Wohin zum Referendariat? – Teil 1
Von Alice Börst und Michael Berkemeyer
Nach dem ersten Examen ist vor dem Referendariat. Dies ist zwar keine Weisheit von Sepp Herberger, aber dennoch wahr. Kaum hat man das Staatsexamen mit der mündlichen Prüfung abgeschlossen – und natürlich gefeiert –, muss man sich Gedanken dazu machen, in welchem Bundesland bzw. bei welchem Oberlandesgericht man sich für das Referendariat bewirbt.
Wir – das sind Alice und Michael von juristenkoffer.de – erhalten von gerade fertig gewordenen Juristen, die ins Referendariat starten möchten, häufig per E-Mail Fragen, die im Zusammenhang mit der Wahl des „richtigen“ Ausbildungsgerichts stehen. Dieser Gastbeitrag soll in zwei Teilen auf die möglichen Kriterien eingehen, die bei der Entscheidung, wohin es zum Referendariat gehen soll, von Bedeutung sind.
Grundsätzlich gilt: Freie Wahl des Bundeslandes
In regelmäßigen Abständen werden wir tatsächlich danach gefragt, ob man sich für das Referendariat in allen Bundesländern bewerben kann oder ob man an das Land gebunden ist, in dem man das erste Staatsexamen abgelegt hat. Die Antwort darauf ist eindeutig: Man ist keinesfalls an ein bestimmtes Bundesland oder speziellen OLG-Bezirk gebunden. Hat man das erste Examen beispielsweise beim Justizprüfungsamt Hamm in NRW bestanden, ist eine Bewerbung um einen Referendarplatz auch in Hamburg, Hessen oder Bayern möglich. Gesetzliche Voraussetzung für eine Bewerbung um einen Referendariatsplatz ist nach den Juristenausbildungsgesetzen der Länder allein das erfolgreiche Bestehen der ersten Staatsprüfung (vgl. zB § 5 Abs. 1 des Niedersächsischen JAG); wo man die Prüfungen abgelegt hat, ist grundsätzlich unerheblich.
Berlin und das OLG Köln als Ausnahmen
Wir Juristen wissen allerdings: Keine Regel ohne Ausnahme! So sind auch bei der grundsätzlich geltenden freien Bundeslandwahl zwei Besonderheiten zu beachten, die Berlin und das OLG Köln betreffen.
Berlin vergibt zunächst einen Teil der zur Verfügung stehenden Plätze nach Leistung, und zwar an Referendare, die das erste Examen mit mehr als 10 Punkten bestanden haben. Bei der Vergabe der übrigen Plätze geht es dann nach der jeweiligen Wartezeit der Bewerber, wobei nach dem Ort der ersten Prüfung differenziert wird: 80 % dieser Plätze sind für Bewerber reserviert, die ihr erstes Examen in Berlin abgelegt haben; nur 20 % der Plätze gehen an Bewerber, die die erste Prüfung außerhalb von Berlin abgelegt haben. Grundsätzlich bleibt es also zwar für alle möglich, sich in der Hauptstadt um einen Referendarplatz zu bewerben. Im Rahmen der sogenannten Warteliste werden aber die „Landeskinder“ durch die Verteilung der Plätze deutlich bevorzugt, was sich in den Wartezeiten ausdrückt: Bewerber mit einem Berliner ersten Examen müssen derzeit ca. 8 Monate auf einen freien Referendarplatz warten, für auswärtige Bewerber beträgt die Wartezeit dagegen 19 Monate!
Eine klassische „Landeskinder-Regelung“ besteht dagegen für den OLG-Bezirk Köln. Die Referendarabteilung weist darauf hin, dass grundsätzlich nur Bewerbungen berücksichtigt werden, die einen „dauerhaften Bezug zum OLG-Bezirk“ aufweisen. Ein solcher Bezug besteht dann, wenn der Bewerber seit mindestens 2 Jahren im Bezirk seinen Wohnsitz hat, er im OLG-Bezirk aufgewachsen ist oder aber bereits vor dem Referendariat eine Tätigkeit an der juristischen Fakultät in Bonn oder Köln ausgeübt hat und diese Tätigkeit auch während des Vorbereitungsdienstes weiter ausüben möchte. Ein Bewerber, der beispielsweise ein hessisches erstes Examen hat und keinen Bezug zum OLG-Bezirk Köln vorweisen kann, wird also faktisch keine Chance auf einen Referendarplatz in Köln haben.
Neues Landesrecht als Argument gegen einen Bundeslandwechsel
Entscheidet man sich dafür, das Referendariat in einem anderen Bundesland als das Studium zu machen, muss man sich natürlich im Klaren sein, dass man sich in der Regel in ein neues Verwaltungsrecht einarbeiten muss. Dies ist durchaus zeitintensiv. Zwar sind die Strukturen der Länder im Kommunal-, Bau- sowie Polizei- und Ordnungsrecht oftmals ähnlich. Dennoch muss man den Umgang mit den neuen Normen erst lernen.
Zum Teil weisen die Referendarvertretungen, wie zum Beispiel die Referendare am LG Bochum, auf Veranstaltungen an der Uni hin, die das Landesrecht „für Zugezogene“ kompakt vermitteln. Teilweise haben auch die Repetitorien Skripte speziell zum Landesrecht im Angebot, mit denen man sich vorbereiten kann. Wer sich diesen zusätzlichen Zeitaufwand ersparen möchte, sollte entweder einen Bundeslandwechsel vermeiden oder aber nach Bremen, Hamburg oder Schleswig-Holstein wechseln. Denn dies sind die einzigen Länder, in denen im 2. Examen in den Verwaltungsrechtsklausuren keine Landesgesetze zugelassen sind, man also die landesrechtlichen Spezialvorschriften nicht kennen muss.
Das Warten auf einen Referendarplatz als zeitlicher Aspekt
Ist also eine Bewerbung grundsätzlich in allen Ländern möglich, muss man bei der Entscheidung, wo man das Referendariat machen möchte, auf jeden Fall die voraussichtlichen Wartezeiten berücksichtigen. Wer ein Examen unter 10 Punkten hat, aber möglichst schnell Referendar werden möchte, braucht sich – wie oben dargestellt – nicht in Berlin bewerben. Wer dagegen in Betracht zieht, nach dem Studium zunächst einen LL.M. zu machen oder zu promovieren, kann dagegen auch längere Wartezeiten in Kauf nehmen.
Grundsätzlich ist festzustellen, dass in den vergangenen Jahren die Bewerberzahlen rückläufig sind. Dies hat sich positiv auf die Wartezeiten ausgewirkt: In einigen Ländern bestehen keine bzw. nur geringe Wartezeiten, so zum Beispiel in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und den ostdeutschen Ländern. Im Vergleich zu früher eher überschaubare Wartezeiten existieren derzeit auch in NRW. Dort muss man je nach OLG-Bezirk zwischen 3 und 5 Monate überbrücken. Lange auf einen Referendarplatz warten muss man dagegen in den Stadtstaaten. So ist zum Beispiel in Hamburg die Wartezeit in der letzten Zeit (wieder) deutlich gestiegen. Je nachdem wie das Ergebnis im ersten Examen ausgefallen ist, müssen Bewerber dort eine Wartezeit von knapp 2 Jahren einrechnen.
[Quelle: Infoseiten zum Rechtsreferendariat – juristenkoffer.de]
Da die Wartezeiten von Einstellungstermin zu Einstellungstermin schwanken, ist zu empfehlen, sich unmittelbar vor einer Bewerbung mit der jeweiligen Referendarabteilung telefonisch in Verbindung zu setzen und die aktuelle Wartezeit zu erfragen. Die Mitarbeiter in den Referendarabteilungen helfen bei solchen Fragen gerne weiter.
Weitere Kriterien
Da Organisation und Ablauf des juristischen Vorbereitungsdienstes Ländersache sind, bestehen in vielen weiteren Bereichen erhebliche Unterschiede. Auch wenn nicht alle Aspekte bei der Wahl des Ausbildungsgerichts eine Rolle spielen (sollten), sollte man sich dieser Unterschiede vor einer Bewerbung zumindest bewusst sein. Daher gehen wir in dem demnächst erscheinen 2. Teil unseres Gastbeitrages auf weitere Kriterien der Entscheidung ein, insbesondere auf die Höhe der Vergütung der Referendare und die inhaltlichen Anforderungen im 2. Staatsexamen.
Zu den Autoren: Alice Börst und Michael Berkemeyer sind die Betreiber der Seite www.juristenkoffer.de. Neben der Kommentarmiete für das zweite Staatsexamen findet ihr dort Infos zum Ablauf und Inhalt des Referendariats sowie im RefBlog Erfahrungsberichte und Neuigkeiten von Referendaren für Referendare.
Das zum OLG-Bezirk Köln Gesagte stimmt so nicht ganz. Wenn man Nicht-Landeskind ist, hat man, auch wenn man die weiteren Voraussetzungen nicht erfüllt, also als völlig Fremder nach NRW kommt, auf jeden Fall eine Chance, am LG Aachen eingestellt zu werden. Zunächst sollte man sich auch auf eine mehrmonatige Wartezeit einstellen. Die verkürzt sich aber sehr schnell, wenn man die Augen offen hält und auf der Homepage des OLG Köln nach Restplätzen schaut. Dort werden immer ca. 2 Monate vor Einstellung noch zur Verfügung stehende Restplätze für das LG Aachen angegeben, auf die man anrufen und so recht schnell an einen Ref.-Platz kommen kann. Da am LG Aachen alle 2 Monate eingestellt wird, dauert es so unter Umständen gar nicht lang.
Ich kann noch empfehlen, bei den OLGs anzurufen und gezielt nach Restplätzen zu fragen, auch wenn auf den Homepages keine frei gewordenen Stellen angegeben sind. Ich hätte so zB im Bezirk des OLG Hamm 2 Wochen nach meiner Mündlichen mit dem Ref. beginnen können – Unterlagen wären dann einfach so schnell wie möglich zu besorgen gewesen und hätte nichtmal zwingend bis Anfang des Ref dort sein müssen.
Wie stehts mit einem Referendariat im Ausland?
Du kannst einzelne Stationen im Ausland absolvieren. Z.B. bietet sich in der Verwaltungsstation eine Botschaft (Auswärtiges Amt) an.