In Zeiten wachsender Staatsverschuldung und stetig steigenden Finanzbedarfs versucht der Staat seine finanziellen Begehrlichkeiten zunehmend durch die Einführung neuer Abgaben zu stillen. Die Finanzierungssonderabgabe ist im Laufe der Jahre trotz vehementer Kritik aus dem Schrifttum zu einem festen Bestandteil unserer Verfassungswirklichkeit geworden. Die vielseitigen Ausgestaltungs- und Zwecksetzungsmöglichkeiten haben die Sonderabgabe zu einer fiskalischen Allzweckwaffe des Gesetzgebers werden lassen. Auch wenn sich dieses Thema nicht unbedingt in den Kanon hochgradig examensrelevanter Themen einreiht, so ist es dennoch, gerade für Studenten mit öffentlich-rechtlichem Schwerpunkt, nicht schädlich sich mit den (finanz)verfassungsrechtlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen dieser Abgabenart auseinandergesetzt zu haben. Im Folgenden werden zunächst die Gesichtspunkte dargestellt, die aus verfassungsrechtlicher Sicht Bedenken gegenüber dem Finanzierungsmittel der Sonderabgabe aufwerfen (I.), sodann wird die Finanzierungssonderabgabe von den anderen gängigen Abgabenarten, namentlich Steuer, Gebühr und Beitrag, abgegrenzt (II.). Im Anschluss daran werden die vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Zulässigkeitsvoraussetzungen aufgezeigt (III.).
I. Verfassungsrechtlich bedenkliche Gesichtspunkte im Hinblick auf Finanzierungssonderabgaben
1. Ordnungsfunktion der Finanzverfassung
Die verfassungsrechtliche Relevanz von Sonderabgaben mit Finanzierungsfunktion ergibt sich zunächst aus der Tatsache, dass sie sich in gesetzgebungskompetenzrechtlicher Hinsicht außerhalb der Regelungen der Art. 104a ff. GG bewegen. Die grundgesetzliche Finanzverfassung regelt die bundesstaatliche Verteilung der Gesetzgebungs-, Ertrags- und Verwaltungskompetenzen im Wesentlichen allein für das Finanzierungsmittel der Steuer, was jedoch die Erhebung nichtsteuerlicher Abgaben nicht ausschließt. Die Gesetzgebungskompetenz für die Erhebung von Sonderabgaben folgt aus der jeweiligen Sachgesetzgebungskompetenz (Art. 70 ff. GG). Die verfassungsrechtliche Brisanz ergibt sich hierbei aus der Gefahr, dass die finanzverfassungsrechtlichen Normen ihren Sinn und ihre Funktion verlören, wenn der Gesetzgeber unter Rekurs auf die Sachgesetzgebungskompetenzen nach seinem Belieben nichtsteuerliche Abgaben erheben könnte und dabei die finanzverfassungsrechtlichen Verteilungsregeln umgeht. Zudem hätte der Staat damit auch eine weitere Zugriffsmöglichkeit auf das nicht endlose Vermögen seiner Bürger. Insoweit spricht das Bundesverfassungsgericht zu Recht von der grundrechtssichernden Funktion der verfassungsrechtlichen Kompetenzordnung.
2. Vollständigkeit des Haushaltsplans und das parlamentarische Budgetrecht
Zu den verfassungsrechtlichen Budgetgrundsätzen gehören vor allem die Grundsätze der Vollständigkeit und der Einheitlichkeit des Haushaltsplans. Das Prinzip der Vollständigkeit des Haushaltsplans soll vor allem die parlamentarische Entscheidungs- und Kontrollhoheit über alle staatlichen Einnahmen sichern und die Distanz zwischen Finanzier und parlamentarischer Verwendungsentscheidung des Finanzaufkommens gewährleisten. Die besondere Zweckbindung von Sonderabgaben hat zur Folge, dass die dadurch gewonnenen Finanzressourcen außerhalb des Haushaltsplans bleiben und sich damit als „haushaltsflüchtige“ Abgaben der periodische wiederkehrenden Kontrolle durch das Parlament entziehen.
3. Die Belastungsgleichheit der Abgabepflichtigen
Verfassungsrechtliche Bedenken rufen Finanzierungssonderabgaben auch in Bezug auf das Erfordernis der Belastungsgleichheit hervor. Das Erfordernis der Belastungsgleichheit findet seinen dogmatischen Ursprung im Grundsatz der Leistungsfähigkeit, dem Hauptprinzip bei der Erhebung von Steuern. Der Abgabenschuldner einer Sonderabgabe ist regelmäßig auch steuerpflichtig und wird damit schon zur Finanzierung der Gemeinlast herangezogen. Daher bedarf die darüber hinausgehende nichtsteuerliche Inanspruchnahme, die dem Einzelnen eine weitere finanzielle Last aufbürdet, einer besonderen sachlichen Rechtfertigung.
II. Abgrenzung zum Steuer-, Gebühren- und Beitragsbegriff
Da eine abschließende positive Definition des Sonderabgabenbegriffs bislang nicht gelungen ist, konkretisiert das Bundesverfassungsgericht den materiellen Gehalt von Sonderabgaben, indem es Sonderabgaben von den üblichen Instrumenten des Abgabenrechts, namentlich der Steuer, der Gebühr und dem Beitrag, abzugrenzen versucht. Danach liegt eine Sonderabgabe regelmäßig dann vor, wenn es sich bei der jeweiligen Abgabe weder um eine Steuer, Gebühr oder einen Beitrag handelt. Der Rückgriff auf einen Sachgesetzgebungstitel der Art. 70 ff. GG ist nämlich nur dann zulässig, wenn es sich bei der Abgabe nicht um eine Steuer handelt. Die Abgrenzung stellt dabei im Rahmen der bundesverfassungsgerichtlichen Überprüfung den ersten Prüfungsschritt dar. Die Prüfung der eigentlichen Zulässigkeitskriterien folgt dabei in einem zweiten Schritt.
1. Der Steuerbegriff
Der verfassungsrechtliche Steuerbegriff wird im Grundgesetz nicht explizit konkretisiert, vielmehr knüpft der Steuerbegriff des Grundgesetzes an die Begriffselemente des allgemeinen Abgabenrechts an (vgl. die Legaldefinition aus § 3 AO). Maßgeblich ist hierbei, dass Steuern zur Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs eines öffentlichen Gemeinwesens gegenleistungsfrei erhoben werden. Sonderabgaben dienen demgegenüber der Finanzierung eines besonderen Finanzbedarfs, welchen der Gesetzgeber tatbestandlich als Sonderlast ausweisen muss um ihn so der Finanzierungsverantwortung einer bestimmten Gruppe zuzuordnen. Entscheidend ist also, dass Sonderabgaben zu einem über die bloße Finanzmittelbeschaffung hinausgehenden Zweck erhoben werden. Des Weiteren zieht das Bundesverfassungsgericht das Kriterium des Haushaltszuflusses zur Abgrenzung von Steuern und Sonderabgaben heran. Fließt das Finanzaufkommen der jeweiligen Abgabe nicht in den allgemeinen Haushalt, sondern in einen Sonderfond, so geht das Bundesverfassungsgericht regelmäßig davon aus, dass es sich um eine nichtsteuerliche Sonderabgabe handelt, obwohl es einst ausdrücklich anmerkte, dass die haushaltsmäßige Behandlung einer Abgabe keinen Einfluss auf deren rechtliche Qualifikation habe.
2. Der Gebührenbegriff
Gebühren gehören ebenso wie Beiträge zu den traditionellen Abgabenarten, die im Gegensatz zur Steuer nicht „voraussetzungslos“, sondern als Gegenleistung für eine staatliche Leistung erhoben werden. Wesentliches Unterscheidungsmerkmal der Sonderabgaben von Gebühren und Beiträgen ist die Gegenleistungsfreiheit der Steuer und die Inanspruchnahme der Gesamtheit einer abgabepflichtigen Gruppe, unabhängig davon, ob eine konkrete oder potentielle Inanspruchnahme staatlicher Leistungen stattgefunden hat. Gebühren zeichnen sich also dadurch aus, dass sie zu individuell zuordenbaren Sondervorteilen führen, die wiederum Behördenkosten nach sich ziehen, die es mit Hilfe einer Gebühr auszugleichen gilt.
3. Der Beitragsbegriff
Beiträge werden für die potentielle Inanspruchnahme einer staatlichen Leistung oder Einrichtung erhoben, um die Interessenten an den Kosten einer öffentlichen Einrichtung zu beteiligen. Anders als bei Gebühren kommt es also nicht auf die tatsächliche Inanspruchnahme einer staatlichen Leistung an. Maßgeblich ist vielmehr die potentielle Möglichkeit der Nutzung eines staatlich vermittelten Sondervorteils.
III. Verfassungsrechtliche Zulässigkeitsvoraussetzungen von Sonderabgaben mit Finanzierungsfunktion
Die heute maßgeblichen Zulässigkeitskriterien für Finanzierungssonderabgaben hat das Bundesverfassungsgericht erstmals im Jahre 1980 in seiner Entscheidung über die Berufsausbildungsabgabe (vgl. BVerfGE 55, 275 (309 ff.)) herausgearbeitet und im Laufe der Jahre weiterentwickelt. Maßgebend waren dabei der Aspekt des Schutzes der grundgesetzlichen Finanzverfassung, das Prinzip des Steuerstaates sowie der Individualschutz der Abgabepflichtigen.
1. Verfolgung eines Sachzwecks
Damit sich der Abgabengesetzgeber auf eine spezifische Sachgesetzgebungskompetenz stützen kann muss mit der Sonderabgabe ein Sachzweck verfolgt werden, der einem der in Art. 70 ff. GG genannten Sachtitel zugeordnet werden kann. Nach Lesart des Bundesverfassungsgerichts darf der Gesetzgeber sich des Finanzierungsinstruments der Sonderabgabe nur zur Verfolgung eines Sachzwecks bedienen, der über die bloße Mittelbeschaffung hinausgeht.
2. Gruppenhomogenität der Abgabepflichtigen
Eine gesellschaftliche Gruppe darf nur dann mit einer Sonderabgabe belastet werden, wenn sie hinsichtlich des mit der Abgabe verfolgten Zweckes durch eine gemeinsame, in der Rechtsordnung oder gesellschaftlichen Wirklichkeit vorgegebene Interessenlage oder durch gemeinsame Merkmale von der Allgemeinheit bzw. anderen Gruppen abgrenzbar ist. Eine besondere Rolle spielt dabei die Frage, ob die Abgabepflichtigen bei der Ausübung ihrer (wirtschaftlichen) Tätigkeit den gleichen gesetzlichen Regelungswerken unterworfen sind. Dabei greift das Bundesverfassungsgericht in jüngster Zeit auch europarechtliche Gesichtspunkte auf, indem es darauf verweist, dass die jeweils abgabepflichtige Gruppe von der europäischen Rechtsordnung als Gruppen vorstrukturiert ist.
3. Sachnähe der Abgabepflichtigen zum Abgabezweck
Die Erhebung einer Finanzierungssonderabgabe setzt außerdem eine spezifische Sachnähe der belasteten Gruppe zum mit der Abgabe verfolgten Zweck voraus. Die Gruppe der Abgabepflichtigen muss also dem mit der Sonderabgabe verfolgten Zweck evident näher stehen als jede andere Gruppe oder die Allgemeinheit der Steuerzahler.
4. Besondere Finanzierungsverantwortung
Aus der besonderen Sachnähe der belasteten Gruppe muss sich zudem eine besondere Finanzierungsverantwortung der Abgabepflichtigen hinsichtlich der mit der Abgabe zu finanzierenden Aufgabe ergeben. Dabei greift das Bundesverfassungsgericht regelmäßig den Verursachergedanken auf, wonach es erforderlich ist, dass die belastete Gruppe einen bestimmten Bedarf staatlichen Tätigwerdens zu verantworten haben muss.
5. Gruppennützige Verwendung des Abgabenaufkommens
Eine weitere verfassungsrechtliche Zulässigkeitsvoraussetzung für Finanzierungssonderabgaben ist die gruppennützige Verwendung des durch die Sonderabgabe erzielten Finanzaufkommens. Danach muss das Abgabenaufkommen zumindest mittelbar im Interesse der Gesamtgruppe der Abgabepflichtigen verwendet werden.
6. Haushaltsrechtliche Dokumentationspflicht
Die hinsichtlich der Budgetflüchtigkeit von Sonderabgaben bestehenden verfassungsrechtlichen Bedenken hat das Bundesverfassungsgericht in seiner neueren Rechtsprechung, mit Blick auf die stetig wachsende Sonderabgabengesetzgebung des Bundes und der Länder, durch das Erfordernis einer haushaltsrechtlichen Informationspflicht entschärft. Zum Schutze des parlamentarischen Budgetrechts sind Sonderabgaben in einer dem Haushaltsplan beigefügten Anlage zu dokumentieren um sicherzustellen, dass es keine der parlamentarischen Kontrolle entzogenen „schwarzen Kassen“ der Exekutive gibt.
7. Überprüfungspflicht des Gesetzgebers
Schließlich muss der jeweilige Sonderabgabengesetzgeber in angemessenen Zeitabständen überprüfen, ob seine Entscheidung für den Einsatz des Finanzierungsinstruments Sonderabgabe wegen veränderter Umstände aufzuheben oder zu ändern ist. Hintergrund dieses Zulässigkeitskriteriums ist der vom Bundesverfassungsgericht in älteren Entscheidungen oftmals zitierte Grundsatz wonach die Sonderabgabe im Vergleich zur Steuer eine „seltene Ausnahme“ bleiben soll.
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