Wir freuen uns heute einen Gastbeitrag von Florian Schuler zu veröffentlichen. Florian befindet sich derzeit zwischen seiner schriftlichen und mündlichen Prüfung des 1. Stex und ist als wissenschaftlicher Mitarbeiter in Hamburg tätig. Sein Beitrag befasst sich mit dem aktuellen und examensrelevanten BVerfG-Urteil zu Rüstungsexporten.
BVerfG-Urteil zu Rüstungsexporten
Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat entschieden, dass die Bundesregierung dem Bundestag erst nach einem abgeschlossenen Willensbildungsprozess zu Kriegswaffenexportgeschäften Auskünfte erteilen muss (BVerfG, 2 BvE 5/11 vom 21.10.2014).[1] Das Informationsrecht des Bundestages greife erst nachträglich ab einem Beschluss der Bundesregierung. So genannte Voranfragen seien daher nicht umfasst.
Die Entscheidung behandelt schwerpunktmäßig Fragestellungen des Staatsorganisationsrechts. Relevant werden jedoch auch Ausführungen zu den Grundrechten, sodass die Entscheidung sich für eine schriftliche Examensprüfung auf dem Gebiet des ganzen Staatsrechts eignet. Gerade für zeitnahe mündliche Prüfungen drängt sich die Entscheidung bereits aufgrund ihres medialen Echos auf.[2]
Dabei gilt es das Informationsrecht der Abgeordneten, das diesen vor dem Hintergrund der Gewaltenteilung als Kontrollrecht dient, mit der Entscheidungsbefugnis der Gubernative als Teil des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung sowie den Grundrechten der Rüstungsexporteure in Einklang zu bringen. Der Fall bietet weiterhin die Möglichkeit in der Zulässigkeit die Voraussetzungen eines Organstreitverfahrens abzufragen.
I. Sachverhalt
Die Bundestagsabgeordneten Hans-Christian Ströbele, Katja Keul sowie Claudia Roth wendeten sich im Jahr 2011 mittels einer schriftlichen Anfrage an die Bundesregierung, um Informationen über eine Lieferung von 200 Panzern vom Typ „Leopard 2 A7“ nach Saudi-Arabien und anderer Rüstungsgüter nach Algerien zu erhalten. Die Lieferungen waren politisch unter anderem deshalb umstritten, weil Saudi-Arabien bei der militärischen Niederschlagung von Demonstrationen im Königreich Bahrain involviert war. Die Bundesregierung berief sich auf die geheime Entscheidungsfindung des Bundessicherheitsrats, welcher nach gängiger Staatspraxis über die Genehmigung von Rüstungsexporten entscheidet und aus der Bundeskanzlerin sowie mehreren Bundesministern besteht.
II. Entscheidung
1. Der endgültige Beschluss als zeitliche Trennlinie
Die Klage hat teilweise Erfolg. Soweit zulässig, ist sie teilweise begründet. Die Bundesregierung habe die Abgeordneten hinsichtlich ihrer dringlichen Fragen in der Fragestunde des Deutschen Bundestages sowie ihrer schriftlichen Anfragen hinsichtlich der genannten Kriegswaffenausfuhrgeschäfte nicht hinreichend informiert. Auf Anfrage eines Abgeordneten bezüglich einer abschließend getroffenen Entscheidung müsse die Bundesregierung diesen grundsätzlich informieren.
Art. 26 Abs. 2 S. 1 GG bestimmt, dass zur Kriegsführung bestimmte Waffen nur mit Genehmigung der Bundesregierung hergestellt, befördert und in den Verkehr gebracht werden dürfen. Dieser Genehmigungsprozess umfasse als Teil des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung einen nicht ausforschbaren Initiativ- und Beratungsbereich (BVerfG, 2 BvE 5/11 vom 21.10.2014, Absatz-Nr. 137). Jedoch stehe dem ein Frage- und Informationsrecht der Abgeordneten gegenüber, dass sich aus Art. 38 Abs. 1 S. 2, 20 Abs. 2 S. 2 GG ergebe und im System der Gewaltenteilung zur Kontrolle der Exekutive durch die Legislative diene (BVerfG, 2 BvE 5/11 vom 21.10.2014, Absatz-Nr. 131).
Das Bundesverfassungsgericht zieht in seiner Entscheidung eine klare Trennlinie, bei der ein endgültiger Beschluss über das Kriegswaffenausfuhrgeschäft als Zäsur zwischen dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung und den Informationsrechten der Abgeordneten dient. Erst ab einer Entscheidung in Form einer Genehmigung oder Ablehnung greife das Informationsrecht der Abgeordneten. Die parlamentarische Kontrolle sei insoweit eine nachträgliche (BVerfG, 2 BvE 5/11 vom 21.10.2014, Absatz-Nr. 158 ff.).
Ob der Bundessicherheitsrat überhaupt zuständig sei – was vor dem Verfassungswortlaut des Artikels 26 Abs. 2 S. 1 GG („die Bundesregierung“) sowie dem einfachgesetzlichen § 11 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 3 Kriegswaffenkontrollgesetz i.V.m. § 1 Abs. 1 Erste Verordnung zur Durchführung des Kriegswaffenkontrollgesetzes („das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie“) zumindest fraglich erscheine[3] – könne dahin stehen. Eine mögliche Rechtsverletzung komme, wenn überhaupt, nur hinsichtlich nicht teilnehmender Bundesregierungsmitglieder, aber nicht der Kläger in Betracht (BVerfG, 2 BvE 5/11 vom 21.10.2014, Absatz-Nr. 147). Jedoch solle für das Vorliegen eines endgültigen Beschlusses eine Entscheidung des Bundessicherheitsrats genügen. Dies begründet das Bundesverfassungsgericht damit, dass durch das politische Gewicht der Mitglieder ein Beschluss des Bundessicherheitsrats regelmäßig real-politisch faktisch Vorentscheidungscharakter habe (BVerfG, 2 BvE 5/11 vom 21.10.2014, Absatz-Nr. 166).
Dies sei bei der bloßen Kommunikation der Mitglieder des Bundessicherheitsrats mit Rüstungsunternehmen im Rahmen von sog. Voranfragen, bei denen sich die Rüstungsunternehmen über ihre Chancen auf eine Genehmigung erkunden, noch nicht der Fall. Eine positive Beantwortung einer Voranfrage sei mangels rechtlicher Bindung keine endgültige Entscheidung und falle zeitlich in den geschützten Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung. Insbesondere sei darin keine Zusicherung nach § 38 Abs. 1 S. 1 VwVfG oder eine abschließende Teilgenehmigung zu sehen (BVerfG, 2 BvE 5/11 vom 21.10.2014, Absatz-Nr. 156).
2. Inhalt und Grenzen des Informationsrechts
Ab dem Zeitpunkt eines genehmigenden Beschlusses umfasse das Informationsrecht der Abgeordneten Auskünfte darüber, ob der Bundessicherheitsrat eine Genehmigung für ein konkretes Kriegswaffenausfuhrgeschäft erteilt habe sowie welche Art von Waffen in welcher Anzahl von welchem Rüstungsunternehmen an welches Empfängerland geliefert werden sollen.
Ausgenommen seien, neben den Voranfragen (siehe oben), die Entscheidungsgründe sowie Informationen zu ablehnenden Beschlüssen. Auch sieht das Bundesverfassungsgericht eine Ausnahme der Informationsrechte der Abgeordneten vor, wenn dies aus Gründen des Staatswohls, z.B. in diplomatischer Hinsicht, erforderlich sei (BVerfG, 2 BvE 5/11 vom 21.10.2014, Absatz-Nr. 166 ff.). Wann das der Fall sei, habe wiederum die Bundesregierung selbst zu beurteilen.
Eine inhaltliche Schranke ergebe sich weiterhin aus den Grundrechten der Rüstungsexporteure, insbesondere Art. 12 Abs. 1 GG. Die Berufsfreiheit umfasse Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Eine Informationserteilung könne somit kein exklusives wettbewerbserhebliches Wissen über das jeweilige Rüstungsunternehmen enthalten, insbesondere keine konkreten technischen Daten oder Preise (BVerfG, 2 BvE 5/11 vom 21.10.2014, Absatz-Nr. 182).
Grundsätzlich besteht also ein Informationsanspruch der einzelnen Abgeordneten. Es wird jedoch durch das Gewaltenteilungsprinzip, das Staatswohl und Grundrechte Dritter begrenzt.
[1] https://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/es20141021_2bve000511.html.
[2] U.a. spricht Spiegel Online von einem „guten Tag für die Rüstungsindustrie“.(http://www.spiegel.de/politik/deutschland/ruestungsexporte-verfassungsgericht-laesst-geheimhaltung-der-regierung-zu-a-998462.html); Handelsblatt titelt „Gericht stärkt Auskunftsrecht bei Rüstungsexporten“.(http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/bverfg-urteil-gericht-staerkt-auskunftsrecht-bei-ruestungsexporten/10868242.html).
[3] Die herrschende Literatur geht von der Verfassungswidrigkeit des § 11 Abs. 2 KWKG aus, siehe dazu statt vieler Herdegen in: Maunz/Dürig, GG, März 2014, Art. 26 Rn. 56; Jarass in: Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl. 2012, Art. 26 Rn. 10.
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