Wir freuen uns heute einen Gastbeitrag von Ass.iur. Susanne Münch veröffentlichen zu können. Sie beschäftigt sich in ihrem Artikel mit dem Aufenthaltsrecht in der Assessorklausur und konzentriert sich vornehmlich auf examensrelevante Probleme zur Ausweisungsverfügung und zur Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis.
Im Assessorexamen kommt es immer wieder vor, dass Fälle aus dem Bereich des Ausländerrechts geprüft werden, insbesondere aus dem Bereich der Aufenthaltsbeendigung. Der folgende Überblick stellt wiederkehrende Probleme dar und gibt eine erste Orientierungshilfe.
Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs gem. §40 I VwGO
Dieser ist in diesen Fällen unproblematisch eröffnet. Die Rechtmäßigkeit (RM) sowohl einer Ausweisungsverfügung, als auch beispielsweise der Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis, beurteilt sich nach den öffentlich-rechtlichen Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG).
Statthafte Klageart/Antragsart
Die Ausweisungsverfügung stellt einen belastenden, mit der Anfechtungsklage angreifbaren Verwaltungsakt (VA) dar. Im einstweiligen Rechtsschutz ist daher unproblematisch der Antrag nach § 80 V VwGO statthaft.
Nicht ganz so eindeutig ist der Fall der Ablehnung der (Verlängerung der) Aufenthaltserlaubnis. Hier wird grds. eine Begünstigung angestrebt (Aufenthaltserlaubnis), was auf den ersten Blick für eine Verpflichtungsklage bzw. im vorläufigen Rechtsschutzverfahren für eine einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO spricht.
Hier muss jedoch § 81 IV S.1 AufenthG beachtet werden. Danach gilt der bisherige Aufenthaltstitel vom Zeitpunkt seines Ablaufs allein durch den Verlängerungsantrag als fortbestehend. Die so ausgelöste Verlängerungsfiktion gilt aber nur „bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde“, endet also mit ihrer ablehnenden Entscheidung. Ab diesem Zeitpunkt trifft den Ausländer die gesetzliche Ausreisepflicht des § 50 I AufenthG.
Der Ablehungsbescheid bedeutet danach nicht nur die Vorenthaltung einer Begünstigung, sondern hat bereits selbständig belastende Wirkung, indem er dem Ausländer eine bereits innegehabte Rechtsposition (fingiertes Bleiberecht) wieder entzieht und die gesetzliche Ausreisepflicht auslöst. Der Ablehungsbescheid ist also durchaus einer Suspendierung mit der Folge des „Wiederauflebens“ des Bleiberechts fähig. Nach einhelliger Meinung ist vorläufiger Rechtsschutz gegen die Ablehnung eines Aufenthaltstitels daher über § 80 V VwGO zu suchen, soweit durch die Ablehnung ein fingiertes Bleiberecht nach § 81 III, IV AufenthG zum Erlöschen gebracht wird. Vorläufiger Rechtsschutz über § 123 VwGO greift nur, wenn dem Antrag auf Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels (aus anderen Gründen als denen der Ablehnung) ohnehin keine Fiktionswirkung zukommt oder diese noch vor der gerichtlichen Entscheidung wieder weggefallen ist.
Der Wegfall der aufschiebenden Wirkung kann bei einer Ausweisungsverfügung zum Beispiel aus § 80 II S.1 Nr.4 VwGO (Anordnung der sofortigen Vollziehung) folgen, hinsichtlich der Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis aus § 80 II S.1 Nr.3 VwGO iVm § 84 I Nr.1 AufenthG.
Die Rechtmäßigkeit einer Ausweisungsverfügung
Rechtsgrundlagen für entsprechende Maßnahme können §§ 53 ff. AufenthG sein.
In formeller Hinsicht sind hier, neben § 28 VwVfG, insbesondere § 71 I AufenthG (Zuständigkeit), § 77 I AufenthG (die Schriftform) und § 72 IV AufenthG (Einvernehmen mit der StA) als Besonderheiten zu beachten.
In materieller Hinsicht muss ein Ausweisungsgrund vorliegen. Hier können drei Fallgruppen der Ausweisung unterschieden werden:
1) Zwingende Ausweisung nach § 53 AufenthG
2) Regel-Ausweisung gemäß § 54 AufenthG
3) Ermessensausweisung nach § 55 AufenthG
Bei § 55 II AufenthG ist zu beachten, dass hier nur Regelbeispiele genannt sind, die Aufzählung also keinen abschließenden Charakter hat (s. „insbesondere“).
§ 55 I AufenthG gilt als Generalklausel für Ausweisungsverfügungen.
Im Rahmen von § 55 AufenthG stellt sich in Klausuren oft die Frage, ob der (dringende) Verdacht einer Straftat als Ausweisungsgrund genügen kann.
Unter der früheren Geltung des AuslG (§ 10 I Nr.1 AuslG) wurde von der h.M. die Ansicht vertreten, der begründete Verdacht einer Straftat stelle einen Ausweisungsgrund dar. [Anm: Das deutsche AuslG wurde 1965 verabschiedet und 1990 durch eine Neufassung ersetzt. Es trat am 31. Dezember 2004 außer Kraft. Das AuslG wurde zum 1. Januar 2005 durch das Aufenthaltsgesetz ersetzt.]
Diese Ansicht ist unter Geltung des AufenthG nur noch eingeschränkt haltbar. Gemäß § 79 II Nr.1 AufenthG ist im Falle eines Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts einer Straftat die Entscheidung über die beantragten Aufenthaltstitel bis zum Abschluss des Verfahrens bzw. bis zur Rechtskraft auszusetzen, es sei denn über den Aufenthaltstitel kann ohne Rücksicht auf den Ausgang des Verfahrens entschieden werden. Die Vorschrift gilt ausdrücklich nur für die Erteilung und Verlängerung eines Aufenthaltstitels, nicht dagegen für eine Ausweisung. Sie ist jedoch gleichwohl auf Ausweisungsverfügungen zumindest dann analog anwendbar, wenn der Ausländer zuvor die Erteilung oder Verlängerung des Aufenthaltstitels beantragt hat und dadurch die Fiktionswirkung des § 81 III oder IV AufenthG eingetreten ist. In diesem Fall wäre die Ausweisung eine Missachtung des fortdauernden Bleiberechts, das mit Rücksicht auf § 79 II Nr.1 AufenthG nicht vor Abschluss des Strafverfahrens beendet werden darf. Die Vorschrift ist zudem in dem Sinne zu verstehen, dass die Aussetzungspflicht nicht nur für den Fall der Entlastung, sondern auch für den Fall der Belastung des Ausländers besteht. Die Ausländerbehörde ist also auch daran gehindert, während eines laufenden Strafverfahrens den Aufenthaltstitel vorzeitig zu versagen und damit den Ausländer quasi vorzuverurteilen.
Streitwertfestsetzung
Im Hauptsacheverfahren wird bei einem Streit um Ausweisung und Aufenthaltstitel i.d.R. der Auffangwert des § 52 II GKG (5000 €) zugrunde gelegt (im vorläufigen Rechtsschutzverfahren ist der Wert niedrigerer!). Da beide Anträge jeweils selbstständige Bedeutung haben, werden sie gem. § 39 I GKG addiert.
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Wir freuen uns nachfolgend einen Gastbeitrag von Ass.iur. Susanne Münch veröffentlichen zu können. Der Beitrag beschäftigt sich mit den formalen Besonderheiten des einstweiligen Rechtsschutzes in verwaltungsrechtlichen Assessorklausuren.
1. Der einstweilige Rechtsschutz
Der einstweilige Rechtsschutz spielt im Assessorexamen eine sehr wichtige Rolle. Im Folgenden werden die wichtigsten formalen Anforderungen des Beschlusses dargestellt und einige Tenorierungsbeispiele zur Übung gegeben.
Sowohl über die Anordnung (bzw. Wiederherstellung) der aufschiebenden Wirkung im Zusammenhang mit einem Anfechtungsbegehren, §§ 80, 80 a VwGO, also auch über den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO wird im Wege des Beschlusses entschieden.
2. Im Unterschied zum Urteilsaufbau müssen folgende formalen Unterschiede beachtet werden:
a) Rubrum:
– Es wird nicht „im Namen des Volkes“ verkündet, da der Beschluss kein Urteil ist.
– Parteien heißen Antragsteller und Antragsgegner, nicht Kläger und Beklagter.
– Bei Beschlüssen außerhalb der mündlichen Verhandlung wirken die ehrenamtlichen Richter nicht mit (§ 5 III S.2 VwGO).
b) Beschlussformel:
– Es wird „beschlossen“, nicht „entschieden“.
– Sie enthält einen Hauptausspruch und eine Kostenentscheidung; ein Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit erfolgt nicht, da einstweilige Anordnungen per se vollstreckbar sind (§ 168 I Nr.2 VwGO; § 149 I VwGO).
– Die Entscheidung über den Wert des Streitgegenstandes wird in Klausuren i.d.R. erlassen (§ 53 III iVm § 52 I, II GKG).
c) Gründe:
– Kein Differenzierung in „Tatbestand und Entscheidungsgründe“; alles wird unter der Überschrift „Gründe“ abgehandelt:
I. (Sachverhaltsdarstellung)
II. (Entscheidungsgründe)
d) Rechtsmittelbelehrung:
– Die Beschwerde nach §§ 146, 147 VwGO.
e) Tenorierungsbeispiele:
(1) Der Antrag nach § 80 V VwGO hat keinen Erfolg: „Der Antrag wird abgelehnt. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.“
(2) Die Stadt S erlässt gegen A eine Untersagungsverfügung und erklärt diese für sofort vollziehbar. A erhebt Widerspruch und beantragt mit Erfolg vorläufigen Rechtsschutz: „Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom (…) gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom (…) wird wiederhergestellt. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.“
(3) Die Stadt S erlässt gegen A eine Untersagungsverfügung und erklärt diese ohne Begründung für sofort vollziehbar (Vollziehungsanordnung formell rechtswidrig). A erhebt Widerspruch und beantragt vorläufigen Rechtsschutz: „Die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Bescheids der Antragsgegnerin vom (…) wird aufgehoben. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.“
Anm. (str.): Nach h.M. wird hier gerade nicht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wiederhergestellt, sondern nur die Anordnung der sofortigen Vollziehung aufgehoben; danach kann die Stadt S (mit Begründung) erneut die sofortige Vollziehung anordnen.
(4) Die Stadt S erlässt gegen A einen Abschleppkostenbescheid. A legt Widerspruch ein. Die Stadt S hält den Abschleppkostenbescheid kraft Gesetzes für sofort vollziehbar und will nun die Forderung eintreiben. A, der den Bescheid nicht für sofort vollziehbar kraft Gesetzes hält, beantragt vorläufigen Rechtsschutz: „Es wird festgestellt, dass der Widerspruch des A gegen den Bescheid der Stadt S vom (…) aufschiebende Wirkung hat. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.“
Anm.: Die Kosten einer Ersatzvornahme oder einer unmittelbaren Ausführung fallen nach h.M. weder unter § 80 II S.1 Nr.1 VwGO noch unter die Verwaltungsvollstreckung (also nicht unter § 20 AGVWGO). Hier droht also eine sog. „faktische Vollziehung“.
(5) Die Stadt S erteilt Gastwirt W eine Gaststättenerlaubnis. Nachbar N legt Widerspruch ein. Die Stadt S lehnt die von W beantragte Anordnung der sofortigen Vollziehung der Erlaubnis ab. W beantragt jetzt beim VerwG die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Erlaubnis. Das Gericht lädt N bei, N stellt keinen Antrag. W hat mit seinem Antrag Erfolg: „Die sofortige Vollziehung der Gaststättenerlaubnis der Stadt S vom (…) wird angeordnet. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.“
Anm.: § 80a III iVm I Nr.1 VwGO
(6) Nachbar N erhält eine Baugenehmigung. W legt Widerspruch ein und beantragt erfolglos, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anzuordnen. W wendet sich an das VerwG. Dieses lädt N bei, der eine Ablehnung des Antrags beantragt. W hat keinen Erfolg: „Der Antrag wird abgelehnt. Der Antragssteller trägt die Kosten des Verfahrens, einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.“
Anm.: Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 I VwGO. Es entspricht der Billigkeit i.S.v. § 162 III VwGO, die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen dem Antragssteller aufzuerlegen, denn der Beigeladene hat sich durch seine Antragsstellung dem Risiko ausgesetzt, im Falle des Unterliegens gem. § 154 III VwGO mit Verfahrenskosten belastet zu werden.
(7) Die XYZ- Partei will in wenigen Tagen in der Stadthalle der Stadt S ihren Landesparteitag durchführen. Der Antrag hat Erfolg: „Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin am (…) die Stadthalle zur (…) zu überlassen. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.“
Anm.: Regelungsanordnung
(8) Der Antragsteller möchte vor dem Hintergrund seiner beamtenrechtlichen Konkurrentenklage verhindern, dass der Beigeladene vor einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache befördert wird (nach einer Beförderung stünde seinem Anliegen der Grundsatz der Ämterstabilität im Wege). Der Beigeladene stellt keinen Antrag. Der Antrag hat Erfolg.„Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, vorläufig bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache von der Beförderung des Beigeladenen abzusehen. Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu tragen.“
Anm: Sicherungsanordnung
Falls deine Klausurergebnisse nicht immer so sind, wie du sie gerne hättest: Willkommen im Club! Das Problem kennt jeder Referendar nur zu gut.
Leider hilft dagegen auch umfangreiches Lernen nur bedingt und kostet vor allem wahnsinnig viel Zeit. Deshalb zeige ich dir in diesem Beitrag eine andere Möglichkeit. Mit der Technik, die du gleich lernst, kannst du deine Klausurergebnisse mit minimalem Zeitaufwand deutlich verbessern. Ich behaupte sogar, dass du das in 5 Minuten schaffst.
[Wenn du es eilig hast, kannst du nach unten zur Überschrift „Der-5-Minuten-Weg“ im Abschnitt „Wie du deine Klausuren verbesserst, ohne zu lernen“ springen. Was dort steht, reicht schon, um deine Klausuren in 5 Minuten zu verbessern. Allerdings wirst du einen noch größeren Nutzen aus diesem Beitrag ziehen, wenn du ihn komplett durcharbeitest.]
Wie ich meine Klausuren verbesserte, ohne zu lernen
Vor ein paar Wochen war ich selbst frustriert von den Noten meiner Übungsklausuren. Zwar waren immer wieder auch gute Klausuren dabei, die notwendige Konstanz fehlte aber völlig. Leider hatte ich auch keine Zeit mehr, vor dem Examen den ganzen Lernstoff noch einmal durchzugehen. Ich musste mir also etwas anderes einfallen lassen.
Nach kurzer Grüblerei habe ich mich entschlossen, mir mehrere Tage frei zu nehmen und meine schon geschriebenen Übungsklausuren zu analysieren. Ich wollte herausfinden, was ich in den guten Klausuren anders gemacht habe als in den schlechten Klausuren, ob es also ein „Geheimnis“ zu meinen guten Klausuren gab – irgendetwas, das ich reproduzieren konnte.
Schritt 1: Die schockierende Entdeckung
Bei der Analyse habe ich immer eine gute und eine schlechte Klausur desselben Rechtsgebietes direkt nebeneinander gelegt und verglichen. Der erste Aha-Effekt kam sofort: Meine Klausuren lasen sich völlig unterschiedlich! Urteilsstil, Schwerpunktsetzung, Argumentation – hier waren himmelweite Unterschiede festzustellen, obwohl der Autor jeder Klausur derselbe war, nämlich ich.
Schritt 2: Unerwartete Ursachen
Natürlich musste ich die Ursachen für diese Qualitätsschwankungen finden. Dann hätte ich auch eine Chance, sie zu beseitigen… Ich analysierte also weiter.
Glücklicherweise hatte ich mir beim Schreiben der Klausuren immer Notizen zur Herangehensweise und zur Dauer der einzelnen Bearbeitungsschritte gemacht. So konnte ich nicht nur das Klausurergebnis, sondern auch den Lösungs- und Schreibprozess selbst analysieren und vergleichen.
Und tatsächlich: Umso mehr Klausuren ich untersuchte, desto stärker dämmerte mir, dass hinter vielen meiner schlechten Klausuren immer wieder die gleichen negativen Verhaltensmuster standen.
Bei komplizierten Sachverhalten habe ich zum Beispiel den Tatbestand im Urteil zu stark perfektioniert und dadurch Zeit verloren.
Bei besonders schwierigen Klausuren habe ich angefangen, gedanklich zwischen Klausurteilen zu springen oder gar einen Teil der Klausur auszuformulieren, bevor ich den Rest skizzenhaft durchgelöst hatte. Das Ergebnis war Chaos und eine vollkommen verhunzte Klausur.
Teilweise habe ich zu stark verkürzt und keine ausreichenden Schwerpunkte gesetzt – obwohl ich natürlich ganz genau wusste, wie wichtig eine gute Schwerpunktsetzung für die Note ist.
Und so weiter, und so weiter…
Schritt 3: Effektive Konterstrategien
Nachdem ich auf diese Weise meine Schwächen kennengelernt hatte, habe ich konkrete Regeln formuliert, um sie auszuschalten. Wenn ich schon in der Lösungsskizze drei Schwerpunkte fett rot markiere, die ich auf jeden Fall in sauberem Gutachten- oder Urteilsstil abarbeiten will, komme ich an einer Schwerpunktsetzung beim Ausformulieren gar nicht mehr vorbei. Wenn ich bei langen Sachverhalten von vornherein 2 Punkte Abzug für zu starke Kürzung im Urteilstatbestand einplane, besiege ich meinen Tatbestandsperfektionismus.
So habe ich Regel an Regel gefügt, bis ich alle meine Probleme und Schwächen abgearbeitet hatte. Das Ergebnis war etwas, was ich meine „Liste eiserner Klausurregeln“ nenne. Sie besteht aus 18 Regeln für das Schreiben juristischer Assessorklausuren.
Regeln, die mir immens geholfen haben: Die Übungsklausuren, die ich unter Befolgung meiner eigenen Klausurregeln schrieb, wurden im Schnitt deutlich besser als meine alten Klausuren – ohne dass ich auch nur eine Sekunde gelernt hatte.
Wie auch du deine Klausuren verbesserst, ohne zu lernen
Der gründliche Weg:
Wenn du Zeit hast, mache es genau wie ich. Schaue dir deine alten Klausuren ausführlich an. Lege gute und schlechte Klausuren nebeneinander und vergleiche. Dazu hilft es, wenn du dir beim Klausurenschreiben schon Notizen über den Ablauf und deine Arbeitsweise machst. Wie lange hast du für welchen Klausurschritt gebraucht? In welcher Reihenfolge hast du gearbeitet? Vergleiche aber insbesondere auch die jeweiligen Randbemerkungen der Korrektoren.
Die Analyse funktioniert natürlich umso besser, desto mehr Übungsklausuren du geschrieben hast. Wie du möglichst viele Übungsklausuren schreiben kannst, ohne dabei zu viel kostbare Lernzeit zu opfern, habe ich hier beschrieben.
Nachdem du deine persönlichen Schwächen und Probleme herausgearbeitet hast, erstelle dir deine eigene „Liste eiserner Klausurregeln“. Sieh dir am Besten vorher zur Anregung meine unten stehende Zusammenstellung an.
Der 5-Minuten-Weg:
Wenn dir das zu lange dauert, z.B. weil du morgen Examen schreibst, habe ich auch noch eine 5-Minuten-Lösung für dich. Im Folgenden habe ich meine persönliche „Liste eiserner Klausurregeln“ abgedruckt. Schau dir die Liste an und überlege, welche der Regeln auch dir helfen könnten. Nutze die copy&paste Funktion deines Computers um dir daraus deine eigene, verkürzte „Liste eiserner Klausurregeln“ zu erstellen. Lies deine neue Liste einmal gründlich durch und wende deine Regeln in der nächsten Klausur an. Diese Vorbereitung ist in 5 Minuten zu schaffen und kann deine Klausuren mehrere Punkte nach oben katapultieren!
Meine „Liste eiserner Klausurregeln“
- Ich fertige die Sachverhaltskizze auf meinem Schmierzettel nur sehr grob an. Dazu notiere ich alle wichtigen Ereignisse mit Datum, erläutere sie aber nicht näher. Stattdessen verweise ich auf die entsprechenden Blätter des Klausursachverhalts. Streitiges markiere ich in der Skizze farbig.
- Beim Ausformulieren des Tatbestands kalkuliere ich 2 Punkte Abzug wegen übermäßiger Kürzung ein, strebe sie bei langen Klausuren sogar an. [Dieser psychologische Trick eignet sich für alle, die den Tatbestand vor den Entscheidungsgründen schreiben, zu übertriebenem Tatbestandsperfektionismus neigen und denen dann am Ende Zeit für die rechtlichen Ausführungen fehlt]
- Ich definiere für Personennamen am Anfang der Klausur eine Abkürzung und schreibe den Namen dann nicht mehr aus. [Beispiel: „Eigentümerin des Grundstücks ist Frau Prof. Dr. Justine Justitia (im Folgenden: J).“]
- Unbekannte Normen lese ich langsam, gründlich, immer bis zu Ende und mindestens zwei Mal. Hier darf ich keine Zeit sparen, da in den unbekannten Normen regelmäßig der Clou der Klausur liegt.
- Ich achte auf Jahreszahlen.
- Ich gehe bei der Klausurlösung Schritt für Schritt vor, konzentriere mich immer auf das Problem, an dem ich gerade arbeite, und lasse mich nicht von der Unübersichtlichkeit der Klausurgesamtheit überwältigen.
- Wenn ich Probleme in der Zulässigkeit nicht auf Anhieb lösen kann, mache ich erst meine Lösungsskizze für die Begründetheit fertig und löse die Zulässigkeitsprobleme nur, wenn danach noch Zeit ist.
- Wenn mir etwas komisch vorkommt, ist es im Zweifel auch als Problem gedacht. Ich lasse mich dadurch nicht verunsichern, sondern freue mich, das Problem erkannt zu haben und nutze die Gelegenheit, um Argumentationsfähigkeiten zu zeigen.
- Wenn ich auf einen mir unbekannten Rechtsbegriff stoße und ich im Kommentar keine Erläuterung finde, erarbeite ich mir in der Klausur schulmäßig mit der juristischen Auslegungsmethodik eine Definition.
- Ich löse die Klausur erst komplett durch, und schreibe sie dann komplett herunter. Keinesfalls löse ich zuerst einen Teil der Klausur, wie z.B. die Zulässigkeit, formuliere ihn dann aus und löse erst danach den Rest der Klausur. Denn in letzterem Fall kann ich kein effektives Zeitmanagement gewährleisten.
- Ich löse aber lieber Teile der Klausur falsch oder „Randfragen“ wie Zinsen, Zulässigkeitsprobleme oder kleinere Zusatzansprüche gar nicht, als dass ich zu spät anfange zu schreiben. [Denn meine Klausuranalyse hat gezeigt, dass eine Klausur mit Lücken bei den „Randfragen“ und vereinzelten Fehlern, dafür aber guten Schwerpunkten, in der Regel besser bewertet wird als eine vollständige und richtige Klausur, bei der aus Zeitmangel keine Schwerpunkte gesetzt wurden.]
- Bevor ich nach dem Erstellen der Lösungsskizze anfange, die Klausur auszuformulieren, definiere ich Klausurschwerpunkte, an denen ich sauberen, unabgekürzten Urteils- bzw. Gutachtenstil verwenden werde. Dadurch zwinge ich mich zu einer sauberen Schwerpunktsetzung und vermeide den Vorwurf, auch wichtige Stellen nur oberflächlich bearbeitet zu haben.
- Bei Urteilen mache ich mir bewusst, dass ich das Urteil auch für den juristischen Laien schreibe. Dadurch verwende ich automatisch sauberen Urteilsstil, weil ich alles klar und verständlich erläutern möchte.
- Jede problematische Entscheidung begründe ich mit mindestens 2 Argumenten.
- Argumente gewinne ich nach Möglichkeit aus dem Sachverhalt.
- Von der Tendenz her setze ich in der Assessorklausur Schwerpunkte eher bei Subsumtionsfragen als bei reinen Rechtsfragen.
- Obersätze, Obersätze, Obersätze! Vor allem am Anfang der Klausur sind sie wichtig, um dem Korrektor zu zeigen, dass man das juristische Handwerkszeug beherrscht. Nur weil ich etwas selbstverständlich finde, heißt das nicht, dass der Korrektor es nicht lesen will.
- Ich arbeite immer mit Liebe zur Norm. (Ratschlag von RiOLG Marc Russack)
Hast du weitere Regeln zur Klausurbearbeitung, die in meiner Liste nicht auftauchen? Teile Sie uns bitte in den Kommentaren mit!
Dieser Artikel ist von Rechtsreferendar Lucas aus Hamburg. Wenn du dein Klausurentraining so effektiv wie möglich gestalten willst, lade dir seinen kostenlosen Übungsklausurenplaner für die Assessorklausuren herunter.