Sachverhalte der Examensklausuren – August 2010 – 1. Staatsexamen Sachsen-Anhalt
Heute veröffentlichen wir als Gastbeitrag einen Examensreport, den uns einer unserer Leser netterweise zur Verfügung gestellt hat. Es handelt sichn um ein Gedankenprotokoll der Sachverhalte im zweiten Durchgang (August) 2010 der staatlichen Pflichtfachprüfung im Land Sachsen-Anhalt.
Staatsexamen Klausur vom 24.08.2010 – Zivilrecht I
– V und M schließen einen Mietvertrag am 22.07.2007. Dieser wird auf einem Formular ausgefüllt, welches der V immer verwendet und welches vom Vermieterverein gestellt wird. Miete: 400 € im Monat, fällig zum Ersten.
– Dieser beginnt am 01.09.2007 und ist befristet bis zum 31.08.2010. Zur Begründung führt der Vermieter an, er wolle sich die Möglichkeit erhalten, lästige Mieter nach einer bestimmten Zeit wieder loszuwerden.
– Außerdem stand unter Punkt 6 „Schönheitsreparaturen“, dass der M die Räume zu renovieren hat (Bad alle 2 Jahre, etc…).
– Im September 09 ruft V an und fragt, ob M bereits die Arbeiten durchgeführt hat. M macht die Arbeiten daraufhin um Ärger zu vermeiden.
– Am 15. März 2010 kommt es zu einem Brand, bei welchem durch Löscharbeiten der Feuerwehr die Wohnung des M feucht wird. Aufgrund der Trocknungsarbeiten muss M in der Zeit vom 15.03.-31.03. ein Hotel nehmen, Kosten: 1000 €.
– Daraufhin geht M zum Mieterverbund und macht daraufhin dem V gegenüber geltend: 200 € Mietrückzahlung für die Zeit, in der er im Hotel war und 1000 € Hotelkosten. Da V sich weigert zu zahlen teilt M ihm mit dass er die folgenden 3 Monate, also Mai, Juni und Juli mit dem Geld verrechnet. V reagiert nicht. Dies geschieht dann auch.
– Im August 2010 weist der V den M darauf hin, dass dieser am 31.08.2010 ausziehen muss. Daraufhin meint M, er habe nicht vor, auszuziehen.
– Am 23.08.2010 erreicht M ein Brief von V, indem dieser aufgrund mehrer Monate Mietzahlungsrückstand eine fristlose Kündigung erklärt zum 31.08.2010.
– M macht geltend, dass er 400 € für die erledigten Schönheitsreparaturen im Bad haben will.
– V verlangt von M Räumung zum 31.08.2010.
Frage 1: Bestehen die geltend gemachten Ansprüche?
Frage 2: a) Abwandlung: Was wäre wenn V Wohnungen eines Studentenwohnheims vermietet? und M Student wäre?
b) Warum hat der Gesetzgeber diese unterschiedliche Wertung ins Gesetz gebracht?
Frage 3: Welche sinnvollen prozessualen Schritte könnten M und V gehen?
Staatsexamen Klausur vom 26.08.2010 – Zivilrecht II
– Buck-Verlag (OHG) (B) braucht Darlehen in Höhe von 30.000 € für die Modernisierung ihrer Geschäftsräume
– Stadtsparkasse gewährt ihr das Darlehen nur unter Beibringung von Sicherheiten.
– Deshalb bitten die Gesellschafter der B den H (geschäftsführender Gesellschafter der Druckerei-GmbH (D)) für die B zu bürgen. Die B ist regelmäßiger Kunde bei der D. Daraufhin ruft am 01.03.2002 der H bei der S an und erklärt, die D wolle für die B i.H.v. 30.000 € bürgen.
– Die S will aber aufgrund der wirtschaftlich schlechten Lage der D mehr Sicherheiten, weshalb sich der H bereit erklärt, eine Grundschuld zugunsten der S auf seinem privaten Grundstück eintragen zu lassen um die Bürgschaft abzusichern. Der H übersendet am 01.03.2002 der S ein Fax mit dem Inhalt des Telefonats, ein Vertreter der S unterzeichnet es mit „einverstanden“ und schickt es zurück.
– Am 01.04.2002 wird der Darlehensvertrag geschlossen, die Darlehenssumme ausgezahlt und der Sicherungsvertrag zwischen H und S geschlossen. Auch wird die (Buch-)Grundschuld am selben Tag noch im Grundbruch eingetragen.
– Im Sicherungsvertrag steht, dass die Grundschuld nur zur Sicherung der Bürgschaftsforderung dienen soll und dass die S bei Erfüllung der Forderung die Grundschuld wieder herauszugeben hat.
– Da B auch nach mehrmaliger Aufforderung nicht gezahlt hat verlangt S von D im Juni 2010 Zahlung der 30.000 €, andernfalls werde sie in die Grundschuld vollstrecken. H meint, die Forderungen gegen D, B und ihn seien doch wohl längst verjährt. Außerdem will er, dass die Grundschuld nun endlich aus dem Grundbuch gelöscht wird.
Frage 1: Ansprüche S à D
Frage 2: Ansprüche S à H
Frage 3: Ansprüche H à S
Zusatzfrage: S verklagt D auf Zahlung der 30.000 €. Am Tag der mündlichen Verhandlung erscheint D nicht. S erklärt dem Richter den Sachverhalt, macht dabei auch auf die im vorprozessualen Schriftverkehr seitens des H erwähnte Verjährung aufmerksam und beantragt den Erlass eines Versäuminsurteils.
Wie wird das Gericht entscheiden?
( Es ist der Gesetzesstand zum Zeitpunkt der Bearbeitung zugrunde zu legen. )
Staatsexamen Klausur vom 27.08.2010 – Öffentliches Recht I
– Das Ministerium des Innern (MI) möchte am 02./03. September 2010 eine Innenministerkonferenz abhalten, verschickt daher eine Einladung an die Medien mit der Bitte um Akkreditierung für die o.g. Termine.
– Der Antrag, der ausgefüllt per E-Mail zugeschickt werden soll, muss ausgefüllt sein mit allen möglichen Daten (bis hin zu Personlausweisnummer etc.). Am Ende des Antrags unterschreibt der Antragsteller eine Klausel, mit der er in die Übermittlung der Daten an das LKA zur Überprüfung des Antragstellers einwilligt.
– M ist freier Fotojournalist und empört darüber. Er beantragt am 24.08.2010 beim MI eine Akkreditierung ohne entsprechende Prüfung seiner Daten.
– Daraufhin erhält er am gleichen Tag eine E-Mail mit der Antwort, eine Akkreditierung sei ohne die Einwilligungserklärung nicht möglich und wird daher nicht erteilt. Dies sei notwendig weil es sich um eine sicherheitsrelevante Veranstaltung handelt und man nicht nur anhand des Presseausweises erkennen könne, ob von dem Journalisten ein Gefahrenpotential ausgeht. Zumal diesen Ausweis jeder haben kann, der nur irgendwie mit der Presse zu tun hat.
– M wendet sich am 25.08.10 an das VG Magdeburg mit der Bitte um einstweiligen Rechtsschutz. Er meint, die Erhebung und Verwendung der Daten sei ein unzulässiger Eingriff in seine Grundrechte auf Pressefreiheit, Gleichheit, Berufsfreiheit und sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Ihm sei bereits zum G-8-Gipfel die Akkreditierung versagt worden weil er mehrere Eintragungen in seinen Akten hatte über die Veranstaltung von ANTIFA-Treffen oder der Teilnahme an thematisch ähnlichen Veranstaltungen. Schon damals habe er beim Verwaltungsgericht Berlin einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt und habe Recht bekommen.
– Außerdem wendet er sich im Zuge dessen an das Bundesamt für Verfassungsschutz und beantragt eine Auskunft über die Daten, die über ihn gespeichert sind. Das Amt verweigert die Auskunft und beruft sich auf § 15 BVerfSchG, nachdem ihm das Bundesamt keine Auskünfte über gesonderte Dateien und Akten geben müsse. Dieser Vergleich sei im Hinblick auf § 11 BVerfSchG gerechtfertigt. Außerdem könne der M schon kein besonderes Interesse geltend machen. M meint, ihm stehe der Anspruch doch schon aus dem Informationsfreiheitsgesetz zu, außerdem aus § 4 PresseG LSA und seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung.
Frage 1: Wie wird das Gericht entscheiden?
Frage 2: Hat der M Anspruch auf eine umfassende Auskunft seitens des Bundesamts für Verfassungsschutz?
Auf §§ 3, 4 PresseG LSA wird hingewiesen. Andere Normen dieses Gesetzes sind für die Lösung irrelevant.
– Abdruck der beiden Paragraphen im Anhang –
Staatsexamen Klausur vom 30.08.2010 – Öffentliches Recht II
– Aufgrund der Tatsache, dass in letzter Zeit häufig von Hautverätzungen und Haarausfall bei Kosmetikerkunden aufgrund mangelnder Fähigkeiten und unsachgemäßer Anwendung seitens der Kosmetiker Schlagzeilen die Runde machen, erlässt der Bundestag das formell ordnungsgemäße „Gesetz zur Ordnung des Kosmetikerhandwerks“ (KosO). Ziel sei es, die drohenden Gesundheitsschädigungen der Kunden in den Griff zu bekommen, den Leistungsstandard in Deutschland wieder zu erhöhen und das Ausbildungsniveau im Bereich der Kosmetiker zu verbessern.
– Gesetz, am 01.04.2010 Inkrafttreten (Zur Erinnerung: Gedankenprotokoll!):
[…]
§ 3
(1) Wer selbstständiger gewerbetreibender Kosmetiker werden möchte, muss den Status eines „Könners“ innehaben. Diesen erlangt man durch einen Lehrgang und eine anschließende Prüfung. Wer zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes bereits selbstständiger Kosmetiker ist, ist hiervon ausgenommen.
(2) Die Eintragung in das Könnerverzeichnis kann auch ohne die entsprechende Prüfung beantragt werden, wenn der Antragsteller die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten nachweisen kann und die Ablegung der Prüfung für ihn eine unangemessene Härte darstellen würde.
§ 4 – Gemäß den Vorgaben der EU bedarf ein Staatsangehöriger eines Mitgliedsstaates der EU nicht einer solchen Prüfung zur Eintragung, wenn er die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten nachweisen kann und mindestens 3 Jahre im Ausland in einer höheren Verantwortungsposition tätig gewesen ist. Dies gilt ebenso für deutsche Staatsangehörige, die die gleichen Voraussetzungen im Ausland erfüllt haben.
§ 5 – Zugelassen zur Prüfung wird, wer
– eine dreijährige Berufsausbildung erfolgreich abgeschlossen hat,
– anschließend mindestens 3 Jahre lang in dem Beruf des Kosmetiker tätig gewesen ist und
– wer einen sechsmonatigen Lehrgang zur Vorbereitung auf die Prüfung besucht hat.
§ 6 – Die Kosten für den Lehrgang und die Prüfung belaufen sich auf 7.000 Euro.
[…]
§ 32
(1) Jeder selbstständige gewerbetreibende Kosmetiker ist verpflichtet, sich bei der zuständigen IHK anzumelden.
(2) Zweck der IHK ist es, die örtliche Wirtschaft zu fördern und die Interessen der Gewerbetreibenden zu vertreten, sowohl nach außen als auch innerhalb des Wirtschaftszweiges.
[…]
§ 45 – Zuwiderhandlungen gegen § 3 und § 32 werden mit einem Ordnungsgeld bis zu 25.000 Euro bestraft.
– Die 17 jährige deutsche Staatsangehörige X sieht sich in ihren subjektiven Rechten aus dem AEUV verletzt. Sie ist der Meinung, dass die Besserstellung der ausländischen Kosmetiker sie diskriminiert.
Aufgabe 1: Prüfen Sie, ob die X in ihren subjektiven Rechten aus dem AEUV verletzt ist. (Prüfungsumfang: nur Art. 18, 20, 21, 45, 56, 57 AEUV!)
– Außerdem seien durch die KosO auch ihre Grundrecht massiv verletzt. Sie fühlt sich den ausländischen Kosmetikern gegenüber stark benachteiligt, weil diese die Prüfung und den Lehrgang nicht ablegen müssen. Umso mehr wird dies deutlich im Vergleich mit anderen deutschen Staatsangehörigen, die im Ausland gearbeitet haben. Außerdem gibt es bspw. für Maskenbildnerinnen keine solchen Vorgaben.
Weiterhin sieht sich X in ihren Grundrechten auch durch die Zwangsmitgliedschaft bei der IHK beeinträchtigt. Das gleiche Ziel ließe sich ja wohl auch mit freiwilligen Mitgliedschaften in privaten Wirtschaftsunternehmen verwirklichen.
– Sie erhebt daher am 21.06.2010 Klage vor dem Bundesverfassungsgericht.
Aufgabe 2: Wie wird das Bundesverfassungsgericht entscheiden?
Staatsexamen Klausur vom 31.08.2010 – Strafrecht I
– L befindet sich am Badesee. Er sieht S, die gerade ins Wasser zum Schwimmen geht. Da er erst gestern von ihr einen Korb erhalten hatte sinnt er auf Rache. Er zieht los, nimmt ihre Kleidung und geht weg. Er geht dabei davon aus, dass die S lieber stundenlang im durchaus warmen Wasser bleiben wird anstatt splitternackt durch die Gegen zu laufen. Er bekommt allerdings ein schlechtes Gewissen und legt die Kleidung nach 12 Minuten zurück. S bekommt von alledem nichts mit.
– L fühlt sich in seinem Stolz verletzt, er will daher härtere Maßnahmen ergreifen. Eines Abends lauert er der S während ihrer Jogging-Runde auf. Als sie an „seinem Busch“ vorbeikommt springt er hervor, zieht die S in das Gebüsch und hält ihr eine echt aussehende Spielzeugpistole unter die Nase. Sie ist erschrocken und sagt „Bitte tu mir nichts, ich hab 50 Euro mit, bitte nimm Sie“, L fordert barsch: „Zieh dich aus, aber dalli!“. Daraufhin schlägt die S, motiviert durch ihre Selbstverteidigungsseminare, dem L mit der Handkante auf die Schläfe worauf dieser benommen zu Boden geht. S ergreift die Flucht. Die Spielzeugpistole des S konnte nicht einmal von einem Experten in der entsprechenden Situation als unecht erkannt werden.
– Die S hat nun Angst und zieht deshalb mit ihrem Freund T zusammen, der mehrfacher Bezirksmeister in einem Sportschützenverein ist und eine Kleinkaliberpistole besitzt. Eines Abends kommen S und T in ihre Wohnung und finden alles durcheinander vor. L brach in die Wohnung ein, verwüstete das Bett und verteilte überall im Schlafzimmer die Unterwäsche der S. Auf dem Bett liegt ein Zettel mit der Aufschrift „Ich komme wieder“. S ist daraufhin vollkommen verängstigt und schläft tagelang nicht mehr in dem Bett und hat nachts Albträume, denkt ständig, jemand sei in der Wohnung und ist seitdem völlig übermüdet.
– Eines Nachts um 01:00 Uhr wird T wach und sieht am Ende des Bettes einen Schatten stehen. Er steht auf und stürmt schreiend auf den L zu, der schlagartig die Flucht ergreift. Der T nimmt dabei eine Kleinkaliberpistole mit, die er seit dem Vorfall unter seinem Kopfkissen hat. Draueßn auf der Straße verfolgt er den L. Als dieser unter einer Laterne stehen bleibt um sich umzuschauen, schießt der T ihm gezielt in die linke Gesäßhälfte und setzt damit dem ganzen Schrecken endlich ein Ende.
Wie haben sich L, S und T strafbar gemacht?
Prozessuale Zusatzfrage:
Der Minderjährige D hat in einem Laden Dinge im Wert von 15 Euro gestohlen um sie seiner Mutter zum Muttertag zu schenken. Ein Strafantrag wurde gestellt. Nun befasst sich die Staatsanwaltschaft mit der Sache. Was kann der Staatsanwalt tun?
Staatsexamen Klausur vom 02.09.2010 – Strafrecht II
Fall Themengebiete: Betrug, (gefährliche) Körperverletzung, Diebstahl (Problemschwerpunkt Abgrenzung zum Betrug), Hausfriedensbruch, letzter Tatkomplex (gewerbsmäßige?/Banden-?) Hehlerei, Urkundenprobleme, Sachbeschädigung.
Zusatzfrage Themenschwerpunkt Beweiserhebungs- / Beweisverwertungsverbote ( „kriminalistische List“ )
Der SV von Zivilrecht I gleicht demjenigen aus Zivilrecht II Herbst 2010 Rheinland Pfalz!
Sogar die Zahlen stimmen!
Auch in Sachsen wurde die Zivilrecht I gestellt.
Gibt es dafür auch irgendwo eine Musterlösung.