BGH Urteil: Käufer hat Anspruch auf Ersatz des Nutzungsausfallschadens auch nach Rücktritt vom Kaufvertrag
Der Bundesgerichtshof hat heute seine Rechtsprechung aus dem Jahr 2007 (VIII ZR 16/07) bestätigt, dass ein Käufer trotz Rücktritts vom Kaufvertrag Anspruch auf Ersatz des ihm entstandenen Nutzungsausfallschadens hat, wenn er ein gekauftes Fahrzeug infolge eines Sachmangels nicht nutzen kann.
Sachverhalt
Die Klägerin kaufte im April 2005 als Verbraucherin von der beklagten Fahrzeughändlerin einen gebrauchten PKW Honda Jazz zum Preis von 13.100 €. Der PKW war bei Übergabe an die Klägerin – für die Beklagte erkennbar – aufgrund eines nicht fachgerecht beseitigten Unfallschadens an der Vorderachse nicht betriebs- und verkehrssicher, weswegen die Klägerin im Oktober 2005 vom Kaufvertrag zurücktrat. Durch rechtskräftiges Urteil des Landgerichts Berlin vom Februar 2007 wurde die Beklagte zur Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs verurteilt. Die Klägerin nutzte den PKW nach dem Rücktritt bis zum Erwerb eines Ersatzfahrzeugs für 168 Tage nicht. Sie verlangt von der Beklagten Ersatz des Nutzungsausfallschadens und vergeblicher Aufwendungen in Höhe von rund 6.400 €.
Das Landgericht hat der Klage teilweise stattgegeben, den ersatzfähigen Zeitraum jedoch auf 60 Tage begrenzt. Das Kammergericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat es das Urteil des Landgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerin hatte im Wesentlichen Erfolg.
Entscheidung
Zunächst einmal die Leitsätze aus der Entscheidung vom 28.11.2007 (VIII ZR 16/07):
a) Durch den Rücktritt vom Kaufvertrag wird ein Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung auch insoweit nicht ausgeschlossen, als es um den Ersatz eines Nutzungsausfallschadens geht, der dadurch entstanden ist, dass dem Käufer infolge des Mangels der Kaufsache deren Nutzung entgeht; dies gilt auch für einen infolge der Rückgabe der mangelhaften Sache entstandenen Nutzungsausfall.
b) Bei der Feststellung, ob dem Käufer durch die (aufgrund des Rücktritts erfolgte) Rückgabe der mangelhaften Sache ein Vermögensschaden wegen Nutzungsausfalls entstanden ist, sind die vermögensmäßigen Folgen des Rücktritts nach den allgemeinen Regeln zu berücksichtigen.
Schadensersatzanspruch wegen mangelbedingten Nutzungsausfalls bleibt auch nach Rücktritt bestehen
Der BGH hat seine Rechtsprechung in dem heutigen Urteil noch einmal bekräftigt, dass ein Rücktritt des Käufers vom Kaufvertrag wegen eines Mangels am Kraftfahrzeug diesem Schadensersatzansprüche wegen eines mangelbedingten Nutzungsausfalls nicht abschneidet, vgl. § 325 BGB. Vielmehr kann der Käufer, falls der Verkäufer die mangelhafte Lieferung zu vertreten hat, Ersatz des Schadens, der ihm dadurch entsteht, dass er das von ihm erworbene Fahrzeug allein wegen des Mangels nicht nutzen kann, auch dann verlangen, wenn er wegen des Mangels vom Kaufvertrag zurücktritt.
Evtl. Mitverschulden der Käuferin wegen 168 Tage dauernder Ersatzbeschaffung
Allerdings ist der Käufer im Hinblick auf die ihn treffende Schadensminderungspflicht gehalten, binnen angemessener Frist ein Ersatzfahrzeug zu beschaffen und einen längeren Nutzungsausfall gegebenenfalls durch die Anschaffung eines Interimsfahrzeugs zu überbrücken. Im vorliegenden Fall hatte die Käuferin sich erst 168 Tage nach Rücktritt einen Ersatzwagen beschafft. Um ein eventuelles Mitverschulden der Klägerin nach § 254 Abs. 2 BGB zu überprüfen, hat der BGH die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Examensrelevanz
Eine sehr wichtige Entscheidung zu zentralen Fragen des „neuen“ Schuldrechts, die auch genauso in der Zivilrecht Examensklausur gestellt werden könnte. Im Zentrum dieses Urteils steht die Frage, wie sich die Tatsache, dass der Käufer einer mangelhaften Sache vom Kaufvertrag zurücktritt, auf eine daneben bestehenden Schadensersatzanspruch in Bezug auf einen mangelbedingten Nutzungsausfallschaden auswirkt. Auch die saubere Herleitung der Anspruchsgrundlage für den mangelbedingten Nutzungsausfallenschaden würde einen Schwerpunkt darstellen.
Lesehinweise:
NJW 2008, 911: zum Urteil vom 28. 11. 2007 – VIII ZR 16/07
BGH Urteil vom 19. Juni 2009 zum Nutzungsausfallschaden
Eine sehr gute Darstellung zur Problematik: Anspruchsgrundlage beim Nutzungsausfallschaden
Urteil vom 14. April 2010 – VIII ZR 145/09
LG Berlin – Urteil vom 5. Dezember 2007 – 8 O 325/07
KG Berlin – Urteil vom 30. April 2009 – 12 U 241/07
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