In einem Urteil vom 16. Oktober 2009 (V ZR 203/08) hat sich der BGH mit dem Rücktrittsausschluß nach § 323 Abs. 5 S. 1 BGB bei Teilleistungen befasst. § 323 Abs. 5 S. 1 BGB setze neben der Teilbarkeit der Leistung des Schuldners auch die Teilbarkeit der (Gegen-)Leistung des Gläubigers voraus. Fehle es daran, könne der Gläubiger auch dann vom ganzen Vertrag zurücktreten, wenn sein Interesse an der Teilleistung des Schuldners nicht entfallen ist.
Sachverhalt
Der Kläger verkaufte dem Beklagten mit notariellem Vertrag vom 18. Dezember 2002 eine Eigentumswohnung für 31.000 €. Der Kaufpreis sollte wie folgt berichtigt werden:
(1) 16.000 € in Geld,
(2) 7.000 € durch Anrechnung von vor Vertragsschluss erbrachten Planungs- und Bauleistungen und
(3) 8.000 € durch Durchführung folgender Werkleistungen am Gemeinschaftseigentum:
– Sanierung der Außenfassade im Bereich der von ihm erworbenen Sondereigentumseinheit 16 (einschließlich Anstrich, Wärmedämmung und Austausch von Fenstern) und
– Eindeckung der Dachfläche des Seitenflügels einschließlich statischer Verstärkungsmaßnahmen.
Diese zuletzt genannten Leistungen waren nach § 16 des Vertrags bis zum 31. August 2004 „insoweit fertig zu stellen, dass von den Baumaßnahmen keine unvertretbaren Belästigungen für die anderen Sondereigentümer ausgehen“. Bei Fristüberschreitung war eine Vertragsstrafe von 500 € je angefangenem Monat bestimmt. Streit „über die Fertigstellung und/oder Ordnungsgemäßheit der Leistungen“ sollten durch einen Schiedsgutachter geklärt werden, dessen Kosten die Parteien anteilig zu tragen haben sollten.
Der Beklagte zahlte 16.000 € und führte einen Teil der zu erbringenden Leistungen aus. Mit Schreiben vom 22. Juni 2004 wies der Kläger den Beklagten darauf hin, dass die zu erbringenden Bauleistungen noch teilweise ausstünden, und behielt sich vor, nach Setzung einer angemessenen Nachfrist von dem Vertrag zurückzutreten. Mit weiterem Schreiben vom 7. September 2004 setzte der Kläger dem Beklagten eine Nachfrist bis zum 30. September 2004, die von ihm geschuldeten Bauleistungen zu erbringen. Diese blieb fruchtlos. Der Beklagte stellte die Zahlung der geforderten Vertragsstrafe nach zwei Monatsraten ein. Mit Schreiben vom 4. Oktober 2004 erklärte der Kläger den Rücktritt vom Kaufvertrag. Er holte ein Schiedsgutachten ein, das zu dem Ergebnis kam, die noch ausstehenden Arbeiten führten zu einer unzumutbaren Beeinträchtigung der anderen Sondereigentümer. Der Kläger verlangt Räumung und Herausgabe der Wohnung und Zustimmung zur Löschung der eingetragenen Auflassungsvormerkung.
Entscheidung / Lösung
Der Kläger könnte von dem Beklagten nach § 346 Abs. 1 BGB die Räumung und die Herausgabe der verkauften Eigentumswohnung und nach §§ 346 Abs. 1, 894 BGB die Zustimmung zur Löschung der Auflassungsvormerkung verlangen, wenn er wirksam vom Kaufvertrag zurückgetreten ist.
Nach § 323 Abs. 1 BGB wäre er dazu berechtigt, wenn der Beklagte seine fälligen Verpflichtungen nicht vollständig erfüllt und der Kläger ihm erfolglos eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat. Der Beklagte hatte nach dem Vertrag bestimmte Werkleistungen zu erbringen. Diese Verpflichtung ist mit dem Ablauf des 31. August 2004 insgesamt fällig geworden. Rechtlich haben die Parteien mit der Ausführungsfrist in § 16 des Vertrags zum einen die Fälligkeit aller werkvertraglichen Leistungspflichten des Beklagten bis zum Ablauf des 31. August 2004 hinausgeschoben. Zum anderen haben sie für einen Teil dieser Leistungen, nämlich für diejenigen, deren Ausführung mit unvertretbaren Belastungen für die anderen Sondereigentümer verbunden war, eine Leistungsfrist im Sinne von § 323 Abs. 2 Nr. 2 BGB vereinbart. Bezüglich dieser Leistungen konnte der Kläger also ohne weiteres von dem Vertrag zurücktreten, wenn bei Ablauf der Frist solche Werkleistungen ganz oder teilweise fehlten. Aber auch die anderen werkvertraglichen Leistungen waren fällig.
Bei Ablauf des 31. August 2004 hatte der Beklagte laut Sachverhalt nur einen Teil der ihm obliegenden Werkleistungen erbracht. Der Kläger hat ihm, wie nach § 323 Abs. 1 BGB geboten, eine Frist zur Erbringung der fehlenden Teile seiner werkvertraglichen Leistungen gesetzt. Diese Frist war mit einem Monat zudem auch angemessen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Kläger dem Beklagten sein Vorgehen schon vor Ablauf der Frist mit dem Schreiben vom 22. Juni 2004 rechtzeitig angekündigt hatte.
Somit wäre der Kläger berechtigt, vom Vertrag zurückzutreten.
Was setzt der Rücktrittsausschluss nach § 323 Abs. 5 S. 1 bei Teilleistungen voraus?
Möglicherweise steht dem jedoch entgegen, dass der Beklagte den Barkaufpreis i.H.v. 16.000 Euro bereits gezahlt und einen Teil der ihm noch obliegenden Bauleistungen erbracht hat. (Rücktrittsausschluss) Eine Teilleistung des Schuldners berechtigt den Gläubiger zwar nach § 323 Abs. 5 Satz 1 BGB zum Rücktritt vom ganzen Vertrag nur, wenn er an der Teilleistung kein Interesse hat. Ein Fortfall des Interesses des Klägers an der Leistung des Beklagten kann hier auch nicht ohne Weiteres angenommen werden, weil die erbrachten Bauleistungen des Beklagten notwendig waren, um das Gebäude in einen ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechenden Zustand zu versetzen. Dies könnte indessen offen bleiben, wenn die Vorschrift hier bereits aus anderen Gründen nicht anwendbar ist. Sie setzt nämlich voraus, dass nicht nur die Leistung des Schuldners teilbar ist, sondern auch die des Gläubigers. Daran fehlt es. Mit § 323 Abs. 5 Satz 1 BGB hat sich der Gesetzgeber für den Grundsatz des Teilrücktritts entschieden. Bei einem teilweisen Ausbleiben der geschuldeten Leistung soll dem Gläubiger im Regelfall kein Rücktritt vom ganzen Vertrag, sondern nur ein Teilrücktritt möglich sein. Damit will der Gesetzgeber erreichen, dass der Vertrag bei einer Teilleistung des Schuldners nicht immer vollständig rückabgewickelt werden muss, sondern sich auf die durchführbaren oder durchgeführten Teile beschränkt. (pacta sunt servanda) Etwas anderes soll nur gelten, wenn der Gläubiger an dem durchgeführten Teil des Vertrags kein Interesse hat (Begründung des Entwurfs eines Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes in BT-Drucks. 14/6040 S. 186). Dieses Regelungskonzept setzt gedanklich voraus, dass der als Regelfall gedachte Teilrücktritt möglich ist.
Leistung des Schuldners ist teilbar, die Leistung des Gläubigers jedoch nicht
Im vorliegenden Fall liegt die Besonderheit darin, dass – im Gegensatz zu dem typischen Anwendungsfall, der dem Gesetzgeber vorschwebte, nämlich: Erbringung einer teilbaren Sachleistung gegen Entgelt – zwar die ausgebliebene Leistung des Schuldners teilbar ist, nicht aber die Gegenleistung des zurücktretenden Gläubigers: Dieser hatte sich zur Übereignung einer Eigentumswohnung gegen die Zahlung von Geld und die Erbringung von Werkleistungen verpflichtet (ein gemischter Vertrag in Form eines Kaufvertrag mit anderstypischer Gegenleistung). Zwar ist die nicht erbrachte Leistung teilbar. Wenn aber der Kläger nur teilweise zurücktreten könnte, müsste er seine Gegenleistung auch nur anteilig erbringen. Das aber geht hier nicht, weil seine Leistung, nämlich die Übereignung einer Eigentumswohnung nicht teilbar ist: „Der Gläubiger kann seine – unteilbare – Leistung nicht auf einen Teil beschränken, der der Teilleistung des Schuldners entspricht. Er kann sie nur ganz erbringen oder ganz davon absehen.“
Damit scheidet ein Teilrücktritt von vornherein aus. Es kommt nur ein Rücktritt vom ganzen Vertrag in Betracht. Der Gläubiger muss für den Rücktritt auch nicht Interessefortfall nachweisen, sondern kann ohne weiteres zurücktreten. Zu denken wäre noch an einen möglichen Anspruch aus § 242 BGB, der hier jedoch nicht im Raum steht.
Ergebnis: Da mithin der Kläger wirksam vom Kaufvertrag zurückgetreten ist, kann er von dem Beklagten nach § 346 Abs. 1 BGB die Räumung und die Herausgabe der verkauften Eigentumswohnung und nach §§ 346 Abs. 1, 894 BGB die Zustimmung zur Löschung der Auflassungsvormerkung verlangen.
BGH, Urteil vom 16. Oktober 2009 – V ZR 203/08