Von unserem Kooperationspartner „Die Rezensenten“ veröffentlichen wir heute eine Rezension, die in erster Linie für diejenigen unter Euch von Interesse sein dürfte, die sich beruflich einmal im Bereich der Kriminologie bzw. des Jugendstrafrechts sehen:
Dollinger / Schabdach, Jugendkriminalität, 1. Auflage, Springer 2013
Von Richter am Amtsgericht Carsten Krumm, Lüdinghausen
Dieses Buch passt zunächst nur vom Titel zur „Rezensenten“-Seite, die sich ja dadurch auszeichnet, dass Bücher für Juristen besprochen werden. Das 284 Seiten starke Buch „Jugendkriminalität“ dagegen ist (in erster Linie) für Sozialwissenschaftler verfasst. So ist es zunächst für uns Juristen sperrig – die übliche juristische „Schreibe“ fehlt. Zudem sind schon die Überschriften für uns Juristen zu schwer, so etwa „Jugendkriminalität als diskursive Konstruktion“ (es handelt sich dabei um das Einführungskapitel!) oder „Stringente Etikettierungsperspektive“. Teils sind dann noch mehrere Seiten hintereinander Fließtexte, die allenfalls durch einige kursiv gedruckte Worte aufgelockert sind. In moderner Jura-Lehrbuchliteratur wäre so etwas undenkbar.
Gleichwohl gefällt mir das Buch. Man muss sich dabei als Jurist einfach „von hinten rum“ anpirschen: Ich habe etwa erst einmal nachgelesen bei den juristischeren Teilen in der Mitte des Buches, nämlich zu den Akteuren und Rechtsfolgen des Jugendstrafrechts. Hier findet sich zwar nur weniges juristisches Wissen im Sinne von „Paragrafenwissen“ – vielmehr werden kritisch die Aufgaben der einzelnen Akteure dargestellt, statistisches Material hierzu geboten oder auch typisch juristisches Gedankengut, wie der Präventionsgedanke hinterfragt. Wie schon geschrieben: Schwere Kost für Juristen, gleichwohl hochgradig interessant, wenn man sich darauf einlässt.
Wenn man sich dann diesem zweiten Buchteil gewidmet hat, ist man auch darauf eingestellt im ersten Teil zu schmökern, in dem vor allem sozialwissenschaftliche Themen zur Ursache der Jugendkriminalität aufgezeigt werden. Teils erinnern diese Darstellungen sogar inhaltlich an Kriminologievorlesungen, so dass man sich bei der Lektüre trotz der ungewohnten Herangehensweise am Ende doch nicht allzu verloren vorkommt.
Wirklich interessant fand ich den Abschnitt (S. 105 ff.) zu Erscheinung und Verlauf von Jugendkriminalität. Hier finden sich dann z.B. die (Juristen bekannten Kriminologie-) Themen Hell- und Dunkelfeld, statistisches Material zur Kriminalität in einzelnen Altersstufen oder zu Kriminalität in besonders benachteiligten Situationen.
Natürlich werden sich weder Jurastudenten, noch Referendare das Buch anschaffen – wer sich jedoch schwerpunktmäßig mit dem Thema Jugendstrafrecht befasst, der sollte sich ruhig einmal mit dem Buch von Dollinger/Schabdach auseinandersetzen, öffnet es doch für Juristen einen völlig anderen, weil nicht primär rechtlichen Ausblick auf jugendliche Kriminalität. Studenten der Sozialwissenschaft und auch bereits im Beruf angekommene Sozialarbeiter, die ihre Perspektive etwa in der Bewährungshilfe oder bei der Jugendgerichtshilfe sehen, werden das Buch sicher gut verwenden können, zumal es noch mit einem etwa 40-seitigen Literaturverzeichnis versehen ist, also gut in der Thematik weiterführt.
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