BVerfG: Hartz-IV-Regelsätze müssen neu berechnet werden
Entscheidung des BVerfG v. 09.02.2010 (Az.: 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09)
Der Erste Senat des BVerfG hat entschieden, dass die Vorschriften des SGB II, die die Regelleistung für Erwachsene und Kinder betreffen, nicht den verfassungsrechtlichen Anspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG (Sozialstaatsprinzip) erfüllen.
Der Hartz-IV-Regelsatz für Erwachsene liegt derzeit bei 359 Euro monatlich. Bei Kindern und Jugendlichen sind die Leistungen gestaffelt, und zwar ausgehend vom Regelsatz: Unter sechs Jahren gibt es 60 Prozent (215 Euro), unter 14 Jahren 70 Prozent (251 Euro), darüber 80 Prozent (287 Euro).
Verfassungswidrigkeit trotz geringer Prüfungsdichte
Dass dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Sozialstaats grdsl. eine Einschätzungsprärogative mit entsprechendem Gestaltungsspielraum zusteht, wird bei der Bemessung des Existenzminimums durch eine zurückhaltende richterliche Kontrolle berücksichtigt.
Trotz dieser verringerten gerichtlichen Prüfungsdichte stellte das BVerfG fest, dass die derzeitigen Regelsätze nicht durch ein hinreichend transparentes und sachgerechten Verfahren ermittelt würden. Die Bestimmung der Regelsätze habe nach dem tatsächlichen Bedarf zu erfolgen und darf nicht von pauschalen Annahmen getragen sein.
Ob die Regelsätze durch diese Entscheidung im Ergebnis steigen werden, bleibt offen, da eine sachgerechtere Bestimmung der Regelsätze am Maßstab des tatsächlichen Bedarfs für ein Existenzminimum im Einzelfall höher oder niedriger ausfallen kann.
Examensrelevanz
Für eine Klausur ist die Prüfung des Sozialstaatsprinzips nicht unbedingt relevant. In der Mündlichen kann man allerdings durchaus mit Fragen bzgl. dieses Themas rechnen. Der Kernpunkt besteht darin, aus Art. 1 I i.V.m. 20 I GG erst einmal das Sozialstaatsprinzip und das daraus abgeleitete Recht auf ein Existenzminimum herzuleiten. Sobald das geschafft ist, kann man im Rahmen der Definition des Schutzbereichs mit logisch sachlicher (wohl weniger juristischer) Argumentation überzeugen, um den Begriff „Existenzminimum“ zu konturieren.
Sofern ein Eingriff in diese Grundrechtsposition vorliegt, kann dieser Eingriff nicht gerechtfertigt werden („Die Menschenwürde ist unantastbar„). Entsprechend dieser Prämisse ergibt sich gleichermaßen, dass ein Eingriff nur sehr restriktiv und mit überzeugender Argumentation zu bejahen ist.
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