteilten Zustimmung zu eigenen Verletzungen regelmäßig ausschließt, weil die typischerweise eintretenden gruppendynamischen Prozesse generell mit einem so erheblichen Grad an Gefährdung des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit der Kontrahenten verbunden sind, dass die Grenze der „Sittenwidrigkeit“ der Taten überschritten ist.
Aus diesen Gründen wäre auch im konkreten Fall eine Einwilligung für die Strafbarkeit unerheblich. Siehe zu dieser Thematik unseren ausführlichen Beitrag.
II. Täter nicht klar ermittelbar
Schwieriger wird der Fall dann noch, wenn der konkrete Tatbeitrag des mögliche Täters nicht nachweisbar ist, sondern nur dessen Teilnahme an der Schlägerei nachweisbar ist.
Hier erhält § 231 StGB größere Bedeutung. Allerdings muss dazu der Tod oder die schwere Körperverletzung des Opfers eintreten. Insofern hängt diese Strafbarkeit davon ab, ob das Opfer durch den Angriff Folgen nach § 226 Abs. 1 Nr. 3 StGB erleidet.
Hingegen scheidet eine Täterschaft bei der Körperverletzung bzw. der versuchten Tötung nach dem Grundsatz in dubio pro reo aus, da nicht erwiesen werden kann, wer für die konkrete Verletzungshandlung verantwortlich war. Auch über den Umweg der Wahlfeststellung lässt sich eine Strafbarkeit nicht begründen. Selbst wenn feststehen würde, dass der Beschuldigte entweder Täter oder Teilnehmer (Beihilfe) gewesen ist (was hier schon äußerst fraglich ist, da die Voraussetzungen einer (psychischen) Beihilfe hier nicht ersichtlich sind), ist zwischen diesen Alternativen eine Wahlfeststellung aufgrund des Unterschieds im Unrechtsgehalt nicht möglich. Eine Strafbarkeit zumindest wegen Körperverletzung erfordert hier zumindest, dass eine konkrete Verletzungshandlung nachweisbar ist. Dies dürfte im Einzelfall schwer nachzuweisen sein.
III. Fazit
Der Fall eignet sich perfekt für die mündliche Prüfung. Hier können diverse – hier teilweise nur kurz angedachte – Probleme des Strafrechts geprüft und vertieft werden. Bekannst sein sollte in diesem Zusammenhang zumindest die Rechtsprechung des BGH zur Sittenwidrigkeit der Einwilligung in eine Körperverletzung. Die weiteren Fragen (insbesondere auch aus dem Bereich Täterschaft und Teilnahme) lassen sich gut mit allgemeinem juristischen Verständnis lösen.
Man erkennt aber sehr gut, dass ein vermeintlich überschaubarer Fall eine Vielzahl an Problemen beinhalten kann.