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Schlagwortarchiv für: Ausfall

Dr. Philip Musiol

Ticketverkaufsstellen wie Eventim müssen bei coronabedingtem Veranstaltungsausfall nicht die Ticketkosten zurückerstatten

Kaufrecht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Schuldrecht, Startseite, Uncategorized, Verbraucherschutzrecht, Zivilrecht

Entscheidungen rund um das Coronavirus beherrschen nach wie vor die Rechtsprechung. Besonders die letztinstanzlichen Entscheidungen sind dabei von besonderer Prüfungsrelevanz, so auch das Urteil des BGH vom 13.07.2022, Az. VII ZR 329/21.

I.             Sachverhalt

Die Klägerin K hatte bei einer Vorverkaufsstelle, dem Ticketdienstleister T, im Dezember 2019 fünf Konzertkarten gekauft, das Konzert sollte am 21.03.2020 stattfinden. T ist dabei nicht selbst Veranstalter der Veranstaltungen, sondern vertreibt die Tickets nur im Auftrag des jeweiligen Veranstalters in eigenem Namen als Kommissionärin (§ 383 HGB). Das Konzert wurde schließlich aus Infektionsschutzgründen abgesagt. Anders als bei anderen Veranstaltungen der Fall, handelte es sich hierbei augenscheinlich um eine „endgültige“ Absage, ohne dass in dem Urteil Versuche, das Konzert zu verschieben thematisiert werden. Infolge der Absage wurde der Klägerin von der Veranstalterin – wohlgemerkt: nicht von der Vorverkaufsstelle – ein Wertgutschein angeboten. K lehnte diesen Wertgutschein ab und forderte stattdessen den Ticketdienstleister T auf die Erstattung des Ticketpreises in Anspruch. In erster Instanz war K hiermit erfolgreich, das Berufungsgericht wies die Klage ab. Mit ihrer Revision begehrte K nun die Wiederherstellung des erstinstanzlichen, der Klage stattgebenden Urteils.

II.            Entscheidung

Die Revision brachte nicht das von der Klägerin erhoffte Ergebnis. Der BGH wies die Revision zurück und schloss sich der Entscheidung des Berufungsgerichts an.

Zunächst ordnete der BGH den Vertrag, der zwischen K und T zustande gekommen war, als Rechtskauf im Sinne des § 453 BGB ein, um dann in einem zweiten Schritt einen Anspruch auf Rückerstattung des Ticketpreises infolge eines Rücktritts nach §§ 453 Abs. 1 aF, 437 Nr. 2 Alt. 1, 323 Abs. 1, 346 Abs. 1 BGB abzulehnen. Denn es fehle an einem Rücktrittsgrund: Hauptleistungspflicht der T war nach dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag die Verschaffung des Rechts auf Teilnahme an Konzert durch Übertragung des Eigentums und des Besitzes an der dieses Recht verbriefenden Eintrittskarte. Keine Leistungspflicht der T aus dem Rechtskaufvertrag sei demgegenüber die Durchführung des Konzerts selbst. Durch die Übereignung der Eintrittskarte habe T ihre Verpflichtung damit vollständig erfüllt, für eine nachträgliche Absage des Konzerts hafte sie nicht. Insbesondere habe T ihre Verpflichtung zur Verschaffung eines Teilnahmerechts nicht mangelhaft erfüllt: Zum Zeitpunkt der Übertragung des Rechts an K war die Durchführung des Konzerts noch planmäßig vorgesehen und K stand das künftige Recht zur Teilnahme daran zu. Eine spätere, coronabedingte Absage der Veranstaltung könne schon deshalb keine Mängelgewährleistungsrechte der K begründen, weil es sich bei der Absage um einen Umstand handelt, der nach der bereits erfolgten mangelfreien Übertragung des Rechts eintrat. Maßgeblich für die Mangelfreiheit sei der Zeitpunkt der Übertragung des verkauften Rechts. Die Eintrittskarten verschafften der K dagegen als kleine Inhaberpapiere gemäß §§ 807, 793 Abs. 1 S. 1 BGB einen unmittelbaren Anspruch auf Durchführung und Teilnahme an der Veranstaltung gegen die Veranstalterin selbst. Hierbei handele es sich auch nicht um ein erst künftiges Recht. Das in der Eintrittskarte verkörperte Recht auf Teilnahme an der Veranstaltung entstehe mit der Errichtung des kleinen Inhaberpapiers durch den Veranstalter und mit dem Abschluss des Begebungsvertrags, mit dem die verbriefte Forderung schuldrechtlich begründet werde. Dass das Konzert erst in der Zukunft stattfindet, ändere hieran nichts, weil das Recht zur Teilnahme bereits entstanden sei und es nicht mehr im Belieben des Veranstalters stehe, dem Inhaber einer Eintrittskarte das Teilnahmerecht zu verweigern.

Neben der Frage, ob T aus Mängelgewährleistungsrechten zur Rückerstattung verpflichtet sei, befasste sich der BGH damit, ob T eine Garantie für das Stattfinden der Veranstaltung übernommen hatte. Auch dies lehnte der BGH ab: Einem durchschnittlichen Erwerber von Eintrittskarten über eine Vorverkaufsstelle sei bekannt, dass die Vorverkaufsstelle in der Regel keinerlei Einfluss auf die Durchführung der Veranstaltung habe. Der Erwerb einer Eintrittskarte über eine Vorverkaufsstelle begründe die Erwartung, dass der Inhaber der Karte durch deren Vorzeigen von dem Veranstalter Zutritt zu der jeweiligen Veranstaltung verlangen kann. Demgegenüber könne man nicht erwarten, dass die Vorverkaufsstelle selbst dem Karteninhaber Zutritt zu der Veranstaltung verschaffen kann. Vor diesem Hintergrund könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Vorverkaufsstelle verschuldensunabhängig und über die Pflichten eines Verkäufers hinaus für die Durchführung der Veranstaltung einstehen wolle. Auch der Umstand, dass sich der Käufer bei der Absage der Veranstaltung direkt an den Veranstalter richten müsse, mit dem er bis dahin keinen unmittelbaren Kontakt hatte, führte nach Ansicht des BGH zu keinem anderen Ergebnis. Stattdessen handele es sich hierbei um eine notwendige und für den Käufer vorhersehbare Folge des Auseinanderfallens von Verkäufer und Veranstalter.

Weiterhin ergebe sich auch wegen eines Widerrufs nach §§ 312g Abs. 1, 355 Abs. 1, 3 S. 1, 357 Abs. 1 BGB kein Rückzahlungsanspruch. Zwar bejahte der BGH das Vorliegen eines Fernabsatzvertrags, hielt jedoch gleichzeitig den Ausschlusstatbestand nach § 312g Abs. 2 Nr. 9 BGB im Wege einer richtlinienkonformen Auslegung für einschlägig. Denn der Rechtskaufvertrag habe das Zugangsrecht zu einer „auf einen bestimmten Zeitpunkt terminierten Freizeitbetätigung – einer Konzertveranstaltung – zum Gegenstand und [sei] somit als Dienstleistungsvertrag im Sinne von Art. 16 Buchst. l der Verbraucherrechterichtlinie und dementsprechend als von § 312g Abs. 2 Nr. 9 BGB erfasst anzusehen“ (Rn. 45). Die Veranstalterin sei vorliegend Kommittentin und schulde der Vorverkaufsstelle im Falle eines Widerrufs die Rückerstattung des Kaufpreises an den Verkäufer. Damit würde die Veranstalterin das wirtschaftliche Risiko des Widerrufs des Vertrags und das Risiko bezüglich der frei gewordenen Kapazitäten tragen.

Schließlich lehnte der BGH noch einen Anspruch der K auf Rückzahlung des Kaufpreises wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage des Rechtskaufvertrags gemäß § 313 Abs. 1, 3 BGB ab. Dabei lässt er offen, ob es zu einer Störung der Geschäftsgrundlage kam. Zwar führt er aus, dass dem Vertrag die beidseitige und nachträglich schwerwiegend gestörte Erwartung zu Grunde gelegen haben dürfte, dass sich bis zu dem geplanten Veranstaltungstermin die grundlegenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen, unter denen Großveranstaltungen grundsätzlich zulässig waren, nicht etwa auf Grund einer Pandemie ändern würden mit der Folge von hoheitlichen Verboten solcher Veranstaltungen. Es genüge, dass die Parteien diese Umstände als selbstverständlich ansahen, ohne sich diese bewusst gemacht zu haben. Darauf komme es aber deshalb nicht an, weil neben der Annahme einer Geschäftsgrundlage (bzw. des Wegfalls derselben) für die eine Vertragsanpassung nach § 313 Abs. 1, 2 BGB erforderlich ist, dass dem betroffenen Vertragspartner unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Daran fehle es in dem der Entscheidung zu Grunde liegenden Fall. Zunächst nutzt der BGH die Gelegenheit, um zum Verwendungsrisiko von Eintrittskarten auszuführen: Grundsätzlich trage der Käufer das Risiko, den Kaufgegenstand nicht wie von ihm beabsichtigt nutzen zu können. Dies sei auf die Konstellation des Rechtskaufs übertragbar, sodass es grundsätzlich in der Risikosphäre des Käufers liege, das in der Eintrittskarte verbriefte Recht auf Teilnahme an der Veranstaltung auch tatsächlich ausüben und durchsetzen zu können, mithin die Veranstaltung tatsächlich durchgeführt wird. Etwas anderes gelte jedoch, wenn die Absage der Veranstaltung auf eine hoheitliche Maßnahme zur Pandemiebekämpfung zurückgehe. Dieses Risiko gehe über das gewöhnliche Verwendungsrisiko des Verkäufers hinaus. Die fehlende Nutzbarkeit des Teilnahmerechts sei Folge umfangreicher staatlicher Eingriffe in das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie, für die weder der Veranstalter noch einer der Kaufvertragsparteien verantwortlich gemacht werden kann. Jedoch sei das Festhalten an dem unveränderten Rechtskaufvertrag der K deshalb zumutbar, weil die Veranstalterin des ausgefallenen Konzerts bereit war, für die Absage der Veranstaltung einzustehen und ihr Wertgutscheine als Ersatz hierfür auszustellen. Deren Annahme sei der K zumutbar gewesen, zumal sie die Auszahlung des Betrags jedenfalls nach dem 31. Dezember 2021 hätte verlangen können, wenn ihr nicht der Verweis auf einen Gutschein angesichts ihrer persönlichen Lebensumstände unzumutbar gewesen wäre (Art. 240 § 5 Abs. 5 Nr. 1 EGBGB). Der BGH führt zur Anwendbarkeit der Regelung zwar aus, dass die genannte Gutscheinlösung für einen Rechtskaufvertrag zwischen Vorverkaufsstelle und einem Käufer nicht gelte, da sie in ihrem Anwendungsbereich auf Veranstalter beschränkt sei. Jedoch sei der Gesetzgeber ersichtlich davon ausgegangen, dass die Berechtigung zur Ausgabe eines Gutscheins durch den Veranstalter die pandemiebedingte Problematik auch bei Beteiligung einer Vorverkaufsstelle löst. So muss der Wert des Gutscheins nach Art. 240 § 5 Abs. 2 S. 1 EGBGB auch etwaige Vorverkaufsgebühren umfassen, die üblicherweise bei einem Verkauf über Vorverkaufsstellen anfallen. Der Gesetzgeber ging zudem davon aus, dass der Veranstalter seine Pflicht zur Übergabe des Gutscheins unter anderem durch dessen Aushändigung seitens der Vorverkaufsstelle erfüllen kann. Die hierdurch zum Ausdruck kommende Intention des Gesetzgebers würde umgangen, wenn ein Käufer von einer als Kommissionärin handelnden Vorverkaufsstelle die Rückzahlung des Ticketpreises verlangen könnte. In diesem Falle könnte sich die Vorverkaufsstelle bei dem Veranstalter schadlos halten, wodurch die Entlastung durch die „Gutscheinlösung“ leerliefe. Dafür, dass der K als Partei eines Rechtskaufvertrags das Festhalten hieran zumutbar ist, spreche schließlich die Gleichbehandlung mit Personen, die ihre Eintrittskarten unmittelbar beim Veranstalter erworben haben: Wieso sollte K besser stehen als ein Dritter, der sein Veranstaltungsticket unmittelbar von dem Veranstalter erhält und entsprechend der gesetzgeberischen Wertung auf die Gutscheinlösung verwiesen werden kann. Damit war es der K zumutbar, am unveränderten Vertrag festzuhalten, weshalb eine Vertragsanpassung nach § 313 BGB ausscheide.

III.          Einordnung der Entscheidung

Der auf den ersten Blick ungewohnte Einstieg ins Kaufrecht über den Umweg eines Rechtskaufs macht die Entscheidung besonders examensrelevant. Auf den zweiten Blick lässt sich der Fall durch saubere Arbeit am Gesetz und einer klaren Abgrenzung der unterschiedlichen schuldrechtlichen Verpflichtungen lösen.

Dabei ist die richtige Einordnung des Vertragstyps eine unerlässliche Weichenstellung für die restliche Falllösung: So sollte in der Fallbearbeitung klargestellt werden, dass T selbst nicht Veranstalterin ist und die Tickets in eigenem Namen „verkauft“. Hier könnte – in gebotener Kürze – eine Stellvertretung der Veranstalterin zumindest angeprüft werden. Dabei ist freilich auf die Besonderheiten des Falls zu achten, um sich nicht in unnötigen Ausführungen zu verlieren. Zur Einordnung des Vertragstyps führt der BGH aus: „Zwar ist im allgemeinen Sprachgebrauch regelmäßig von einem „Erwerb“ oder „Kauf“ von Eintrittskarten die Rede. Rechtlich handelt es sich hierbei jedoch grundsätzlich nicht um einen Sachkauf der Karten. Kaufgegenstand ist vielmehr das Recht auf Teilnahme an der vom Veranstalter durchzuführenden Veranstaltung, das durch die – nicht personalisierte – Eintrittskarte als sogenanntes kleines Inhaberpapier im Sinne von § 807 BGB verkörpert ist.“ (Rn. 20)

Soweit es um Ansprüche aus Mängelrechten geht, kommt es entscheidend auf das Pflichtenprogramm des Verkäufers an: Es ist ein Unterschied, ob die Verschaffung eines Zugangsrechts oder die Durchführung einer Veranstaltung Vertragsgegenstand ist – dies muss erkannt werden. Nachdem das Pflichtenprogramm herausgearbeitet wurde, ist auf die mangelfreie Erfüllung der Pflichten abzustellen, sowie auf den hierfür maßgeblichen Zeitpunkt. So wie die Mängelrechte beim Sachkauf vom Zeitpunkt des Gefahrübergangs nach §§ 446, 447 BGB abhängen, kommt es beim Rechtskauf auf den Zeitpunkt der Übertragung des verkauften Rechts an. Hier ist allerdings nicht auf die §§ 446, 447 BGB abzustellen – diese sind allein auf die Verschaffung von Sachen anwendbar. Gedanklich lassen sich gleichwohl Parallelen ziehen.

Die Frage, ob eine Vorverkaufsstelle eine Garantie für die Durchführung einer Veranstaltung übernommen hat, lässt sich durch eine Auslegung der Vereinbarung nach §§ 133, 157 BGB beantworten, wobei die einschlägigen Normen zu zitieren sind. Hier sollte klargestellt werden, dass mit Blick auf ihre weitreichenden Folgen hohe Anforderungen an die Annahme einer Garantie zu stellen sind.

Der Fall bietet darüber hinaus Gelegenheit, Kenntnisse aus dem Verbraucherschutzrecht abzuprüfen. Eine richtlinienkonforme Auslegung wie der BGH sie unter Verweis auf eine Entscheidung des EuGH vorgenommen hat, wird von Prüflingen wohl kaum ohne zur Verfügungstellung weiteren Materials erwartet werden können. Dennoch lohnt es sich, sich die ratio des § 312g Abs. 2 Nr. 9 BGB vor Augen zu führen: Es geht darum, dem Veranstalter nicht das wirtschaftliche Risiko von kurzfristig freiwerdenden Kapazitäten aufzuerlegen. In einem Fall wie dem vorliegenden, in dem der BGH annahm, dass es sich bei der Veranstalterin um die Kommittentin handelte, sei der Anwendungsbereich eröffnet, da Folgen des Widerrufs die Veranstalterin sonst mittelbar treffen würden. In einem letzten Schritt muss auf das im Zusammenhang mit Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung allgegenwärtige Thema des Wegfalls der Geschäftsgrundlage eingegangen werden. Im Gutachten ist es ratsam, die Voraussetzungen für einen Rückzahlungsanspruch nach § 313 Abs. 1, 3 BGB schematisch zu prüfen und nicht die Frage offenzulassen, ob die Geschäftsgrundlage überhaupt betroffen ist bzw. sich geändert hat. Aus klausurtaktischen Gründen sollte dies bejaht werden, um sich sodann dem letzten Schwerpunkt des Falls zuzuwenden: Der Frage, ob das Festhalten am Vertrag unter Berücksichtigung der durch die Veranstalterin angebotenen Gutscheine zumutbar war. Die Frage, ob einer Partei das Festhalten am Vertrag zumutbar ist, ist eine Wertungsfrage. Dadurch sind gesetzgeberische Wertungen, auch wenn sie den Fall nicht unmittelbar betreffen, stets beachtlich, ebenso wie Vergleiche mit ähnlich gelagerten Konstellationen. Namentlich ist damit die Konstellation des Ticketkäufers, der sein Ticket unmittelbar beim Veranstalter erworben hat, als Vergleich heranzuziehen. Diese Erwägung sowie die wirtschaftlichen Folgen (möglicher Regress der Vorverkaufsstelle beim Veranstalter und eine drohende Umgehung des gesetzgeberischen Willens) rechtfertigen es, in Fällen wie dem Vorliegenden davon auszugehen, dass es dem Ticketkäufer zumutbar ist, an dem Rechtskaufvertrag mit der Vorverkaufsstelle festzuhalten.

15.08.2022/1 Kommentar/von Dr. Philip Musiol
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Philip Musiol https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Philip Musiol2022-08-15 08:03:462022-10-24 14:47:34Ticketverkaufsstellen wie Eventim müssen bei coronabedingtem Veranstaltungsausfall nicht die Ticketkosten zurückerstatten
Tom Stiebert

KiTa-Streik und die (arbeitsrechtlichen) Folgen

Aktuelles, Arbeitsrecht, Schon gelesen?, Startseite, Zivilrecht

In ganz Deutschland nehmen derzeit zahlreiche Erzieher in Kindertagesstätten ihr aus Art. 9 Abs. 3 GG resultierendes Recht wahr und streiken. Erstrebt wird eine höhere Eingruppierung, da sich das Bild der Erzieherin in den letzten Jahren stark gewandelt habe.
Eine Vielzahl von Eltern steht nun vor dem Problem, dass zumindest teilweise eine Unterbringung der Kinder in der Kindertagesstätte nicht möglich ist, sie aber auch andererseits nicht die Möglichkeit haben, die Kinder auf Ihrer Arbeitsstelle selbst zu betreuen. Es stellt sich damit die Frage, welche Möglichkeiten die Eltern nun zur Betreuung Ihrer Kinder haben.
Diese Fragen könnten auch in einer mündlichen Prüfung angerissen und vertieft werden. Der Beitrag will aus diesem Grund einen Überblick über den Problemkreis geben und die wesentlichen Fragen beantworten.

I. Inwiefern haben also Eltern, deren wegen des anstehenden Kita-Streiks nicht betreut werden können, Ansprüche gegenüber dem Arbeitgeber? Dürfen sie insbesondere zu Hause bleibe, um sich um die Kleinen zu kümmern?

Beide Fragen sind letztlich gemeinsam zu bearbeiten, denn der einzige Anspruch gegen den Arbeitgeber, mit dem eine arbeitsvertragliche Beziehung besteht, kann ja letztlich die Freistellung von der Tätigkeit sein. Diese ist – gesetzlich geregelt – nur in seltenen Fällen möglich, schließlich ist der Arbeitnehmer stets zur Erbringung seiner – vertraglich vereinbarten – Arbeitsleistung verpflichtet. Unterlässt er dies, drohen Abmahnungen und natürlich im schlimmsten Fall die Kündigung.

Klar ist auch, dass man in einen solchen Fall sein Arbeitsentgelt nicht bekommt – es gilt: „Kein Lohn ohne Arbeit“ sofern das Gesetz hiervon nicht Ausnahmen vorzieht (bspw. bei Krankheit im EFZG oder bei Urlaub; eine besondere Regelung besteht zudem bei der Krankheit von Kindern – § 45 SGB V)

§ 616 BGB sieht allerdings vor, dass der Arbeitnehmer dann, wenn er für eine verhältnismäßig kurze Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert ist, seinen Anspruch auf den Lohn auch ohne Arbeit behält. Das heißt in einem solchen Fall darf der Arbeitnehmer a) der Arbeit fernbleiben und behält b) sogar seinen Entgeltanspruch.

Hierunter fällt bspw. die Betreuung kranker Kinder (für die es zudem auch spezielle Vorschriften gibt vgl. § 45 SGB V), der Umzug, die Hochzeit, Beerdigungen naher Angehöriger etc. Auch die Betreuung der eigenen Kinder ist eine Pflicht, die die Eltern im Rahmen ihrer elterlichen Sorge (§ 1626 Abs. 1 BGB) zunächst persönlich trifft und die der Pflicht zur Arbeit widerspricht. Und dennoch gilt hier nicht uneingeschränkt das Gleiche. Es müssen besondere Gegebenheiten hinzutreten um einen Fall des § 616 BGB bejahen zu können – so muss der Streik bspw. plötzlich und nicht planbar eingetreten sein – und – das ist die zentrale Voraussetzung – der Arbeitnehmer muss alles zumutbare für eine Ersatzkinderbetreuung getan haben. Nur dann wäre ein solcher Anspruch denkbar. Auf jeden Fall ist der Arbeitnehmer aber verpflichtet, den Arbeitgeber frühzeitig hierüber zu informieren. Ein nicht angekündigtes Fernbleiben ist jedenfalls unzulässig.

Die Hürden, wann ein Streik unter § 616 BGB subsummiert werden kann, dürften recht hoch sein – am ersten überraschenden Streiktag mag der Anspruch noch gegeben sein, ab dem zweiten – planbaren – Tag dann wohl schon nicht mehr. Auch sind familiäre Betreuungsmöglichkeiten (Oma und Opa etc.) vorrangig zu prüfen. Auch wenn den Arbeitgeber die Pflicht zur Betreuung seines Kindes trifft, so darf diese Pflicht nicht pauschal die Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung überwiegen, insbesondere weil nach den Grundsätzen des § 616 BGB sogar das Entgelt fortzugewähren ist.
II. Gibt es Ausfallzahlungen oder einen Sonderurlaub?
Greift also die Norm des § 616 BGB, so bedarf es keiner Ausfallszahlungen, da sogar das Arbeitsentgelt weiterzugewähren ist. Die Kriterien hierfür sind allerdings – wie dargelegt – recht strikt.
Ergänzend treffen den Arbeitgeber aber auch Rücksichtnahmepflichten aus dem Arbeitsvertrag. Aus diesem Grund ist er zumindest verpflichtet, den Arbeitnehmer unbezahlt von der Beschäftigung freizustellen, wenn dieser das verlangt und besondere Gründe (insbesondere wie hier die Betreuung seiner Kinder im Streikfall) hierfür anführt, es sei denn besondere betriebliche Gründe widersprechen dem. Auch hier gilt aber: Der Arbeitnehmer muss dies mit dem Arbeitgeber besprechen; ein Fernbleiben ohne Information und Absprache ist stets unzulässig. Allerdings überwiegt hier – im Gegensatz zu § 616 BGB das Interesse des Arbeitgebers, da diesen sogar eine gesetzliche Pflicht zur Kinderbetreuung trifft. Eine Ablehnung dieses Verlangens ist damit allenfalls im Einzelfall zulässig.

III. Muss das alles individuell in Arbeitsverträgen festgehalten werden oder ist es allgemein gültig?
Das Gesagt ergibt sich aus dem Gesetz, wie § 616 BGB deutlich macht. Auch der unbezahlte Anspruch auf Freistellung ist als eine allgemeine Nebenpflicht des Arbeitgebers im Rahmen der Rücksichtnahmepflicht anzusehen.
Möglich ist allerdings, dass im Arbeitsvertrag bezogen auf § 616 BGB Abweichendes entweder zu Gunsten des Arbeitnehmers oder aber – viel häufiger – zu seinen Lasten vereinbart ist. Dann ist zwar in schwerwiegenden Fällen nicht der Freistellungsanspruch, zumindest aber die Entgeltfortzahlung aus § 616 BGB ausgeschlossen. Eine solche Regelung ist im Grundsatz auch in allgemeinen Geschäftsbedingungen möglich. Ein Ausschluss der Rücksichtnahmepflichten ist hingegen – jedenfalls durch AGB – nicht zulässig und verstößt zumindest gegen § 307 BGB.

13.04.2015/1 Kommentar/von Tom Stiebert
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Tom Stiebert https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Tom Stiebert2015-04-13 14:44:502015-04-13 14:44:50KiTa-Streik und die (arbeitsrechtlichen) Folgen

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