Advent, Advent, kein Ladenlicht brennt
Das BVerfG hat heute am 1. Dezember 2009 entschieden, dass die liberalen Berliner Ladenöffnungszeiten, die die Möglichkeit einer Ladenöffnung an allen vier Adventssonntagen vorsah, verfassungswidrig sei. Beschwerdeführer waren die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (1 BvR 2857/07) und das Erzbistum Berlin (1 BvR 2858/07).
Argumente des BVerfG
Prozessual galt es zunächst die Frage zu beantworten, ob und inwieweit sich Religionsgemeinschaften im Wege einer Verfassungsbeschwerde auf die verfassungsrechtliche Sonn- und Feiertagsgarantie des Art. 139 WRV (i.V.m. Art. 140 GG) berufen können. Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat die Verfassungsbeschwerden für zulässig gehalten, weil die Beschwerdeführer die Möglichkeit einer Verletzung in ihrem Grundrecht aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG jedenfalls in Verbindung mit der objektivrechtlichen Sonn- und Feiertagsgarantie hinreichend dargetan hatten.
In kompetenzrechtlicher Hinsicht konnte hier zunächst die Zuständigkeit der Länder diskutiert werden: Bei der sogenannten Föderalismusreform I im Jahr 2006 wurde die Gesetzgebungskompetenz für das Recht des Ladenschlusses auf die Länder übertragen. Das Abgeordnetenhaus von Berlin beschloss daraufhin das am 17. November 2006 in Kraft getretene Berliner Ladenöffnungsgesetz.
In materiellrechtlicher Hinsicht entschied das BVerfG, dass die Regelung mit Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 iVm Art. 140 GG und Art. 139 der Weimarer Reichsverfassung (WRV) unvereinbar sei. Das Grundrecht aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG werde in seiner Bedeutung als Schutzverpflichtung des Gesetzgebers durch den objektivrechtlichen Schutzauftrag für den Sonn- und Feiertagsschutz aus Art. 139 WRV (i.V.m. Art. 140 GG) konkretisiert, der neben seiner weltlich-sozialen Bedeutung in einer religiös-christlichen Tradition wurzele. Danach sei ein Mindestniveau des Schutzes der Sonntage und der gesetzlich anerkannten kirchlichen Feiertage durch den Gesetzgeber zu gewährleisten.
Das gesetzliche Schutzkonzept für die Gewährleistung der Sonn- und Feiertagsruhe müsse diese Tage erkennbar als solche der Arbeitsruhe zur Regel erheben. Eine Ausnahme davon bedürfe eines dem Sonntagsschutz gerecht werdenden Sachgrundes. Bloße wirtschaftliche Interessen von Verkaufsstelleninhabern und alltägliche Erwerbsinteressen der Käufer für die Ladenöffnung würden dafür grundsätzlich nicht genügen.
Außerdem argumentierte das BVerfG, dass die Gewährleistung der Arbeitsruhe eine wesentliche Grundlage für die Erholungsmöglichkeiten des Menschen und zugleich für ein soziales Zusammenleben darstelle und damit auch Garant für die Wahrnehmung von anderen Grundrechten sei. Die Sonn- und Feiertagsgarantie komme etwa dem Schutz von Ehe und Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) ebenso zugute wie der Erholung und Erhaltung der Gesundheit (vgl. Art. 2 Abs. 2 GG).
Schließlich wies das BVerfG darauf hin, dass die Pflicht des Staates zu weltanschaulich-religiöser Neutralität einer Konkretisierung des Schutzgehalts des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG durch Art. 139 WRV nicht entgegenstehe.
(PM des BVerfG Nr. 134/2009 vom 1. Dezember 2009)