Der Autor Roy Dörnhofer war als Richter und Staatsanwalt tätig, unter anderem im Rahmen einer Abordnung am Oberlandesgericht Dresden in einem Zivilsenat für Handels-, Gesellschafts-, Baurecht und Notarhaftung. Er verfasst nun Fallsammlungen zum BGB, Handels- und Gesellschaftsrecht in der Form von ebooks, die auf Amazon.de erhältlich sind. Vorliegend veröffentlichen wir den zweiten Teil seines Artikels „Die befreiende Schuldübernahme und ihre Abgrenzung zu verwandten Konstellationen“.
Die befreiende Schuldübernahme und ihre Abgrenzung von verwandten Konstellationen, Teil 2
II. Abgrenzung von anderen Beteiligungen Dritter
Neben der befreienden Schuldübernahme finden sich einige andere Möglichkeiten der Beteiligung Dritter an einem Schuldverhältnis, bei der die ursprüngliche Schuld übernommen, abgesichert oder eine eigene Schuld zur Absicherung begründet werden soll.
Im Rahmen der Abgrenzung der verschiedenen Schuldsicherungen ist zunächst festzuhalten, dass eine Auslegung der Parteierklärungen nur dann erfolgen kann, wenn unklar ist, was gewollt war. Primär ist somit vom Wortlaut der Erklärungen auszugehen. In der Praxis sind sich die Vertragschließenden allerdings oft nicht im Klaren, worin die teilweise sehr feinen Unterschiede zwischen den einzelnen Sicherungsmitteln liegen. Wenn also Zweifel bestehen und kein eindeutiger Wille erkennbar ist, kann eine Auslegung vom objektiven Empfängerhorizont nach §§ 133, 157 BGB durchgeführt werden.
1. Erfüllungsübernahme, § 329 BGB
Bei der grundsätzlich formfreien Erfüllungsübernahme verpflichtet sich der Übernehmende dem Schuldner gegenüber im Innenverhältnis, dessen Schuld beim Gläubiger zu befriedigen. Letzterer hat damit keinen Anspruch gegen den Übernehmenden. Nach der Auslegungsregel des § 329 BGB ist im Zweifel das Versprechen, die Verbindlichkeit des Vertragspartners zu erfüllen, als Erfüllungsübernahme und nicht als befreiende Schuldübernahme oder als Schuldbeitritt aufzufassen.
2. Schuldbeitritt
Der Schuldbeitritt kann auf Gesetz oder auf rechtsgeschäftlicher Vereinbarung beruhen.
a) Gesetzlich geregelte Fälle
Vom Gesetz angeordnete Fälle des Schuldbeitritts finden sich insbesondere im Handelsrecht bei der Firmenfortführung nach § 25 HGB und dem Eintritt in das Geschäft eines Einzelkaufmanns gem. § 28 HGB.
b) Rechtsgeschäftliche Fälle
Der rechtsgeschäftliche Schuldbeitritt ist zwar nicht besonders im BGB geregelt, wird aber wegen der Privatautonomie nach allgemeiner Auffassung für zulässig gehalten, § 311 I BGB. Dabei handelt es sich um eine rechtsgeschäftlich vereinbarte Gesamtschuld nach §§ 421 ff. BGB. Die Begründung erfolgt wie bei der Schuldübernahme nach den Vorschriften der §§ 414, 415 BGB analog, also durch Vertrag zwischen altem und beitretendem Schuldner, wobei dann ein Vertrag zugunsten Dritter nach § 328 BGB vorliegt, bei dem die Zustimmung des Gläubigers nicht nötig ist, denn er erleidet durch den zusätzlichen Schuldner keinen Nachteil. Allerdings kann der Gläubiger das Aufdrängen eines solchen Rechtserwerbs nach § 333 BGB analog zurückweisen. Des Weiteren kann der Beitritt durch einen Vertrag zwischen dem beitretenden Schuldner und dem Gläubiger vereinbart werden.
Eine besondere Form für den Vertragsschluss ist vom Grundsatz her nicht vorgeschrieben. Nach herrschender Meinung ist die Vorschrift über die Schriftform bei der Bürgschaft gem. § 766 S. 1 BGB auch nicht analog anzuwenden. Allerdings gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Formvorschrift des § 492 BGB analog, falls ein Beitritt zu einem Verbraucherdarlehensvertrag erfolgt.
Als Rechtsfolge haftet der beitretende Schuldner für eine eigene Schuld neben dem bisherigen Schuldner. Somit steht es dem Gläubiger frei, von wem er Befriedigung verlangt. Die besondere Gefährlichkeit für den Beitretenden zeigt sich darin, dass der Gläubiger unmittelbar gegen ihn vorgehen kann, ohne erst die Erlangung der Leistung vom bisherigen Schuldner zu versuchen, § 421 S. 1 BGB.
Nachdem es sich also beim Schuldbeitritt um ein (gerade wegen der Formfreiheit) äußerst gefährliches Mittel zur Absicherung eines Gläubigers handelt, müssen eindeutige Anhaltspunkte für einen Haftungswillen des Beitretenden gegeben sein, sodass bei der Auslegung der Erklärungen keine Zweifel an einer eigenen und unabhängigen Schuld bestehen dürfen.
Als Indiz ist ein eigenes unmittelbares wirtschaftliches Interesse an der Erfüllung der Verpflichtung zu sehen. Wenn etwa der Geschäftsführer einer GmbH für die Verpflichtung der andernfalls insolventen Gesellschaft einstehen will, hat er ein wirtschaftliches Interesse am Erhalt der Zahlungsfähigkeit, sodass ein Schuldbeitritt anzunehmen ist. Anders liegt der Fall, wenn sich eine Person aus familiärer Zuneigung bereit erklärt, für die Schuld eines anderen einzuspringen; dann liegt kein Schuldbeitritt, sondern lediglich eine bei Nichtbeachtung der Form des § 766 S. 1 BGB unwirksame Bürgschaft vor, da zwar ein unmittelbares eigenes Interesse besteht, das aber nicht wirtschaftlicher Art ist.
3. Bürgschaft, §§ 765 ff. BGB
Falls der Dritte und der Gläubiger eine Bürgschaft vereinbaren, haftet der Dritte als Bürge nur subsidiär und akzessorisch für eine fremde Schuld. Deshalb ist er grundsätzlich (außer etwa bei der selbstschuldnerischen Bürgschaft nach § 773 I Nr. 1 BGB) nur dann zur Zahlung verpflichtet, wenn der Hauptschuldner nicht leistet, § 771 S. 1 BGB. Dem Gläubiger steht damit lediglich ein Hauptschuldner zur Verfügung, und er kann sich erst bei Nichtleistung an den Bürgen halten, dem aber auch Einreden aus der Hauptforderung zustehen.
Von großer Bedeutung ist die in § 766 S. 1 BGB vorgeschriebene Schriftform für die Erklärung des Bürgen. Abgesehen von Ausnahmefällen (bei der Bürgschaft eines Vollkaufmanns im Rahmen seines Handelsgeschäfts nach § 350 HGB) muss diese Form beachtet werden, da die Bürgschaft ansonsten nichtig ist, § 125 S. 1 BGB. Eine Umdeutung gem. § 140 BGB in einen formfreien Schuldbeitritt soll wegen des Schutzzwecks des § 766 S. 1 BGB nicht zulässig sein.
Die Frage, ob eine selbstständige oder nur akzessorische Schuld gewollt ist, muss im Zweifel dahin beantwortet werden, dass von einer Bürgschaft als gesetzlich normiertem Institut auszugehen ist (BGH DB 1987, 1139). Ein Schuldbeitritt mit der Folge der Begründung einer eigenen unabhängigen Schuld ist somit nur bei eindeutigen Anhaltspunkten für einen solchen Rechtsbindungswillen anzunehmen.
4. Garantievertrag, § 311 I BGB
Ebenso wie der Schuldbeitritt ist der Garantievertrag nicht besonders im Gesetz geregelt und wird allgemein als zulässig anerkannt, wobei nach herrschender Meinung keine besondere Form für den Vertragsschluss erforderlich ist. In Abgrenzung zur Schuldübernahme und anderen Personalsicherheiten ist ein Garantievertrag dann gegeben, wenn der Dritte erklärt, unabhängig vom Bestehen und Umfang der Verbindlichkeit des Schuldners für einen bestimmten Erfolg einstehen zu wollen. Somit soll also eine eigene Verbindlichkeit des Dritten entstehen und nicht bloß die Haftung für die Schuld eines anderen begründet werden, wobei dem Dritten gegen den Gläubiger keine Einwendungen oder Einreden aus der ursprünglichen Forderung zustehen.
Damit stellt sich der Garantievertrag als die gefährlichste Form der Haftung dar. Aufgrund dieser Tatsache müssen eindeutige Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sich der Sicherungsgeber selbstständig zur Leistung verpflichten wollte. Auch hier kann ein eigenes wirtschaftliches oder rechtliches Interesse an der ursprünglichen Schuld einen Garantiewillen indizieren. Die Annahme einer Garantie stellt allerdings regelmäßig die Ausnahme dar. Deshalb soll nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei Zweifeln kein Garantievertrag, sondern lediglich eine Bürgschaft vorliegen.
5. Vertragsübernahme
Bei der Vertragsübernahme scheidet eine Vertragspartei aus dem Schuldverhältnis insgesamt aus, während eine andere in dieses mit allen Rechten und Pflichten eintritt. Eine solche Übernahme kann auf zwei Arten erfolgen.
a) Gesetzlich geregelte Fälle
Ausdrücklich im Gesetz genannt sind die Fälle des Eintritts des Vermieter in einen Mietvertrag bei Veräußerung der Mietsache nach § 566 I BGB sowie der Eintritt von Familienangehörigen beim Tod des Mieters gem. §§ 563 I, 563 II BGB. Ebenso tritt der Erwerber eines Betriebs nach § 613a I BGB in die beim Betriebsübergang bestehenden Arbeitsverhältnisse ein.
b) Rechtsgeschäftliche Fälle
Die rechtsgeschäftlich begründete Vertragsübernahme ist gesetzlich nicht speziell geregelt, aber aufgrund der Privatautonomie zulässig, § 311 I BGB. Es handelt sich insoweit um ein schuldrechtliches Verfügungsgeschäft. Dabei wird die ganze Stellung als Vertragspartei übertragen. An dieser Vereinbarung müssen notwendigerweise alle drei Parteien mitwirken. Es handelt sich dabei nicht bloß um eine Forderungsabtretung und eine Schuldübernahme, da das Schuldverhältnis mehr als die Summe der einzelnen Berechtigungen und Verpflichtungen enthält (Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, 10. Aufl., 2006, Rn. 759).
Die Begründung erfolgt durch dreiseitigen Vertrag, oder es gilt § 415 BGB analog bei einem zweiseitigem Vertrag zwischen der alten Vertragspartei mit dem neuen Vertragspartner und einer Genehmigung der im Vertrag verbleibenden Partei. Des Weiteren kann der Vertrag auch durch eine Einigung der ursprünglichen Vertragspartner erfolgen, wobei der Eintretende einwilligt. Grundsätzlich ist die Vertragsübernahme formfrei möglich. Allerdings müssen die Formvorschriften beachtet werden, wenn die übernommene Schuld schon einer besonderen Form bedurfte, wie etwa nach § 492 BGB analog bei einem Verbraucherdarlehen oder einem Grundstückskaufvertrag nach § 311b I BGB.
Sofern die Vertragsübernahme an der Zustimmung des Vertragspartners der ausscheidungswilligen Partei scheitert, ist der Übernehmer nach § 415 III 2 BGB analog im Zweifel verpflichtet, den ausscheidungswilligen Vertragspartner von Verbindlichkeiten aus dem mit ihm fortbestehenden Vertragsverhältnis im Wege der Erfüllungsübernahme nach § 329 BGB freizustellen.
Dazu das Gericht unter Rn. 32:
“Mit § 415 Abs. 3 Satz 2 BGB hat der Gesetzgeber eine Regelung für die Fälle des Scheiterns einer zwischen dem Altschuldner und dem Neuschuldner einer Verbindlichkeit vereinbarten Schuldübernahme wegen Verweigerung der Zustimmung durch den Gläubiger getroffen. Die genannte Vorschrift sieht vor, dass bei einer verweigerten Genehmigung der Schuldübernahme durch den Gläubiger der Übernehmer der Schuld im Zweifel gegenüber dem Schuldner verpflichtet ist, den Gläubiger rechtzeitig zu befriedigen. Damit hat der Gesetzgeber die gescheiterte Schuldübernahme als Erfüllungsübernahme (§ 329 BGB) ausgestaltet. Diese Grundsätze finden auch hier Anwendung.”
6. Patronatserklärung
Letztlich ist auch eine Abgrenzung zur Patronatserklärung (vor allem im Konzernrecht) erforderlich, deren Bedeutung jedenfalls im Pflichtfachbereich der universitären Ausbildung weniger von Bedeutung sein dürfte. Es gibt auch hier wieder zwei Arten dieser Erklärung. Beiden ist gemeinsam, dass ein Patron (etwa ein Mutterunternehmen) dem Gläubiger des Unterstützten (Tochterunternehmen) gegenüber versucht, die Aussicht auf Vertragserfüllung durch den Unterstützten zu verbessern.
a) Weiche Patronatserklärung
Bei dieser Erklärung will der Patronat keine rechtsgeschäftliche Verpflichtung gegenüber dem Gläubiger übernehmen, sondern gibt nur eine rechtlich unverbindliche good-will-Erklärung ab, dass er etwa auf den Unterstützten einwirken werde.
b) Harte Patronatserklärung
Hier geht der Patronat gegenüber dem Gläubiger eine rechtsgeschäftliche Verpflichtung zur Ausstattung des Tochterunternehmens mit den Mitteln ein, die zur Erfüllung der Schuld nötig sind. Allerdings kann auch in diesem Fall der Gläubiger nicht vom Patronat die Leistung an sich verlangen, sondern nur die Ausstattung des Tochterunternehmens. Sofern diese nicht erfolgt, kann der Gläubiger Schadensersatz wegen Nichterfüllung (heute: statt der Leistung) von der Muttergesellschaft verlangen.
III. Fazit
Falls bei einem bestehenden Schuldverhältnis ein Dritter an die Stelle des ursprünglichen Schuldners tritt, muss zuerst geprüft werden, ob er auch sämtliche Rechte übernehmen wollte, sodass an eine Vertragsübernahme zu denken ist, bei der eine Partei komplett ausgewechselt wird.
Sofern der Dritte nur die Schuld des ursprünglichen Schuldners übernehmen wollte, ist zu fragen, ob es sich um eine bloße Erfüllungsübernahme im Innenverhältnis handelt. Sollte eine Haftung im Außenverhältnis gegenüber dem Gläubiger gewollt sein, kann eine befreiende Schuldübernahme vorliegen. Bei dieser müssen eindeutige Anhaltspunkte für den Willen des Gläubigers zur Entlassung des Altschuldners vorliegen.
Bei einer Haftung im Außenverhältnis ist des Weiteren zu prüfen, ob eine eigene Verbindlichkeit (Schuldbeitritt, Garantievertrag) begründet oder nur eine fremde Schuld (Bürgschaft) abgesichert werden sollte. Dabei ist das eigene wirtschaftliche Interesse an der Erfüllung der Schuld als wichtiges Indiz für eine eigene Verbindlichkeit anzusehen.
Da der Garantievertrag und der Schuldbeitritt sehr riskant sind und weitreichende Folgen haben, die im Grundsatz ohne Beachtung einer besonderen Form begründet werden können, empfiehlt es sich, mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs größte Zurückhaltung bei der Auslegung der Vertragserklärungen anzuwenden und im Zweifel vom Vorliegen einer gesetzlich geregelten und durch die Akzessorietät sowie die Formvorschrift milderen Bürgschaft auszugehen.