Das OLG Hamm (28 U 162/13) hat entschieden, dass spürbares Schalten und Bremsen beim Porsche 981 Boxster S grundsätzlich keinen Mangel begründen.
Gestritten wird um die Rückabwicklung eines Neuwagenkaufs. Das streitgegenständliche Fahrzeug des Typs Porsche 981 Boxster S ist mit einem Mittelmotor – mit einer Leistung von 232 kw / 315 PS – und einem automatisch schaltenden Doppelkupplungsgetriebe (PDK) ausgestattet und zum Preis von 76.649,39 EUR erhältlich.
Schon kurze Zeit nach dem Erwerb des Fahrzeugs rügte die Klägerin gegenüber der Beklagten, dass das Fahrzeug ruckhaft beschleunige und stotternd abbremse. Nach Werkstattaufenthalt und Überprüfung des Fahrzeugs erklärte die Beklagte, keinen technischen Handlungsbedarf zu sehen, weil das Fahrzeug dem Stand der Serie entspreche und sein Fahrverhalten im unmittelbaren Vergleich mit einem modellgleichen Fahrzeug von dessen Schalt- und Bremsverhalten nicht abweiche. Daraufhin erklärte die Klägerin den Rücktritt vom Kaufvertrag.
Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin u.a. Rückzahlung des Kaufpreises (abzüglich gezogener Nutzungen) Zug um Zug gegen Rückgabe des Pkw Porsche Boxster S.
Rechtliche Würdigung
Zentrale Frage im Rahmen des Anspruchs auf Rückzahlung des Kaufpreises aus §§ 346, 323, 437 Nr. 2, 434 BGB ist, ob der Porsche 981 Boxster S im Zeitpunkt der Übergabe einen Sachmangel im Sinne des § 434 Abs. 1 BGB aufwies.
Mangelbegriff
Ein Mangel liegt vor, wenn die Kaufsache nicht der Sollbeschaffenheit entspricht (Abweichung der Ist- von der Sollbeschaffenheit). Für die Bestimmung der Sollbeschaffenheit sind primär die Tatbestände des § 434 Abs. 1 BGB heranzuziehen. Hier kommt es auf eine saubere Prüfung der einzelnen Varianten an.
Vereinbarten Beschaffenheit (§ 434 Abs. 1 Satz 1 BGB)
Ist eine Beschaffenheit zwischen den Parteien vereinbart, kommt es für das Vorliegen eines Sachmangels allein auf diese an. Eine Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB liegt aber nur vor, wenn der Inhalt des Kaufvertrags selbst von vornherein oder nachträglich die Pflicht des Verkäufers bestimmt, die verkaufte Sache in dem Zustand zu übereignen, und zu übergeben, wie ihre Beschaffenheit im Vertrag festgelegt ist (Palandt, 70. Aufl. 2011 § 434 Rn. 15). An einer solchen Vereinbarung fehlt es im vorliegenden Fall.
Die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB)
Entsprechendes gilt für § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB. Die Verwendung muss von den Parteien vorausgesetzt worden sein. Das geschieht, indem der Käufer bei Vertragsabschluss den Zweck des Kaufs der Sache dem Verkäufer zur Kenntnis bringt und der Verkäufer dem ausdrücklich oder stillschweigend zustimmt oder sich zumindest nicht dagegen verwahrt (Palandt, 70. Aufl. 2011 § 434 Rn. 22). Auch insoweit bietet der vorliegende Fall aber keine Anhaltspunkte.
Eignung zur gewöhnlichen Verwendung + Beschaffenheit, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist
und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB)
Die Eignung zur gewöhnlichen Verwendung – nämlich der Fortbewegung im Straßenverkehr – erfüllt der Porsche 981 Boxster S. Fraglich ist allein, ob das Fahrzeug die Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann:
Ein solcher Mangel ist zunächst dann begründet, wenn das betreffende Fahrzeug vom technischen Stand der Serie negativ abweicht, was durch einen Vergleich mit typ- und modellgleichen Fahrzeugen desselben Herstellers festzustellen ist (vgl. Reinking/Eggert, Autokauf, 12. Aufl. 2014, Rn 443).
Im Übrigen kann sich ein Mangel daraus ergeben, dass das betreffende Fahrzeug von dem jeweiligen Stand der Technik negativ abweicht; dies bedingt grundsätzlich einen herstellerübergreifenden Vergleich (Reinking/Eggert a.a.O. Rn 445ff. m.w.N., s. auch Senatsurt. v. 15.05.2008, 28 U 145/07, NJW -RR 2009, 485). Maßstab ist dabei das Niveau, das nach Typ, Alter und Laufleistung vergleichbarer Fahrzeuge anderer Hersteller erreicht wird und das der Markterwartung entspricht (OLG Köln OLG Köln, Urt. v. 27.04.2010, 15 U 185/09, NJW-RR 2011, 61; OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.01.2008, 17 U 2/07, NJW-RR 2008, 1230, OLG Stuttgart, Urt. v. 15.08.2006, 10 U 84/06, NJW-RR 2006, 1720).
Eine Abweichung vom technischen Stand der Serie liegt nach Ansicht des Gerichts und auf Grundlage der durchgeführten Beweisaufnahme im Hinblick auf den Porsche 981 Boxster S nicht vor. Das Gericht schließt sich insoweit den Ausführungen des Sachverständigen an und führt u.a. aus:
Soweit klägerseits ein ruckhaftes Abbremsen des Fahrzeugs moniert worden ist, beruht diese Erscheinung darauf, dass das automatische Getriebe des Sportwagens beim Bremsen zurückschaltet und zwischen den Gangstufen selbsttätig Zwischengas gibt. Diese Schaltvorgänge sind, so der Sachverständige, für den Fahrer spürbar, führten aber nicht – wie klägerseits geschildert – zu ungewollten Körperbewegungen und ließen sich auch nicht eindeutig als unangenehmes Fahrverhalten einordnen. Eine negative Abweichung vom technischen Stand der Serie ist deswegen nicht auszumachen. Zum einen ergab die vom Sachverständigen durchgeführte Fehlerspeicherauslese keinen Hinweis auf eine Funktionsstörung. Zum anderen zeigte das zum Vergleich zur Probe gefahrene modellgleiche Neufahrzeug ein ähnliches Bremsverhalten. (…) Der Sachverständige hat erläutert, dass das wegen der automatischen Zwischengasgabe spürbare Zurückschalten bei Bremsvorgängen kein technisches Defizit ist, sondern gewollt und dem von der Fahrzeugherstellerin Porsche propagierten dynamisch-sportlichen Anspruch an ihre Sportwagen geschuldet sei. Diese Lösung ermöglicht es, den Wagen nach dem Abbremsen sofort und unmittelbar wieder zu beschleunigen.
Auch eine Abweichung vom Stand der Technik auf Grundlage eines herstellerübergreifenden Vergleichs liegt nicht vor:
Eine Abweichung vom Stand der Technik lässt sich danach auch nicht ausmachen. Dass das zu Vergleichszwecken gefahrene Fahrzeug der Marke Mercedes beim Abbremsen nicht gleichermaßen spürbar zurückschaltete, steht dem nicht entgegen. Wie der Sachverständige plausibel dargelegt hat, war jenes Fahrzeug zwar von Art (Sportwagen), (Getriebe-)Ausstattung – mit einem Doppelkupplungsgetriebe – und Preisklasse durchaus mit dem Porsche Boxster S vergleichbar; allerdings ist zu beachten, dass die verschiedenen Sportwagenhersteller das Schaltprogramm ihrer Fahrzeuge an unterschiedlichen Konzepten ausrichten. Während für Porsche ein leistungsorientiertes Schaltprogramm charakteristisch ist, ist es bei Mercedes eher komfortorientiert. Vor diesem Hintergrund leuchtet es ein, dass die feststellbaren Unterschiede im Schaltverhalten nicht darauf zurückzuführen sind, dass eines der Fahrzeuge hinter dem Stand der Technik zurückbleibt.
Soweit im Prozess ein Vergleich des streitgegenständlichen Fahrzeugs mit einem Audi R 8 oder einem Ferrari zur Sprache gekommen ist, weil diese – wie der Porsche Boxster S und anders als der Mercedes SLK – auch mit einem Mittelmotor ausgestattet sind, hat der Sachverständige ausgeführt, dass diese Fahrzeuge einer anderen Preisklasse zuzuordnen sind und deshalb nicht zum Maßstab gemacht werden können. Im Übrigen habe die Lage des Motors im Fahrzeug nichts mit den in Rede stehenden Besonderheiten der Getriebesteuerung zu tun. Auch die weiteren von der Klägerin gerügten Phänomene des Schaltverhaltens des erworbenen Fahrzeugs hat der Sachverständige als technisch nicht zu beanstandende, typische Besonderheiten eines Porsche Boxster S gewertet. (…) Auch das beanstandete Zurückschalten bei moderatem Gasgeben ist nach den Feststellungen des Sachverständigen nicht zu beanstanden, sondern gehört zu der gewollten, für einen Porsche dieser Art typischen Schaltcharakteristik, die eine unmittelbare Beschleunigung ermöglichen soll.
§§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 BGB
Schließlich ergibt sich auch unter dem Gesichtspunkt der Verletzung einer vorvertraglichen Aufklärungspflicht nach §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 BGB kein Anspruch des Klägers.
Sie macht selbst nicht geltend, dass die Beklagte im Rahmen der Verkaufsverhandlungen auf die Besonderheiten des Schalt- und Bremsverhaltens des fraglichen Fahrzeugs hätte hinweisen müssen. Das käme allerdings in Betracht, wenn das Fahrzeug in den Prospekten oder auf andere Weise mit unzutreffender Darstellung des Fahrverhaltens beworben worden wäre. Das ist aber nicht der Fall. Vielmehr lässt sich dem von den Beklagten zur Akte gereichten Prospektmaterial entnehmen, dass dort die „straffen und unmittelbaren“ Schaltvorgänge, die Auswirkungen der Zwischengasfunktion sowie der Segelmodus beschrieben werden. Ergänzender Hinweise von Verkäuferseite bedurfte es auch deshalb nicht, weil sich das klägerseits als unangenehm empfundene Schaltverhalten nicht eindeutig als Negativeigenschaft des Fahrzeugs einordnen lässt. Wie der Sachverständige C ausgeführt hat, wird eine solche Fahrweise von Personen, die sich für den Erwerb eines Sportwagens interessieren, unterschiedlich wahrgenommen. Dass der durchschnittliche Kundenkreis hierin einen Nachteil sehe, sei nicht festzustellen. Auch das steht im Einklang mit den Ausführungen des erstinstanzlichen Sachverständigen Q2. In einer solchen Konstellation ist es Sache des einzelnen, sich vor dem Kauf zu informieren, ob das ins Auge gefasste Fahrzeugmodell den eigenen subjektiven Vorstellungen entspricht.
Fazit
Ein von den Fakten her einfach gelagerter Fall, der sich als Aufhänger für eine Examensklausur – wie eigentlich fast jeder Rücktrittsfall – anbietet, weil er schuld- und kaufrechtlichen Standardthemen (Rücktritt vom Kaufvertrag, Mangelbegriff) behandelt und leicht mit weiteren Fragen angereichert werden kann.
Der eigentliche Kern der Entscheidung sind die Ausführungen zu § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB. Was bei Sachen der gleichen Art üblich ist und der Käufer nach der Art der Sache erwarten darf, richtet sich nach der Rspr. zunächst nach dem Stand der Serie, wobei ein Vergleich mit typ- und modellgleichen Fahrzeugen desselben Herstellers zu ziehen ist. Auf einer zweiten Stufe ist der Stand der Technik zu untersuchen, wobei nach Typ, Alter und Laufleistung vergleichbare Fahrzeuge anderer Hersteller zum Vergleich heranzuziehen sind. Mehr als das darf der Käufer nicht erwarten. Eine über den Stand der Technik vergleichbarer Fahrzeuge hinausgehende tatsächliche oder durchschnittliche Käufererwartung ist deshalb unbeachtlich (BGH, Urt. v. 04.03.2009, VIII ZR 160/08, NJW 2009, 2056 „Rußpartikelfilter-Entscheidung“).