Kürzlich ist die jüngste Entscheidung des VGH Kassel (8 C 2134/11.T) zum Vereinsverbot des Hells Angels MC Charter Westend (Frankfurt am Main) im Volltext veröffentlicht worden. Wir haben in der Vergangenheit bereits mehrmals zum Themenkomplex „Vereinsverbot“ berichtet (hier und hier). Die nun vorliegende Entscheidung des VGH gibt Anlass Grundkenntnisse zum Thema weiter zu vertiefen.
A. Sachverhalt
Der Sachverhalt ist in seinen Grundzügen schnell zusammengefasst. Der MC Charter Westend – ein nicht rechtsfähiger Verein – wendet sich gegen ein durch Verfügung des hessischen Innenministeriums im September 2011 ausgesprochenes Vereinsverbot. Gegenstand der Verfügung waren – neben dem Vereinsverbot – dessen Auflösung und, weitere Verbote betreffend, u.a. die Verbreitung und öffentliche Verwendung der Kennzeichen des Vereins sowie die Beschlagnahme und Einziehung des Vereinsvermögens. Zur Begründung wurde festgestellt (und näher ausgeführt), Zweck und Tätigkeit des verbotenen Vereins liefen den Strafgesetzen zuwider (§ 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG). Eine Anhörung vor Erlass der Verfügung hatte nicht stattgefunden.
B. Rechtliche Würdigung
I. Zulässigkeit
Im Rahmen der Zulässigkeit spricht das Gericht folgende Gesichtspunkte an (da es sich bei der Klägerin um einen nicht rechtsfähigen Verein handelt, der zudem durch die Verfügung auch aufgelöst wurde, sollte man zu diesen Themen auch in einer Klausurkonstellation (kurz) etwas sagen können):
1. Statthafte Klageart
Statthafte Klageart gegen die als Verwaltungsakt (§ 35 VwVfG) einzuordnende Verbotsverfügung des Innenministeriums ist die Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 1. Alt. VwGO).
2. Klagebefugnis
Die Klagebefugnis des Vereins wird durch seine Auflösung nicht beeinträchtigt. Nach der Rechtsprechung muss dem Verein, auch wenn er aufgelöst ist, eine auf die Rechtsverteidigung im Anfechtungsverfahren beschränkte Rechtsstellung – und damit korrespondierende Klagebefugnis – verbleiben (siehe dazu Rz. 29 der Entscheidungsgründe aber auch BVerfGE 13, 174, 175).
3. Beteiligten- und Prozessfähigkeit
Die Beteiligtenfähigkeit des MC Charter Westend folgt aus § 61 Nr. 2 VwGO. Danach sind Vereinigungen fähig am Verfahren beteiligt zu sein, soweit ihnen ein Recht zustehen kann. Da das BVerwG das Vorliegen einer Vereinigung in diesem Sinne bereits annimmt, wenn ein Mindestmaß an Organisation vorliegt (siehe etwa BVerwG, NVwZ 2004, 887), können nicht rechtsfähige Vereine, weil sie etwa über eine Satzung und ähnliche organisatorische Regelwerke verfügen, typischerweise Beteiligte eines Verwaltungsprozesses sein.
Die Prozessfähigkeit richtet sich nach § 62 VwGO. Für Vereinigungen handeln die gesetzlichen Vertreter (§ 62 Abs. 3 VwGO), im Fall des MS Charter Westend also dessen Vorstand.
II. Begründetheit
Die Klage ist begründet, soweit die Verbotsverfügung rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Ermächtigungsgrundlage: Art. 9 Abs. 2 GG iVm § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG
Ermächtigungsgrundlage für die Verfügung des Innenministeriums ist Art. 9 Abs. 2 GG iVm § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG.
[Anmerkung zum Hintergrund: An dieser Stelle ist es besonders wichtig, sich das Verhältnis von Art. 9 Abs. 2 GG und §§ 3 ff. VereinsG zu verdeutlichen. Aus dem Wortlaut des Art. 9 Abs. 2 GG, wonach Vereine, die einen der dort bezeichneten Verbotstatbestände verwirklichen, verboten „sind“ wurde in der Zeit nach Erlass des Grundgesetzes gefolgert, das Vereinsverbot trete kraft Gesetzes ein und jede Behörde könne die sich daraus ergebenden Folgerungen selbst ziehen. Aus Gründen der Rechtssicherheit und der Rechtsklarheit (Art. 20 Abs. 3 GG) schloss sich das BVerwG aber schon bald einer Auffassung in der Literatur an, die eine konstitutive Entscheidung einer zuständigen Behörde zur Feststellung des Verbots im Einzelfall verlangte (BVerwGE 4, 188, 189 f.). Es entspricht deshalb der heute einhelligen Meinung, dass die §§ 3 ff. VereinsG das in Art. 9 Abs. 2 GG vorgesehene Vereinsverbot ausgestalten und die insoweit zuständige Behörde das Verbot durch Verfügung feststellen muss (siehe etwa Scholz, in Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 67. Ergänzungslieferung 2013, Art. 9 GG, Rn. 132).]
2. Formelle Rechtmäßigkeit
a) Zuständigkeit
Es müsste – mit dem hessischen Innenministerium – die zuständige Behörde gehandelt haben.
Als Verbotsbehörden kommen in Betracht:
- die oberste Landesbehörde (oder eine andere nach Landesrecht ausdrücklich zuständige Behörde), wenn sich die Tätigkeit des Vereins auf das Gebiet eines Bundeslandes beschränkt (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VereinsG);
- der Bundesinnenminister, wenn sich die Tätigkeit des Vereins über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt (§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VereinsG).
Da sich die Tätigkeit des MC Charter Westend auf das Gebiet des Landes Hessen beschränkte, war das hessische Innenministerium als oberste Landesbehörde zuständig.
b) Verfahren
Auch im Rahmen des Verfahrens nach §§ 3 ff. VereinsG ist grundsätzlich vor Erlass der Verbotsverfügung eine Anhörung des Adressaten erforderlich (§ 28 Abs. 1 VwVfG).
Eine Anhörung hat im vorliegenden Fall unstreitig nicht stattgefunden. Möglicherweise konnte das Innenministerium davon aber nach Maßgabe des § 28 Abs. 2 VwVfG absehen. Danach ist die Anhörung ausnahmsweise entbehrlich, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist, insbesondere wenn eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint (§ 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG).
In Fällen, die ein Vereinsverbot betreffen, wird regelmäßig keine Anhörung erfolgen, wenn mit dem Vereinsverbot auch eine Beschlagnahme von Vereinsvermögen verbunden werden soll. Diese Beschlagnahme könnte nämlich durch den sog. Ankündigungseffekt einer Anhörung vereitelt werden. Man sollte deshalb die Rechtsprechung zu dieser Fallgestaltung kennen. Der VGH Kassel führt dazu (mwN) aus:
Der Beklagte hat sich in seiner Verfügung insoweit auf einen unerwünschten „Ankündigungseffekt“ einer behördlichen Anhörung bezogen, der es dem Kläger ermöglicht hätte „Vermögen und Beweismittel dem behördlichen Zugriff zu entziehen“, und damit ein wirksames Vorgehen gegen den Verein beeinträchtigt oder unmöglich gemacht hätte. Dieser Aspekt stellt einen nachvollziehbaren Gesichtspunkt dar, unter dem gemäß § 28 Abs. 2 Nr. 1 HVwVfG im öffentlichen Interesse auf eine Anhörung verzichtet werden durfte, selbst wenn ein mögliches Verbot des klägerischen Vereins schon einige Zeit vorher in der öffentlichen Diskussion gefordert oder erwogen worden war.
Eine Anhörung war demnach im vorliegenden Fall entbehrlich.
c) Form
Besondere Formvorschriften enthält § 3 Abs. 4 VereinsG (insb. Schriftform, Begründung, Zustellung).
3. Materielle Rechtmäßigkeit
Die Verbotsverfügung ist materiell rechtmäßig, wenn der Zweck und die Tätigkeit des Vereins den Strafgesetzen zuwider laufen (§ 3 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. VereinsG). Die Strafrechtswidrigkeit ist der traditionelle Vereinsverbotstatbestand (Groh, Vereinsgesetz, § 3 Rn. 7). Sie wird bejaht, wenn Mitglieder und Funktionsträger des verbotenen Vereins in einer dem Verein zurechenbaren und ihn prägenden Weise gegen Straftatbestände verstoßen haben (Rz. 41 der Entscheidungsgründe).
Im Folgenden sollen die wesentlichen Erwägungen des Gerichts soweit dargestellt werden, wie sie in einer Prüfungssituation bekannt sein sollten. Wer sich für die tatsächlichen Hintergründe im Detail interessiert, dem sei die Lektüre der Originalentscheidung dringend empfohlen.
[Anmerkung zum Hintergrund: Der VGH stellt in den Entscheidungsgründen immer wieder auf den prägenden Charakter von Straftaten der Vereinsmitglieder ab. Dies ist erforderlich, weil der Verein selbst nach allgemeinen Grundsätzen nicht straffähig ist, dies können nämlich wegen der insoweit erforderlichen Schuldzurechnungsfähigkeit nur natürliche Personen sein (die verbandsrechtliche Strafbarkeit wird rechtspolitisch in Deutschland regelmäßig unter dem Stichwort des „Unternehmensstrafrechts“ diskutiert, siehe dazu etwa kürzlich den Beitrag des nordrhein-westfälischen Justizministers Thomas Kutschaty in der Zeitschrift für Rechtspolitik (ZRP) 2013, Seite 74). Durch das Handeln seiner Mitglieder kann der Verein aber nach Ansicht der Rechtsprechung einen vom einzelnen Mitglied losgelösten Gruppenwillen mit eigener Zweckrichtung entwickeln, der, wenn er auf strafrechtliche Verstöße gerichtet ist, den Verbotstatbestand erfüllen kann (siehe dazu Rz. 42 der Entscheidungsgründe).]
Auf einer ersten Stufe bedarf es nun der Feststellung von Straftaten einzelner Vereinsmitglieder. Diese müssten dem Verein dann auf einer zweiten Stufe für Zwecke des Verbots nach § 3 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. VereinsG zuzurechnen sein.
a) Straftaten einzelner Vereinsmitglieder
Für die Beurteilung strafrechtlich relevanter Verhaltensweisen gilt im Rahmen des Vereinsrechts ein besonderer Maßstab. Die Verbotsbehörden und das Verwaltungsgericht prüfen nämlich die Strafgesetzwidrigkeit in eigener Kompetenz. Insbesondere bedarf es keiner dem Verbot nach § 3 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. VereinsG vorausgehenden strafrichterlichen Verurteilung einzelner Mitglieder. Auf dieser Grundlage würdigt der VGH im Rahmen der Entscheidungsgründe verschiedene Straftaten von Vereinsmitgliedern, namentlich ein Tötungsdelikt, eine damit in Zusammenhang gebrachte Strafvereitelung, die Beteiligung an einem Drogendelikt (1,3 Kg Kokain) und mindestens ein weiteres versuchtes Tötungsdelikt.
b) Zurechnung
Die Zurechenbarkeit der genannten Verhaltensweisen stützt das Gericht im Wesentlichen auf folgende Erwägungen:
- Die Außenwirkung des Verhaltens der Vereinsmitglieder:
Die Strafgesetzwidrigkeit einer Vereinigung ist auch dann gegeben, wenn deren Mitglieder zwar spontan und aufgrund eines eigenen Entschlusses Straftaten begehen, dabei aber immer wieder geschlossen als Vereinigung auftreten, so dass sich die Straftaten nach außen als Vereinsaktivitäten darstellen und die Vereinigung diesen Umstand kennt und billigt oder jedenfalls widerspruchslos hinnimmt.
Hierzu führt das Gericht am Ende der Entscheidungsgründe noch Folgendes aus:
Auch die auf Seite 9 der Verbotsverfügung zutreffend beschriebenen Straftaten des Members M… haben einen Zurechnungszusammenhang zum Kläger, weil M… bei Begehung der Taten durch Tragen seiner „Kutte“ als Mitglied des Klägers erkennbar war. Verbotsrelevant ist insbesondere das mit Urteil des Amtsgerichts Bruchsal vom 21. April 2005 – 7 Ds 600 Js 30334/05 AK 10/06 – (a.a.O., Bl. 182 ff.) geahndete Vergehen nach dem Waffengesetz, weil der Kläger den bei ihm sichergestellten Revolver und die dazu gehörende Munition in Begleitung des Vizepräsidenten und dreier weiterer Mitglieder des Klägers anlässlich einer gemeinsam unternommenen Motorradfahrt verbotswidrig bei sich trug.
- Die Billigung des Fehlverhaltens seiner Mitglieder durch den Verein:
Der Vereinigung zurechenbar sind ferner solche strafbaren Verhaltensweisen der Vereinsmitglieder, die die Vereinigung deckt, indem sie ihren Mitgliedern durch eigene Hilfestellung oder von ihr veranlasste Hilfe anderer Personen Rückhalt bietet und dadurch straffällig gewordenen Mitgliedern den Eindruck vermittelt, ihr Fehlverhalten sei von der Vereinigung und insbesondere von deren Führungspersonal gewünscht oder gebilligt. (…) Das Vorliegen einer derartigen, von der Vereinigung ihren Mitgliedern zugedachten Hilfestellung bestimmt sich nicht nach strafrechtlichen Deliktskategorien wie Teilnahme oder Begünstigung, die für eine Vereinigung mangels Straffähigkeit nicht relevant sein können. Es genügt vielmehr, dass vereinsintern den Mitgliedern oder nach außen der Öffentlichkeit, insbesondere den Opfern der Straftaten gegenüber, zum Ausdruck gebracht wird, die Vereinigung gewähre nach den Straftaten ihren straffällig gewordenen Mitgliedern jederzeit den erwarteten Schutz.
Im vorliegenden Fall kommt diesem Kriterium besondere Bedeutung zu:
Zahlreiche Indizien sprechen dafür, dass der Kläger im Hinblick auf die hohe Kriminalitätsrate seiner Mitglieder und in Erwartung weiterer aus ihren Reihen begangener Straftaten eine Infrastruktur aufgebaut hatte, um diese Mitglieder vor strafrechtlicher Verfolgung ihrer Taten zu schützen, im Fall einer Inhaftierung durch regelmäßige, systematische Besuche die Freiheitsentziehung erträglicher zu machen und dadurch nicht nur den Inhaftierten, sondern auch den übrigen Mitgliedern deutlich zu machen, dass sie ohne Rücksicht auf Art und Schwere ihrer Straftaten mit einer nahezu bedingungslosen Solidarität ihres Charters rechnen konnten, wie sich insbesondere am Beispiel des wegen vollendeten Totschlags bestraften Mitglieds I gezeigt hat.
Den Einwand, es handele sich bei diesen Unterstützungsmaßnahmen um „Akte legitimer Solidarität zwischen Freunden“, erteilt das Gericht eine klare Absage. Auf mehreren Seiten wird dargelegt, wie nach Ansicht des Gerichts die Billigung des Verhaltens eines wegen Totschlags inhaftierten Mitglieds durch systematische Besuche in der JVA, die überproportionale Beteiligung des Vereinspräsidenten daran und die Fotomontage eines Gruppenfotos, zum Ausdruck gebracht wurde.
- Die in dem Verhalten zum Ausdruck kommende Selbstbehauptung gegenüber konkurrierenden Organisationen.
Zu einer insoweit grundsätzlich zu berücksichtigenden Auseinandersetzung mit einer potentiell konkurrierenden Gruppierung nimmt das Gericht aus verfahrenstechnischen Gründen allerdings keine Stellung (dazu Rz. 55 ff. der Entscheidungsgründe).
Im Ergebnis folgt aus der Zurechnung des strafrechtswidrigen Verhaltens seiner Mitglieder nach Ansicht des VGH Kassel die Strafgesetzwidrigkeit des MS Charter Westend.
c) Rechtsfolgenseite
Auf entsprechendeEinwände des Vereins hin stellt der VGH – unter Verweis auf die Rechtsprechung des BVerwG klar, dass § 3 Abs. 1 VereinsG der Verbotsbehörde auf der Rechtfolgenseite weder ein Ermessen einräumt noch Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkte eine Rolle spielen:
Die Verbotsverfügung hat nicht die Funktion zu erfüllen, der Verbotsbehörde auf Rechtsfolgenseite der Norm die Ausübung von Ermessen unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu ermöglichen. Sie dient vielmehr – jedenfalls in der Regel – allein dazu, aus Gründen der Rechtssicherheit klarzustellen, dass eine Vereinigung einen oder mehrere Verbotsgründe erfüllt, und durch die entsprechende Feststellung die gesetzlich vorgesehene Sperre für ein Vorgehen gegen den Verein aufzuheben. Den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist deshalb bereits auf der Tatbestandsseite der Norm bei der Prüfung Rechnung zu tragen, ob die Voraussetzungen des Verbotsgrundes vorliegen (Urteile vom 19. Dezember 2012 – BVerwG 6 A 6.11 – Rn. 56). Dass und warum hier eine Ausnahme von diesem Grundsatz in Betracht zu ziehen wäre, ist weder vom Kläger dargetan noch ersichtlich.
Das auf § 3 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. VereinsG gestützte Vereinsverbot ist damit rechtmäßig.
Die Anfechtungsklage ist folglich unbegründet.
Fazit
Vereinsverbote haben in der jüngeren Vergangenheit vermehrt Aufsehen erregt (wir hatten berichtet). Zumindest § 3 VereinsG sollte deshalb in seinen Grundzügen bekannt sein. Regelmäßig kommt es darauf an. Für den Verbotstatbestand der Strafgesetzwidrigkeit folgt die Prüfung einem Zweischritt. Zunächst bedarf es der Untersuchung strafrechtlich relevanter Verhaltensweisen einzelner Vereinsmitglieder. Dabei muss eine strafrichterliche Verurteilung noch nicht zwingend vorliegen. In einem zweiten Schritt ist zu untersuchen, ob das gefundene Fehlverhalten dem Verein zugerechnet werden kann. Der VGH Kassel prüft dabei, ob das Verhalten der Mitglieder eine den Verein prägende Wirkung entfaltet. Dabei fällt besonders ins Gewicht, ob sich strafgesetzwidriges Verhalten nach außen als Verhalten des Vereins darstellt und wie sich der Verein, vor allem auch in Person seiner Mitglieder in Leitungsfunktionen, zu dem Fehlverhalten seiner Mitglieder positioniert, namentlich ob er dieses unterstützt und billigt oder sich – etwa durch Ausschluss der betreffenden Mitglieder – davon distanziert.
Nicht erforderlich – darauf sei noch hingewiesen – ist zudem, dass die Strafgesetzwidrigkeit den Hauptzweck des Vereins (und schon gar nicht seinen satzungsmäßigen Zweck) ausmacht.
Ein Katalog, der in einer Prüfungssituation zur Orientierung herangezogen werden kann, findet sich übrigens in § 3 Abs. 5 VereinsG. Eine Einschränkung oder Erweiterung der – auch vom VGH dargestellten – Kriterien der Rechtsprechung bewirkt dieser Katalog nicht. Ausweislich der Gesetzesbegründung handelt es sich nur um die Schließung einer Regelungslücke im Hinblick auf die Zurechnung des Verhaltens der Vereinsmitglieder, die ihrerseits aber wieder auslegungsbedürftig ist, siehe BT-Drucks. 12/6853, Seite 45.]
Die gerichtliche Zuständigkeit des VGH Kassel in erster Instanz ergibt sich im Übrigen aus § 48 Abs. 2 VwGO.