Schema: Anfechtung, §§ 119 ff. BGB
Schema: Anfechtung, §§ 119 ff. BGB
- Gestaltungsrecht
- Angefochten wird jeweils nur die eigene Willenserklärung, nicht der gesamte Vertrag.
I. Anwendbarkeit
– Grds. für alle Willenserklärungen anwendbar, für geschäftsähnliche Handlungen gelten die §§ 119 ff. BGB analog.
– Realakte sind nicht anfechtbar.
– Rechtsscheintatbestände sind nicht anfechtbar.
II. Zulässigkeit der Anfechtung
Anfechtung ist nicht zulässig, soweit gesetzliche Sonderregelungen bestehen, z.B.:
– im Falle des § 144 BGB;
– die §§ 434 ff. BGB schließen eine Anfechtung nach § 119 II BGB aus.
III. Voraussetzungen
1. Anfechtungserklärung (§ 143 I BGB)
– Einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung.
– Jede Willensäußerung, die eindeutig erkennen lässt, dass das Geschäft wegen eines Willensmangels beseitigt werden soll (§§ 133, 157 BGB).
– Anfechtung ist Gestaltungsrecht und daher bedingungsfeindlich. Potestativbedingungen sind zulässig (str.).
– Teilanfechtung möglich, sofern das Rechtsgeschäft teilbar ist (§ 139 BGB).
2. Durch den Anfechtungsberechtigten
– Grds. derjenige, der die Erklärung abgegeben hat.
– Bei der Stellvertretung ist jeweils derjenige anfechtungsberechtigt, in dessen Person die Rechtsfolgen der Willenserklärung eintreten:
– grds. der Geschäftsherr, dabei ist § 166 BGB zu beachten.
– eine Ausnahme liegt beim Vertreter ohne Vertretungsmacht vor.
3. Gegenüber dem richtigen Anfechtungsgegner (§ 143 II-IV BGB)
4. Mit Anfechtungsgrund (§§ 119-123 BGB)
a) Inhaltsirrtum (§ 119 I Fall 1 BGB)
aa) Irrtum über Inhalt der Willenserklärung
bb) Bei der Abgabe
cc) Kausalität zwischen Irrtum und Willensabgabe
b) Erklärungsirrtum (§ 119 I Fall 2 BGB)
aa) Irrtum in der Erklärungshandlung (Versprechen, Verschreiben, Vergreifen)
bb) Bei der Abgabe
cc) Kausalität zwischen Irrtum und Willensabgabe
c) Eigenschaftsirrtum (§ 119 II BGB)
aa) Irrtum über Eigenschaft einer Person/ Sache
bb) Verkehrswesentlichkeit dieser Eigenschaft
cc) Kausalität zwischen Irrtum und Willensabgabe
d) Falsche Übermittlung ( § 120 BGB)
aa) Unrichtige Übermittlung einer Willenserklärung
bb) Durch die übermittelnde Person oder Einrichtung (Erklärungsbote)
cc) Unbewusst: Bei bewusst falscher Übermittlung haftet der Bote nach § 179 BGB.
dd) Kausalität zwischen Irrtum und Willensabgabe
e) Arglistige Täuschung
aa) Täuschung (§ 123 I Fall 1 BGB)
Jedes Verhalten, Tun oder Unterassen, das auf die Erregung, Bestärkung oder Unterhaltung eines Irrtums beim Erklärenden gerichtet ist.
bb) Arglist
cc) Irrtum
dd) Kausalität zwischen Täuschung und Willenserklärung
ee) Rechtswidrigkeit
ff) Kein Ausschluss: Täuschender darf kein Dritter i.S.d. §123 II BGB sein.
f) Widerrechtliche Drohung
aa) Drohung
Das Inaussichtstellen eines künftigen Übels, auf dessen Eintritt der Täter Einfluss zu haben vorgibt.
bb) Widerrechtlichkeit (des Mittels, des Zwecks oder der Mittel-Zweck-Relation)
cc) Kausalität zwischen Drohung und Willenserklärung
dd) Jedenfalls Vorsatz bzgl. Drohung und Kausalität, nach der Rspr. muss der Vorsatz sich auch auf die Widerrechtlichkeit beziehen.
5. Anfechtungsfrist
– § 121 BGB: Unverzüglich in den Fällen der §§ 119, 120 BGB.
– § 124 BGB: Innerhalb eines Jahres in den Fällen des § 123 BGB.
6. Rechtsfolge:
– § 142 I BGB: Ex tunc Nichtigkeit ; Ausnahmsweise ex nunc Wirkung im Arbeitsrecht bei in Vollzug gesetzten Arbeitsverträgen und im Gesellschaftsrecht.
– § 122 BGB: Anspruch des Erklärungsgegners auf Schadensersatz in den Fällen der §§ 119, 120 BGB. Daneben sind Ansprüche aus §§ 280 I, 241 II, 311 II BGB denkbar (hM).
– In den Fällen des § 123 BGB können dem Anfechtenden nach den allgemeinen Regeln Schadensersatzansprüche zustehen, sofern deren Voraussetzungen erfüllt sind.
– Rückabwicklung über §§ 812 ff. BGB, dabei ist umstritten, ob durch die Anfechtung der Rechtsgrund von Anfang an entfällt (§ 812 I 1 Fall 1 BGB) oder nachträglich wegfällt (§ 812 I 2 Fall 1 BGB).
Das Schema ist in den Grundzügen entnommen von myjurazone.de.
Die Behauptung „Angefochten wird jeweils nur die eigene Willenserklärung, nicht der gesamte Vertrag.“ ganz oben auf der Seite ist falsch, siehe § 142 I BGB: Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 142 I BGB kann kein Zweifel darüber bestehen, dass das gesamte Rechtsgeschäft angefochten wird.
Die Frage ist ja dann, was „Rechtsgeschäft“ in der Norm meint. Das kann entweder im engeren Sinne gemeint sein und nur die Willenserklärung bezeichnen oder im weiteren Sinne und den ganzen Vertrag umfassen. Die herrschende Meinung fasst bei § 142 I BGB darunter nur die einzelne Willenserklärung.