Wir freuen uns, einen weiteren Gastbeitrag veröffentlichen zu können. Er stammt von Patrick Otto, Studium in Hannover, studentische Hilfskraft am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Völker- und Europarecht (Prof. Dr. Volker Epping) sowie am Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Verwaltungswissenschaft (Prof. Dr. Veith Mehde).
Lokalkolorit vs. europäische Integration – mit dieser Dichotomie könnte das Verhältnis zwischen dem Europäischen Gerichtshof und dem Bundesverfassungsgericht umschrieben werden. Seit Jahrzehnten streiten sich beide über die Bindungswirkung ihrer Urteile, wobei das BVerfG stets darum bemüht ist, sich eine möglichst maximale Prüfungskompetenz zu sichern. Neu entfacht wurde diese Diskussion nun durch den kürzlich veröffentlichten OMT-Beschluss des EuGH. Was nun? Dieser Frage möchte der vorliegende Beitrag nachgehen.
I. Grundsätzliches zum Verhältnis zwischen BVerfG und EuGH
Im Grundsatz pflegen BVerfG und EuGH ein kooperatives Verhältnis, da sie beide ein Interesse an der europäischen Integration haben und sich daher gegenseitig unterstützen (Stichwort: Grundsatz der Europafreundlichkeit). Dennoch zeigt sich in der Linie der Jurisdiktion des BVerfG an einigen Stellen, dass sich das hiesige Verfassungsgericht schwer damit tut, Kompetenzen an den EuGH abzugeben und damit selbst in den Hintergrund zu treten. Andererseits hat der EuGH ein Interesse daran, möglichst stark und mit umfassenden Kompetenzen ausgestattet zu sein, um eine für die Mitgliedstaaten einheitliche Rechtsprechung zu schaffen. Dafür nimmt dieser auch in Kauf, dass Entscheidungen getroffen werden, die ein nationales Verfassungsgericht so oder so ähnlich nicht getroffen hätte. So hat das europäische Gericht bereits im Jahr 1964 in seiner prominenten Costa/ENEL-Entscheidung (EuGH v. 15.7.1964 – 6/64 (Costa/ENEL)) klargestellt, dass ein Anwendungsvorrang des Unionsrechts existiert, der absolut und uneingeschränkt gelte. Das BVerfG erkennt diesen zwar an, interpretiert ihn jedoch nur als relativ und daher als für Ausnahmen zugänglich. Dieser Umstand führte in der Vergangenheit wie auch in der Gegenwart zu einem nicht zu übersehbaren Konflikt.
II. Der Ausgangspunkt des Konflikts: Die Solange-Rechtsprechung des BVerfG
Erstmals virulent wurde das Verhältnis zwischen BVerfG und EuGH in der prominenten Solange-Rechtsprechung. In seiner Solange I-Entscheidung (BVerfG v. 29.5.1974 – BvL 52/71, BVerfGE 37, 271), die noch zur Anfangszeit der europäischen Integration ergangen war, hielt sich das BVerfG solange einen Prüfungsmaßstab anhand der nationalen Grundrechte offen, wie das europäische Recht und die Judikatur des EuGH keinen vergleichbaren Rechtsschutz gewährleiste. Verstoße daher europäisches Recht gegen die nationalen Grundrechte, so trete das Unionsrecht hinter dem nationalen Recht zurück. Mit fortschreitender Integration erhöhte sich in der Folge auch der Grundrechtsschutz, sodass sich das BVerfG in seiner Solange II-Entscheidung (BVerfG v. 22.10.1986 – 2 BvR 197/83, BVerfGE 73, 339) erneut mit dem Verhältnis zwischen nationalen Recht und Unionsrechts befasste. Hier sah es den vergleichbaren Grundrechtsschutz als gegeben an, da der EuGH mittlerweile selbst einen ungeschriebenen Grundrechtekatalog in Form der allgemeinen Rechtsgrundsätze anerkenne. Daher prüfe das BVerfG dann nicht mehr am Maßstab der nationalen Grundrechte. Durch diesen recht deutlichen Richterspruch hin zum Unionsrecht galt das Verhältnis von nationalem Recht und Unionsrechts zumindest prima facie als geklärt.
III. Die Ausnahme Identitätskontrolle
Die erste Ausnahme vom Verdikt der Solange II-Entscheidung ist die sog. Identitätskontrolle. Die Verfassungsrichter aus Karlsruhe behalten sich dabei die Prüfung von Rechtsakten anhand des nationalen Rechts für den Fall offen, dass der unantastbare Kerngehalt der Art. 1 und 20 GG verletzt wird (vgl. Art. 23 I 3, 79 III GG). Erstmals ausdrücklich genannt wurde dieses Institut in der Lissabon-Entscheidung (BVerfG v. 30.6.2009 – 2 BvE 2, 5/08 u.a., BVerfGE 123, 267) und finde seine Erforderlichkeit darin, dass die Übertragung von Kompetenzen an die Union nicht über die unantastbaren Ewigkeitsnormen der Art. 1 und 20 GG hinausgehen dürfe. Praktisch relevant sei hierbei vor allem das Demokratieprinzip, nach dem substanzielle Kompetenzen beim deutschen Parlament verbleiben müssten.
IV. Die Ausnahme der Rechtsakte ultra vires
Die zweite Ausnahmen sind die ausbrechenden Rechtsakte, die das Kompetenzgefüge des Unionsrechts sprengen (sog. Rechtsakte ultra vires) und erstmals in der Maastricht-Entscheidung (BVerfG v. 12.10.1993 – Az 2 BvR 2134, 2159/92, BVerfGE 89, 155), seinerzeit firmierend unter dem Begriff „ausbrechende Rechtsakte“, genannt wurde. Ein solcher Rechtsakt liege dann vor, wenn gegen den Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung (Art. 5 I und II EUV) oder das Subsidiaritätsprinzip (Art. 5 III EUV) verstoßen wird. Wie das BVerfG in seiner Lissabon-Entscheidung (BVerfG v. 30.6.2009 – 2 BvE 2, 5/08 u.a., BVerfGE 123, 267) ausführte, habe das Gericht dann durchaus die Kompetenz dazu, die Rechtsakte der Union im Hinblick auf den gesteckten Kompetenzkatalog in den Verträgen zu überprüfen und zu verwerfen, solange sie die deutsche Rechtsordnung berühren. Gleichwohl begreift es diese Kompetenz nur als eine Reservekompetenz, die subsidiär gegenüber dem Unionsrechtsschutz ist, sodass das Entscheidungsprimat des EuGH im Grundsatz anerkannt wird. Die genauen Kriterien für einen solchen Rechtsakt ultra vires formulierte das BVerfG in seiner Honeywell-Entscheidung (BVerfG v. 6.7.2010 – 2 BvR 2661/06, BVerfGE 126, 286) sehr eng, sodass teilweise vertreten wird, dass ein solcher Rechtsakt ultra vires kaum mehr vorstellbar sei.
V. Alles neu macht der OMT-Beschluss?
Das bisher Gesagte galt lange Zeit als gesetzt. Neue Beachtung wurde dem Verhältnis zwischen nationalen Recht und Unionsrecht jedoch wieder durch den sog. OMT-Beschluss geschenkt (BVerfG v. 7.2.2014 – 2 BvR 1390/12). In dieser Entscheidung zog das BVerfG einen ausbrechenden Rechtsakt für den Beschluss der Europäischen Zentralbank (EZB) v. 6.9.2012 in Betracht, indem es um die Technical features of Outright Monetary Transactions ging. Hierbei hat das BVerfG Neuland betreten und erstmalig dem EuGH eine Rechtssache zur Vorabentscheidung vorgelegt. Der OMT-Beschluss der EZB sieht vor, dass diese Staatsanleihen ausgewählter Mitgliedstaaten in unbegrenzter Höhe ankaufen darf, wenn und solange diese Mitgliedstaaten Teil des Europäischen Rettungsschirms (ESM) sind. Eine Umsetzung hiervor fand bislang noch nicht statt. Der zweite Senat erblickt hierin eine Überschreitung der Kompetenz der EZB, da diese unzulässige Wirtschaftspolitik betreibe und zudem ein Verstoß gegen das Verbot der Staatenfinanzierung aus Art. 123 I AEUV vorliege, welcher im Wege des Organstreitverfahrens oder der Verfassungsbeschwerde wegen Verletzung von Art. 38 I GG geltend gemacht werden könne.
Der EuGH judizierte auf das Vorabentscheidungsersuchen des BVerfG, dass das Vorhaben der EZB im Einklang mit dem Unionsrecht stehe (EuGH v. 16.6.2015 – C-62/14 (Gauweiler u.a.)). Das EZB-Programm sei, entgegen der Auffassung des BVerfG, nicht der Wirtschafts-, sondern der Währungspolitik zuzuordnen. Auch ein Verstoß gegen das Verbot der Staatenfinanzierung liege nicht vor, soweit die EZB die ihr selbst gesetzten Kriterien einhalte. Damit negierte der EuGH alle Bedenken des BVerfG und gab die Rechtssache zurück nach Karlsruhe. Dies ist letztlich nur ein weiterer Beleg dafür, dass der EuGH seine eigene Kompetenz als umfassend begreift und den Mitgliedstaaten insoweit keinen eigenen Spielraum zubilligt. Damit ist die Ausgangsfrage (Alles neu macht der OMT-Beschluss?) damit zu beantworten, dass sich die Entscheidung nur in den Kanon bisheriger Entscheidungen einfügt und diese bestätigt, aber das Rad sprichwörtlich nicht neu erfindet.
VI. Fazit
Der Konflikt ist noch nicht entschärft. Auch der OMT-Beschluss macht deutlich, dass das BVerfG immer noch eine sehr starke Skepsis gegenüber dem EuGH hat und daher weiterhin Reservekompetenzen behalten möchte. Der EuGH weicht hingegen auch nicht von seiner Linie ab, für sich selbst ein Maximum an Kompetenzen zu beanspruchen. Dennoch erweist sich der EuGH vorerst als Sieger dieses Konflikts und es ist wohl auch mit Blick auf die geschichtliche Entwicklung davon auszugehen, dass sich das BVerfG immer weiter zurückziehen wird und der EuGH insoweit allein über die Prüfung von Rechtsakten im Anwendungsbereich des Unionsrechts entscheiden wird. Indes würde dies wiederum zu einer Stärkung des BVerfG führen, da dem EuGH die Bürde von Entscheidungen obliege und sich das nationale Gericht somit nicht der öffentlichen Kritik seiner eigenen Entscheidungen aussetzen müsste. Zudem würde dies dem Kooperationsgedanken am Besten Rechnung tragen. Daher wäre es sehr zu begrüßen, wenn der nun veröffentlichte OMT-Beschluss zu einem nachhaltigen Umdenken hin zum alleinigen Entscheidungsmonopol des EuGH führen würde.
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Weiter geht es mit einem Prüfungsgespräch zur Entscheidung des EuGH zur Vorratsdatenspeicherung. Diese dient allerdings nur als Aufhänger. Wünschenswert wäre, die Fragen kurz im Kopf zu beantworten, s. zu Sinn und Zweck dieser Kategorie den Einführungsbeitrag.
Sehr geehrte Damen und Herren,
der EuGH hat, wie Sie sicher in den Tageszeitungen gelesen haben, entschieden, dass die europäische Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung europarechtswidrig und damit nichtig ist.
Zunächst: Was ist der Unterschied zwischen einer Richtlinie und einer Verordnung?*
Sowohl Verordnung als auch Richtlinie gehören zum europäischen Sekundärrecht, wovon das Primärrecht, das seit Lissabon insbesondere aus EUV und AEUV besteht, abzugrenzen ist. Verordnungen haben allgemeine Geltung, d.h. sie wirken wie nationale Gesetze, weswegen sich der Bürger unmittelbar auf sie berufen kann, Art. 288 Abs. 2 AEUV. Sie sind in allen Teilen verbindlich und gelten unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Richtlinien werden an Mitgliedstaaten gerichtet und sind für diese hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, Art. 288 Abs.3 AEUV. Die innerstaatlichen Stellen wählen Form und Mittel der Umsetzung in nationale Gesetze, mit denen die Ziele innerhalb einer bestimmten Frist zu erreichen sind. (Art. 288 AEUV) Die Richtlinie ist daher ein Kompromiss zwischen der Notwendigkeit, in der EU einheitliches Recht zu setzen und der Rücksicht auf nationale Eigenheiten.
Das kann man – grosso modo – so sagen. Nun, wer kann denn Richtlinien und Verordnungen für nichtig erklären? *
Insoweit ist zunächst festzustellen, dass es die Nichtigkeitsklage vor dem EuGH gibt, Art. 263 AEUV. Hiermit können Verstöße gegen das europäische Primärrecht bei Erlass von Richtlinien und Verordnungen durch den europäischen Gesetzgeber gerügt und gegebenenfalls für nichtig erklärt werden.
Ich hake hier kurz ein. Angenommen der EuGH verwirft eine Nichtigkeitsklage gegen eine Richtlinie. Welche weiteren Rechtsschutzmöglichkeiten bestehen dann?*
In Betracht käme dann grundsätzlich noch eine Verfassungsbeschwerde vor dem BVerfG. Bei Prüfung dieser stellen sich aber einige Probleme. Zum einen müsste ein tauglicher Beschwerdegegenstand nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a vorliegen. Dies sind aber grundsätzlich nur innerstaatliche Gesetze im materiellen Sinne.
Ich hake wiederum kurz ein und frage Ihren Nachbarn: Was meint Ihr Vorredner mit Gesetz im materiellen Sinne?*
Man unterscheidet herkömmlich Gesetze im formellen und materiellen Sinne. Gesetze im materiellen Sinne sind all solche, die abstrakt-generelle Rechtsfolgen für die Bürger treffen. Demgegenüber sind Gesetze im formellen Sinne allein Parlamentsgesetze. Häufig fallen beide Begriffe zusammen, dem muss aber nicht so sein. Bspw. ist ein Gesetz nur im formellen Sinne ein Haushaltsgesetz des Bundestages, da diese keine Rechtsfolgen für die Bürger zeitigen. Demgegenüber sind gemeindliche Satzungen allein Gesetze im materiellen Sinne.
Vielen Dank für diesen kurzen Exkurs. Zurück zum eigentlichen Thema. Welches Problem gibt es nun beim Beschwerdegegenstand? *
Wie bereits gesagt müsste ein Gesetz im materiellen Sinne vorliegen. Eine Richtlinie bindet aber nur den nationalen Gesetzgeber zur Transformation in einem dann materiellen Gesetz, sie ist also nur eine Vorstufe.
Das träfe aber auf die Verordnung nicht zu, diese gilt ja schließlich unmittelbar!’
Das stimmt, doch muss nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG ein Akt der deutschen öffentlichen Gewalt vorliegen, die allein an die Grundrechte gebunden ist, Art. 1 Abs. 3 GG. Bei der Verordnungsgebung durch die EU liegt aber solche gerade nicht vor, es handelt sich um zwei unterschiedliche Rechtsordnungen. Die EU ist nämlich nicht an die deutschen Grundrechte gebunden. Daher scheidet eine Verfassungsbeschwerde aus.
Bedeutet das also, dass eine Verfassungsbeschwerde gegen Maßnahmen, sprich Richtlinien und Verordnungen, der EU niemals zulässig?
Nein, in dieser Konsequenz lässt sich das nicht sagen. Das BVerfG hat mit seiner Solange II – Entscheidung das Verhältnis zum EuGH auf eine neue Basis gestellt. In seinem Solange I Urteil hatte das BVerfG noch festgestellt, dass es solange Rechtsakte der EU an deutschen Grundrechten prüfen werde, wie noch kein ausreichendes, dem deutschen Grundrechtsschutz entsprechendes Niveau durch den EuGH gewährleistet werde. Dies hat das BVerfG mit seiner Solange II Entscheidung revidiert und den Satz nahezu umgekehrt: Solange der EuGH einen ausreichenden Grundrechtsschutz anhand des Primärrechts der Union gewährleiste, werde das BVerfG Rechtsakte der EU nicht mehr an der deutschen Verfassung messen.
Daher lautet die Antwort: Nur wenn das grundrechtliche Schutzniveau auf Unionsebene drastisch absinken würde, käme über die Solange II Rechtsprechung eine Kontrolle von Rechtsakten der Union durch das BVerfG in Betracht.
Sehr schön. Nun wie nennt man nun das Verhältnis zwischen EuGH und BVerfG?**
Seit der Maastricht-Entscheidung wird dieses Verhältnis auch „Kooperationsverhältnis“ genannt.
Welche weitere Entscheidung des BVerfG hat die Solange II Rspr. konturiert?**
Es handelt sich um die sog. „Bananenmarkt-Entscheidung“ des BVerfG. In diesem stellte es fest, dass eine Verfassungsbeschwerde gegen Rechtsakte der Union erst dann zulässig sein können, wenn dargelegt ist, dass in der Zwischenzeit das Schutzniveau innerhalb der EU unter den erforderlichen Grundrechtsschutz abgesunken sei. Hiermit verlagerte es also die Darlegungslast auf den Beschwerdeführer, weswegen das BVerfG nicht mehr bei jeder Verfassungsbeschwerde gegen Sekundärrecht der Union prüfen muss, ob ein Absinken des Grundrechtsschutzes erkennbar ist.
Angenommen das Schutzniveau würde absinken, die Voraussetzungen von Solange II wären also erfüllt, und das BVerfG würde zugleich einen Verstoß der europäischen Verordnung gegen deutsche Grundrechte erkennen. Was wäre die Rechtsfolge?**
Das BVerfG könnte zunächst nicht die Nichtigkeit des Unionsrechtsakts feststellen, da dies allein dem EuGH vorbehalten ist, Art. 263 AEUV. Dies ist konsequent, da die Verordnung auch in anderen Mitgliedsstaaten gilt und das BVerfG für diese keine Nichtigkeitsfolge anordnen kann. Allerdings wäre der Verstoß nicht rechtsfolgenlos. Das BVerfG könnte die Unanwendbarkeit der Verordnung in Deutschland feststellen, müsste aber zugleich dem EuGH nach Art. 267 Abs. 3 AEUV zur Entscheidung vorlegen.
Nachdem Sie nun Ihre Kenntnisse im Recht der Union nachgewiesen haben, noch eine letzte Frage: Wie Sie sicher wissen, war der historische Anfang der heutigen Union die sog. Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, oder auch Montanunion genannt. Welcher berühmte Politiker hatte hierfür die Idee und schlug diese vor?***
Es handelt sich um den damaligen französischen Außenminister Robert Schuman, weswegen auch vom „Schuman-Plan“ gesprochen wird. Zudem muss der damalige deutsche Bundeskanzler Konrad Adenauer genannt werden, der diesem Plan unverzüglich zustimmte. Daher nennt man Schuman und Adenauer auch die Gründungsväter der Europäischen Union.
Vielen Dank für diese ausgesprochen erfreuliche Prüfung!
Bald Entscheidung bzgl. EU-Rettungsschirm erwartet
Das BVerfG wird zeitnah über die Verfassungskonformität des EU-Rettungsschirmes mündlich verhandeln (s. dazu den Beitrag in der FAZ). Damit wird das BVerfG ein weiteres Mal Gelegenheit dazu haben, das Verhältnis zwischen Karlsruhe und Luxemburg bzw. dem GG und den Europäischen Verträgen zu justieren. Es ist zu erwarten, dass das BVerfG sich auch in Zukunft eine gewisse Prüfungskompetenz im Hinblick auf den europäischen Integrationsprozess zusprechen wird. Diesen Anspruch hatte der Präsident Voßkuhle erst unlängst bestätigt (s. hier die Meldung bei beck-aktuell). Das bald zu erwartende Urteil wird sich in eine Reihe zentraler Entscheidungen einfügen, die hier nun noch einmal in historischer Reihenfolge dargestellt werden sollen. Die Kernaussagen dieser Verdikte gehören zweifelsohne zum Bereich juristischer Allgemeinbildung und sollten jedem Studenten geläufig sein.
Wichtige Leitentscheidungen zum Verhältnis zwischen BVerfG und EuGH
- Solange I (BVerfG v. 29.5.1974 – BvL 52/71, BVerfGE 37, 271): Zur Zeit dieser ersten wichtigen Entscheidung war der europäische Integrationsprozess noch nicht sehr weit vorangeschritten und die vom EuGH gewährleistete gerichtliche Kontrolle bot noch keinen hinreichenden Schutz vor Grundrechtsbeeinträchtigungen. Gleichwohl konnten Rechtsakte der Gemeinschaft den Bürger natürlich in seiner Grundrechtsausübung beeinträchtigen. Damit hier keine Rechtschutzlücke entsteht, sah sich das BVerfG befugt, die Gemeinschaftsrechtsakte am Maßstab des GG zu überprüfen. Der zentrale Satz der Entscheidung lautet: „Solange der Integrationsprozeß der Gemeinschaft nicht so weit fortgeschritten ist, daß das Gemeinschaftsrecht auch einen von einem Parlament beschlossenen und in Geltung stehenden formulierten Katalog von Grundrechten enthält, der dem Grundrechtskatalog des Grundgesetzes adäquat ist, ist nach Einholung der in Art. 177 EWGV [jetzt Art. 267 AEUV] geforderten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes die Vorlage eines Gerichts der Bundesrepublik Deutschland an das Bundesverfassungsgericht im Normenkontrollverfahren zulässig und geboten, wenn das Gericht die für es entscheidungserhebliche Vorschrift des Gemeinschaftsrechts in der vom Europäischen Gerichtshof gegebenen Auslegung für unanwendbar hält, weil und soweit sie mit einem der Grundrechte des Grundgesetzes kollidiert.“
- Solange II (BVerfG v. 22.10.1986 – 2 BvR 197/83, BVerfGE 73, 339): In Solange II entschied das BVerfG im Ergebnis genau anders als in Solange I, denn in der Zwischenzeit hatte sich der Grundrechtsschutz auf europäischer Ebene grundlegend verbessert, da der EuGH einen (ungeschriebenen) Grundrechtskanon geschaffen hatte, indem er Grundrechte als „allgemeine Rechtsgrundsätze“ des Gemeinschaftsrechts anerkannte (s. die Rs. Rüttli; Nold; Int. Handelsgesellschaft). Der zentrale Satz dieser Entscheidung lautete daher: „Solange die Europäischen Gemeinschaften, insbesondere die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Gemeinschaften einen wirksamen Schutz der Grundrechte gegenüber der Hoheitsgewalt der Gemeinschaften generell gewährleisten, der dem vom Grundgesetz als unabdingbar gebotenen Grundrechtsschutz im wesentlichen gleichzuachten ist, zumal den Wesensgehalt der Grundrechte generell verbürgt, wird das Bundesverfassungsgericht seine Gerichtsbarkeit über die Anwendbarkeit von abgeleitetem Gemeinschaftsrecht, das als Rechtsgrundlage für ein Verhalten deutscher Gerichte oder Behörden im Hoheitsbereich der Bundesrepublik Deutschland in Anspruch genommen wird, nicht mehr ausüben und dieses Recht mithin nicht mehr am Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes überprüfen; entsprechende Vorlagen nach Art. 100 Abs. 1 GG sind somit unzulässig.“
- Maastricht (BVerfG 12.10.1993, 2 BvR 2134, 2159/92, BVerfGE 89, 155 ): Diese Entscheidung ist das erste Karlsruher Verdikt, dass dem europäischen Integrationsprozess aus Sicht des Grundgesetzes Grenzen zieht. „Im Anwendungsbereich des Art. 23 GG schließt Art. 38 GG aus, die durch die Wahl bewirkte Legitimation und Einflußnahme auf die Ausübung von Staatsgewalt durch die Verlagerung von Aufgaben und Befugnissen des Bundestages so zu entleeren, daß das demokratische Prinzip, soweit es Art. 79 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und 2 GG für unantastbar erklärt, verletzt wird. 2. Das Demokratieprinzip hindert die Bundesrepublik Deutschland nicht an einer Mitgliedschaft in einer – supranational organisierten – zwischenstaatlichen Gemeinschaft.“ Die Schaffung eines europäischen Bundesstaates wäre nicht vom dem GG gedeckt. Dies war jedoch vorliegend nicht der Fall. „Die Bundesrepublik Deutschland unterwirft sich mit der Ratifikation des Unions-Vertrags nicht einem unüberschaubaren, in seinem Selbstlauf nicht mehr steuerbaren „Automatismus“ zu einer Währungsunion; der Vertrag eröffnet den Weg zu einer stufenweisen weiteren Integration der europäischen Rechtsgemeinschaft, der in jedem weiteren Schritt entweder von gegenwärtig für das Parlament voraussehbaren Voraussetzungen oder aber von einer weiteren, parlamentarisch zu beeinflussenden Zustimmung der Bundesregierung abhängt.“
- Bananenmarkt-Entscheidung (BVerfG v. 7.6.2000 – 2 BvL 1/97, BVerfGE 102, 147): In dieser Entscheidung konkretisierte das BVerfG seine Solange II-Rechtsprechung und setzte einen sehr hohen Standard für die Zulässigkeit von Verfassungsbeschwerden gegen Gemeinschaftsrechtsakte: „Verfassungsbeschwerden und Vorlagen von Gerichten, die eine Verletzung in Grundrechten des Grundgesetzes durch sekundäres Gemeinschaftsrecht geltend machen, sind von vornherein unzulässig, wenn ihre Begründung nicht darlegt, dass die europäische Rechtsentwicklung einschließlich der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nach Ergehen der Solange II-Entscheidung unter den erforderlichen Grundrechtsstandard abgesunken sei. Deshalb muss die Begründung der Vorlage oder einer Verfassungsbeschwerde im Einzelnen darlegen, dass der jeweils als unabdingbar gebotene Grundrechtsschutz generell nicht gewährleistet ist.“ Es genügt also nicht, wenn der Grundrechtsschutz auf europäischer Ebene in einem Einzelfall nicht adäquat ist, sondern er muss generell unter den Schutzstandard des GG absinken.
- Lissabon-Entscheidung (BVerfG v. 30.6.2009 – 2 BvE 2, 5/08 u.a., BVerfGE 123, 267): Das BVerfG beschäftigte sich in diesem jüngeren Beschluss erneut mit den Grenzen des europäischen Integrationsprozesses auf Grundlage von Art. 23 GG und überprüfte, ob diese im Hinblick auf den Lissabonvertrag eingehalten wurden. Das BVerfG pochte darauf, dass das Grundgesetz mit Art. 23 GG nur zur Beteiligung und Entwicklung einer als „Staatenverbund“ konzipierten Europäischen Union ermächtigt. Der Schaffung eines europäischen Bundesstaates kann also auf Grundlage des GG nicht zugestimmt werden. Wesentlich ist insofern, dass den europäischen Institutionen nicht die sog. Kompetenz-Kompetenz übertragen wird, oder andersherum formuliert, dass weiterhin das Prinizip der begrenzten Einzelermächtigung eingehalten wird. Die europäische Vereinigung auf der Grundlage einer Vertragsunion souveräner Staaten darf nicht so verwirklicht werden, dass in den Mitgliedstaaten kein ausreichender Raum zur politischen Gestaltung der wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Lebensverhältnisse mehr bleibt. Dies gilt insbesondere für Sachbereiche, die die Lebensumstände der Bürger, vor allem ihren von den Grundrechten geschützten privaten Raum der Eigenverantwortung und der persönlichen und sozialen Sicherheit prägen. Wichtig an dieser Entscheidung ist vor allem auch, dass sich das BVerfG für befugt hält, die Einhaltung des Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung zu kontrollieren. Es prüft also, ob Rechtsakte der EU aus dem gesteckten Kompetenzrahmen ausbrechen („ausbrechender Rechtsakt“). Darüber hinaus prüft das Bundesverfassungsgericht, ob der unantastbare Kerngehalt der Verfassungsidentität des Grundgesetzes nach Art. 23 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG gewahrt ist.
- Mangold-Beschluss (BVerfG v. 6.7.2010 – 2 BvR 2661/06): Dieses Urteil bildet vorläufig den Schlusspunkt in der Reihe von Entscheidungen zum Kooperationsverhältnis zwischen Karlsruhe und Luxemburg. In diesem Beschluss konnte das BVerfG präzisieren, wann genau ein ausbrechender Rechtsakt im Sinne der Lissabon-Rechtsprechung vorliegt und ob das viel kritisierte Urteil des EuGH in der Rs. Mangold einen solchen ausbrechenden Rechtsakt darstellt. Das BVerfG entschied zurückhaltend: Eine Ultra-vires-Kontrolle durch das BVerfG komme nur in Betracht, wenn ein Kompetenzverstoß der europäischen Organe hinreichend qualifiziert ist. Das setzt voraus, dass das kompetenzwidrige Handeln der Unionsgewalt offensichtlich ist und der angegriffene Akt im Kompetenzgefüge zu einer strukturell bedeutsamen Verschiebung zulasten der Mitgliedstaaten führt. Vor der Annahme eines Ultra-vires-Akts ist dem Gerichtshof der Europäischen Union im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV die Gelegenheit zur Vertragsauslegung sowie zur Entscheidung über die Gültigkeit und die Auslegung der fraglichen Handlungen zu geben, soweit er die aufgeworfenen Fragen noch nicht geklärt hat.
Das Bundesverfassungsgericht hat heute in einem mit Spannung erwarteten Urteil (vom 02.03.2010 – 1 BvR 256/08, 1 BvR 263/08, 1 BvR 586/08) die gesetzliche Regelung zur Vorratsdatenspeicherung für verfassungswidrig erklärt. Die Regelung war unter Politikern kontrovers diskutiert worden und ist auch im Netz von zahlreichen Bürgern scharf kritisiert worden (Stichwort: Stasi 2.0).
Gesetzliche Grundlagen für Vorratsdatenspeicherung
Die Verfassungsbeschwerden, die zum heutigen Urteil des BVerfG führten, richteten sich gegen §§ 113a, 113b TKG und gegen § 100g StPO, soweit dieser die Erhebung von nach § 113a TKG gespeicherten Daten zulässt. § 113a TKG verpflichtet alle öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdiensteanbieter dazu, Daten von Telefon-, E Mail- und Internetdiensten vorsorglich und anlasslos zu speichern. Mithilfe der Daten kann nachvollzogen werden, wer wann wie lange mit wem von wo aus kommuniziert hat oder zu kommunizieren versucht hat. Nicht zu speichern ist demgegenüber der Inhalt der Kommunikation. Nach sechs Monaten sind die Daten innerhalb eines Monats zu löschen. § 113b TKG regelt die möglichen Zwecke, für die diese Daten verwendet werden dürfen (Verfolgung von Straftaten, die Abwehr von erheblichen Gefahren für die öffentliche Sicherheit und die Erfüllung von nachrichtendienstlichen Aufgaben). Halbsatz 2 erlaubt darüber hinaus die mittelbare Nutzung der Daten für Auskünfte nach § 113 Abs. 1 TKG in Form eines Auskunftsanspruchs gegenüber den Diensteanbietern zur Identifizierung von IP Adressen.
Argumente des BVerfG
Das Bundesverfassungsgerichts hat entschieden, dass die Regelungen des TKG und der StPO über die Vorratsdatenspeicherung mit Art. 10 Abs. 1 GG (Telekommunikationsgeheimnis) nicht vereinbar sind. Zwar sei eine verfassungskonforme Ausgestaltung einer Vorratsdatenspeicherung denkbar, zumal vorliegend hochrangige Schutzgüter durch die einschlägigen Regelungen dem Telekommunikationsgeheimnis gegenüberstehen; die konkreten gesetzlichen Regelungen würden jedoch gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip verstoßen. Es handele sich bei einer anlasslosen Vorratsdatenspeicherung um einen besonders schweren Eingriff mit einer Streubreite, wie sie die Rechtsordnung bisher nicht kenne. Je nach Nutzung der Telekommunikation könne eine solche Speicherung die Erstellung aussagekräftiger Persönlichkeits- und Bewegungsprofile praktisch jeden Bürgers ermöglichen. Darüber hinaus würden die Missbrauchsmöglichkeiten, die mit einer solchen Datensammlung verbunden sind, deren belastende Wirkung verschärfen. Angesichts der fehlenden Offenheit des gesamten Vorgangs, könne ein „diffus bedrohliches Gefühl des Beobachtetseins“ entstehen.
Die angegriffenen Vorschriften würden nach Ansicht des BVerfG weder eine hinreichende Datensicherheit, noch eine hinreichende Begrenzung der Verwendungszwecke der Daten gewährleisten. Ferner seien sie nicht hinreichend transparent und der Rechtschutz sei unzulänglich ausgestaltet.
Vorgaben für eine verhältnismäßige Regelung
Das BverfG gibt zahlreiche Hinweise, welche Änderungen für eine verhältnismäßige Regelung der Vorratsdatenspeicherung zu beachten wären:
- Datensicherheit: Erforderlich sei eine gesetzliche Regelung, die ein besonders hohes Maß an Sicherheit normenklar und verbindlich vorgebe. Der Gesetzgeber habe dabei sicherzustellen, dass die Entscheidung über Art und Maß der zu treffenden Schutzvorkehrungen nicht letztlich unkontrolliert in den Händen der jeweiligen Telekommunikationsanbieter liege.
- Datenverwendeung: Angesichts der hohen Eingriffsintensität nur für überragend wichtige Aufgaben des Rechtsgüterschutzes (z.B. bei Verdacht einer schweren Straftat oder bei einer konkreten Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person, für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder zur Abwehr einer gemeinen Gefahr).
- Transparenz der Datenübermittlung: Der Gesetzgeber müsse die diffuse Bedrohlichkeit einer heimlichen Speicherung durch wirksame Transparenzregeln auffangen. Eine Verwendung der Daten ohne Wissen des Betroffenen sei nur dann zulässig, wenn andernfalls der Zweck der Untersuchung vereitelt würde. Eine heimliche Verwendung der Daten dürfe bei der Strafverfolgung nur vorgesehen werden, wenn sie im Einzelfall erforderlich und richterlich angeordnet ist. Zudem müsse zumindest eine nachträgliche Benachrichtigung vorgesehen werden.
- Rechtsschutz: Eine Übermittlung und Nutzung der gespeicherten Daten sei grundsätzlich unter Richtervorbehalt zu stellen. Außerdem müssen wirksame Sanktionen bei Rechtsverletzungen vorgesehen werden.
Zulässigkeitsproblem: Solange-Rechtsprechung
In der Zulässigkeit gab es bei dieser Entscheidung noch ein klausurrelevantes Zusatzproblem. Die nationalen Vorschriften dienten teilweise der Umsetzung einer Richtlinie (2006/24/EG), sodass sich die Frage stellte, ob hier angesichts verbindlicher Vorgaben des Europarechts eine Überprüfbarkeit nach der Solange-Rspr des BVerfG ausscheiden musste. Hier aber konnte man eine Überprüfbarkeit schon deshalb bejahen, weil die Richtlinie keinen konkreten Vorgaben zur Ausgestaltung des Verfahrens (Richtervorbehalt etc.) macht, sodass die deutschen Umsetzungsvorschriften zum Teil im Ermessen des nationalen Gesetzgebers lagen und zumindest insofern überprüfbar sind. Außerdem war zu beachten, dass die Beschwerdeführer erstreben, eine Vorlage durch das BVerfG an den EuGH zu erreichen, damit dieser im Wege der Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV (ex-Art. 234 EGV) die Richtlinie für nichtig erklären kann. Nach Ansicht des BVerfG sei jedenfalls auf diesem Weg eine Prüfung der angegriffenen Vorschriften am Maßstab der Grundrechte nicht von vornherein ausgeschlossen. Die Zulässigkeit war deshalb zu bejahen. Im Rahmen der Begründetheit stellte das BverfG dann fest, dass es vorliegend aufgrund des weiten
Entscheidungsspielraums, den die Richtlinie den Mitgliedsstaaten lässt, nicht erforderlich war, eine Vorlage an den EuGH „vorzuschalten“ und direkt eine Überprüfung am Maßstab der Grundrechte stattfinden konnte.
Fazit
Die Entscheidung dürfte angesichts ihrer aktuellen Probleme in Zulässigkeit und Begründetheit sehr examensrelevant sein. Im Hinblick auf Art. 10 GG, das APR und Rechtsprobleme im Bereich der neuen Medien und der Gefahrenabwehr sollten in diesem Kontext auch die Urteile des BVerfG zur Onlinedurchsuchung und zum IMSI-Catcher bekannt sein.
BVerfG, Urteil vom 02.03.2010 – 1 BvR 256/08, 1 BvR 263/08, 1 BvR 586/08
vgl. BVerfG PM Nr. 11/2010 vom 2. März 2010
Zustimmungsgesetz ist zwar verfassungskonform, nicht aber die Begleitgesetze zur parlamentarischen Beteiligung
Das Bundesverfassungsgericht hat heute am 30.06.2009 das mit Spannung erhoffte Urteil zum Reformvertrag von Lissabon getroffen: Das deutsche Zustimmungsgesetz zu dem Vertragswerk ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Bevor Bundespräsident Horst Köhler allerdings seine Unterschrift unter den Vertrag setzen darf, müssen zunächst die Beteiligungsrechte von Bundestag und Bundesrat gestärkt werden.

Der zweite Senat des BVerfG
Begleitgesetze verfassungswidrig
Die deutschen Begleitgesetze, die die parlamentarische Beteiligung am Erlass europäischer Vorschriften regeln, müssen laut Aussage des BVerfG auf nationaler Ebene die parlamentarische Integrationsverantwortung noch stärker umsetzen und dabei auch die Interessen der Länder wahren. Wie eine solche Gestaltung auszusehen hat, wird sich im Laufe der neuen Verhandlungen zeigen.
Jetzt ist zügiges Handeln von Bundestag und Bundesregierung gefragt
Der Vertrag soll spätestens Anfang 2010 in Kraft treten. Bundespräsident Horst Köhler hatte seine Unterschrift unter den Vertrag mit Rücksicht auf die Karlsruher Entscheidung vorausschauend zurückgestellt. Im August soll eine Sondersitzung des Bundestags zusammenkommen. Dabei soll die erste Lesung eines neuen Gesetzes zur Stärkung der Mitwirkungsrechte des Parlaments in EU-Fragen noch in der Sommerpause beraten werden.
Kontinuität nach Maastricht, Bananenmarkt und Solange II?
Nachdem das BVerfG in seiner ursprünglichen Rechtsprechung („Solange I“) sich umfassende Prüfungskompetenzen im Rahmen von Entscheidungen mit Bezug zur Europäischen Union zuschrieb, hatte es seit der Entscheidung „Solange II“ seine Gerichtsbarkeit zu Gunsten des EuGH stark eingeschränkt und den Vorrang des Europarechts weitestgehend anerkannt. Diese Rechtsprechung hat das BVerfG im Rahmen der Maastricht- und Bananenmarktentscheidung konsequent fortgeführt.
Zu bewerten wird noch sein, inwiefern sich die Entscheidung zum Reformvertrag von Lissabon in dieser Reihe von Urteilen einfügt. Für die mündliche Prüfung empfiehlt es sich jetzt aber auf jeden Fall, die oben genannten Entscheidungen sowie den generellen Aufbau der Europäischen Union nochmals gründlich nachzuarbeiten. Außerdem sollte man sich mit den wesentlichen Neuerungen des Reformvertrags sowie dem Verfahren der Ratifizierung und dem Stand im europäischen Ausland vertraut machen.