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Schlagwortarchiv für: Schuldrecht AT

Dr. Melanie Jänsch

BGH: Unmöglichkeit bei pandemiebedingter Schließung des Fitnessstudios

Examensvorbereitung, Für die ersten Semester, Lerntipps, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Schuldrecht, Startseite, Verbraucherschutzrecht, Zivilrecht

Mit aktuellem Urteil vom 4. Mai 2022 (Az.: XII ZR 64/21) hat der BGH festgestellt, dass ein Betreiber eines Fitnessstudios bei einer pandemiebedingten Schließung des Studios gegen seinen Vertragspartner keinen Anspruch auf eine Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB hat. Im Gegenteil hat der Kunde gemäß §§ 326 Abs. 4, 346 ff. BGB einen Anspruch auf Rückzahlung desjenigen Entgelts, das er während des Schließungszeitraums gezahlt hat, sofern der Fitnessstudiobetreiber von der in Art. 250 § 5 EGBGB eingeräumten „Gutscheinlösung“ keinen Gebrauch macht. Aufgrund ihrer enormen praktischen Auswirkungen hat die Entscheidung nicht nur im juristischen Bereich Aufsehen erregt. Da sich der BGH in seinem Urteil ferner mit grundlegenden Fragen des allgemeinen Schuldrechts auseinandersetzt, die problemlos in jede Zivilrechtsklausur vom zweiten Semester bis zum zweiten Staatsexamen eingebaut werden können, und unter Berücksichtigung der abweichenden Rechtsprechung zum Gewerberaummietrecht (s. BGH, Urteil v. 16.02.2022 – XII ZR 17/21, NJW 2022, 1378; BGH, Urteil v. 12.01.2022 – XII ZR 8/21, NJW 2022, 1370) ist von gigantischer Klausur- und Examensrelevanz auszugehen.

I. Sachverhalt (leicht abgewandelt und vereinfacht)

Worum es geht, ist schnell erzählt: Die Parteien schlossen einen Vertrag über die Nutzung eines Fitnessstudios ab. Aufgrund der Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie musste der Betreiber das Fitnessstudio in der Zeit vom 16. März 2020 bis 4. Juni 2020 schließen. Die Monatsbeiträge für diesen Zeitraum wurden dabei weiterhin vom Konto des Vertragspartners eingezogen. Im Anschluss verlangte dieser die Rückzahlung der per Lastschrift eingezogenen Mitgliedsbeiträge für den Schließungszeitraum.

Das Gericht erster Instanz verurteilte den Fitnessstudiobetreiber zur Rückzahlung der Monatsbeiträge; eine hiergegen gerichtete Berufung des Betreibers vor dem Landgericht wurde zurückgewiesen.

II. Die Entscheidung des BGH

In der Revision sprach sich auch der BGH zu Gunsten des Kunden aus und stellte fest, dass diesem ein Anspruch auf Rückzahlung gemäß §§ 326 Abs. 4, 346 ff. BGB zustand.

1. Schließung des Studios als rechtliche Unmöglichkeit i.S.v. § 275 Abs. 1 BGB

Dreh- und Angelpunkt der Prüfung war die Frage, ob die behördliche Schließungsanordnung zur rechtlichen Unmöglichkeit der Leistung des Fitnessstudiobetreibers gemäß § 275 Abs. 1 BGB führt mit der Konsequenz, dass während des Schließungszeitraums gemäß § 326 Abs. 1 S. 1 BGB auch der Gegenanspruch auf Zahlung des Entgelts entfällt. Gemäß § 275 Abs. 1 BGB ist der Anspruch auf Leistung ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist. Sog. rechtliche Unmöglichkeit ist dabei gegeben, wenn ein geschuldeter Erfolg aus Rechtsgründen nicht herbeigeführt werden kann oder nicht herbeigeführt werden darf (vgl. BGH, Urteil v. 25.10.2012 – VII ZR 146/11, NJW 2013, 152 Rn. 33; MüKoBGB/Ernst, 9. Aufl. 2022, § 275 BGB Rn. 48). Auf der Grundlage dieser Definition hat der BGH die Unmöglichkeit bejaht:

In diesem Zusammenhang bedurfte es der Auseinandersetzung mit der Frage, ob hierin ein Fall lediglich vorübergehender Unmöglichkeit liegt, die nach herrschender Meinung dem Anwendungsbereich des § 275 Abs. 1 BGB nicht unterfällt, sondern nur verzugsbegründend wirkt (s. Jauernig/Stadler, 18. Aufl. 2021, § 275 BGB Rn. 10 m.w.N.). Diskussionsbedürftig war dies unter dem Gesichtspunkt, dass die behördliche Maßnahme befristet war und auf dieser Basis lediglich ein ­– bereits dem allgemeinen Sprachverständnis entsprechendes – „vorübergehendes“ Hindernis darstellte. Jedoch sind vorübergehende Hindernisse dauerhaften jedenfalls dann gleichzustellen, wenn sie den Vertragszweck in Frage stellen und damit eine Nachholung ausgeschlossen ist. Dies hat der BGH in der vorliegenden Entscheidung unter Verweis auf den Zweck eines Fitnessstudiovertrags, eine regelmäßige sportliche Betätigung zu ermöglichen zur Erreichung bestimmter Fitnessziele oder der Erhaltung von Fitness und körperlicher Gesundheit, angenommen:

Ein anderes Ergebnis könne auch nicht im Wege der (ergänzenden) Vertragsauslegung erreicht werden. Insbesondere sei keine stillschweigende Vereinbarung dahingehend getroffen worden, dass der Fitnessstudiobetreiber berechtigt sein solle, entsprechend § 315 Abs. 1 BGB sein Studio nach Billigkeit für einen begrenzten Zeitraum zu schließen, und dem Kunden im Gegenzug ein Recht auf Nachholung der verpassten Trainingszeit einzuräumen.

2. Keine Anpassung nach § 313 Abs. 1 BGB

Nach der Auffassung des BGH kann der Fitnessstudiobetreiber dem Kunden auch nicht entgegenhalten, dass der Vertrag wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB dahingehend anzupassen gewesen sei, dass die vereinbarte Vertragslaufzeit um den Schließungszeitraum zu verlängern sei. Dies beruhe auf dem Anwendungsbereich des § 313 BGB und damit letztlich auf dem Konkurrenzverhältnis der Vorschriften zur Unmöglichkeit und § 313 BGB. Ein Rückgriff auf die Störung der Geschäftsgrundlage sei nur dort möglich, wo spezielle Regelungen zur Behebung einer Leistungsstörung fehlen würde. E contrario könne dort keine Korrektur mehr über § 313 BGB erfolgen, wo die Rechtsfolgen eines Leistungshindernisses – wie im vorliegenden Fall – bereits abschließend geregelt würden:

Dieses dogmatisch zwingende Ergebnis verstärkt der BGH durch einen Pendelblick auf Art. 240 § 5 EGBGB, der – rechtlich im Wege der Ersetzungsbefugnis – für den Fall der Zahlung für Freizeitveranstaltungen und -einrichtungen die Berechtigung schafft, dem Inhaber einer vor dem 8.3.2020 erworbenen Nutzungsberechtigung für eine Freizeiteinrichtung anstelle der vertraglich geschuldeten Leistung einen Gutschein zu übergeben, wenn die Freizeiteinrichtung aufgrund der COVID-19-Pandemie zu schließen gewesen ist. In einfacheren Worten: Macht der Kunde seinen aufgrund der Unmöglichkeit der Leistung bestehenden Anspruch auf Rückzahlung nach §§ 326 Abs. 4, 346 ff. BGB geltend, kann der Fitnessstudiobetreiber diesen durch Übergabe eines Gutscheins in entsprechender Höhe erfüllen. Durch die Schaffung dieser Spezialnorm habe der Gesetzgeber eine abschließende Regelung getroffen, um die Auswirkungen der Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie im Veranstaltungs- und Freizeitbereich abzufedern:

Ferner sei zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber für Miet- und Pachtverträge über Grundstücke und Räume, die keine Wohnräume sind, in Art. 240 § 7 EGBG eine Vermutung aufgestellt habe, dass bei Vorliegen der Tatbestandsmerkmale ein Fall des § 313 Abs. 1 BGB gegeben sei. Der Umstand, dass für diesen Bereich eine entsprechende Regelung geschaffen worden sei, lasse darauf schließen, dass in anderen Bereichen ein Rückgriff auf § 313 BGB nicht möglich sein solle:

Ein Anspruch des Betreibers auf eine Anpassung nach § 313 BGB sei damit in hiesiger Konstellation ausgeschlossen.

III. Fazit

Die Entscheidung des BGH ist nicht nur unter Verbraucherschutzgesichtspunkten begrüßenswert, sondern auch rechtlich vollumfänglich überzeugend. Streng subsumiert führt die behördliche Schließungsanordnung nach allgemeinen Grundsätzen dazu, dass der Fitnessstudiobetreiber seiner Leistungspflicht nicht mehr nachkommen kann, § 275 Abs. 1 BGB. Dementsprechend entfällt die Gegenleistungspflicht nach § 326 Abs. 1 S. 1 BGB, sodass der Kunde bereits entrichtete Beiträge gemäß §§ 326 Abs. 4, 346 ff. BGB zurückverlangen kann, sofern der Betreiber nicht von der „Gutscheinlösung“ gemäß Art. 240 § 5 EGBGB Gebrauch macht. Eine Anpassung nach den Grundsätzen zur Störung der Geschäftsgrundlage kommt aufgrund der Subsidiarität des § 313 BGB nicht in Betracht. In einer Klausur wird es im Wesentlichen auf eine saubere Subsumtion und eine ausführliche Auseinandersetzung mit dem Konkurrenzverhältnis von § 275 BGB und § 313 BGB ankommen; das Ergebnis dürfte vom BGH zwingend vorgegeben sein.

07.06.2022/0 Kommentare/von Dr. Melanie Jänsch
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Melanie Jänsch https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Melanie Jänsch2022-06-07 08:30:002022-08-03 08:30:22BGH: Unmöglichkeit bei pandemiebedingter Schließung des Fitnessstudios
Dr. Melanie Jänsch

OLG Frankfurt zur Auslegung beim Vertragsschluss über eBay: Kein Auto für 1€

BGB AT, Examensvorbereitung, Für die ersten Semester, Lerntipps, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Schuldrecht, Startseite, Zivilrecht

Das OLG Frankfurt hat mit Hinweisbeschluss vom 14.05.2020 (Az.: 6 U 155/19) festgestellt, dass ein Verkäufer, der einen Pkw versehentlich zum Sofortkauf-Preis von einem Euro auf eBay einstellt, dem Käufer keinen Schadensersatz leisten muss. Die Internetplattform eBay ist nicht nur eines der beliebtesten Examensthemen im BGB AT und Schuldrecht, sondern findet – da diverse Probleme des Vertragsschlusses, des Schuldrecht AT oder des Gewährleistungsrechts abgeprüft werden können – auch immer wieder Einzug in Zwischenprüfungsklausuren. Die Entscheidung soll daher zum Anlass genommen werden, Grundprobleme des Zivilrechts unter Fokussierung des Vertragsschlusses bei eBay darzustellen und zu erläutern.
 
A) Sachverhalt
Auf der Internetauktionsplattform eBay bot der V einen BMW 318d, Erstzulassung April 2011, Laufleistung 172.000 km, mit einem Wert von ca. 13.000 Euro an. Nach ausführlicher Beschreibung des Fahrzeugs und der Ausstattung formulierte er: „Preis: Euro 1,00“ sowie: „Fahrzeug muss innerhalb drei Tagen noch Auktionsende – vom Höchstbietenden abgeholt und bar vor Ort gezahlt werden…, Sofortkaufangebote sind gerne erwünscht.“ Versehentlich legte der V den Preis von einem Euro jedoch nicht als Starpreis der Auktion, sondern als Sofortkauf-Preis fest. Der K stieß auf das Inserat, bot einen Euro und erhielt automatisiert den Zuschlag. Vor regulärem Ende der Auktion beendete der V manuell die Auktion und wies den K darauf hin, dass der Preis von einem Euro als Start- und nicht als Sofortkaufpreis gemeint gewesen sei. Zu einem Verkauf für einen Euro sei er keinesfalls bereit. K sah dies nicht ein; schließlich sei die Summe von einem Euro ausdrücklich als Sofortkauf-Preis und nicht als Gebotsuntergrenze ausgewiesen. Er begehrt nunmehr Schadensersatz in Höhe von 13.000 Euro, die er für ein vergleichbares Fahrzeug aufbringen müsste.
 
B) Rechtsausführungen
Die Entscheidung des Landgerichts (Urt. v. 18.07.2019, Az. 2-20 O 77/18), das die Klage abgewiesen hatte, ist rechtskräftig, nachdem der klagende Käufer nach einem Hinweisbeschluss des OLG Frankfurt (Hinweisbeschl. v. 14.05.2020, Az. 6 U 155/19) seine Berufung zurückgenommen hatte. Doch der Reihe nach:
 
I. Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB
Den Verkäufer trifft die Pflicht, die von ihm angebotene Ware zu liefern. Er hat den Kaufgegenstand gemäß § 433 Abs. 1 S. 1 BGB zu übergeben und zu übereignen. Tut er dies nicht, so kann der Käufer unter bestimmten Voraussetzungen Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB verlangen. Der Schaden bemisst sich nach der Differenzhypothese und beträgt grundsätzlich den Wert des Kaufgegenstandes abzüglich des Kaufpreises. Ein Anspruch des K gegen V auf Schadensersatz statt der Leistung in Höhe von 13.000 Euro könnte sich also aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB ergeben.
 
Achtung: Zwar geht es hier um einen Kaufvertrag, jedoch greift – mangels Anwendungsbereichs – nicht das kaufrechtliche Gewährleistungsrecht. Damit ein Anspruch aus §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB hergeleitet werden kann, ist ein Mangel bei Gefahrübergang erforderlich. Im vorliegenden Fall geht es aber um eine Nichtleistung vor Gefahrübergang, sodass die Grundsätze des Schuldrecht AT Anwendung finden.
 
1. Schuldverhältnis
Dies setzt zunächst das Vorliegen eines Schuldverhältnisses voraus. Vorliegend kommt ein vertragliches Schuldverhältnis in Form eines Kaufvertrags i.S.v. § 433 BGB in Betracht. Ein solcher verlangt eine Einigung, also zwei übereinstimmende, in Bezug aufeinander abgegebene Willenserklärungen. Ein Vertragsschluss bei eBay richtet sich nach allgemeinen Grundsätzen, d.h. ein Vertrag kommt durch Angebot und Annahme gemäß den §§ 145 ff. BGB zustande – nicht etwa durch Zuschlag nach § 156 BGB, da eBay-Auktionen keine Versteigerungen i.S.d. Norm darstellen. Dabei handelt es sich bereits bei dem Erstellen einer Auktion auf eBay bzw. beim Einstellen eines Sofortangebots um ein verbindliches Angebot, das durch die Bestellung des Kunden angenommen wird, so dass in diesem Moment der Vertrag geschlossen ist (also unmittelbar bei der Option „Sofort-Kaufen“) oder mit Zeitablauf einer Auktion zustande kommt (s. zum Zustandekommen eines Vertrags über die Sofort-Kaufen-Option auch unseren Beitrag). Dies ergibt sich aus den AGB von eBay, die zwar zwischen Käufer und Verkäufer nicht unmittelbar gelten, aber nach h.M. bei der Auslegung der Willenserklärungen zu berücksichtigen sind (s. hierzu BGH, Urt. v. 15.2.2017, Az.: VIII ZR 59/16).
Nach diesen Maßstäben hat der V zweifelsohne durch Einstellen des Autos auf der Plattform eBay ein verbindliches Angebot abgegeben. Jedoch ist problematisch – und Schwerpunkt der vorliegenden Entscheidung –, ob er ein Angebot für einen Sofortkauf des Pkw für einen Euro oder für die Option „Auktion“ mit dem Startgebot in Höhe von einem Euro abgegeben hat. Die Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen erfolgt gemäß §§ 133, 157 BGB nach Maßgabe des objektiven Empfängerhorizonts; das heißt, zu prüfen ist, wie sich das Angebot aus der Sicht eines verständigen, objektiven Betrachters darstellt. Hiervon ausgehend durfte der K die Preisangabe von einem Euro nach Ansicht des OLG Frankfurt nicht als Angebot zum Sofortkauf-Preis von einem Euro auffassen. Das Gericht erachtet die Auslegung der Willenserklärung des V nach dem objektiven Empfängerhorizont insofern als „eindeutig“: Er müsse sich nicht daran festhalten lassen, dass ihm bei der Eingabe seines Angebots ein Fehler unterlaufen sei, indem er versehentlich den Sofortkauf-Preis und nicht den Starpreis der Auktion festgelegt habe. Vielmehr sei aus dem Kontext klar ersichtlich, dass eine Versteigerung gewollt gewesen sei. Damit liege schon kein Sofortkauf-Angebot vor, das angenommen werden könnte.
 
Anmerkung: Unterstellt man eine wirksame Einigung, wäre in einem zweiten Schritt eine mögliche Nichtigkeit nach § 142 Abs. 1 BGB infolge einer Anfechtung seitens des V zu prüfen. Dass wirksam angefochten werden könnte, hat auch das OLG Frankfurt betont: Indem V gegenüber dem K erklärt habe, dass der Preis als Startpreis, nicht als Sofortkauf-Preis gemeint gewesen sei und die Transaktion abgebrochen habe, habe er konkludent die Anfechtung erklärt. In einer Klausur wäre sodann schwerpunktmäßig zu diskutieren, welcher Anfechtungsgrund – Inhaltsirrtum gemäß § 119 Abs. 1 Alt. 1 BGB oder Erklärungsirrtum gemäß § 119 Abs. 1 Alt. 2 BGB – in Betracht kommt. Geklärt werden müsste also, ob der Fehler bereits auf der Ebene der Willensbildung (dann Inhaltsirrtum) oder bei der Vornahme der Erklärungshandlung, also etwa durch Vertippen / Verklicken (dann Erklärungsirrtum), erfolgt ist – hierzu bedürfte es ergänzender Hinweise im Sachverhalt. Auch über den Schadensersatzanspruch des § 122 Abs. 1 BGB könnte dann aber keine Zahlung der 13.000 Euro verlangt werden, denn hiernach wird lediglich das negative und nicht das positive Interesse ersetzt.
 
2. Zwischenergebnis
Mithin liegt schon kein wirksamer Kaufvertrag und damit kein Schuldverhältnis zwischen den Parteien vor.
 
II. Ergebnis
Ein Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB scheidet infolgedessen aus.
 
C) Fazit
In summa: Wenn ein eBay-Verkäufer ein Auto zum Sofortkauf für einen Euro anbietet, muss er dem Verkäufer keinen Schadensersatz leisten, sofern nach der Auslegung der Willenserklärung vom objektiven Empfängerhorizont gemäß §§ 133, 157 BGB offensichtlich ist, dass es sich um ein Auktionsstartgebot und nicht um einen Sofortkauf-Preis handelt. Wer sich in einer entsprechenden Klausur also direkt auf die Anfechtung der Willenserklärung stürzt, der verkennt, dass der Auslegung stets  Vorrang gebührt. Ergibt diese bereits einen Versteigerungswillen, verbleibt für die Anfechtung kein Raum. Unklar bleibt freilich, ab welchem Preis auf einen „offensichtlichen“ Versteigerungswillen trotz versehentlicher Wahl der Sofortkauf-Option zu schließen ist, ist doch – auch vom BGH –anerkannt, dass durch die Nutzung der Plattform eBay ein auffälliges Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung bewusst in Kauf genommen wird (hierzu beispielhaft BGH, Urt. v. 12.11.2014, Az.: VIII ZR 42/14).
 

23.07.2020/1 Kommentar/von Dr. Melanie Jänsch
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Melanie Jänsch https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Melanie Jänsch2020-07-23 08:35:432020-07-23 08:35:43OLG Frankfurt zur Auslegung beim Vertragsschluss über eBay: Kein Auto für 1€
Dr. Melanie Jänsch

Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB – Ein Grundlagenbeitrag

Examensvorbereitung, Lerntipps, Schon gelesen?, Schuldrecht, Startseite, Verschiedenes

Als eine vom Grundsatz pacta sunt servanda abweichende Regelung betrifft die Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB den Fall, dass Umstände von vornherein fehlen oder nachträglich wegfallen, die für eine Vertragspartei so wesentlich sind, dass der Vertrag geändert oder aufgehoben werden muss, weil ein Festhalten am unveränderten Vertrag sich als unzumutbar darstellen würde. Dabei sind gerade Umstände maßgeblich, die die Vertragsgrundlage darstellen – die aber nicht Vertragsinhalt geworden sind. Aber welche konkreten Situationen sind hiermit gemeint? Dass die Norm den Rechtsanwender vor Probleme stellt, liegt schon im Wortlaut begründet, der „sowohl auf Tatbestands- wie auch Rechtsfolgenseite eine Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe oder wertungsbedürftiger Gesichtspunkte“ (so MüKoBGB/Finkenauer, 7. Aufl. 2016, § 313 Rn. 7) aufweist. Der vorliegende Beitrag soll die Grundzüge der Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB darstellen und typische Fallkonstellationen aufzeigen, um die Norm besser handhabbar zu machen.
 
A. Anwendbarkeit
§ 313 BGB erstreckt sich auf alle schuldrechtlichen Verträge (Palandt/Grüneberg, 77. Aufl. 2018, § 313 Rn. 7). Dabei kommt die Norm erst dann in Betracht, wenn keine spezielleren Regelungen vorliegen. Solche können sich ergeben aus

  • vertraglichen Vereinbarungen (die auch im Wege der Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB offenbar werden können); es ist hier insbesondere zu prüfen, ob ein Rücktritt oder eine auflösende Bedingung gemäß § 158 II BGB vereinbart wurde.
  • gesetzlichen Sonderregelungen, z. B. § 490 BGB oder §§ 530, 531 BGB, ebenso Rücktritts- und Kündigungsvorschriften sowie die Vorschriften über die Mängelhaftung (§§ 434 ff. BGB). § 313 BGB wird auch durch die Vorschriften der Unmöglichkeit verdrängt, denn Unmöglichkeit gemäß § 275 BGB führt automatisch zum Ausschluss der Leistungspflicht, sodass für eine Vertragsanpassung kein Raum mehr bleibt (zur Abgrenzung zur praktischen Unmöglichkeit i.S.v. § 275 II BGB s. u.). Auch vorrangig sind die Regeln der Anfechtung wegen Irrtums gemäß §§ 119 f. BGB.

 
Anmerkung: Sofern es sich um einen beiderseitigen Motivirrtum handelt, der ohnehin nicht zur Anfechtung nach §§ 119 f. BGB berechtigt, ist der Anwendungsbereich des § 313 BGB eröffnet. Umstritten ist, wie der Fall eines beiderseitigen Irrtums zu behandeln ist, der zur Anfechtung berechtigt. Da es dann vom Zufall abhinge, wer anficht und dem Vertragspartner die Ersatzpflicht nach § 122 BGB aufbürdet, wird teilweise dafür plädiert, auch hier auf § 313 BGB zurückzugreifen (zum Streitstand s. etwa MüKoBGB/Finkenauer, 7. Aufl. 2016, § 313 Rn. 146 ff.).
 
B. Voraussetzungen
I. Reales Element
Zunächst ist erforderlich, dass es sich um die Geschäftsgrundlage handelt, mithin um einen Umstand, dessen (Fort-)Bestand von jedenfalls einer Vertragspartei vorausgesetzt wurde – der zwar nicht Vertragsinhalt geworden ist, aber der nach der Intention zumindest einer Partei erforderlich ist, um den Vertrag als sinnvolle Regelung aufrechtzuerhalten (Palandt/Grüneberg, 77. Aufl. 2018, § 313 Rn. 4). Dies muss für den Vertragspartner auch erkennbar gewesen sein; einseitige Motive genügen nicht. Zur Bestimmung des Begriffs der Geschäftsgrundlage greift die Rechtsprechung auf subjektive Kriterien zurück (s. etwa BGH v. 5.1.1995 – IX ZR 85/94, DNotZ 1995, 399, 401); möglich ist es aber auch, eine Bestimmung anhand objektiver Faktoren vorzunehmen, wenn die Parteien keine konkreten Vorstellungen hatten (hierzu s. Palandt/Grüneberg, 77. Aufl. 2018, § 313 Rn. 4).
 
II. Wegfall oder Fehlen dieses Umstandes
Dieser Umstand muss entweder nachträglich weggefallen sein bzw. sich schwerwiegend verändert haben (§ 313 I BGB) oder von vornherein fehlen (§ 313 II BGB).
 
Anmerkung: Die Störung der Geschäftsgrundlage kann entweder aus Faktoren resultieren, die lediglich für den konkreten Vertrag Bedeutung haben (kleine Geschäftsgrundlage), oder aber auf grundlegenden Veränderungen der politischen, wirtschaftlichen oder sozialen Rahmenbedingungen beruhen (große Geschäftsgrundlage) (Palandt/Grüneberg, 77. Aufl. 2018, § 313 Rn. 5).
 
III. Hypothetisches Element
Weiterhin muss der Umstand, der von der Vertragspartei vorausgesetzt wurde, so wesentlich sein, dass sie ohne ihn den Vertrag nicht bzw. zu anderen Konditionen abgeschlossen hätte. Hier muss also die Frage gestellt werden, ob die Partei den Vertrag ggf. mit anderem Inhalt abgeschlossen hätte, wenn sie die wesentliche Veränderung des Umstands vorhergesehen hätte.
 
IV. Normatives Element
Schließlich ist zu prüfen, ob der Partei das Festhalten am unveränderten Vertrag zugemutet werden kann. Hierbei handelt es sich um eine normative Wertungsentscheidung, die eine Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls erfordert. Wie § 313 I BGB vorgibt, fließen hierbei insbesondere vertragliche oder gesetzliche Risikoverteilungen ein. Unzumutbarkeit ist folglich nicht gegeben, wenn es sich um einen Umstand handelt, der dem Risikobereich der Vertragspartei zuzuordnen ist.
 
Beispiel:  Ein Bürge kann sich nicht vom Bürgschaftsvertrag über § 313 I BGB lösen, wenn er nachträglich erfährt, dass der Hauptschuldner zahlungsunfähig ist – das gehört ja gerade zum Risiko des Bürgschaftsvertrags.
 
C. Typische Fallkonstellationen
Da, wie eingangs erwähnt, die Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe die Handhabung des Instituts erschwert, haben sich verschiedene – nicht abschließende – Fallgruppen herausgebildet, in denen § 313 BGB als einschlägig erachtet wird:

  • Äquivalenzstörung: Hierbei führt die nachträgliche Veränderung dazu, dass das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung erheblich und unvorhersehbar gestört wird, was dem allgemeinen Gedanken der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung widerspricht, z.B. im Falle einer Inflation.
  • Wirtschaftliche Unmöglichkeit: Hierunter fallen nachträgliche Erschwerungen des Schuldners aufgrund unerwartet hoher Kosten, die zu einem unzumutbar hohen Aufwand für ihn führen, zur Abgrenzung zu § 275 II BGB s.u.
  • Zweckstörung: Eine solche ist gegeben, wenn die Herbeiführung des Leistungserfolgs zwar noch möglich ist, der Gläubiger aber aufgrund erheblich veränderter Bedingungen kein Interesse mehr an der Leistung hat. Zu beachten ist, dass grundsätzlich den Gläubiger das Risiko der Verwendung der Leistung trifft; demnach kann eine relevante Zweckstörung nur vorliegen, wenn der Vertragspartner sich den Verwendungszweck ebenfalls so zu Eigen gemacht hat, dass das Verlangen nach Vertragserfüllung Treu und Glauben widerspräche (s. etwa Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, Rn. 533).
  • Beiderseitiger Motivirrtum, der nicht zur Anfechtung berechtigt; nach e.A. ebenso beiderseitige Irrtümer, die zur Anfechtung berechtigen (str.), s.o.
  • Unbenannte Zuwendungen: Hierbei geht es um die Erbringung nicht äquivalenter Leistungen im Rahmen eines Kooperationsvertrags sui generis zur Verwirklichung oder Aufrechterhaltung von Lebensgemeinschaften, z.B. Schenkungen zwischen Ehegatten, weil von der dauerhaften Stabilität der Beziehung ausgegangen wird (str.). Auch hier ist der Anwendungsbereich sehr begrenzt: Die Zuwendungen müssen „die Grenze überschreiten, jenseits derer sie nicht mehr als Ausgleich für geleistete Mitarbeit oder als angemessene Beteiligung an den Früchten des ehelichen oder gemeinschaftlichen Zusammenwirkens und Wirtschaftens angesehen werden können“ (MüKoBGB/Finkenauer, 7. Aufl. 2016, § 313 Rn. 287).

 
D. Abgrenzungsprobleme
I. Praktische (auch: faktische) Unmöglichkeit gemäß § 275 II BGB
Insbesondere problematisch erscheint die Abgrenzung der praktischen Unmöglichkeit gemäß § 275 II BGB zur wirtschaftlichen Unmöglichkeit, die über § 313 BGB gelöst wird. Bei der praktischen Unmöglichkeit i.S.v. § 275 II BGB handelt es sich um „Leistungshindernisse, die nur mit völlig unverhältnismäßigem Aufwand überwunden werden können“ (Looschelders, Schuldrecht AT, Rn. 474) – oftmals erläutert anhand des verkauften Ringes, der bei der Übergabe ins Meer fällt. Theoretisch ist es zwar möglich, diesen wieder vom Meeresgrund zu holen; gleichwohl steht hier der für die Leistung erforderliche Aufwand in einem groben Missverhältnis zum Gläubigerinteresse. Der Unterschied zur wirtschaftlichen Unmöglichkeit besteht darin, dass i.R.v. § 275 II BGB ausschließlich das Interesse des Gläubigers am Erhalt der Leistung maßgeblich ist, während i.R.v. § 313 BGB auf den Aufwand des Schuldners, der in einem Missverhältnis zur Gegenleistung steht, abgestellt wird (BT-Drucks. 14/6040, S. 130). Das heißt: Praktische Unmöglichkeit liegt vor, wenn „die Behebung des Leistungshindernisses zwar theoretisch möglich wäre, aber von keinem vernünftigen Gläubiger ernsthaft erwartet“ werden kann. Wirtschaftliche Unmöglichkeit liegt vor, wenn der Aufwand des Schuldners die Opfergrenze überschreitet, sodass er nach Treu und Glauben nicht mehr zur Erbringung der Leistung verpflichtet ist (Canaris, JZ 2001, 499, 501).
 
II. Zweckverfehlungskondiktion gemäß § 812 I 2 Alt. 2 BGB
Auch die Abgrenzung zur condictio ob rem erscheint auf den ersten Blick schwierig. Im Rahmen des § 313 BGB wird aber ein Umstand vorausgesetzt, wohingegen der verfehlte Zweck im Rahmen von § 812 I 2 Alt. 2 BGB ein vereinbarter ist. Bei der Zweckverfehlungskondiktion ist also eine Zweckabrede erforderlich, die allerdings auch konkludent zustande kommen kann (MüKoBGB/Finkenauer, 7. Aufl. 2016, § 313 Rn. 179).
 
E. Rechtsfolge
Wenn die Voraussetzungen des § 313 BGB vorliegen, kann primär die Anpassung des Vertrags verlangt werden. Ist dies nicht möglich oder der anderen Partei nicht zumutbar, kann die benachteiligte Vertragspartei gemäß § 313 III BGB zurücktreten oder – bei Dauerschuldverhältnissen – kündigen.
 
F. Fazit
Mag die Norm aufgrund der Vielzahl unbestimmter Begriffe den Rechtsanwender vor Probleme stellen, so sollte insbesondere im Hinterkopf behalten werden, dass sie nur in evidenten Sonderkonstellationen einschlägig ist; da ein von einer Vertragspartei vorausgesetzter Umstand oftmals dem Risikobereich ebendieser Partei zuzuordnen ist, wird ein Festhalten am unveränderten Vertrag regelmäßig zumutbar erscheinen – der Grundsatz ist eben pacta sunt servanda.
 
 

08.10.2018/1 Kommentar/von Dr. Melanie Jänsch
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Melanie Jänsch https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Melanie Jänsch2018-10-08 09:30:232018-10-08 09:30:23Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB – Ein Grundlagenbeitrag
Samuel Ju

BGH Urteil: Erhebliche Pflichtverletzung des Verkäufers bei Lieferung eines Fahrzeugs in anderer Farbe

Schuldrecht, Zivilrecht, Zivilrecht

Der Bundesgerichtshof hat in einem Urteil vom 17.2.2010 entschieden, dass die Lieferung eines Kraftfahrzeugs in einer anderen als der bestellten Farbe im Regelfall einen erheblichen Sachmangel und eine erhebliche Pflichtverletzung des Verkäufers darstellt.
Sachverhalt
Der Beklagte kaufte im März 2005 bei einem in Florida (USA) ansässigen Unternehmen einen Pkw Chevrolet Corvette zu einem Preis von rund 55.000 US-Dollar. Das von der Verkäuferin anschließend zur Lieferung angebotene Fahrzeug weist nicht, wie im Vertrag angegeben, eine Lackierung in „Le Mans Blue Metallic“ auf, sondern ist schwarz. Der Beklagte verweigert die Annahme des Fahrzeugs und die Zahlung des Kaufpreises mit der Begründung, die Verkäuferin habe den Vertrag nicht ordnungsgemäß erfüllt. Die Klägerin verlangt aus abgetretenem Recht der Verkäuferin Zahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Lieferung des Fahrzeugs.
Entscheidung / Lösung
Der Anspruch der Klägerin aus abgetretenem Recht der Verkäuferin auf Zahlung des Kaufpreises gem. § 433 Abs. 2 BGB Zug um Zug gegen Lieferung des Fahrzeugs könnte infolge eines Rücktritts seitens des Beklagten untergegangen sein.
Zu prüfen ist somit, ob der Beklagte wirksam vom Kaufvertrag zurückgetreten ist, §§ 346, 323 BGB. Nach § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB kann der Gläubiger nicht vom Vertrag zurücktreten, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist
Stellt die Lieferung des Wagens in falscher Farbe eine erhebliche Pflichtverletzung dar?
Schwerpunkt dieser Entscheidung war somit die Frage, ob die Lieferung der Corvette in schwarzer statt in blauer Farbe eine erhebliche Pflichtverletzung darstellt oder nicht.
Vorinstanzen: Pflichtverletzung unerheblich
Der Käufer war in den beiden ersten Instanzen verurteilt worden. Das Berufungsgericht versagte dem Käufer ein Zurückweisungsrecht noch vor Lieferung, da sein Rücktrittsrecht gemäß § 323 Abs. 5 Satz 2. BGB ausgeschlossen sei. Die Lieferung einer schwarzen statt einer blauen Corvette stelle keine erhebliche Pflichtverletzung dar.
BGH: Erheblicher Sachmangel
Auf die Revision des Käufers hin hat der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs nun entschieden, dass die Lieferung eines Kraftfahrzeugs in einer anderen als der bestellten Farbe im Regelfall einen erheblichen Sachmangel und damit auch eine erhebliche Pflichtverletzung gemäß § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB darstellt, und zwar auch dann, wenn vom Käufer zunächst auch eine andere Fahrzeugfarbe in Betracht gezogen wurde. Die Lackfarbe bestimme maßgeblich das Erscheinungsbild eines Kraftfahrzeugs und gehöre deshalb für den Käufer zu den maßgeblichen Gesichtspunkten seiner Kaufentscheidung.
Examensrelevanz
Im Autofahrerstaat Deutschland wird dies wohl nicht die letzte Entscheidung hinsichtlich einer Streitigkeit beim Autokauf gewesen sein. In der Examensklausur im Zivilrecht sollte man die Voraussetzungen des Rücktritts rauf- und runterbeten können. Es ist nun also höchstrichterlich entschieden, dass die Farbe des Autos beim Kauf von entscheidender Bedeutung ist und Abweichungen von der vereinbarten Farbe eine erhebliche Pflichtverletzung darstellen, der somit dem Käufer einen Rücktritt ermöglicht. Noch wichtiger ist es mE jedoch, die Systematik des Rücktritts im Zusammenspiel zwischen Schuldrecht AT und Schuldrecht BT (insbesondere Kaufrecht, Werkvertragsrecht) zu kennen. Zwar wirkt sich dies auf das Ergebnis der Falllösung nicht aus, da im Kaufrecht und Werkvertragsrecht auf die allgemeinen Rücktrittsnormen verwiesen wird. Dies hinterlässt jedoch beim Korrektor keinen guten Eindruck und führt zu unnötigem Punktabzug.
BGH – Urteil vom 17. Februar 2010 – VIII ZR 70/07
Vorinstanzen:
LG Ellwangen – Urteil vom 15. September 2006 – 3 O 579/05
OLG Stuttgart – Urteil vom 5. März 2007 – 5 U 173/06

18.02.2010/1 Kommentar/von Samuel Ju
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Samuel Ju https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Samuel Ju2010-02-18 18:29:082010-02-18 18:29:08BGH Urteil: Erhebliche Pflichtverletzung des Verkäufers bei Lieferung eines Fahrzeugs in anderer Farbe

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