Wer das juristische Studium erfolgreich absolvieren will, muss Zusammenhänge verstehen und auch für Unbekanntes praktikable Lösungsansätze entwickeln können. Bloßes Auswendiglernen führt nicht zum Ziel. Trotzdem gilt, dass einige wesentliche Begrifflichkeiten in fast jedem Rechtsgebiet bekannt sein sollten – nicht zuletzt, um in der Klausur wertvolle Zeit einzusparen. Der Grundrechtskatalog umfasst eine überschaubare Anzahl an Begriffen, die jeder ambitionierte Student und Examenskandidat im Handumdrehen definieren können sollte. Die nachstehende Auflistung enthält diejenigen Definitionen, die für die Grundrechtsklausur notwendig sind. Wer diese beherrscht, ist für den Ernstfall bestens gewappnet:
(1) Eingriff
Nach dem sog. klassischen Eingriffsverständnis ist ein Eingriff jeder staatliche Akt, der final und unmittelbar die Rechtssphäre des Bürgers verkürzt und mit Befehl und Zwang durchsetzbar ist. Nach dem sog. modernen Eingriffsbegriff ist ein Eingriff bereits jedes staatliche Handeln, das dem Einzelnen ein Verhalten, das in den Schutzbereich eines Grundrechts fällt, ganz oder teilweise unmöglich macht.
(2) Geeignetheit
Geeignet ist eine Maßnahme, wenn sie zur Erreichung des verfolgten Zwecks dienlich bzw. förderlich sein kann.
(3)Erforderlichkeit
Erforderlich ist eine Maßnahme, wenn es keine milderen, den Bürger weniger belastende Mittel gibt, die zur Erreichung des verfolgten Zwecks gleich geeignet sind.
(4) Angemessenheit
Angemessen ist eine Maßnahme, wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht und der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt bleibt.
(5) Verfassungsmäßige Ordnung
Verfassungsmäßige Ordnung i.S.v. Art 2 Abs. 1 GG meint alle Rechtsnormen, die formell und materiell mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Beachte: Der Begriff findet sich auch in Art. 9 Abs. 2 GG und Art. 20 Abs. 3 GG und hat in diesen Zusammenhängen andere Bedeutung!
(6) Glaube
Die Auffassung über die Stellung des Menschen in der Welt und seine Beziehung zu höheren Mächten und tieferen Seinsschichten.
(7) Gewissen
Der Begriff meint jede ernste und sittliche, an den Kategorien „Gut“ und „Böse“ orientiere Entscheidung, die der Einzelne in einer bestimmten Lage als für sich bindend und unbedingt verpflichtend innerlich erfährt, sodass er gegen diese nicht ohne ernste Gewissensnot handeln könnte.
(8) Wissenschaft
Jeder ernsthafte, auf einem gewissen Kenntnisstand aufbauende Versuch zur Ermittlung der wahren Erkenntnisse durch methodisch geordnetes und kritisch reflektierendes Denken.
(9) Formeller Kunstbegriff
Danach sind Kunst nur solche Tätigkeiten, die einer traditionellen Kunstform zuzuordnen sind (Malerei, Theater, Dichtung etc.).
(10) Materieller Kunstbegriff
Kunst liegt vor, wenn das Werk das geformte Ergebnis einer freien, schöpferischen Gestaltung ist, in dem der Künstler seine Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse in einer bestimmten Formensprache zu unmittelbarer Anschauung bringt und das auf kommunikative Sinnvermittlung nach Außen gerichtet ist.
(11) Offener Kunstbegriff
Ein Kunstwerk liegt vor, wenn das Werk interpretationsfähig und -bedürftig sowie vielfältigen
Interpretationen zugänglich ist.
(12) Meinung
Meinung ist jedes Werturteil, das durch Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder des Meinens geprägt ist.
(13) Tatsache
Tatsachen sind dem Beweis zugängliche Zustände oder Ereignisse. Der Wahrheitsgehalt der Äußerung steht bei der Tatsachenbehauptung im Vordergrund.
(14) Allgemeine Gesetze
Hierunter fallen alle Gesetze, die sich nicht gegen die Meinungsfreiheit oder die Freiheit von Presse und Rundfunk an sich oder gegen die Äußerung einer bestimmten Meinung richten, sondern vielmehr dem Schutz eines schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung, zu schützenden Rechtsguts dienen, welches in der Rechtsordnung allgemein geschützt wird.
(15) Presse
Der Begriff meint alle Druckerzeugnisse, die unabhängig von der Anzahl ihrer Vervielfältigung zur allgemeinen Verbreitung geeignet und bestimmt sind (Bücher, Zeitungen, Zeitschriften o.ä.).
(16) Rundfunk
Rundfunk meint jede an eine unbestimmte Vielzahl von Personen gerichtete, drahtlose oder drahtgebundene Übermittlung von Gedankeninhalten im Wege elektrischer Schwingungen.
(17) Enger Versammlungsbegriff
Nach dem engen Versammlungsbegriff, den das BVerfG vertritt, ist eine Versammlung eine örtliche Zusammenkunft mehrerer Personen zwecks gemeinschaftlicher Erörterung und Kundgebung mit dem Ziel der Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung.
(18) Erweiterter Versammlungsbegriff
Nach dem erweiterten Versammlungsbegriff bedeutet Versammlung eine örtliche Zusammenkunft mehrerer Personen zwecks gemeinschaftlicher Meinungsbildung und Meinungsäußerung. Im Gegensatz zum engen Versammlungsbegriff muss die kollektive Meinungsbildung nicht auf öffentliche Angelegenheiten gerichtet sein.
(19) Weiter Versammlungsbegriff
Nach dem weiten Versammlungsbegriff versteht man unter einer Versammlung eine örtliche Zusammenkunft mehrerer Personen, zwischen denen durch einen gemeinsamen Zweck eine innere Verbindung besteht. Der weite Versammlungsbegriff verzichtet auf das Merkmal der kollektiven Meinungsäußerung und Meinungsbildung und lässt jede Art von Verbundenheit der Teilnehmer ausreichen.
(20) Verein
Verein ist ohne Rücksicht auf die Rechtsform jede Vereinigung, zu der sich eine Mehrheit natürlicher oder juristischer Personen für längere Zeit zu einem gemeinsamen Zweck freiwillig zusammengeschlossen und einer organisierten Willensbildung unterworfen hat.
(21) Beruf
Unter Beruf ist jede auf Erwerb gerichtete Tätigkeit zu verstehen, die auf Dauer angelegt ist und der Schaffung und Aufrechterhaltung einer Lebensgrundlage dient.
(22) Berufsausübungsregelung
Eine solche liegt vor, wenn der Gesetzgeber eine reine Ausübungsregelung trifft, die auf die Freiheit der Berufswahl nicht zurückwirkt, vielmehr nur bestimmt, in welcher Art und Weise die Berufsangehörigen ihre Berufstätigkeit im Einzelnen zu gestalten haben.
(23) Subjektive Berufswahlregelung
Bei der subjektiven Berufswahlregelung wird auf persönliche Eigenschaften und Fähigkeiten, erworbene Abschlüsse oder erbrachte Leistungen abgestellt, wobei es nicht auf den Einfluss des Betroffenen auf die Eigenschaften ankommt.
(24) Objektive Berufswahlregelung
Bei der objektiven Berufswahlregelung erfolgt die Beschränkung der Berufsfreiheit anhand von objektiven Kriterien, die nicht in der Person des Betroffenen liegen und auf die der Betroffene keinen Einfluss hat.
(25) Freizügigkeit
Freizügigkeit umfasst das Recht, an jedem Ort innerhalb des Bundesgebiets Aufenthalt und Wohnung zu nehmen. Hierzu gehört die Einreise nach Deutschland zum Zwecke der Wohnsitznahme und die Freizügigkeit zwischen Ländern, Gemeinden und innerhalb einer Gemeinde.
(26) Wohnung
Der Begriff der Wohnung meint die räumliche Privatsphäre und damit jeden Raum, den der Einzelne der allgemeinen Zugänglichkeit entzieht und zum Mittelpunkt seines Lebens und Wirkens bestimmt. Auch Betriebs- und Geschäftsräume fallen unter den Schutzbereich; wegen des teilweise erheblichen Sozialbezugs von Betriebs- und Geschäftsräumen ist grundsätzlich aber ein im Vergleich zu privaten Wohnräumen geringeres Schutzniveau anzunehmen.
(27) Eigentum
Art. 14 GG ist ein „normgeprägtes Grundrecht“, sodass der Begriff des Eigentums nur schwerlich abschließend definiert werden kann. „Eigentum“ i.S. des GG sind jedenfalls alle vermögenswerten Rechte, die die Rechtsordnung dem Einzelnen dergestalt zuweist, dass dieser ausschließlich über das Recht verfügen kann. Eigentum iSd Art. 14 GG sind alle dinglichen Rechte des Zivilrechts, Ansprüche und Forderungen des privaten Rechts.
(28) Inhalts- und Schrankenbestimmung
Unter Inhalts- und Schrankenbestimmungen ist die generelle und abstrakte Festlegung von Rechten und Pflichten durch den Gesetzgeber hinsichtlich solcher Rechtsgüter, die als Eigentum geschützt werden, zu verstehen.
(29) Enteignung
Enteignung ist die vollständige oder teilweise Entziehung konkreter, durch Art. 14 GG gewährleisteter Rechtspositionen zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben. Die Enteignung beschränkt sich auf Vorgänge, bei denen Güter hoheitlich beschafft werden.
(30) Mittelbare Drittwirkung
Grundrechte entfalten mittelbar Wirkung in privaten Rechtsbeziehungen, indem Generalklausen und unbestimmte Rechtsbegriffe des Zivilrechts grundrechtskonform ausgelegt und angewendet werden („Ausstrahlungswirkung“).
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Schlagwortarchiv für: Angemessenheit
Das OLG Hamm hat mit Urteil vom 01.07.2014 (Az.: 26 U 4/13) entschieden, dass ein Schmerzensgeld in Höhe von 50.000 € angemessen ist, wenn infolge einer fehlerhaften Operation eine Schulter dauerhaft nicht mehr brauchbar ist.
Sachverhalt:
Die Klägerin begab sich im Jahr 2005 bei der Beklagten zu 1), dem Krankenhaus in Soest, in Behandlung, da sie unter Beschwerden an der linken Schulter litt. Am 09.11.2005 wurde sie dort von den Beklagten zu 2) und 3), die im Krankenhaus angestellte Ärzte sind, operiert. Die Operation erfolgte am offenen Schulterdach. Dabei wurden Teile des Schulterdachs entfernt. Während ihres postoperativen Aufenthalts bei der Beklagten zu 1) stürzte die Klägerin am 18.11.2005. Ob sie dabei auch auf die linke Schulter stürzte, ist nicht aufklärbar.
Seit der Operation am 09.11.2005 konnte die Klägerin ihren linken Arm nicht mehr heben. Es kam zu erforderlichen Folgeoperationen. Da keine Besserung der Beschwerden der Klägerin erreicht werden konnte, musste ihr Schultergelenk im Februar 2009 versteift werden. Das führte dazu, dass sie in ihrem alltäglichen Leben seitdem erheblich eingeschränkt ist, den eigenen Haushalt nicht mehr ohne fremde Hilfe bewältigen kann. Zudem ist die dauerhafte Einnahme von Schmerzmitteln erforderlich. Wegen der anhaltenden Beschwerden leidet die Klägerin auch unter Schlafstörungen.
Sie meint, die Operation sei in der durchgeführten Form nicht indiziert gewesen und zudem fehlerhaft ausgeführt worden. Daher verlangt sie mit der vorliegenden Klage von den Beklagten zu 1), 2) und 3) gesamtschuldnerisch Schadensersatz sowie ein angemessenes Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 50.000 €. Darüber hinaus beantragt sie festzustellen, dass die Beklagten auch für weitere, aus dem Vorfall noch entstehende Schäden haften.
Das LG Arnsberg hat der Klägerin in erster Instanz einen Schadenersatzanspruch sowie ein Schmerzensgeld in Höhe von 30.000 € zugesprochen. Hiergegen haben beide Parteien Berufung eingelegt, die Klägerin mit dem Verlangen weiterer mindestens 20.000 €, die Beklagten mit dem Antrag auf Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und der Klageabweisung.
Entscheidung:
Das OLG Hamm hat dem Berufungsantrag der Klägerin entsprochen und ihr weitere 20.000 € Schmerzensgeld zugebilligt.
A. Schadensersatzanspruch
I. §§ 280 I, 611 BGB
Ein Schadensersatzanspruch kann der Klägerin zunächst aus §§ 280 I, 611 BGB zustehen.
a) Dienstvertrag, § 611 BGB
Das zwischen den Parteien bestehende Schuldverhältnis stellt einen Dienstvertrag dar. Ein solcher setzt – gerade in Abgrenzung zum Werkvertrag nach § 631 BGB – voraus, dass die Erbringung einer Handlung geschuldet wird, unabhängig davon, ob diese auch zum Eintritt eines Erfolges führt. Der Behandlungsvertrag zwischen Arzt bzw. dessen Anstellungsinstitution und Patient ist ein typischer Fall eines Dienstvertrages. Einen Erfolgseintritt schuldet der Arzt gerade nicht und kann ihn auch nicht versprechen. Das gilt auch, wenn es sich um eine Operation handelt (Anmerkung: Anders kann es ggf. liegen, wenn die Anfertigung eines individuellen Körperersatzteils in Frage steht, etwa einer Zahnprothese).
b) Pflichtverletzung
Eine Pflichtverletzung müsste ebenfalls vorliegen.
Davon ist das Gericht vorliegend nach Einholung eines entsprechenden Sachverständigengutachtens überzeugt. Danach wäre bei den bei der Klägerin vorliegenden Beschwerden die Vornahme eines arthroskopischen Eingriffs zur Entfernung des Schleimbeutels und eine Dekompression der Enge in der Schulter angezeigt gewesen. Das sei den Beklagten zu 2) und 3) auch erkennbar gewesen aufgrund der zuvor angefertigten MRT-Aufnahmen. Die Einleitung der geschilderten Operationsvariante hingegen stelle einen groben Auswahlfehler dar. Darüber hinaus habe das Sachverständigengutachten auch ergeben, dass die Operation fehlerhaft durchgeführt wurde, mithin grobe Behandlungsfehler begangen wurden, die gegen den ärztlichen Standard verstießen. Das Schulterdach sei durch die Operation zerstört worden, was nicht zwingende Folge des Eingriffs an sich gewesen sei.
Die Pflichtverletzung der Beklagten zu 2) und 3) hat sich die Beklagte zu 1) in entsprechender Anwendung des § 278 BGB zurechnen zu lassen.
Eine Pflichtverletzung lag somit vor.
c) Verschulden
Das Verschulden wird gemäß § 280 I BGB vermutet. Eine Exkulpation der Beklagten kommt nicht in Betracht.
Die Beklagte zu 1) muss sich das Verschulden der Beklagten zu 2) und 3) nach § 278 BGB zurechnen lassen.
d) Kausaler und ersatzfähiger Schaden
Der Klägerin ist daraus auch ein Schaden in Höhe der Behandlungskosten entstanden. Dieser Schaden beruht auch kausal auf der Pflichtverletzung der Beklagten.
Dagegen spreche, so führt das Gericht aus, auch nicht die Tatsache, dass die Klägerin am 18.11.2005 gestürzt sei und möglicherweise auch auf den Arm gefallen sei. Denn bei der Feststellung eines Behandlungsfehlers werde die Kausalität zwischen dieser Pflichtverletzung und der dadurch eingetretenen Rechtsgutsverletzung vermutet. Es trete also eine Beweislastumkehr ein. Ihrer Beweispflicht hinsichtlich einer fehlenden Kausalität haben die Beklagten mithin nicht genügt.
e) Ergebnis
Der Klägerin steht ein Schadensersatzanspuch gegen die Beklagten nach §§ 280 I, 611 BGB zu.
II.§ 823 I BGB
Auch könnte der Klägerin ein in der Höhe identischer Schadensersatzanspruch aus § 823 I BGB gegen die Beklagten zustehen.
a) Rechtsgutsverletzung
Die Klägerin hat eine Rechtsgutsverletzung in Form der Versteifung ihres Schultergelenks, mithin eine Verletzung an ihrem Körper und ihrer Gesundheit erlitten.
b) Kausale Handlung
Der Eintritt der Rechtsgutsverletzung beruhte auch auf der fehlerhaften Operation durch die Beklagten zu 2) und 3). Hinsichtlich einer Unterbrechung des Kausalzusammenhangs durch den Sturz der Klägerin gilt das oben bereits im Rahmen des vertraglichen Schadensersatzanspruchs Dargestellte entsprechend.
Die haftungsbegründende Kausalität besteht somit.
c)Rechtswidrigkeit
Bei Verletzung eines der von § 823 I BGB benannten Rechte und Rechtsgüter ist die Rechtswidrigkeit indiziert.
d)Verschulden
Ein Verschulden der Beklagten liegt ebenfalls vor. Diese haften nach § 276 BGB grundsätzlich für Vorsatz und Fahrlässigkeit. Da es sich vorliegend um eine grobe Fehleinschätzung durch die Beklagten zu 2) und 3) sowie eine grob fehlerhafte Ausführung handelte, was sich die Beklagte zu 1) abermals über § 278 BGB zurechnen lassen muss, ist jedenfalls Fahrlässigkeit gegeben.
Verschulden liegt vor.
e)Kausaler und ersatzfähiger Schaden
In gleichem Umfang wie bereits hinsichtlich des vertraglichen Schadensersatzanspruches festgestellt, liegt auch hier ein kausaler und von den Beklagten zu ersetzender Schaden vor.
f)Ergebnis
Auch ein Schadensersatzanspruch aus § 823 BGB steht der Klägerin gegen die Beklagten zu.
Exkurs zu den zu stellenden Anträgen aus Anwaltssicht:
Aus prozessualer Sicht interessant ist, welche Anträge hier gestellt werden können/müssen.
Zunächst muss natürlich der entsprechende Schadensersatzantrag von der Klägerin gestellt und in seiner Höhe genau beziffert werden. Nur so genügt er dem Bestimmtheitserfordernis des § 253 II Nr.2 ZPO.
Zudem kann es unter Umständen angezeigt sein – wie auch hier – einen zusätzlichen Feststellungsantrag zu stellen: Dieser muss auf Feststellung lauten, dass die Beklagten auch für weitere, aus der Rechtsgutsverletzung in Zukunft resultierende Schäden haften. Dieser Antrag ist immer dann zweckmäßig, wenn wegen der Art der eingetretenen Rechts- oder Rechsgutsverletzung weitere Folgeschäden wahrscheinlich, gleichwohl bisher aber nicht eingetreten sind und daher auch noch nicht beziffert werden können. Es handelt sich bei dem Antrag dann um einen Feststellungsantrag nach § 256 I ZPO. Für dessen Zulässigkeit ist ein Feststellungsinteresse erforderlich, das nur dann gegeben ist, wenn tatsächlich eine Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass Folgeschäden eintreten werden, die über das allgemeine Lebensrisiko hinausgeht. Ist die Wahrscheinlichkeit nur minimal, wird der Antrag abgewiesen. Er sollte dann erst gar nicht gestellt werden.
Zuletzt ist auch ein dritter Antrag möglich, wenn ein Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung geltend gemacht wird: Dieser ist schlicht auf Feststellung gerichtet, dass der Schadensersatzanspruch aus einer unerlaubten Handlung herrührt.
Das Feststellungsinteresse für diesen Antrag ergibt sich sowohl aus dem Abtretungsverbot des § 393 BGB, wie auch aus den insolvenzrechtlichen Folgen derartiger Ansprüche nach §§ 302 Nr.1, 174 InsO.
B. Schmerzensgeld, § 253 II BGB
Auch ein Schadensersatzanspruch könnte der Klägerin gegen die Beklagten wegen der erlittenen Verletzungen zustehen.
Dieser ist gemäß § 253 II BGB gegeben, wenn wegen einer Verletzung unter anderem des Körpers und der Gesundheit Schadensersatz verlangt werden kann. Das ist hier nach den obigen Darstellungen der Fall.
Die Höhe der Entschädigung hat nach dem Wortlaut des Gesetzes billig zu sein. Das richtet sich nach den gesamten Umständen des Einzelfalles.
Das Gericht hat vorliegend einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 50.000 € als angemessen erachtet. Bei der Bemessung sei vorliegend zu berücksichtigen, dass die Klägerin in ihrem alltäglichen Leben stark eingeschränkt und vielfach auf Hilfe angewiesen sei. Zudem müsse sie fortwährend Schmerzmittel einnehmen und leide unter Schlafstörungen. Auch nicht außer Acht gelassen werden dürfe, dass sie langwierige Behandlungen und weitere Operationen über sich habe ergehen lassen müssen. All dies führe insgesamt zu einer Angemessenheit des beantragten Schmerzensgeldanspruchs in Höhe von 50.000 €.
Der Klägerin steht ein Anspruch in dieser Höhe mithin zu.
Exkurs zum Antrag:
Der Antrag auf Zahlung von Schmerzensgeld muss nicht gesondert aufgeführt werden, sondern kann auch mit dem Schadensersatzantrag verbunden werden. Wie man es macht, ist Geschmackssache.
Besonderheit des Schmerzensgeldantrages ist dabei, dass er entgegen dem oben bereits erwähnten Bestimmtheitsgebot aus § 253 II Nr. 2 ZPO gerade nicht genau beziffert zu werden braucht. Vielmehr braucht lediglich ein Richtwert angegeben werden, der eine Untergrenze darstellen sollte. Auch dies muss nicht zwingend im Antrag selbst geschehen, sondern kann auch erst in der Antragsbegründung erfolgen. Im Übrigen ist die Höhe des Schmerzensgeldes in das Ermessen des Gerichts zu stellen, § 287 ZPO.
Gleichwohl sollte die Höhe der Untergrenze des Schmerzensgeldes nicht zu hoch angesetzt werden. Denn wenn das Gericht in seiner Entscheidung um mehr als 20% von der beantragten Höhe nach unten abweicht, hat der Kläger einen Teil der Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Höhe des jeweils angemessenen Schmerzensgeldes bestimmt das Gericht unter Zugrundelegung bestimmter Schmerzensgeldtabellen.
Die vollständigen Sachanträge könnten im vorliegenden Fall also lauten:
(…) werde ich in der mündlichen Verhandlung beantragen,
1. die Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 10.000,- € (fiktiver Wert Schadensersatz) nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit 02.01.2012 (fiktives Datum, etwa der Rechtshängigkeit nach § 291 BGB) zu zahlen,
2. die Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Bemessung in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 50.000 € betragen sollte,
3. festzustellen, dass die Beklagten auch für zukünftige, der Klägerin aus der eingetretenen Rechtsgutsverletzung noch entstehende Schäden haften,
4. festzustellen, dass die Haftung der Beklagten aus einer unerlaubten Handlung herrührt.
Stellungnahme:
Das Urteil eignet sich als Ausgangsentscheidung sowohl für das erste wie zweite Staatsexamen. Es bietet Gelegenheit, Altbekanntes zu den Ansprüchen aus § 823 BGB und § 280 I BGB darzustellen und Kenntnisse hinsichtlich prozessrechtlicher Besonderheiten zu demonstrieren.
Rechtlich enthält es letztlich nichts Neues. Auch wenn zunächst die zugesprochene Schmerzensgeldsumme sehr hoch erscheinen mag, so stellt auch dies keine grundsätzliche Neuerung dar. So hat in einem ähnlichen Fall etwa schon das Landgericht München I einen ähnlich hohen Betrag zuerkannt (Urteil vom 24.7.1997 – 19 O 20421/96).