Das LG München (Urteil vom 19.01.2018 – 12 KLs 111 Js 239798/16) verurteilte den Angeklagten wegen des Verkaufs der Schusswaffe, die später vom Käufer für den Amoklauf im Münchener Olympia-Einkaufszentrum verwendet wurde, wegen fahrlässiger Tötung in 9 Fällen und fahrlässiger Körperverletzung in 5 Fällen. Die gegen dieses Urteil von der Verteidigung, die insbesondere gegen die Verurteilung wegen Fahrlässiger Tötung vorging, sowie von den Nebenklägern, die eine Verurteilung wegen Beihilfe zum Mord begehrten, eingereichten Rechtsmittel wies der BGH (Beschlüsse vom 08.01.2019 – 1 StR 356/18) als unbegründet zurück. Aufgrund der immensen medialen Präsenz des Münchener Amoklaufs wird diese Entscheidung auch Prüfern nicht entgangen sein. Schließlich handelt es sich um das erste Urteil, in dem ein illegaler Waffenhändler wegen des Verkaufs einer Schusswaffe für eine Tat verantwortlich gemacht wird, an der er ansonsten nicht selbst beteiligt war. Die Problematik lässt sich auch leicht in eine Examensklausur einbauen, da so klassische Probleme des allgemeinen Teils, namentlich der Beihilfe, des Vorsatzes und der Fahrlässigkeit abgefragt werden können.
I. Sachverhalt (gekürzt):
Der Angeklagte verkaufte in mehreren Fällen erlaubnispflichtige Waffen, obwohl weder er noch seine Käufer die erforderlichen waffenrechtlichen Genehmigungen besaßen. Um anonym zu bleiben, nutzte er dazu eine Online-Plattform im Darknet und einen verschlüsselten Bitmassage-Dienst. Die Übergabe erfolgte stets bei einem persönlichen Treffen. Unter anderem verkaufte er eine Schusswaffe samt Patronen an David S., der diese später für einen Amoklauf im Münchener Olympia-Einkaufszentrum nutze, bei dem er 9 Menschen erschoss und 5 weitere Menschen verletzte, ehe er sich selbst erschoss.
II. Entscheidung:
Eine Verurteilung wegen Beihilfe zum Mord in 9 Fällen nach §§ 211, 27 StGB und wegen Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung in 5 Fällen gemäß §§ 224 I Nr. 2, 1. Alt., Nr. 5, 27 StGB lehnte das LG München wegen mangelnden Vorsatzes ab. Für die Strafbarkeit wegen Beihilfe bedarf es eines doppelten Beihilfevorsatzes, d.h. zumindest dolus eventualis hinsichtlich der vorsätzlichen, rechtwidrigen Haupttat und hinsichtlich der eigenen Unterstützungshandlung.
Dazu führt das LG München aus: „Ein bedingt vorsätzliches Handeln setzt voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt und damit in der Weise einverstanden ist, dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen mit der Tatbestandsverwirklichung zumindest abfindet […]Im Falle einer strafbaren Beihilfe liegt ein hinreichender Gehilfenvorsatz bereits dann vor, wenn der Gehilfe dem Täter ein maßgebliches Tatmittel zur Verfügung stellt und gerade dadurch einen kausalen mittelbaren Rechtsgutsangriff tätigt – vorausgesetzt, er nahm die wesentlichen Umstände, d.h. deren Unrechts- und Angriffsrichtung, der späteren Tatbestandsverwirklichung in seine Vorstellung auf […]Hierfür ist erforderlich, dass der Gehilfe seinen eigenen Tatbeitrag sowie die Haupttat in ihren wesentlichen Grundzügen, insbesondere in ihrer Unrechts- und Angriffsrichtung, zumindest für möglich hält und billigt, wobei er Einzelheiten der Haupttat nicht zu kennen braucht.“
David S. hatte den Angeklagten jedoch nicht in den Tatplan eingeweiht. Auch ahnte dieser nichts von der Absicht, die Waffen für einen Angriff auf Menschen zu verwenden, sondern ging davon aus, dass es sich beim Käufer um einen Waffensammler handle. Auch reicht die bloße Kenntnis eines generellen Risikos der Tatförderung, wie sie beim illegalen Verkauf von Waffen anzunehmen ist, nicht aus, wenn der Täter nicht durch die willentliche Hingabe eines Tatmittels bewusst das Risiko erhöht, dass eine durch den Einsatz gerade dieses Mittels geförderte Haupttat verübt wird, so das LG München.
Zu Recht erfolgte jedoch eine Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung gemäß § 222 StGB in 9 Fällen sowie wegen fahrlässiger Körperverletzung gemäß § 229 StGB in 5 Fällen. Die Sorgfaltspflichtverletzung liegt hier in dem illegalen Verkauf von Schusswaffen und Munition, der schon den Straftatbestand des § 52 Abs. 1 Nr. 2c WaffG erfüllt. Erschwerend kommt die mangelnde Kontrolle der Zuverlässigkeit des Käufers aufgrund der Anbahnung des Verkaufs im Darknet und der damit einhergehenden Wahrung der Anonymität der Beteiligten hinzu.
Der Eintritt des tatbestandlichen Erfolgs in Gestalt des Eintritts des Todes von neun Menschen sowie der körperlichen Misshandlung und Gesundheitsschädigung fünf weiterer Menschen war darüber hinaus objektiv erkennbar und vorhersehbar. Dazu muss in der konkreten tatsächlichen Situation, d.h. aufgrund der dem Täter in der Tatsituation bekannten und erkennbaren Umstände, aus Sicht eines objektiven Dritten Anlass und Möglichkeit bestanden haben, den drohenden Erfolgseintritt zu erkennen. Dies war hier deshalb der Fall, da der Täter unter Umgehung eines legalen Marktes und der entsprechenden Zugangshindernisse der waffenrechtlichen Vorschriften an einen nicht zum Waffenbesitz Berechtigten eine funktionierende Schusswaffe und Munition verkauft „und folglich einen Gegenstand ausgehändigt [hat], der nach der Art seiner Anfertigung allgemein zumindest auch dazu bestimmt und geeignet ist, Menschen auf mechanischem Wege zu verletzen oder zu töten […] Aufgrund dieser einer Pistole und der zugehörigen Munition grundsätzlich anhaftenden Zweckbestimmung muss der Verkäufer einer Waffe in objektiver Hinsicht davon ausgehen, dass der Käufer diese ihrer Zweckbestimmung entsprechend auch gebrauchen könnte, also zur Verletzung oder Tötung von Menschen zielgerichtet einsetzen könnte“.
„Die Zurechnung des Erfolgseintritts ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil nicht die Handlung des Angeklagten unmittelbar zum Eintritt des Erfolgs führte, sondern ein Dritter, David S., im Rahmen eines vorsätzlichen Handelns eine eigene für den Angeklagten insoweit nicht steuerbare Ursache hierfür setzte (Fallgruppe des vorsätzlichen Dazwischentretens eines Dritten).“ Denn eine Mitverantwortung eines Dritten führt dann nicht zum Wegfall des Zurechnungszusammenhangs, wenn die vom Täter ursprünglich gesetzte Ursache trotz des in den Kausalverlauf eingreifenden Verhaltens des Dritten wesentlich fortwirkt, der Dritte also hieran anknüpft. Hiervon ist insbesondere dann auszugehen, wenn sich in dem pflichtwidrigen Handeln des Dritten gerade das Risiko der Pflichtwidrigkeit des Täters selbst verwirklicht. Die vom Täter verletzten waffenrechtlichen Vorschriften, insbesondere § 52 WaffG tragen gerade der objektiven Gefährlichkeit von Waffen Rechnung und dienen gerade dem Zweck, den Waffenbesitz von dazu nicht geeigneten Personen und den durch diese drohenden Missbrauch von Waffen zu verhindern. Daher realisierte sich in der Tötung der 9 Menschen und der Verletzung von 5 Menschen gerade die durch den Verkauf der Schusswaffe und Munition geschaffene Gefahr.
III. Weitere Hinweise:
Falls der Haupttäter noch lebt, ist die Prüfung dessen Strafbarkeit voran zu stellen. In Fällen, in denen der Haupttäter jedoch selbst stirbt, ist dessen Strafbarkeit nicht mehr isoliert vorab, sondern inzident im Rahmen der Prüfung einer Strafbarkeit des Waffenverkäufers wegen Beihilfe zu prüfen. In einer Klausur bedarf es selbstverständlich – anders als in der Urteilsbegründung des LG München – einer getrennten Prüfung der Strafbarkeit nach § 222 StGB und der Strafbarkeit nach § 229 StGB.
Zudem ist stets auf die Sachverhaltsangaben im konkreten Fall zu achten. Denn bei entsprechenden Hinweisen dazu, dass der Waffenverkäufer es für möglich hielt, dass die Waffe für eine Straftat verwendet wird, kann im Ergebnis auch eine Strafbarkeit wegen Beihilfe zum Mord und zur gefährlichen Körperverletzung vorliegen.
Im Rahmen des Münchener Amoklaufs kam es nicht nur zur Verurteilung des Waffenverkäufers. Der Betreiber der Darknet-Plattform, über die der Verkauf der Schusswaffe angebahnt wurde, ist vom LG Karlsruhe (Urteil vom 19.12.2018, Az. 4 KLs 608 JS 19580/17) mit ähnlicher Begründung ebenfalls unter anderem wegen fahrlässiger Tötung und fährlässiger Körperverletzung verurteilt worden.
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Und so wars übrigens bei der letzen Talent-Küche:
[vimeo https://vimeo.com/100401107]
Ein Urteil, das Gesprächsstoff für jede Party (auch mit Nicht-Juristen) liefern kann, hat das LG München vor wenigen Tagen veröffentlicht (Beschluss v. 29.5.2013 – 7 O 22293/12).
Es hatte sich – im Rahmen eines Auskunftsanspruchs gegen Filesharingbetreiber – mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die beiden Pornofilme „Flexible Beauty“ und „Young Passion“ dem Urheberrecht unterliegen. Hierfür bedarf es nach § 2 UrhG einer sog. „persönlichen geistigen Schöpfung„. Diese liegt nur dann vor, wenn das Werk einem Denkprozess entstammt, es also als Resultat einer künstlerischen oder ähnlichen Betätigung anzusehen ist. Natürlich dürfen die Hürden hier – auch im Hinblick auf die weit auszulegende Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 GG – nicht sehr hoch gelegt werden. Es ist also lediglich ein Mindestmaß an geistiger Schöpfung und Individualität notwendig.
Im konkreten Fall wird aber selbst dies abgelehnt. Das Gericht begründet dies wie folgt.
Die Antragstellerin hat die Schutzfähigkeit des Films „Flexible Beauty“ lediglich pauschal behauptet. Auch auf den substantiierten Sachvortrag des Beteiligten … hat sie nicht erwidert. Die Kammer unterstellt daher, dass dessen Sachvortrag zutrifft und der 7 Minuten und 43 Sekunden lange Film lediglich sexuelle Vorgänge in primitiver Weise zeigt (vgl. Schriftsatz vom 28.12.2012 S. 14 = Bl. 38; Fotostrecke gem. Anlage BF6; DVD gem. Anlage BF5). Hierfür kann kein Schutz als Filmwerk (§ 94 UrhG) beansprucht werden: Es fehlt offensichtlich an einer persönlichen geistigen Schöpfung (§ 2 Abs. 2 UrhG).
Dem Gericht fehlte also offensichtlich die Handlung des Films, die bekanntermaßen bei Pornofilmen gerade das tragende Element ist (man denke nur an den legendären Satz: „Warum liegt hier überhaupt Stroh?“). 😉
Letztlich läuft der Fall also – so kurios dies im konkreten Fall klingen mag – auf eine Einzelfallabwägung hinaus. Es muss also geprüft werden, ob der Film lediglich Geschlechtsverkehr in primitiver Weise darstellt, oder ob nicht zumindest ergänzend eine Handlung hinzutritt, die den Film gerade „einzigartig“ macht.
Fazit:
Richter haben also demnächst eine gute Ausrede, wenn sie beim Pornoschauen erwischt werden…
…und Pornoproduzenten kann nur geraten werden: Mehr Handlung und Text in Pornos, dann klappt’s auch mit dem Urheberrecht…
Laut FAZ hat die bayerische Polizei heute in München zwei Personen in Gewahrsam genommen, die zum Al Qaida-Netzwerk in Verbindung stehen sollen. Den Personen werden jedoch keine Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten zur Last gelegt. Vielmehr sei die Ingewahrsamnahme eine vorbeugende Maßnahme zum Schutz des Oktoberfestes. Dieses sei in Drohvideos von Islamisten im Vorfeld der Bundestagswahl gezeigt worden. Die beiden Personen sollen bis zum Ende des Oktoberfestes am 4. Oktober in Gewahrsam bleiben.
Aus rechtlicher Sicht stellt sich die Frage, wie ein solcher Freiheitsentzug zu rechtfertigen ist. Nach Art. 104 Abs. 1 GG kann die Freiheit der Person nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nach Art. 104 Abs. 2 GG nur der Richter zu entscheiden. Bei jeder nicht auf richterlicher Anordnung beruhenden Freiheitsentziehung ist unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Die Polizei darf aus eigener Machtvollkommenheit niemanden länger als bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen in eigenem Gewahrsam halten.
Da es sich bei der Ingewahrsamnahme mangels Tatverdachts um eine präventivpolizeiliche Maßnahme handelt, sind als Ermächtigungsgrundlage die Polizeigesetze der Länder , hier des Landes Bayern, heranzuziehen. Die Artt. 17 ff. PAG Bayern enthalten Vorschriften über die Gründe des Gewahrsams (hier evtl. Art. 17 Abs. 1 Nr. 2 PAG Bayern) sowie dessen Dauer und das einzuhaltende Verfahren. Nach Art. 20 S. 2 PAG Bayern darf die Freiheitsentziehung auch aufgrund richterlicher Entscheidung nicht mehr als zwei Wochen betragen.
In NRW ist eine Freiheitsentziehung von zwei Wochen aufgrund des PolG NRW nicht möglich. Nach § 38 Abs. 1 Nr. 3 PolG NRW ist die festgehaltene Person in jedem Falle spätestens bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen zu entlassen, wenn nicht vorher die Fortdauer der Freiheitsentziehung auf Grund eines anderen Gesetzes durch richterliche Entscheidung angeordnet ist.