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Schlagwortarchiv für: Übergabe

Dr. Melanie Jänsch

BGH: Neues zum Rechtsmangel beim Autokauf

Lerntipps, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Schuldrecht, Startseite, Zivilrecht

In einer aktuellen Entscheidung vom 26.02.2020 (Az.: VIII ZR 267/17) hat sich der BGH abermals mit dem extrem klausur- und examensrelevanten Gebiet des kaufrechtlichen Gewährleistungsrechts auseinandergesetzt. Konkret ging es um die Haftung eines Gebrauchtwagenverkäufers bei der Eintragung des Fahrzeugs in die Fahndungsliste des Schengener Informationssystems (SIS) nach Gefahrübergang. Der Fall, der sich hervorragend eignet, um die Feinheiten des Mängelrechts aufzuzeigen und daher problemlos Einzug in Klausuren finden kann, hat zwei Schwerpunkte: Zum einen geht es um die Abgrenzung des Sach- vom Rechtsmangel im Falle öffentlich-rechtlicher Beschränkungen; vor allem aber – und das ist das Neue an der vorliegenden Entscheidung – stellt sich die Frage, ob ein Rechtsmangel bei Gefahrübergang dann angenommen werden kann, wenn zwar nicht der Rechtsmangel an sich, aber die Umstände, die kausal zum Rechtsmangel geführt haben, im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorlagen.
 
A) Sachverhalt (leicht abgewandelt und vereinfacht)
Der Sachverhalt ist schnell erzählt: K kaufte am 12.07.2011 von V einen gebrauchten Pkw. Noch am selben Tag wurde der Kaufpreis entrichtet und das Fahrzeug, zusammen mit einer rechtmäßig ausgestellten Zulassungsbescheinigung II, die den V als Eigentümer auswies, an den K übergeben. Am 06.03.2013 wurde der K mit dem Fahrzeug bei der Rückkehr aus der Türkei an der serbischen Grenze angehalten. Das Fahrzeug wurde dort auf der Grundlage einer Interpol-Meldung mit der Begründung beschlagnahmt, es werde in Rumänien als Gegenstand einer Straftat gesucht. Über das Polizeipräsidium Dortmund erhielt der Kläger in der Folgezeit zudem die Mitteilung, dass das Fahrzeug seit dem 22.05.2014 im Schengener Informationssystem (SIS) zwecks Sicherstellung ausgeschrieben sei. Als Fahrzeughalter sei in Rumänien seit dem 22.12.2008 das Unternehmen U und die B als Besitzerin gemeldet. An dieses Unternehmen wurde das beschlagnahmte Fahrzeug in der Folge herausgegeben. Der K ist empört und wendet sich an V: Er begehre die Verschaffung von Eigentum und Besitz an dem Fahrzeug, hilfsweise sofortige Rückzahlung des geleisteten Kaufpreises, abzüglich einer Nutzungsentschädigung, nebst Zinsen.
In erster Instanz wurde die Klage vollständig abgewiesen. Das LG Köln hat es für erwiesen erachtet, dass das Fahrzeug nicht abhandengekommen war; deshalb habe der K gutgläubig das Eigentum erwerben können, sodass weder ein Sach- noch ein Rechtsmangel anzunehmen sei (LG Köln, Urt. v. 26.10.2016 – 12 O 254/14, n.v.). Das OLG Köln hat in der Berufung das erstinstanzliche Urteil abgeändert und den V auf den Hilfsantrag zur Rückzahlung des Kaufpreises (abzüglich einer Nutzungsentschädigung) nebst Zinsen verurteilt (OLG Köln, Urt. v. 09.11.2017 – 18 U 183/16, n.v.). In der Revisionsinstanz verfolgte der V nunmehr die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
 
B) Rechtsausführungen
Damit stellte sich für den BGH die Frage, ob dem V ein Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrags aus § 346 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 437 Nr. 2 Alt. 1, 323 BGB zustand.
 
I. Kaufvertrag
Ein Kaufvertrag zwischen den Parteien besteht ohne Zweifel. Da aus dem Sachverhalt nicht hervorgeht, ob dem V eine Strafbarkeit, etwa wegen Hehlerei (§ 259 StGB), anzulasten ist, ist insbesondere nicht von der Nichtigkeit des Kaufvertrags nach § 134 BGB oder § 138 BGB auszugehen (zur Unwirksamkeit eines Kaufvertrags bei Verstoß gegen § 259 StGB s. MüKoBGB/Armbrüster, 8. Aufl. 2018, § 138 Rn. 42).
 
II. Rechtsmangel bei Gefahrübergang
Weiterhin dürfte der Verkäufer seiner Pflicht aus dem Kaufvertrag gemäß § 433 Abs. 1 S. 2 BGB zur Verschaffung der Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln nicht nachgekommen sein. Es müsste also – wie der K vorträgt – ein Rechtsmangel bei Gefahrübergang vorliegen.
 
1. Rechtsmangel
Bei der Eintragung des Fahrzeugs in das SIS müsste es sich also zunächst um einen Rechtsmangel handeln. Gemäß § 435 S. 1 BGB ist eine Sache frei von Rechtsmängeln, wenn Dritte in Bezug auf die Sache keine oder nur die im Kaufvertrag übernommenen Rechte gegen den Käufer geltend machen können. Zur vollständigen Erfüllung seiner vertraglichen Pflicht obliegt es dem Verkäufer also nicht nur, das Eigentum als solches zu übertragen. Er muss vielmehr auch sicherstellen, dass dem Käufer die Sache frei von Rechten Dritter verschafft wird, damit dieser als Eigentümer – wie es § 903 S. 1 BGB vorsieht – mit der Sache nach Belieben verfahren kann (BT-Drucks. 14/6040, S. 218). Hiervon ausgehend ist ein Rechtsmangel dann gegeben, wenn Rechte eines Dritten eine individuelle Belastung des Käufers darstellen, indem sie geeignet sind, ihn an der ungestörten Ausübung der ihm nach § 903 S. 1 BGB zustehenden Rechtsposition zu hindern (MüKoBGB/Westermann, 8. Aufl. 2019, § 435 Rn. 4; BeckOK BGB/Faust, 53. Edt., Stand: 01.02.2020, § 435 Rn. 6). In Betracht kommen dabei grundsätzlich alle dinglichen Rechte (beispielsweise (Grund-)Pfandrechte, Dienstbarkeiten wie Nießbrauch), aber auch obligatorische Rechte eines Dritten, soweit ihre Ausübung den Käufer in seiner aus § 903 BGB folgenden Eigentümerstellung beeinträchtigt (MüKoBGB/Westermann, 8. Aufl. 2019, § 435 Rn. 7). Erfasst werden hiervon auch solche Eingriffsbefugnisse, Einschränkungen und Bindungen, welche auf öffentlichem Recht beruhen (hierzu MüKoBGB/Westermann, 8. Aufl. 2019, § 435 Rn. 10). Öffentlich-rechtliche Einschränkungen können indes auch einen Sachmangel bedeuten. Denn für die Qualifikation eines Umstandes als Sachmangel ist nicht allein seine physische Beschaffenheit maßgeblich. Vielmehr können auch Umstände, die sich letztlich als Nutzungs- oder Verwendungsbeeinträchtigungen auswirken, als Sachmangel einzuordnen sein. Daher ist an dieser Stelle eine Abgrenzung des Rechtsmangels vom Sachmangel erforderlich.
 
Anmerkung: Die Abgrenzung des Rechts- vom Sachmangel ist nicht nur theoretischer Natur. Die Einordnung als Rechtsmangel hätte unter anderem zur Folge, dass der auf Sachmängel zugeschnittene § 477 BGB (Beweislastumkehr bei Verbraucherverträgen) keine Anwendung findet.  
 
Als Faustformel lässt sich festhalten, dass solche Mängel, die an die Beschaffenheit der Sache anknüpfen, Sachmängel darstellen, auch wenn sie dazu führen, dass Dritte Rechte gegen den Käufer geltend machen können, die ihn in der ungestörten Ausübung der Eigentümerbefugnisse beeinträchtigen (BeckOK BGB/Faust, 53. Edt., Stand: 01.02.2020, § 435 Rn. 10 m.w.N.). Das heißt: Solche öffentlich-rechtlichen Beschränkungen (beispielsweise Enteignungen, Beschlagnahmen), die ihre Grundlage in der Beschaffenheit der Sache (also ihrer Zusammensetzung, ihrem physischen Zustand) haben, sind als Sachmangel einzuordnen (BGH, Urt. v. 26.2.2020 – VIII ZR 267/17, BeckRS 2020, 4703, Rn. 13; Urt. v. 18.01.2017 – VIII ZR 234/15, NJW 2017, 1666 Rn. 18 ff.). In der Vergangenheit wurde dies beispielsweise für Beschränkungen der Bebaubarkeit, die an die Beschaffenheit (insbesondere die Lage) eines Grundstücks anknüpfen, angenommen (hierzu BGH, Urt. v. 11.12.1992 – V ZR 204/91, NJW-RR 1993, 396; Urt. v. 17.03.1989 – V ZR 245/87, NJW 1989, 2388). Auch gilt dies konsequenterweise für Beschlagnahmen, wenn sich das Recht zur Beschlagnahme aus der Zusammensetzung bzw. dem Zustand der Kaufsache ergibt, so etwa bei Lebensmitteln, bei denen der Verdacht des Salmonellenbefalls besteht (BGH, Urt. v. 14.06.1972 – VIII ZR 75/71, NJW 1972, 1462). Anders ist dagegen zu urteilen – also ein Rechtsmangel anzunehmen – wenn das Recht zum öffentlich-rechtlichen Eingriff aus „äußeren“ Umständen, die zwar eine Beziehung zur Sache aufweisen, ihr aber nicht unmittelbar anhaften, herrührt, wie beispielsweise aus der Nichtzahlung von Abgaben für die Sache. Wie aber ist in Bezug auf die SIS-Ausschreibung eines Fahrzeugs zu urteilen? Die SIS-Ausschreibung bedeutet, dass das betreffende Fahrzeug zwecks Sicherstellung oder Beweissicherung in einem Strafverfahren gesucht wird. Damit gründet der dem Fahrzeug anhaftende Mangel (Gefahr der Beschlagnahme) nicht auf der physischen Beschaffenheit (beispielsweise technischen Aspekten), sondern auf dem äußeren Umstand, dass das Fahrzeug im Kontext einer Straftat verwendet wurde. Wendet man konsequent die Faustformel an, kommt man auf dieser Basis unzweifelhaft zur Annahme eines Rechtsmangels. Denn – so der BGH:

„[M]it der SIS-Ausschreibung eines Kraftfahrzeugs zur Fahndung ist die konkrete, im gesamten Schengen-Raum bestehende Gefahr verbunden, dass das Fahrzeug bei einer Halteränderung oder bei einer polizeilichen Kontrolle von staatlichen Behörden rechtmäßig sichergestellt oder beschlagnahmt wird (Senatsurteil vom 18. Januar 2017 – VIII ZR 234/15, aaO Rn. 24) mit der Folge, dass es der Käufer – unabhängig von einem etwaig bestehenden, für die Beurteilung eines Rechtsmangels nicht maßgebenden Eigentumsherausgabeanspruch eines (Vor-)Eigentümers – nicht mehr ungestört im In- und Ausland nutzen kann.“ (Rn. 13).

Ein Rechtsmangel liegt damit vor.
 
Anmerkung: Lesenswert – und zur Vertiefung des Verständnisses empfehlenswert – ist auch das Urteil vom 18.01.2017, in dem der BGH ausführlich erörtert hat, dass die bei Gefahrübergang vorhandene und im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung fortbestehende Eintragung eines Kraftfahrzeugs in dem SIS zum Zwecke der Sicherstellung und Identitätsfeststellung einen erheblichen Rechtsmangel bedeutet, der den Käufer zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt. Im Zuge dessen hat der BGH eine ausführliche Abgrenzung des Rechts- vom Sachmangel bei öffentlich-rechtlichen Beschränkungen in Bezug auf die Kaufsache vorgenommen (BGH, Urt. v. 18.01.2017 – VIII ZR 234/15, NJW 2017, 1666).
 
2. Bei Gefahrübergang
Der Rechtsmangel muss aber auch im Zeitpunkt des Gefahrübergangs – und hierin liegt die Krux des Falls – vorgelegen haben. Zeitpunkt des Gefahrübergangs ist hier gemäß § 446 Abs. 1 BGB nach den Ausführungen des BGH der Zeitpunkt der Übergabe, also im konkreten Fall der 12.07.2011. Die SIS-Ausschreibung erfolgte aber erst am 22.05.2014, weshalb man vor diesem Hintergrund – ganz simpel – das Vorliegen eines Rechtsmangels im Zeitpunkt des Gefahrübergangs verneinen müsste.
 
Anmerkung: Die – soweit erkennbar – allgemeine Meinung in der Literatur sieht das bei Rechtsmängeln gleichwohl anders. Hiernach soll der maßgebliche Zeitpunkt anders als beim Sachmangel nicht die Übergabe, sondern der Zeitpunkt sein, in dem sich der Erwerb vollziehen soll, also regelmäßig der Zeitpunkt des Eigentumserwerb (der zugegebenermaßen oftmals mit der Übergabe zusammenfallen wird), s. hierzu MüKoBGB/Westermann, 8. Aufl. 2019, § 435 Rn. 6 m.w.N. Hierauf soll jedoch nicht näher eingegangen werden, dient der Beitrag der Besprechung der BGH-Entscheidung, in der bei der Beurteilung konsequent auf den Zeitpunkt der Übergabe abgestellt wurde.
 
Das Berufungsgericht hat jedoch zutreffend darauf hingewiesen, dass zwar der unmittelbare Rechtsmangel erst am 22.05.2014 begründet wurde, der Sachverhalt, der zu der Eintragung in das SIS geführt habe, aber schon am 12.07.2011 vorgelegen habe. Dass dies zur Annahme eines Mangels bei Gefahrübergang aber nicht genüge, hat der BGH in seiner Entscheidung ausführlich dargelegt:

„Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts liegt ein Rechtsmangel bei Gefahrübergang nicht schon dann vor, wenn die letztlich zur späteren Eintragung in das SIS führende Ausgangslage […] bereits bei der nach § 446 Satz 1 BGB den Gefahrübergang herbeiführenden Übergabe des Fahrzeugs bestanden hat. Der Senat hat in seiner bisherigen Rechtsprechung zur Frage, ob in der Eintragung eines Kraftfahrzeugs in die SIS-Fahndungsliste ein Rechtsmangel liegt, darauf abgestellt, dass diese Eintragung bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs bestand (Senatsurteile vom 18. Januar 2017 – VIII ZR 234/15, aaO Rn. 14; vom 26. April 2015 – VIII ZR 233/15, aaO). Grund hierfür ist der Umstand, dass der Käufer mit der Aufnahme des Fahrzeugs in die SISFahndungsliste in der ungestörten Nutzung der Kaufsache und damit in der Ausübung der ihm – nach Übergabe – gebührenden Rechtsposition eines Eigentümers (§ 903 BGB) konkret beeinträchtigt ist. Erst mit der Eintragung in das SIS verdichtet sich das Risiko der Ausübung von Rechten Dritter – hier in Gestalt strafprozessrechtlicher Zugriffsbefugnisse auf das verkaufte Fahrzeug – so stark, dass mit dessen Verwirklichung unmittelbar und jederzeit gerechnet werden muss. An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest mit der Folge, dass allein das Vorliegen eines tatsächlichen Geschehens, das wegen seiner erst nach Gefahrübergang erkannten strafrechtlichen Bedeutung für eine spätere SISFahndung – und in deren Folge für eine etwaige Beschlagnahme – in irgendeiner Weise kausal geworden ist […] für die Annahme eines Rechtsmangels nicht genügt.“ (Rn. 14 ff.)

Eine andere Sichtweise würde die Haftung des Gebrauchtwagenverkäufers in unzumutbarer Weise überdehnen:

„Denn dieser müsste selbst bei dem Verkauf von Fahrzeugen, die eine lückenlos dokumentierte Historie aufweisen, auf lange Zeit für ein bei Gefahrübergang für ihn weder erkennbares noch beherrschbares tatsächliches Geschehen einstehen, das irgendwann einen staatlichen Zugriff auf das Fahrzeug ermöglicht.“ (Rn. 17).

Dies hatte der BGH indes schon einmal anders gesehen: In einer Entscheidung aus dem Jahre 2004 hatte es der BGH bei einer nach § 111b StPO rechtmäßig durchgeführten Beschlagnahme eines im Ausland als gestohlen gemeldeten Fahrzeugs für die Annahme eines Rechtsmangels bei Gefahrübergang als ausreichend erachtet, dass der Sachverhalt, aufgrund dessen die spätere Beschlagnahme erfolgte, bereits bei Gefahrübergang vorlag (BGH, Urt. v. 18.02.2004 – VIII ZR 78/03, NJW 2004, 1802 unter II 1). Die diesem Sachverhalt zugrunde liegende Konstellation unterscheide sich jedoch derart vom vorliegenden Fall, dass nicht die gleichen Maßstäbe angelegt werden könnten. Konkret:

„Der in dem Senatsurteil vom 18. Februar 2004 (VIII ZR 78/03, aaO) zu beurteilende Sachverhalt zeichnete sich dadurch aus, dass bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs eine Diebstahlsanzeige vorlag und strafrechtliche Ermittlungen – auch gegen den Käufer des Fahrzeugs – wegen des Verdachts der Hehlerei geführt wurden, in deren Folge es 16 Tage nach der Übergabe zu einer (rechtmäßigen und danach richterlich bestätigten) Beschlagnahme durch die deutschen Strafverfolgungsbehörden kam (Senatsurteil vom 18. Februar 2004 – VIII ZR 78/03, aaO). Somit drohte in jenem Fall bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs eine alsbaldige behördliche Beschlagnahme, die die Annahme eines bereits zu diesem Zeitpunkt bestehenden Rechtsmangels begründen konnte. Eine derartig „verdichtete“ Situation einer unmittelbar drohenden behördlichen Beschlagnahme bestand angesichts der vom Berufungsgericht zum zeitlichen Ablauf hier getroffenen Feststellungen bei Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger jedoch nicht. Somit kann […] auch insoweit ein bei Gefahrübergang vorhandener Rechtsmangel nicht bejaht werden.“ (Rn. 19).

Im vorliegenden Fall kann die Tatsache, dass der Sachverhalt, der zu der Eintragung in das SIS geführt habe, also nur deswegen nicht zur Annahme eines Sachmangels „bei Gefahrübergang“ führen, weil sich die Situation zum Zeitpunkt der Übergabe noch nicht hinreichend verdichtet hatte im Sinne eines unmittelbar drohenden behördlichen Einschreitens.
 
III. Ergebnis
Letztlich scheitert nach Auffassung des BGH ein Anspruch auf Rückabwicklung aus § 346 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 437 Nr. 2 Alt. 1, 323 BGB, dass im Zeitpunkt des Gefahrübergangs noch kein Rechtsmangel vorlag.
 
C) Fazit
Die wichtigsten Aussagen des BGH können wie folgt zusammengefasst werden:

  • Ein Sachmangel liegt in Abgrenzung zum Rechtsmangel immer dann vor, wenn der betreffende Umstand an die Beschaffenheit der Sache anknüpft, auch wenn er dazu führt, dass Dritte Rechte gegen den Käufer geltend machen können. Hiervon ausgehend liegt in der SIS-Ausschreibung eines Fahrzeugs zur Fahndung ein Rechtsmangel.
  • Ein Rechtsmangel bei Gefahrübergang liegt nicht bereits dann vor, wenn die Umstände, die zur späteren Ausschreibung führen, bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorgelegen haben. Denn eine konkrete Beeinträchtigung der Eigentümerposition ist erst mit der Eintragung in das SIS zu befürchten, denn erst dann verdichtet sich das Risiko der Ausübung von Rechten Dritter so stark, dass mit dessen Verwirklichung unmittelbar und jederzeit gerechnet werden muss. Anders geurteilt werden kann allenfalls dann, wenn im Zeitpunkt des Gefahrübergangs eine „alsbaldige“ behördliche Maßnahme droht, wenn sich die Situation also bereits so verdichtet hat, dass die der Maßnahme zugrunde liegenden Umstände in engem zeitlichem Abstand zur Durchführung (hier: Eintragung in das SIS) führen.

Die Entscheidung des BGH ist in Bezug auf die Äußerungen zum Gefahrübergang mehr als zweifelhaft, aber für die Praxis hinzunehmen. Aus streng dogmatischer Sicht hat der BGH freilich recht – der Rechtsmangel und nicht die für ihn irgendwie kausalen Umstände müssen im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorliegen. Gleichwohl erscheint das Urteil gerade vor dem Hintergrund der Entscheidung aus dem Jahre 2004, in der der BGH ausdrücklich anerkannt hat, dass bereits dem Rechtsmangel zugrunde liegende Umstände genügen können, nahezu willkürlich. Denn wann ist der zeitliche Zusammenhang noch gewahrt, dass von einem unmittelbar bevorstehenden behördlichen Eingriff ausgegangen werden kann? Als Eckpunkte kann man sich allenfalls – wenn auch wenig hilfreich – merken, dass eine Beschlagnahme, die 16 Tage nach Gefahrübergang folgt, wohl bereits hinreichend „drohte“; sind dagegen nach Übergabe drei Jahre vergangen, bevor es zur Eintragung ins SIS kommt, kann dies zur Annahme des erforderlichen zeitlichen Zusammenhangs nicht genügen – auch wenn die Umstände, die zur Maßnahme geführt haben, bereits in diesem Zeitpunkt abschließend vorlagen. In einer Klausur kommt es daher auf die Argumentation an: Wichtig ist, dass sich ausführlich mit der Frage auseinandergesetzt wird, ob die öffentlich-rechtliche Beschränkung bereits hinreichend drohte. Nur dann kann ein Rechtsmangel bei Gefahrübergang angenommen werden.

20.04.2020/1 Kommentar/von Dr. Melanie Jänsch
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Melanie Jänsch https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Melanie Jänsch2020-04-20 09:00:362020-04-20 09:00:36BGH: Neues zum Rechtsmangel beim Autokauf
Dr. Maximilian Schmidt

Mobiliarsachenrecht – Die wichtigsten 15 Definitionen

Sachenrecht, Schon gelesen?, Startseite, Verschiedenes, Zivilrecht

Für ein erfolgreiches juristisches Staatsexamen muss man wirklich nicht viel auswendig lernen. Ein paar wenige Definitionen sollte man sich jedoch einprägen – das spart Zeit und gibt Sicherheit. Allerdings sollten Definitionen, die sich bereits im Gesetz finden, aus Effizienzgründen nicht auswendig gelernt werden (s. bspw. Nutzungen i.S.d. § 100 BGB oder unmittelbarer/mittelbarer Besitz i.S.d. §§ 854, 868 BGB). Diese werden daher im Folgenden auch nicht aufgeführt. Vielmehr werden in diesem Beitrag lediglich 15 Standarddefinitionen alphabetisch sortiert aufgelistet, die man für Prüfungen mit sachenrechtlichem Bezug einfach drauf haben sollte (was die Kenntnis weiterer Definitionen selbstverständlich nicht ausschließt!).
Abhandenkommen (§ 935 BGB) ist der unfreiwillige Besitzverlust des unmittelbaren Besitzers. Ist der Eigentümer nur mittelbarer Besitzer gewesen, kommt es auf den Besitzverlust des Besitzmittlers an. (Merke: Es kommt immer auf den Besitzverlust des unmittelbaren Besitzers an!)
Ein Anwartschaftsrecht entsteht, wenn bei einem mehrstufigen Erwerbstatbestand bereits so viele Schritte vollzogen sind, dass der Erwerber eine gesicherte Rechtsposition innehat und der Veräußerer den Rechtserwerb nicht mehr durch einseitige Erklärung oder Unterlassen verhindern kann. Das Anwartschaftsrecht ist ein dem Vollrecht wesensgleiches Minus.
Aufwendungen sind alle freiwilligen Vermögensopfer.
Ein Bestandteil liegt vor, wenn eine Sache Teil einer anderen Sache ohne wirtschaftliche Selbständigkeit ist.

  • Ein wesentlicher Bestandteil liegt bei beweglichen Sachen nach § 93 BGB immer dann vor, wenn nach der Trennung die Sache nicht mehr in der bisherigen Weise wirtschaftlich nutzbar ist.

Die Einigung i.S.d. § 929 S. 1 BGB ist ein formloses dingliches Rechtsgeschäft, welches zwei auf die konkrete Eigentumsübertragung gerichtete Willenserklärungen erfordert. Es gelten die allgemeinen Regeln des Zivilrechts.
Geheißperson ist ein Dritter, der den Besitz auf Geheiß des Geschäftsherrn überträgt/entgegennimmt. Daher wird der unmittelbare/mittelbare Besitzverlust oder Besitzerwerb der Geheißperson dem Geschäftsherrn zugerechnet (Prüfungspunkt: „Übergabe„).
Gutgläubig i.S.d. § 932 BGB ist, wer daran glaubt, dass der Veräußerer Eigentümer ist, und dem insoweit auch keine grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist.
Ob eine neue Sache i.S.d. § 950 vorliegt, bestimmt sich nach der Verkehrsauffassung. Ein wesentliches Kriterium ist die Erzielung einer neuen Verarbeitungsstufe, was sich üblicherweise durch einen neuen Namen und/oder eine Formveränderung zeigt.
Übergabe i.S.d. § 929 S. 1 BGB erfordert den vollständigen Besitzverlust des Veräußerers (1), die Erlangung irgendeiner Form des Besitzes auf Erwerberseite (2) und zwar auf Veranlassung des Veräußerers (3).
Die Verfügung ist ein dingliches Rechtsgeschäft, das auf ein Recht unmittelbar einwirkt durch dessen Übertragung, Belastung, Inhaltsänderung oder Aufhebung.
Ein Verkehrsgeschäft liegt vor, wenn auf Erwerberseite mindestens eine Person beteiligt ist, die (bei wirtschaftlicher Betrachtung) nicht auch der Veräußererseite angehört.
Verwendungen sind Aufwendungen, die einer Sache zugute kommen sollen, diese also verbessern, in ihrem Bestand erhalten oder wiederherstellen (weiter Verwendungsbegriff), jedoch ohne diese grundlegend zu verändern (enger Verwendungsbegriff).

  • Notwendige Verwendungen (§ 994 BGB) liegen vor, wenn sie objektiv zur Erhaltung, ordnungsgemäßen Bewirtschaftung oder Wiederherstellung der Sache erforderlich sind.
  • Nützliche Verwendungen (§ 996 BGB) liegen vor, wenn sie den Wert der Sache bis zur Rückgabe an den Eigentümer erhöhen.

 

04.08.2015/4 Kommentare/von Dr. Maximilian Schmidt
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Maximilian Schmidt https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Maximilian Schmidt2015-08-04 13:00:492015-08-04 13:00:49Mobiliarsachenrecht – Die wichtigsten 15 Definitionen
Dr. Jan Winzen

OLG München: nichteheliche Lebensgemeinschaft kein gesetzliches Besitzmittlungsverhältnis

Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Startseite, Zivilrecht

In dem Sachverhalt, der Gegenstand einer kürzlich veröffentlichten Entscheidung des OLG München (23 U 3950/12) war, verlangte die Klägerin die Herausgabe eines PKW Daimler Benz 280 SE Coupé nach Beendigung ihrer Beziehung zu dem Beklagten. Anders als in den meisten klausurrelevanten Fällen zur nicht ehelichen Lebensgemeinschaft, war Gegenstand der rechtlichen Würdigung diesmal nicht die schuldrechtliche Rückabwicklung der Gemeinschaft. Vielmehr prüfte das Gericht einen auf § 985 BGB gestützten dinglichen Herausgabeanspruch.
A. Was war geschehen?
Das Gericht hat zu Gunsten der Klägerin folgenden (im Verfahren streitigen) Sachverhalt zu Grunde gelegt: Die Klägerin und der Beklagte waren ein Paar und bewohnten mit ihren drei Kindern eine gemeinsame Wohnung. Im Jahre 2006 erwarb der Beklagte den streitgegenständlichen Mercedes, der in der Folgezeit sowohl von der Klägerin als auch von dem Beklagten genutzt wurde. Am Geburtstag der Klägerin im Jahre 2007 übergab der Beklagte dieser einen der Fahrzeugschlüssel und erklärte, ihr den Mercedes zu schenken. Das Fahrzeug wurde weiterhin von beiden genutzt und zuweilen in einer Garage des Beklagten untergestellt, zu der sowohl die Klägerin als auch Beklagte Zugang hatten. Im Februar 2011 zog die Klägerin nach der Trennung aus der gemeinsamen Wohnung aus. Der Mercedes, der in den Wintermonaten nicht genutzt wurde, verblieb in der besagten Garage. Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin von dem Beklagten Herausgabe des Mercedes.
Steht der Klägerin gegen den Beklagten ein Anspruch auf Herausgabe des Mercedes gemäß § 985 BGB zu?
B. Rechtliche Würdigung
Der Herausgabeanspruch nach § 985 BGB setzt voraus, dass die Klägerin Eigentümerin des Mercedes ist und der Beklagten diesen besitzt, ohne ein Recht zum Besitz zu haben.
I. Eigentum der Klägerin
Ursprünglicher Eigentümer des Mercedes war der Beklagte (dies wird zu Gunsten der Klägerin vom Gericht unterstellt).
1) Eigentumserwerb der Klägerin nach § 929 Satz 1 BGB durch Übergabe eines Schlüssels anlässlich ihres Geburtstags
Die Übereignung nach § 929 Satz 1 BGB erfolgt durch Einigung und Übergabe.
a) Einigung
In der Übergabe des Schlüssels bei gleichzeitiger Erklärung des Beklagten, der Klägerin den Mercedes zu schenken, ist eine auf den Übergang des Eigentums gerichtet Willenserklärung zu sehen, die von der Klägerin zumindest konkludent erwidert wurde. Eine Einigung liegt damit vor.
b) Übergabe
Der Beklagte müsste den Mercedes aber auch in einer dem § 929 Satz 1 BGB genügenden Weise übergeben haben. Dies setzt voraus, dass der Eigentümer jeden bisherigen Besitz verliert und der Erwerber auf Veranlassung des Eigentümers unmittelbaren oder mittelbaren Eigenbesitz erlangt (siehe etwa Chr.Berger, in: Jauernig, Bürgerliches Gesetzbuch, 14. Auflage 2011, § 929 Rn. 8). Nach Auffassung des OLG München fehlt es an dem für § 929 Satz 1 BGB erforderlichen vollständigen Besitzverlust des Beklagten:

Auch nach dem Vortrag der Klägerin und der Aussage des Zeugen K. (Protokoll vom 29.03.2012, S. 3, Bl. 73 d.A.) hat der Beklagte der Klägerin nicht alle, sondern nur einen Fahrzeugschlüssel übergeben, und das Fahrzeug unstreitig nach der Feier am 14.07.2007 auch noch selbst benutzt. Zudem befand sich der PKW weiterhin in einer vom Beklagten angemieteten Garage, zu der außer der Klägerin auch der Beklagte jederzeit Zugang hatte. Somit hatte der Beklagte auch nach Übergabe des Schlüssels noch Mitbesitz an dem Fahrzeug.

Die Klägerin hat folglich nicht durch Übergabe des Schlüssels an ihrem Geburtstag gemäß § 929 Satz 1 BGB das Eigentum an dem Mercedes erlangt.
2) Eigentumserwerb der Klägerin nach §§ 929, 930 BGB durch Übergabe eines Schlüssels anlässlich ihres Geburtstags
Die Übereignung nach §§ 929, 930 BGB setzt neben der Einigung voraus, dass zwischen den Parteien ein konkretes Besitzmittlungsverhältnis i.S. des § 868 BGB bestand oder begründet wurde, kraft dessen der Veräußerer seinen Mitbesitz künftig für den Erwerber ausübt. Das Besitzmittlungsverhältnis kann entweder schuldrechtlich (auch durch schlüssiges Verhalten) begründet werden. Genauso kann ein bereits bestehendes gesetzliches Besitzmittlungsverhältnis nach dem Willen der Parteien dieses Besitzmittlungsverhältnisses auf den Erwerbsgegenstand erstreckt werden.
a) kein gesetzliches Besitzmittlungsverhältnis zwischen dem Beklagten und der Klägerin
Die Erstreckung eines bestehenden gesetzlichen Besitzmittlungsverhältnisses auf den Erwerbsgegenstand kommt regelmäßig in zwei Fällen in Betracht: im Hinblick auf § 1353 BGB für die eheliche Lebensgemeinschaft und im Hinblick auf § 1626 Abs. 1 BGB für die sorgeberechtigten Eltern im Verhältnis zu ihrem Kind (siehe etwa BGH, NJW 1989, 2542, 2543 f. und BGH, NJW 1979, 976, 977).
Die zentrale Frage, die das OLG München nun zu beantworten hatte, war, ob die nichteheliche Lebensgemeinschaft ein gesetzliches Besitzmittlungsverhältnis nach dem Beispiel des § 1353 BGB begründet (hatte). Entsprechend der allgemeinen Haltung der Rechtsprechung zum Verhältnis von nicht ehelicher Lebensgemeinschaft und der Ehe, verneint das OLG München eine solche Sichtweise:

Die Parteien waren nicht verheiratet. Sie lebten mit den drei gemeinsamen Kindern in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft. Eine nichteheliche Lebensgemeinschaft begründet indessen kein gesetzliches Besitzmittlungsverhältnis i.S. des § 930 BGB. Zwar können sich nach Auflösung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft wegen wesentlicher Beiträge eines Partners, mit denen ein Vermögenswert von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung geschaffen wurde, unter Umständen Ausgleichsansprüche nach Gesellschaftsrecht, nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage oder aus Bereicherungsrecht wegen Zweckverfehlung ergeben. Dies kommt allerdings nur in Betracht, soweit es sich nicht um Leistungen handelte, die der Ermöglichung des täglichen Zusammenlebens dienten (ausführlich etwa BGH NJW 2011, S. 2888, 2881 f m.w.N.; BGH NJW 2010, S. 868, 869). Eine der Ehe vergleichbare, umfassende Rechtsgemeinschaft mit detailliert geregelten wechselseitigen Rechten und Pflichten auch bezüglich des Vermögens des anderen ist die nichteheliche Lebensgemeinschaft aber gerade nicht (Brudermüller in: Palandt, BGB, 72. Auflage 2013, Einf v. § 1297 Rz. 32). Insbesondere findet § 1353 Abs. 1 BGB auf die nichteheliche Lebensgemeinschaft keine Anwendung. Aus dem Gebot der ehelichen Lebensgemeinschaft in § 1353 Abs. 1 BGB ergibt sich die Pflicht der Ehegatten, sich gegenseitig die Benutzung der ehelichen Wohnung und des Hausrats zu gestatten, auch wenn ein Ehegatte Alleineigentümer dieser Sachen ist. Aus der Besitzberechtigung folgt, dass der mitbesitzende Nichteigentümer dem Eigentümer den Besitz mittelt (BGH NJW 1979, S. 976, 977). Eine vergleichbare Regelung findet sich für die nichteheliche Lebensgemeinschaft nicht. Auch aus etwaigen Ausgleichsansprüchen, die sich bei Scheitern der nichtehelichen Lebensgemeinschaft ergeben können, lässt sich nicht der Schluss ziehen, die nichtehelichen Lebensgefährten seien einander zur Gewährung von Mitbesitz an einer Wohnung oder an Hausratsgegenständen kraft Gesetzes verpflichtet (das verkennt wohl Oechsler in: Münchener Kommentar zum BGB, 5. Auflage 2009, § 930 Rz. 21).

b) auch kein rechtsgeschäftlich begründetes Besitzmittlungsverhältnis zwischen dem Beklagten und der Klägerin
Dass es zwischen der Klägerin und dem Beklagten zu einer Vereinbarung gekommen ist, wonach der Beklagte künftig den Besitz als Fremdbesitz für die Klägerin mitteln sollte (etwa in Form einer schon im Vorfeld vereinbarten Leihe), konnte die Klägerin (nachdem der Beklagte dies bestritten hatte) nicht beweisen.
II. Ergebnis
Die Klägerin ist nicht Eigentümerin des Mercedes geworden. Ihr steht deshalb kein Herausgabeanspruch aus § 985 BGB gegen den Beklagten zu.
C. Fazit
Ein überschaubarer Fall, der sachenrechtliches Grundlagenwissen (§§ 929 ff. BGB) mit dem nach wie vor aktuellen Institut der nicht ehelichen Lebensgemeinschaft verknüpft. Für Examenszwecke lässt sich der Sachverhalt leicht anreichern, zum Beispiel durch den Einbau weiterer sachenrechtlicher Probleme auf der ersten Stufe (Erwerb des Mercedes durch den Beklagten).
Wird nach weiteren Ansprüchen der Klägerin gefragt, ist ein Anspruch auf Übereignung des Mercedes aus dem Schenkungsversprechen nach § 516 Abs. 1 BGB in den Blick zu nehmen. Dieser scheitert an der fehlenden notariellen Beurkundung (§ 518 Abs. 1 Satz 1 BGB), die auch mangels „Bewirken“ der versprochenen Leistung (zu einer Übereignung ist es ja gerade nicht gekommen) nicht gemäß § 518 Abs. 2 BGB geheilt wurde. Für § 861 Abs. 1 BGB fehlt es an einer verbotenen Eigenmacht (§ 858 BGB) des Beklagten.
 
 
 
 
 
 
 

14.11.2013/0 Kommentare/von Dr. Jan Winzen
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Jan Winzen https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Jan Winzen2013-11-14 09:00:372013-11-14 09:00:37OLG München: nichteheliche Lebensgemeinschaft kein gesetzliches Besitzmittlungsverhältnis

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