In einer aktuellen Entscheidung vom 26.02.2020 (Az.: VIII ZR 267/17) hat sich der BGH abermals mit dem extrem klausur- und examensrelevanten Gebiet des kaufrechtlichen Gewährleistungsrechts auseinandergesetzt. Konkret ging es um die Haftung eines Gebrauchtwagenverkäufers bei der Eintragung des Fahrzeugs in die Fahndungsliste des Schengener Informationssystems (SIS) nach Gefahrübergang. Der Fall, der sich hervorragend eignet, um die Feinheiten des Mängelrechts aufzuzeigen und daher problemlos Einzug in Klausuren finden kann, hat zwei Schwerpunkte: Zum einen geht es um die Abgrenzung des Sach- vom Rechtsmangel im Falle öffentlich-rechtlicher Beschränkungen; vor allem aber – und das ist das Neue an der vorliegenden Entscheidung – stellt sich die Frage, ob ein Rechtsmangel bei Gefahrübergang dann angenommen werden kann, wenn zwar nicht der Rechtsmangel an sich, aber die Umstände, die kausal zum Rechtsmangel geführt haben, im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorlagen.
A) Sachverhalt (leicht abgewandelt und vereinfacht)
Der Sachverhalt ist schnell erzählt: K kaufte am 12.07.2011 von V einen gebrauchten Pkw. Noch am selben Tag wurde der Kaufpreis entrichtet und das Fahrzeug, zusammen mit einer rechtmäßig ausgestellten Zulassungsbescheinigung II, die den V als Eigentümer auswies, an den K übergeben. Am 06.03.2013 wurde der K mit dem Fahrzeug bei der Rückkehr aus der Türkei an der serbischen Grenze angehalten. Das Fahrzeug wurde dort auf der Grundlage einer Interpol-Meldung mit der Begründung beschlagnahmt, es werde in Rumänien als Gegenstand einer Straftat gesucht. Über das Polizeipräsidium Dortmund erhielt der Kläger in der Folgezeit zudem die Mitteilung, dass das Fahrzeug seit dem 22.05.2014 im Schengener Informationssystem (SIS) zwecks Sicherstellung ausgeschrieben sei. Als Fahrzeughalter sei in Rumänien seit dem 22.12.2008 das Unternehmen U und die B als Besitzerin gemeldet. An dieses Unternehmen wurde das beschlagnahmte Fahrzeug in der Folge herausgegeben. Der K ist empört und wendet sich an V: Er begehre die Verschaffung von Eigentum und Besitz an dem Fahrzeug, hilfsweise sofortige Rückzahlung des geleisteten Kaufpreises, abzüglich einer Nutzungsentschädigung, nebst Zinsen.
In erster Instanz wurde die Klage vollständig abgewiesen. Das LG Köln hat es für erwiesen erachtet, dass das Fahrzeug nicht abhandengekommen war; deshalb habe der K gutgläubig das Eigentum erwerben können, sodass weder ein Sach- noch ein Rechtsmangel anzunehmen sei (LG Köln, Urt. v. 26.10.2016 – 12 O 254/14, n.v.). Das OLG Köln hat in der Berufung das erstinstanzliche Urteil abgeändert und den V auf den Hilfsantrag zur Rückzahlung des Kaufpreises (abzüglich einer Nutzungsentschädigung) nebst Zinsen verurteilt (OLG Köln, Urt. v. 09.11.2017 – 18 U 183/16, n.v.). In der Revisionsinstanz verfolgte der V nunmehr die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
B) Rechtsausführungen
Damit stellte sich für den BGH die Frage, ob dem V ein Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrags aus § 346 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 437 Nr. 2 Alt. 1, 323 BGB zustand.
I. Kaufvertrag
Ein Kaufvertrag zwischen den Parteien besteht ohne Zweifel. Da aus dem Sachverhalt nicht hervorgeht, ob dem V eine Strafbarkeit, etwa wegen Hehlerei (§ 259 StGB), anzulasten ist, ist insbesondere nicht von der Nichtigkeit des Kaufvertrags nach § 134 BGB oder § 138 BGB auszugehen (zur Unwirksamkeit eines Kaufvertrags bei Verstoß gegen § 259 StGB s. MüKoBGB/Armbrüster, 8. Aufl. 2018, § 138 Rn. 42).
II. Rechtsmangel bei Gefahrübergang
Weiterhin dürfte der Verkäufer seiner Pflicht aus dem Kaufvertrag gemäß § 433 Abs. 1 S. 2 BGB zur Verschaffung der Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln nicht nachgekommen sein. Es müsste also – wie der K vorträgt – ein Rechtsmangel bei Gefahrübergang vorliegen.
1. Rechtsmangel
Bei der Eintragung des Fahrzeugs in das SIS müsste es sich also zunächst um einen Rechtsmangel handeln. Gemäß § 435 S. 1 BGB ist eine Sache frei von Rechtsmängeln, wenn Dritte in Bezug auf die Sache keine oder nur die im Kaufvertrag übernommenen Rechte gegen den Käufer geltend machen können. Zur vollständigen Erfüllung seiner vertraglichen Pflicht obliegt es dem Verkäufer also nicht nur, das Eigentum als solches zu übertragen. Er muss vielmehr auch sicherstellen, dass dem Käufer die Sache frei von Rechten Dritter verschafft wird, damit dieser als Eigentümer – wie es § 903 S. 1 BGB vorsieht – mit der Sache nach Belieben verfahren kann (BT-Drucks. 14/6040, S. 218). Hiervon ausgehend ist ein Rechtsmangel dann gegeben, wenn Rechte eines Dritten eine individuelle Belastung des Käufers darstellen, indem sie geeignet sind, ihn an der ungestörten Ausübung der ihm nach § 903 S. 1 BGB zustehenden Rechtsposition zu hindern (MüKoBGB/Westermann, 8. Aufl. 2019, § 435 Rn. 4; BeckOK BGB/Faust, 53. Edt., Stand: 01.02.2020, § 435 Rn. 6). In Betracht kommen dabei grundsätzlich alle dinglichen Rechte (beispielsweise (Grund-)Pfandrechte, Dienstbarkeiten wie Nießbrauch), aber auch obligatorische Rechte eines Dritten, soweit ihre Ausübung den Käufer in seiner aus § 903 BGB folgenden Eigentümerstellung beeinträchtigt (MüKoBGB/Westermann, 8. Aufl. 2019, § 435 Rn. 7). Erfasst werden hiervon auch solche Eingriffsbefugnisse, Einschränkungen und Bindungen, welche auf öffentlichem Recht beruhen (hierzu MüKoBGB/Westermann, 8. Aufl. 2019, § 435 Rn. 10). Öffentlich-rechtliche Einschränkungen können indes auch einen Sachmangel bedeuten. Denn für die Qualifikation eines Umstandes als Sachmangel ist nicht allein seine physische Beschaffenheit maßgeblich. Vielmehr können auch Umstände, die sich letztlich als Nutzungs- oder Verwendungsbeeinträchtigungen auswirken, als Sachmangel einzuordnen sein. Daher ist an dieser Stelle eine Abgrenzung des Rechtsmangels vom Sachmangel erforderlich.
Anmerkung: Die Abgrenzung des Rechts- vom Sachmangel ist nicht nur theoretischer Natur. Die Einordnung als Rechtsmangel hätte unter anderem zur Folge, dass der auf Sachmängel zugeschnittene § 477 BGB (Beweislastumkehr bei Verbraucherverträgen) keine Anwendung findet.
Als Faustformel lässt sich festhalten, dass solche Mängel, die an die Beschaffenheit der Sache anknüpfen, Sachmängel darstellen, auch wenn sie dazu führen, dass Dritte Rechte gegen den Käufer geltend machen können, die ihn in der ungestörten Ausübung der Eigentümerbefugnisse beeinträchtigen (BeckOK BGB/Faust, 53. Edt., Stand: 01.02.2020, § 435 Rn. 10 m.w.N.). Das heißt: Solche öffentlich-rechtlichen Beschränkungen (beispielsweise Enteignungen, Beschlagnahmen), die ihre Grundlage in der Beschaffenheit der Sache (also ihrer Zusammensetzung, ihrem physischen Zustand) haben, sind als Sachmangel einzuordnen (BGH, Urt. v. 26.2.2020 – VIII ZR 267/17, BeckRS 2020, 4703, Rn. 13; Urt. v. 18.01.2017 – VIII ZR 234/15, NJW 2017, 1666 Rn. 18 ff.). In der Vergangenheit wurde dies beispielsweise für Beschränkungen der Bebaubarkeit, die an die Beschaffenheit (insbesondere die Lage) eines Grundstücks anknüpfen, angenommen (hierzu BGH, Urt. v. 11.12.1992 – V ZR 204/91, NJW-RR 1993, 396; Urt. v. 17.03.1989 – V ZR 245/87, NJW 1989, 2388). Auch gilt dies konsequenterweise für Beschlagnahmen, wenn sich das Recht zur Beschlagnahme aus der Zusammensetzung bzw. dem Zustand der Kaufsache ergibt, so etwa bei Lebensmitteln, bei denen der Verdacht des Salmonellenbefalls besteht (BGH, Urt. v. 14.06.1972 – VIII ZR 75/71, NJW 1972, 1462). Anders ist dagegen zu urteilen – also ein Rechtsmangel anzunehmen – wenn das Recht zum öffentlich-rechtlichen Eingriff aus „äußeren“ Umständen, die zwar eine Beziehung zur Sache aufweisen, ihr aber nicht unmittelbar anhaften, herrührt, wie beispielsweise aus der Nichtzahlung von Abgaben für die Sache. Wie aber ist in Bezug auf die SIS-Ausschreibung eines Fahrzeugs zu urteilen? Die SIS-Ausschreibung bedeutet, dass das betreffende Fahrzeug zwecks Sicherstellung oder Beweissicherung in einem Strafverfahren gesucht wird. Damit gründet der dem Fahrzeug anhaftende Mangel (Gefahr der Beschlagnahme) nicht auf der physischen Beschaffenheit (beispielsweise technischen Aspekten), sondern auf dem äußeren Umstand, dass das Fahrzeug im Kontext einer Straftat verwendet wurde. Wendet man konsequent die Faustformel an, kommt man auf dieser Basis unzweifelhaft zur Annahme eines Rechtsmangels. Denn – so der BGH:
„[M]it der SIS-Ausschreibung eines Kraftfahrzeugs zur Fahndung ist die konkrete, im gesamten Schengen-Raum bestehende Gefahr verbunden, dass das Fahrzeug bei einer Halteränderung oder bei einer polizeilichen Kontrolle von staatlichen Behörden rechtmäßig sichergestellt oder beschlagnahmt wird (Senatsurteil vom 18. Januar 2017 – VIII ZR 234/15, aaO Rn. 24) mit der Folge, dass es der Käufer – unabhängig von einem etwaig bestehenden, für die Beurteilung eines Rechtsmangels nicht maßgebenden Eigentumsherausgabeanspruch eines (Vor-)Eigentümers – nicht mehr ungestört im In- und Ausland nutzen kann.“ (Rn. 13).
Ein Rechtsmangel liegt damit vor.
Anmerkung: Lesenswert – und zur Vertiefung des Verständnisses empfehlenswert – ist auch das Urteil vom 18.01.2017, in dem der BGH ausführlich erörtert hat, dass die bei Gefahrübergang vorhandene und im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung fortbestehende Eintragung eines Kraftfahrzeugs in dem SIS zum Zwecke der Sicherstellung und Identitätsfeststellung einen erheblichen Rechtsmangel bedeutet, der den Käufer zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt. Im Zuge dessen hat der BGH eine ausführliche Abgrenzung des Rechts- vom Sachmangel bei öffentlich-rechtlichen Beschränkungen in Bezug auf die Kaufsache vorgenommen (BGH, Urt. v. 18.01.2017 – VIII ZR 234/15, NJW 2017, 1666).
2. Bei Gefahrübergang
Der Rechtsmangel muss aber auch im Zeitpunkt des Gefahrübergangs – und hierin liegt die Krux des Falls – vorgelegen haben. Zeitpunkt des Gefahrübergangs ist hier gemäß § 446 Abs. 1 BGB nach den Ausführungen des BGH der Zeitpunkt der Übergabe, also im konkreten Fall der 12.07.2011. Die SIS-Ausschreibung erfolgte aber erst am 22.05.2014, weshalb man vor diesem Hintergrund – ganz simpel – das Vorliegen eines Rechtsmangels im Zeitpunkt des Gefahrübergangs verneinen müsste.
Anmerkung: Die – soweit erkennbar – allgemeine Meinung in der Literatur sieht das bei Rechtsmängeln gleichwohl anders. Hiernach soll der maßgebliche Zeitpunkt anders als beim Sachmangel nicht die Übergabe, sondern der Zeitpunkt sein, in dem sich der Erwerb vollziehen soll, also regelmäßig der Zeitpunkt des Eigentumserwerb (der zugegebenermaßen oftmals mit der Übergabe zusammenfallen wird), s. hierzu MüKoBGB/Westermann, 8. Aufl. 2019, § 435 Rn. 6 m.w.N. Hierauf soll jedoch nicht näher eingegangen werden, dient der Beitrag der Besprechung der BGH-Entscheidung, in der bei der Beurteilung konsequent auf den Zeitpunkt der Übergabe abgestellt wurde.
Das Berufungsgericht hat jedoch zutreffend darauf hingewiesen, dass zwar der unmittelbare Rechtsmangel erst am 22.05.2014 begründet wurde, der Sachverhalt, der zu der Eintragung in das SIS geführt habe, aber schon am 12.07.2011 vorgelegen habe. Dass dies zur Annahme eines Mangels bei Gefahrübergang aber nicht genüge, hat der BGH in seiner Entscheidung ausführlich dargelegt:
„Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts liegt ein Rechtsmangel bei Gefahrübergang nicht schon dann vor, wenn die letztlich zur späteren Eintragung in das SIS führende Ausgangslage […] bereits bei der nach § 446 Satz 1 BGB den Gefahrübergang herbeiführenden Übergabe des Fahrzeugs bestanden hat. Der Senat hat in seiner bisherigen Rechtsprechung zur Frage, ob in der Eintragung eines Kraftfahrzeugs in die SIS-Fahndungsliste ein Rechtsmangel liegt, darauf abgestellt, dass diese Eintragung bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs bestand (Senatsurteile vom 18. Januar 2017 – VIII ZR 234/15, aaO Rn. 14; vom 26. April 2015 – VIII ZR 233/15, aaO). Grund hierfür ist der Umstand, dass der Käufer mit der Aufnahme des Fahrzeugs in die SISFahndungsliste in der ungestörten Nutzung der Kaufsache und damit in der Ausübung der ihm – nach Übergabe – gebührenden Rechtsposition eines Eigentümers (§ 903 BGB) konkret beeinträchtigt ist. Erst mit der Eintragung in das SIS verdichtet sich das Risiko der Ausübung von Rechten Dritter – hier in Gestalt strafprozessrechtlicher Zugriffsbefugnisse auf das verkaufte Fahrzeug – so stark, dass mit dessen Verwirklichung unmittelbar und jederzeit gerechnet werden muss. An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest mit der Folge, dass allein das Vorliegen eines tatsächlichen Geschehens, das wegen seiner erst nach Gefahrübergang erkannten strafrechtlichen Bedeutung für eine spätere SISFahndung – und in deren Folge für eine etwaige Beschlagnahme – in irgendeiner Weise kausal geworden ist […] für die Annahme eines Rechtsmangels nicht genügt.“ (Rn. 14 ff.)
Eine andere Sichtweise würde die Haftung des Gebrauchtwagenverkäufers in unzumutbarer Weise überdehnen:
„Denn dieser müsste selbst bei dem Verkauf von Fahrzeugen, die eine lückenlos dokumentierte Historie aufweisen, auf lange Zeit für ein bei Gefahrübergang für ihn weder erkennbares noch beherrschbares tatsächliches Geschehen einstehen, das irgendwann einen staatlichen Zugriff auf das Fahrzeug ermöglicht.“ (Rn. 17).
Dies hatte der BGH indes schon einmal anders gesehen: In einer Entscheidung aus dem Jahre 2004 hatte es der BGH bei einer nach § 111b StPO rechtmäßig durchgeführten Beschlagnahme eines im Ausland als gestohlen gemeldeten Fahrzeugs für die Annahme eines Rechtsmangels bei Gefahrübergang als ausreichend erachtet, dass der Sachverhalt, aufgrund dessen die spätere Beschlagnahme erfolgte, bereits bei Gefahrübergang vorlag (BGH, Urt. v. 18.02.2004 – VIII ZR 78/03, NJW 2004, 1802 unter II 1). Die diesem Sachverhalt zugrunde liegende Konstellation unterscheide sich jedoch derart vom vorliegenden Fall, dass nicht die gleichen Maßstäbe angelegt werden könnten. Konkret:
„Der in dem Senatsurteil vom 18. Februar 2004 (VIII ZR 78/03, aaO) zu beurteilende Sachverhalt zeichnete sich dadurch aus, dass bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs eine Diebstahlsanzeige vorlag und strafrechtliche Ermittlungen – auch gegen den Käufer des Fahrzeugs – wegen des Verdachts der Hehlerei geführt wurden, in deren Folge es 16 Tage nach der Übergabe zu einer (rechtmäßigen und danach richterlich bestätigten) Beschlagnahme durch die deutschen Strafverfolgungsbehörden kam (Senatsurteil vom 18. Februar 2004 – VIII ZR 78/03, aaO). Somit drohte in jenem Fall bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs eine alsbaldige behördliche Beschlagnahme, die die Annahme eines bereits zu diesem Zeitpunkt bestehenden Rechtsmangels begründen konnte. Eine derartig „verdichtete“ Situation einer unmittelbar drohenden behördlichen Beschlagnahme bestand angesichts der vom Berufungsgericht zum zeitlichen Ablauf hier getroffenen Feststellungen bei Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger jedoch nicht. Somit kann […] auch insoweit ein bei Gefahrübergang vorhandener Rechtsmangel nicht bejaht werden.“ (Rn. 19).
Im vorliegenden Fall kann die Tatsache, dass der Sachverhalt, der zu der Eintragung in das SIS geführt habe, also nur deswegen nicht zur Annahme eines Sachmangels „bei Gefahrübergang“ führen, weil sich die Situation zum Zeitpunkt der Übergabe noch nicht hinreichend verdichtet hatte im Sinne eines unmittelbar drohenden behördlichen Einschreitens.
III. Ergebnis
Letztlich scheitert nach Auffassung des BGH ein Anspruch auf Rückabwicklung aus § 346 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 437 Nr. 2 Alt. 1, 323 BGB, dass im Zeitpunkt des Gefahrübergangs noch kein Rechtsmangel vorlag.
C) Fazit
Die wichtigsten Aussagen des BGH können wie folgt zusammengefasst werden:
- Ein Sachmangel liegt in Abgrenzung zum Rechtsmangel immer dann vor, wenn der betreffende Umstand an die Beschaffenheit der Sache anknüpft, auch wenn er dazu führt, dass Dritte Rechte gegen den Käufer geltend machen können. Hiervon ausgehend liegt in der SIS-Ausschreibung eines Fahrzeugs zur Fahndung ein Rechtsmangel.
- Ein Rechtsmangel bei Gefahrübergang liegt nicht bereits dann vor, wenn die Umstände, die zur späteren Ausschreibung führen, bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorgelegen haben. Denn eine konkrete Beeinträchtigung der Eigentümerposition ist erst mit der Eintragung in das SIS zu befürchten, denn erst dann verdichtet sich das Risiko der Ausübung von Rechten Dritter so stark, dass mit dessen Verwirklichung unmittelbar und jederzeit gerechnet werden muss. Anders geurteilt werden kann allenfalls dann, wenn im Zeitpunkt des Gefahrübergangs eine „alsbaldige“ behördliche Maßnahme droht, wenn sich die Situation also bereits so verdichtet hat, dass die der Maßnahme zugrunde liegenden Umstände in engem zeitlichem Abstand zur Durchführung (hier: Eintragung in das SIS) führen.
Die Entscheidung des BGH ist in Bezug auf die Äußerungen zum Gefahrübergang mehr als zweifelhaft, aber für die Praxis hinzunehmen. Aus streng dogmatischer Sicht hat der BGH freilich recht – der Rechtsmangel und nicht die für ihn irgendwie kausalen Umstände müssen im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorliegen. Gleichwohl erscheint das Urteil gerade vor dem Hintergrund der Entscheidung aus dem Jahre 2004, in der der BGH ausdrücklich anerkannt hat, dass bereits dem Rechtsmangel zugrunde liegende Umstände genügen können, nahezu willkürlich. Denn wann ist der zeitliche Zusammenhang noch gewahrt, dass von einem unmittelbar bevorstehenden behördlichen Eingriff ausgegangen werden kann? Als Eckpunkte kann man sich allenfalls – wenn auch wenig hilfreich – merken, dass eine Beschlagnahme, die 16 Tage nach Gefahrübergang folgt, wohl bereits hinreichend „drohte“; sind dagegen nach Übergabe drei Jahre vergangen, bevor es zur Eintragung ins SIS kommt, kann dies zur Annahme des erforderlichen zeitlichen Zusammenhangs nicht genügen – auch wenn die Umstände, die zur Maßnahme geführt haben, bereits in diesem Zeitpunkt abschließend vorlagen. In einer Klausur kommt es daher auf die Argumentation an: Wichtig ist, dass sich ausführlich mit der Frage auseinandergesetzt wird, ob die öffentlich-rechtliche Beschränkung bereits hinreichend drohte. Nur dann kann ein Rechtsmangel bei Gefahrübergang angenommen werden.