Das Sachenrecht gehört zum Prüfungsstoff aller Prüfungsordnungen. Obwohl es eine Reihe hervorragender Lehrbücher zu diesem Rechtsgebiet gibt (ich persönlich kann Vieweg/Werner, Sachenrecht, 5. Aufl. 2011 nur empfehlen), wird das Sachenrecht von vielen Studenten als undurchsichtig und schwierig empfunden.
Der folgende Beitrag befasst sich mit einem häufig im Rahmen von Klausuren zu behandelnden Thema: Der Übereignung beweglicher Sachen durch den Berechtigten. Die Übereignung beweglicher Sachen durch den Nichtberechtigten soll in einem späteren Beitrag behandelt werden.
Der Begriff der beweglichen Sache (Mobilie) muss abgegrenzt werden von den unbeweglichen Sachen (Immobilien) einerseits, von den nicht körperlichen Gegenständen (z.B. Forderungen) andererseits. Üblich ist folgende (Negativ-)Definition: Bewegliche Sachen sind alle körperlichen Gegenstände, die nicht Grundstücke, Grundstücken gleichgestellt (z.B. Schiffsbauwerk) oder Grundstücksbestandteile sind (Ellenberger, in: Palandt, BGB, 71. Aufl. 2012, Überbl. vor § 90 Rn. 3).
I. Prüfungsrelevanz
Die Frage, ob eine Übereignung einer beweglichen Sache durch den Berechtigten stattgefunden hat, spielt in Klausuren etwa eine Rolle bei der Erfüllung (§ 362 BGB – so schuldet der Verkäufer nach § 433 BGB nicht nur die Übergabe, sondern auch die Übereignung der Kaufsache), bei Herausgabeansprüchen (insbesondere aus § 985 BGB) oder auch im Deliktsrecht, wenn es darum geht, wer Eigentum i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB für sich in Anspruch nehmen kann.
II. Formen der Übereignung / Systematik
Die Übereignung beweglicher Sachen durch den Berechtigten ist im Wesentlichen in den §§ 929 bis 931 BGB geregelt. Die Übereignung nicht eingetragener Seeschiffe (§ 929a BGB) kann man dabei als Spezialmaterie getrost außer Acht lassen. Es bedürfen also nur die §§ 929, 930 und 931 BGB näherer Betrachtung.
§ 929 S. 1 BGB regelt den Grundfall aller Übereignungen. Zur Übertragung des Eigentums an einer beweglichen Sache ist danach erforderlich, dass der Eigentümer die Sache dem Erwerber übergibt und beide darüber einig sind, dass das Eigentum übergehen soll. Aus § 929 S. 1 BGB ergeben sich drei Tatbestandsvoraussetzungen:
- Dingliche Einigung
- Übergabe
- Einigsein im Zeitpunkt der Übergabe
Da die §§ 932 ff. BGB den Erwerb des Eigentums vom Nichtberechtigten regeln, ergibt sich im Umkehrschluss, dass die §§ 929, 930, 931 BGB nur den Fall der Übereignung beweglicher Sachen durch den Berechtigten regeln. Als viertes Tatbestandsmerkmal der §§ 929, 930, 931 BGB bleibt also die
- Berechtigung
zu prüfen.
Der Unterschied zwischen § 929 S. 1 BGB und den §§ 929 S. 2, 930 und 931 BGB liegt nun bei der Übergabe. Während diese für § 929 S. 1 BGB zwingend erforderlich ist, kann sie nach den §§ 929 S. 2, 930 und 931 BGB durch andere Tatbestandsmerkmale ersetzt werden. Darauf ist unter IV. zurückzukommen.
III. Einigung
Erste Voraussetzung für den Erwerb des Eigentums vom Berechtigten ist eine dingliche Einigung. Die Einigung ist ein Rechtsgeschäft und kommt nach den allgemeinen Regeln zustande, also durch Angebot und Annahme (§§ 145, 147 BGB).
Warum spricht man von einer „dinglichen“ Einigung? Weil diese Einigung nicht identisch ist mit der Einigung, die zu der Verpflichtung führt, die Sache zu übereignen (Trennungsprinzip).
Beispiel: Verkauft A dem B ein Auto, schließen die Parteien einen Kaufvertrag, der A verpflichtet, B das Auto zu übergeben und zu übereignen (Verpflichtungsgeschäft). Die Übereignung selbst setzt aber einen weiteren Vertragsschluss voraus, nämlich die auf die Übertragung des Eigentums gerichtete Einigung i.S.d. § 929 S. 1 BGB (Verfügungsgeschäft).
Beide Geschäfte sind grundsätzlich getrennt voneinander zu beurteilen. Ficht z.B. B den Kaufvertrag an, bleibt die Wirksamkeit der dinglichen Einigung hiervon grundsätzlich unberührt (Abstraktionsprinzip). Ausnahmen von diesem Grundsatz sind ein vereinbarter Bedingungszusammenhang (Bedingungi.S.d. § 158 BGB für die Wirksamkeit der dinglichen Einigung ist die Wirksamkeit des Verpflichtungsgeschäfts) sowie unter Umständen eine Geschäftseinheit i.S.d. § 139 BGB. Ferner liest man häufig, sogenannte Doppelmängel würden das Abstraktionsprinzip durchbrechen. Ein Doppelmangel liegt vor, wenn derselbe Mangel beide Willenserklärungen betrifft (Beispiel: Geschäftsunfähigkeit). Tatsächlich wird das Abstraktionsprinzip dann aber nicht durchbrochen. Ein Mangel wirkt sich lediglich mehrmals aus.
Die dingliche Einigung kann gleichzeitig mit dem Abschluss des Verpflichtungsgeschäfts erklärt werden oder auch erst im Anschluss daran. Eine Stellvertretung ist nach den allgemeinen Regeln (§§ 164 ff. BGB) zulässig. Auch eine bedingte Einigung ist möglich (vgl. § 449 BGB), allerdings führt die Bedingung häufig nur zum Entstehen eines Anwartschaftsrechts (dazu noch unten VII.).
Eine Besonderheit des Sachenrechts ist, dass die Einigung, um wirksam zu sein, hinreichend bestimmt sein muss. Während Ungenauigkeiten im Rahmen des Verpflichtungsgeschäfts in weitem Umfang unschädlich sind, sofern sie durch Auslegung beseitigt werden können, muss bei der dinglichen Einigung klar sein, welche Sachen von der Einigung erfasst sind. Das hat seinen Grund darin, dass jede Sache rechtlich eindeutig zugeordnet sein muss und dementsprechend auch die Übertragung dinglicher Rechte sich auf bestimmte Sachen beziehen muss (Spezialitätsprinzip). Problematisch ist die Bestimmtheit bei der Übereignung von Sachgesamtheiten (z.B. Warenlager) und bei künftig noch zu erwerbenden Sachen.
IV. Übergabe
§ 929 S. 1 BGB setzt weiter voraus, dass eine Übergabe erfolgt. Übergabe ist die Aufgabe jeglichen Besitzes (vgl. § 854 BGB) durch den Veräußerer und die Erlangung irgendeines Besitzes durch den Erwerber auf Veranlassung des Veräußerers.
Fehlt es an einer solchen Übergabe, kommt eine wirksame Übereignung nach § 929 S. 1 BGB nicht in Betracht. Die Prüfung endet dann aber noch nicht! An die Stelle der Übergabe kann nämlich ein Übereignungstatbestand nach den §§ 929 S. 2, 930, 931 BGB treten (sog. Übergabesurrogate).
Befindet sich der Erwerber bereits im Besitz der Sache, kommt eine Übereignung nach § 929 S. 2 BGB in Betracht. Erforderlich ist dann nur, dass Veräußerer und Erwerber sich über den Übergang des Eigentums einigen.
Beispiel: A verliert seinen Kugelschreiber. B findet den Kuli und nimmt ihn in Besitz. Als A den Kuli in der Hand des B sieht, klärt er jenen auf. Aus Großzügigkeit erklärt A jedoch, B könne den Kuli behalten. B nimmt dankend an.
Als weitere Variante kommt eine Übereignung nach § 930 BGB in Betracht. Ist der Eigentümer im Besitz der Sache, so kann die Übergabe dadurch ersetzt werden, dass zwischen ihm und dem Erwerber ein Rechtsverhältnis vereinbart wird, vermöge dessen der Erwerber den mittelbaren Besitz erlangt (sog. Besitzkonstitut). Der mittelbare Besitz ist in § 868 BGB geregelt.
Beispiel: A verkauft (Verpflichtungsgeschäft!) B sein Auto. A will das Auto aber noch für eine Wochenendspritztour behalten. B erklärt sich einverstanden, will aber schon vorher das Eigentum erlangen. A und B einigen sich über den Eigentumsübergang, gleichzeitig vermietet B dem A das Gefährt. B erlangt mittelbaren Besitz, es liegt ein Besitzkonstitut vor.
Schließlich kann die Übergabe dadurch ersetzt werden, dass der Eigentümer dem Erwerber den Herausgabeanspruch gegen einen Dritten abtritt, § 931 BGB.
Beispiel: A verleiht D sein Fahrrad. Während D das Fahrrad noch in Besitz hat, verkauft und übereignet A das Fahrrad an B ab. Anstelle der Übergabe tritt A dem B seinen Herausgabeanspruch gegen D aus § 604 Abs. 1 BGB nach § 398 BGB ab.
V. Einigsein im Zeitpunkt der Übergabe
Eine Besonderheit der dinglichen Einigung besteht darin, dass diese nach h.M. bis zur Übergabe frei widerruflich ist (BGHZ 7, 111, 115). Das kommt in § 929 S. 1 BGB in den Worten „einig sind“ zum Ausdruck. Für die Übereignung von Immobilien kommt dies in § 873 Abs. 2 BGB noch deutlicher zum Ausdruck. Damit weicht das Sachenrecht von den allgemeinen Regeln ab, denn nach allgemeinen Regeln ist eine Willenserklärung für den Erklärenden verbindlich, wenn sie den Empfänger erst einmal erreicht hat (§ 130 Abs. 1 S. 2 BGB). Allerdings wird man wie bei § 130 Abs. 2 BGB davon ausgehen müssen, dass der Tod oder die Geschäftsunfähigkeit des Erklärenden auch die dingliche Einigung unberührt lassen.
VI. Berechtigung
Letzte Voraussetzung der Übereignung beweglicher Sachen durch den Berechtigten ist die Berechtigung des Veräußerers. Diese festzustellen, ist wichtig und in Klausuren häufig problematisch, weil anderenfalls nur ein gutgläübiger Erwerb nach den §§ 932 ff. BGB in Betracht kommt.
Berechtigter ist zunächst, wer über die Sache als eigene verfügen kann, also der Eigentümer. Eine rechtsgeschäftliche Beschränkung der Verfügungsbefugnis ist nach § 137 S. 1 BGB ohne dingliche Wirkung.
Berechtigter ist darüber hinaus, wer von dem Eigentümer das Verfügungsrecht erhält. Das ist zunächst ein Stellvertreter.
Beachte: § 56 HGB ermächtigt Ladenangestellte scheinbar nur zu Verkäufen, also zum Abschluss von Verpflichtungsgeschäften. Die Norm ist aber älter als das BGB und gilt deshalb nach h.M. auch für Verfügungsgeschäfte, denn bei Inkrafttreten des § 56 HGB galt das Trennungs- und Abstraktionsprinzip noch nicht!
Darüber hinaus kann eine Verfügungsbefugnis kraft Gesetzes bestehen. Die wichtigsten Fälle sind:
- Insolvenzverwalter, § 80 InsO
- Nachlassverwalter, § 1984 BGB
- Testamentsvollstrecker, §§ 2205, 2211 BGB.
Schließlich ist auch eine Verfügung mit Einwilligung (§ 183 BGB) oder Genehmigung (§ 184 BGB) des Berechtigten wie eine Verfügung des Berechtigten zu behandeln, § 185 BGB.
VII. Exkurs: Anwartschaftsrecht
Im Gesetz nicht geregelt, aber heute allgemein anerkannt ist, dass nicht nur das Vollrecht Eigentum übertragen werden kann, sondern auch ein sogenanntes Anwartschaftsrecht. Anwartschaftsrechte entstehen, wenn der Veräußerer dem Erwerber eine Rechtsposition einräumt, die durch den Veräußerer nicht mehr beeinträchtigt werden kann. Das wichtigste Beispiel ist die Veräußerung einer Sache unter Eigentumsvorbehalt: Dabei handelt es sich um eine aufschiebend bedingte Übereignung (§§ 929, 158 BGB). Die Bedingung besteht in der vollständigen Zahlung des Kaufpreises durch den Erwerber. Bereits die aufschiebend bedingte Übereignung führt zur Entstehung des Anwartschaftsrechts. Dieses unterliegt als „wesensgleiches Minus zum Vollrecht“ grundsätzlich denselben Regeln wie das Eigentum. Das Anwartschaftsrecht wird seinerseits nach den §§ 929 ff. BGB übertragen und genießt als „sonstiges Recht“ deliktischen Schutz nach § 823 Abs. 1 BGB.