Verschiedene Probleme rund um den Autokauf – insbesondere Gebrauchtwagenkauf – sind absolute Klassiker, die immer wieder Einzug in Examensklausuren finden. Konstellationen wie in zwei kürzlich entschiedenen, sehr ähnlich gelagerten Fällen des OLG Hamm, in denen sich das Gericht unter anderem mit Nachforschungspflichten des Käufers beim Autokauf beschäftigte, eignen sich hervorragend, um sachenrechtliches Standardwissen abzuprüfen. Dass die Kaufverträge über das Internet geschlossen wurden, könnte die Sachverhaltsersteller inspirieren, auch schuldrechtliche Probleme (Stichwort: Vertragsschluss über eBay, s. auch hierzu unsere Rechtsprechungsübersicht) zu integrieren.
Die vereinfacht dargestellten Fälle sollen in diesem Beitrag zum Anlass genommen werden, insbesondere die Grundsätze des gutgläubigen Erwerbs vom Nichtberechtigten – angewandt auf die konkreten Fälle – darzustellen.
I. Sachverhalte
1. Rechtsstreit 5 U 110/15
Der Kläger, ein privater Verkäufer, bot seinen PKW im Internet zum Verkauf an. Er einigte sich mit einem Kaufinteressenten, der jedoch – wie sich später herausstellte – einen falschen Namen benutzte. Zur Abholung des Wagens erschien eine Person, die sich als Beauftragter des Namensträgers auswies, und dem Kläger zudem eine gefälschte Quittung eines Bankinstituts über die angeblich getätigte Überweisung des Kaufpreises aushändigte. Der Kläger übergab daraufhin Pkw nebst Schlüsseln und Papieren, erhielt jedoch den Kaufpreis nicht.
Der Beklagte kaufte das Fahrzeug in der Folgezeit über ein Internetportal, wobei sich der Verkäufer, ein nach eigener Angabe gewerblicher Zwischenhändler, mit einem ausländischen Personalausweis auswies. Nach einer Besichtigung und Probefahrt des Fahrzeugs erfolgte die Bezahlung in bar, woraufhin der Beklagte das Auto sowie Schlüssel und Fahrzeugpapiere erhielt.
2. Rechtsstreit 5 U 69/16
Der Kläger verkaufte im Internet seinen Pkw. In den Fahrzeugpapieren war die Ehefrau des Klägers als Halterin genannt. Bei dem Kaufinteressenten handelte es sich jedoch ebenfalls um einen Dritten, der sich unter falschem Namen gemeldet hatte.
Am Tag des Vertragsschlusses erhielt der Kläger eine gefälschte Bankbescheinigung, die bestätigte, dass der Namensträger den Kaufpreis überwiesen hatte. Im Vertrauen hierauf händigte der Kläger den Pkw, die Schlüssel sowie die Fahrzeugpapiere wie vereinbart an ein Transportunternehmen aus, welches das Fahrzeug bei dem Dritten ablieferte. Den Kaufpreis erhielt er nicht. Der Dritte verkaufte den Wagen auf einem Gebrauchtwagenmarkt gegen Barzahlung an den Beklagten, wobei er sich mit einem ausländischen Reisepass auswies. Mit dem Pkw übergab er dem Beklagten auch Schlüssel und Fahrzeugpapiere.
II. Lösung
Fraglich ist in beiden Konstellationen, wer Eigentümer des Fahrzeugs ist bzw. ob der Kläger gegen den Beklagten einen Herausgabeanspruch aus § 985 BGB hat.
1. Ursprünglich Eigentum des Klägers
Zunächst war in beiden Fällen der Kläger Eigentümer.
2. Übereignung Kläger an Dritten
Das Eigentum könnte der Kläger jedoch durch die Veräußerung des Wagens an den Dritten gemäß § 929 S. 1 BGB verloren haben, was zunächst eine dingliche Einigung zwischen den Parteien erfordert. Fraglich ist hierbei aber, ob der Kläger das Eigentum an dem Wagen an den Handelnden oder an den im Kaufvertrag genannten Unbeteiligten übertragen wollte. Es ist folglich das Handeln unter falscher Namensangabe (Namenstäuschung) vom Handeln unter fremden Namen (Identitätstäuschung) abzugrenzen. Maßgeblich ist hierbei, ob sich „das getätigte Geschäft aus der insoweit maßgeblichen Sicht der anderen Vertragspartei als Eigengeschäft des Handelnden darstellt, bei diesem also keine Fehlvorstellung über die Identität des Handelnden hervorgerufen wird. Ein Eigengeschäft unter falscher Namensangabe – aus dem der Handelnde selbst verpflichtet wird – ist dann gegeben, wenn die Benutzung des fremden Namens bei der anderen Vertragspartei keine Fehlvorstellung über die Identität des Handelnden hervorgerufen hat, diese den Vertrag also nur mit dem Handelnden abschließen will. Ein Geschäft des Namensträgers ist demgegenüber anzunehmen, wenn das Auftreten des Handelnden auf eine bestimmte andere Person hinweist und die andere Partei der Ansicht sein durfte, der Vertrag komme mit dieser Person zustande. In diesem Fall sind die Grundsätze der Stellvertretung (§§ 164 ff. BGB) entsprechend anzuwenden.“ (vgl. hierzu grundlegend BGH v. 3.3.1966 – II ZR 18/64, BGHZ 45, 193, 195 f.; s. auch v. 18.1.1988 – II ZR 304/86, NJW-RR 1988, 814; v. 8.12.2005 – III ZR 99/05, NJW-RR 2006, 701)
Vor diesem Hintergrund hat das OLG Hamm in beiden Fällen angenommen, dass der Kläger sich mit dem Namensträger dinglich einigen wollte, also ein Handeln unter fremdem Namen vorliegt, was wie folgt begründet wird:
„[Der Kläger] hat […] Wert auf die Identität [seines Geschäftspartners] gelegt, wie sein gesamtes Verhalten bei der Geschäftsabwicklung deutlich macht. […] Angesichts dieser Zahlungsmodalitäten handelte es sich nicht um einen typischen Gebrauchtwagenkauf mit einem sofortigen und vollständigen Austausch der beiderseitigen Leistungen. Anders als in den Fällen, in denen das Eigeninteresse des Verkäufers in der Regel durch den sofortigen Erhalt des Kaufpreises in bar abgedeckt ist, bestand vorliegend die nicht von der Hand zu weisende Gefahr, dass die angebliche Überweisung seinem Konto nicht gutgeschrieben werde“ (s. Urteil v. 22.2.2016 – 5 U 110/15, Rn. 51, 42).
Da der Namensträger den Handelnden zu dem Erwerbsgeschäft aber weder bevollmächtigt noch dieses nachträglich genehmigt hat, fehlt es vorliegend an der dinglichen Einigung. Der Kläger hat sein Eigentum nicht durch die Veräußerung an den Dritten verloren.
Anmerkung: Hierbei sei darauf hingewiesen, dass eine Beurteilung, ob ein Handeln unter falscher Namensangabe oder unter fremdem Namen vorliegt, stets anhand der Umstände des konkreten Einzelfalls erfolgen muss. Insbesondere ist auf das Urteil des BGH v. 01.03.2013 – V ZR 92/12 zu verweisen, in dem der BGH bei einem sofortigen Austausch der beiderseitigen Leistungen ein Handeln unter falscher Namensangabe angenommen hat.
3. Übereignung an den Beklagten
Durch die darauffolgende Übereignung an den Beklagten könnte dieser aber das Eigentum an dem Pkw erworben haben. Mangels Verfügungsberechtigung des Veräußerers kommt nur ein gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten gemäß §§ 929 S. 1, 932 ff. BGB in Betracht. Bei einer wie in den vorliegenden Fällen erfolgten Übereignung im Wege des § 929 S. 1 BGB wird der Erwerber auch dann Eigentümer, wenn die Sache nicht dem Veräußerer gehört, es sei denn, dass er zu der Zeit, zu der er nach diesen Vorschriften das Eigentum erwerben würde, nicht in gutem Glauben ist, § 932 I 1 BGB. Da keine Anhaltspunkte für eine positive Kenntnis bestehen, könnte dem Beklagten allenfalls grobe Fahrlässigkeit zur Last fallen. Hierunter fällt ein Handeln, „bei dem die erforderliche Sorgfalt den gesamten Umständen nach in ungewöhnlich großem Maße verletzt worden und bei dem dasjenige unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Im Gegensatz zur einfachen Fahrlässigkeit muss es sich bei einem grob fahrlässigen Verhalten um ein auch in subjektiver Hinsicht unentschuldbares Fehlverhalten handeln, das ein gewöhnliches Maß erheblich übersteigt (vgl. BGH v. 29.1.2003 – IV ZR 173/01 – NJW 2003, 1118, 1119 m.w.N.)“.
Maßgeblich sind auch hierbei die konkreten Umstände des Einzelfalls. Grundsätzlich bestehen keine Nachforschungspflichten. Für den Gebrauchtwagenkauf entspricht es jedoch ständiger Rechtsprechung, dass sich der Erwerber die Zulassungsbescheinigung II vorlegen lassen muss, sowie überprüfen, ob der dort genannte Halter mit dem Veräußerer übereinstimmt. „Beim Kauf von Gebrauchtwagen sind bei fehlender Identität zwischen dem Veräußerer eines gebrauchten Pkw und dem letzten in dem Kraftfahrzeugbrief bzw. in der Zulassungsbescheinigung Teil II verzeichneten Halter in aller Regel Verdachtsmomente vorhanden, die die Annahme einer Nachforschungspflicht rechtfertigen“ (vgl. BGH v. 11.3.1991 – II ZR 88/90, Rn. 17, juris; v. 02.03.1989 – 5 U 202/88, juris; OLG Köln v. 28.4.2014 – 11 U 14/14, Rn. 4, juris).
Vor diesem Hintergrund führte das OLG Hamm in seinem Urteil aus, es gehöre
„zu den Mindesterfordernissen gutgläubigen Erwerbs eines solchen Kraftfahrzeuges, dass sich der Erwerber den Kraftfahrzeugbrief vorlegen lässt, um die Berechtigung des Veräußerers zu prüfen. Der Fahrzeugbrief (§ 25 Abs. 4 Satz 2 StVZO a.F.) wie auch die Zulassungsbescheinigung Teil II (§ 12 Abs. 6 FZV), die diesen mittlerweile abgelöst hat, verbriefen nicht das Eigentum an dem Fahrzeug. Ihr Sinn und Zweck besteht in dem Schutz des Eigentümers oder sonst dinglich am Kraftfahrzeug Berechtigten. Anhand der Eintragungen ist die Möglichkeit gegeben, bei dem eingetragenen Berechtigten die Übereignungsbefugnis des Fahrzeugbesitzers nachzuprüfen (vgl. BGH v. 05.02.1975 – VIII ZR 151/73, juris, Rn. 12; BGH v. 13.5.1996 – II ZR 222/95, Rn. 7, juris; BGH v. 01.3.2013 – V ZR 92/12, Rn. 14, juris). Aber auch wenn der Veräußerer im Besitz des Fahrzeugs und des Briefes ist, kann der Erwerber gleichwohl bösgläubig sein, wenn besondere Umstände seinen Verdacht erregen mussten und er diese unbeachtet lässt. Über ihm bekannte oder offen liegende Verdachtsgründe darf sich der Erwerber nicht hinwegsetzen (vgl. BGH v. 1.3.2013 – V ZR 92/12 , Rn. 13, juris, m.w.N.).“
Im Rechtsstreit 5 U 110/15 hatte der Veräußerer dem Beklagten lediglich seinen ausländischen Ausweis vorgelegt, war aber nicht als Halter in der Zulassungsbescheinigung Teil II genannt. Insoweit bestand folglich eine Nachforschungspflicht des Beklagten. Dass er dieser nicht nachgekommen ist, begründet grobe Fahrlässigkeit.
Auch in der Pressemitteilung zum Rechtsstreit 5 U 69/16, bei dem die Ehefrau des Klägers als Halterin eingetragen war, werden diese Grundsätze bestätigt:
„Wenn ein (privater) Verkäufer nicht als Halter in den Fahrzeugpapieren eingetragen ist, muss ein (privater) Käufer von sich aus prüfen, ob der Verkäufer zum Fahrzeugverkauf berechtigt ist. Die bloße Angabe des Verkäufers, er sei ein gewerblicher Zwischenhändler und auch der Umstand, dass der Verkäufer im Besitz der Fahrzeugpapiere und der Fahrzeugschlüssel ist, erübrigt die gebotene Überprüfung durch den Käufer nicht.“ (s. hier)
Das OLG ging also in beiden Fällen von grober Fahrlässigkeit aus, sodass ein gutgläubiger Eigentumserwerb scheiterte.
4. Ergebnis
Der Kläger hat in beiden Fällen sein Eigentum an dem Pkw nicht verloren. Da der Beklagte Besitzer ist und ihm kein Recht zum Besitz iSv § 986 BGB zusteht, hat der Kläger gegen ihn einen Herausgabeanspruch gemäß § 985 BGB.
III. Fazit
Die Examensrelevanz derartiger Konstellationen kann nicht oft genug betont werden. Besonders sei noch einmal darauf hinzuweisen, dass, gerade weil vielen Studenten das Urteil des BGH zur Abgrenzung des Handelns unter fremdem Namen vom Handeln unter falscher Namensangabe beim Gebrauchtwagenkauf geläufig ist, genau auf die Umstände des konkreten Sachverhaltes einzugehen ist. Hinsichtlich etwaiger Nachforschungspflichten ist festzuhalten, dass solche für den Erwerber beim Gebrauchtwagenkauf bestehen, wenn konkrete Anhaltspunkte für begründete Zweifel vorliegen. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn der Veräußerer nicht in der Zulassungsbescheinigung Teil II als Halter genannt wird.