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Schlagwortarchiv für: Missbrauch

Tom Stiebert

OLG Hamm: Neue Fallgestaltung zum Kreditkartenmissbrauch

Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Schon gelesen?, Startseite, Strafrecht, Strafrecht, Strafrecht BT

Der Fall ist ein absoluter Examensklassiker, der aus dem FF beherrscht werden sollte: Der Missbrauch von Scheckkarten, bzw. Kreditkarten, EC-Karten etc. Hier ist bekanntlich zunächst zwischen drei Stadien zu unterscheiden: Dem Erlangen der Karte, der Benutzung des Geldautomatens und der Entnahme des Geldes. Zudem ist noch zu differenzieren, wer die Karte benutzt – der berechtigte Inhaber, der aber sein Konto überzogen hat oder ein nichtberechtigter Dritter, der die Karte überlassen bekommen hat oder entwendet hat.
Bekanntlich sind hier stets eine Vielzahl von Delikten zu prüfen: Betrug (§ 263 StGB) beim Erlangen der Karte, ggf. Untreue (§ 266 StGB) dem Karteninhaber oder der Bank gegenüber, Computerbetrug (§ 263a StGB) beim Bedienen des Automatens, Missbrauch von Scheck- und Kreditkarten (§ 266b StGB) beim Benutzen der Karte sowie Diebstahl (§ 242 StGB) und Unterschlagung (§ 246 StGB) bei Entnahme des Geldes. Hier besteht eine so ausdifferenzierte Fallpraxis, dass die Darstellung einen separaten Beitrag vorbehalten bleibt.
I. Sachverhalt
Hier soll es aber um einen ganz aktuell vom OLG Hamm entschiedenen Sonderfall gehen (Urteil v. 12.03.2015 – 1 RVs 15/15). Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Ein – geschäftsfähiger – Rentner überließ seinem Pfleger seine Kreditkarte (Verfügungsrahmen 5.000 Euro) zur freien Verfügung für eigene Zwecke. Nach dem Tod des Kreditkarteninhabers (wovon der Pfleger auch Kenntnis hatte erfuhr er, dass er nicht zu dessen Erben gehörte. Dennoch tätigte er mit der Kreditkarte weitere Umsätze in Höhe von 4.000 Euro.
Strafbarkeit des Pflegers?
II. Lösung
Das OLG Hamm verneinte hier – im Widerspruch zu den Vorinstanzen – eine Strafbarkeit des Pflegers. Abgelehnt wurde insbesondere eine Strafbarkeit wegen Untreue (§ 266 StGB).
Hier könnte die Verletzung einer – gegenüber den Erben oder dem Erblasser – bestehende Vermögensbetreuungspflicht verletzt worden sein. Eine solche muss bei einer Untreue nach § 266 StGB zwingend vorliegen. Das OLG Hamm hat eine solche abgelehnt:

Eine Vermögensbetreuungspflicht trifft den Täter dann, wenn er fremde Vermögensinteressen von einiger Bedeutung zu betreuen hat (BGHSt 24, 386 f.).
Die Angeklagte traf hier eine solche Verpflichtung nicht. Die Kreditkarte war ihr ausschließlich zur eigennützigen Verwendung überlassen worden. Der Verfügungsrahmen der Kreditkarte war auf 5.000 Euro pro Monat begrenzt, eine Verwendung über diesen Betrag hinaus der Angeklagten mithin gar nicht möglich. Ein Spielraum verblieb ihr insoweit nicht. Inhalt der Vereinbarung mit dem Verstorbenen war gerade nicht eine Fürsorge für dessen Vermögensinteressen, sondern gerade dessen Vermögensminderung bis zur Höhe des Kreditkartenlimits von 5.000 Euro je Monat.
Es ist auch kein Umstand erkennbar, der eine Vermögensbetreuungspflicht mit dem Ableben des Verstorbenen begründen könnte. Irgendwie geartete Vereinbarungen mit den Erben hat es nicht gegeben.

Entscheidendes Argument des Gerichts ist also, dass das Geld gerade zu eigenen Zwecken und nicht für die Zwecke des Karteninhabers oder Dritter abgehoben werden durfte (hierzu OLG Hamm 2 Ss 367/03). Hier grenzt sich das Gericht ausdrücklich von anderen Entscheidungen zu dieser Fallgestaltung ab. Hier ist also eine äußerst sorgfältige Falllektüre erforderlich. Keinesfalls darf vorschnell ein vermeintlich bekannter Fall wiederholt werden.
Eine Untreue scheidet damit mangels Vermögensbetreuungspflicht aus.
Auch weitere Delikte scheiden hier nach der zutreffenden Ansicht des Gerichts aus.
Ein Betrug, bzw. Computerbetrug bei Benutzung der Karte wird verneint. Eine Vorstellung des Händlers über die Berechtigung (und damit ein Irrtum hierüber) wird verneint.
Auch eine Unterschlagung der Kreditkarte wird verneint. Hier fehlt es an einer Zueignung der Kreditkarte, wobei genau zu differenzieren ist, was im Einzelnen zugeeignet werden soll.
Auch ein Kreditkartenmissbrauch nach § 266b StGB scheidet aus.
Das Verhalten war damit straflos.
III. Examensrelevanz
Zur Examensrelevanz bedarf es kaum Ausführungen, die oben dargelegten Fallgestaltungen kennt wohl jeder Examenskandidat. Umso wichtiger ist es, auch neue Fallgruppen sauber durchzuprüfen. Dies gelingt auch dann, wenn man den konkreten Fall nicht „gelernt“ hat. Wichtig ist eine sauber und schrittweise Subsumtion. Dann kann man sowohl die Klassiker als auch neue Varianten sauber lösen. Es ist zu erwarten, dass gerade auf Grund der Neuerungen die hier aufgezeigte Konstellation Bestandteil von Prüfungen werden wird.

24.04.2015/3 Kommentare/von Tom Stiebert
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Tom Stiebert https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Tom Stiebert2015-04-24 12:00:232015-04-24 12:00:23OLG Hamm: Neue Fallgestaltung zum Kreditkartenmissbrauch
Dr. Thomas Granetzny

OLG Schleswig: Keine Gewährleistungsrechte bei Auftrag „ohne Rechnung“

Bereicherungsrecht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Schon gelesen?, Schuldrecht, Startseite, Werkvertragsrecht, Zivilrecht, Zivilrecht

Mit seinem Urteil vom 21.12.2012 hat das OLG Schleswig entschieden, dass ein Auftraggeber, der mit einem Handwerker vereinbart, dass die in Auftrag gestellten Arbeiten „ohne Rechnung“ erfolgen sollen, keine Mängelgewährleistungsrechte geltend machen kann (1 U 105/11). Angesichts des griffigen Sachverhalts, der zum Teil auf Bewährtem aufbaut, aber auch einige Neuerungen beinhaltet, ist die Entscheidung vor allem auch für eine mündliche Prüfung interessant.
Sachverhalt
Die Parteien schlossen einen Werkvertrag über Pflasterarbeiten. Für die Pflasterung der Auffahrt des Auftraggebers war ein Preis von EUR 1.800 vereinbart worden, wobei die Arbeiten ohne Rechnung erbracht werden sollten. Kurz nach Durchführung der Pflasterung traten Unebenheiten auf. Zwar bemühte sich der Auftragnehmer darum, diese Unebenheiten zu beseitigen, allerdings erfolglos. Ein Gutachten ergab, dass die Sandschicht unterhalb des eigentlichen Pflasters zu dick aufgetragen worden war und es aus diesem Grund zu den Unebenheiten kam. Der Auftraggeber verlangte nunmehr von dem Auftragnehmer die Kosten für die Beseitigung der Unebenheiten, die er mit rund EUR 6.000 bezifferte.
Nichtigkeit des Werkvertrages wegen Verstoßes gegen das SchwArbG
Nach Auffassung des OLG Schleswig haben die Parteien mit ihrer Abrede, dass eine Rechnung nicht erteilt werde, einen Verstoß gegen § 1 Abs. 2 SchwArbG begangen, was wiederum die Nichtigkeit des Werkvertrages nach sich ziehe. Der Verstoß sei deswegen vorhanden, weil die Abrede keine Rechnung zu erteilen/zu verlangen, die Vorbereitung einer Steuerhinterziehung darstelle. Dies wiederum habe unmittelbare Auswirkungen auf die Preisgestaltung, da der Preis infolge der nicht anfallenden Steuer niedriger ausfalle. Da aber der Preis essentieller Vertragsbestandteil sei, führe die Nichtigkeit dieses Teils der Abrede zur Nichtigkeit des gesamten Vertrages.
Die Mitteilung des OLG Schleswig ist nicht sehr detailliert. Man wird aber annehmen können, dass das OLG sich hier in erster Linie auf § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwArbG berufen hat (das SchwArbG ist umfassend neugestaltet worden mit dem Gesetz zur Intensivierung der Bekämpfung der Schwarzarbeit v. 23.7.2004, BGBl. I S. 1842), da als Nichtigkeitsgrund die Vorbereitung der Steuerhinterziehung hervorgehoben ist. § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwArbG geht davon aus, dass Schwarzarbeit im Sinne des Gesetzes geleistet wird, wenn Dienst- oder Werkleistungen erbracht werden oder ihre Ausführung gestattet wird und dabei die steuerlichen Pflichten nicht erfüllt werden, die die Person als Steuerpflichtigen aufgrund der Dienst- oder Werkleistungen treffen. Es gibt eine Reihe solcher Pflichten, allen voran die Pflicht zur Anmeldung und Abführung der Lohnsteuer (§ 41a EStG) und die Vorauszahlungspflicht bei der Umsatzsteuer (§ 18 UStG).
 
Das OLG sah es offenbar bereits als ausreichend an, dass die Abrede der Parteien dazu diente, eine Steuerhinterziehung vorzubereiten. Ob hier tatsächlich der Tatbestand des § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwArbG bereits erfüllt ist, also eine konkrete steuerliche Verpflichtung verletzt wurde, lässt sich der Mitteilung nicht entnehmen. Allein aus der Vorbereitungshandlung zur Steuerhinterziehung kann aber die Nichtigkeit nicht gefolgert werden, denn an diese knüpft das Gesetz nicht den Begriff der (unzulässigen) Schwarzarbeit, sondern an die Verletzung der Pflicht als Steuersubjekt. Da aber offensichtlich ist, wozu die Abrede diente, kann man wohl zumindest dahin argumentieren, dass bereits in dem Abschluss der Vereinbarung, die Leistungen ohne Rechnung zu erbringen, eine Verletzung einer steuerlichen Verpflichtung liegt, nämlich gegen die entsprechende steuerliche Dokumentationsverpflichtung.
Folgt man dem OLG Schleswig und bejaht einen Verstoß gegen das SchwArbG, so ist die Nichtigkeitsfolge richtig und konsequent. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass solchen Geschäften, die unter den im SchwArbG umschriebenen Umständen zustande gekommen sind, die rechtliche Wirksamkeit versagt werden soll. Dies erfolgt primär um das Allgemeinwohl zu schützen. Dieses wird in erster Linie deshalb negativ von Schwarzarbeit betroffen, weil es zu Ausfällen in der Sozialversicherung und im Steueraufkommen kommt.
Konsequenz: Ausschluss von vertraglichen Gewährleistungsansprüchen
Durchaus folgerichtig kommt das OLG Schleswig sodann zu dem Ergebnis, dass infolge der Nichtigkeitsanordnung des § 134 BGB eine vertragliche Grundlage für den gegenseitigen Leistungsaustausch entfallen ist, so dass Mängelgewährleistungsansprüche grundsätzlich nicht in Betracht kommen können. Damit befindet sich das OLG Schleswig im Einklang mit der Rechtsprechung des BGH, der sich ebenfalls bereits vor längerer Zeit in diesem Sinne geäußert hat (BGH v. 31.5.1990 – VII ZR 336/89, NJW 1990, 2542 f.).
Ausnahme: Fortbestehen von Ansprüchen auch ohne Vertrag
Schon der BGH in seiner o.g. Entscheidung und auch das OLG Schleswig erkennen an, dass die Nichtigkeitsanordnung im Einzelfall zu unbilligen Ergebnissen führen kann. Um dies zu vermeiden wird ein Ausgleich über § 242 BGB gesucht, der auch im Bereich unwirksamer Vereinbarungen Anwendung finden kann da dieser Grundsatz das gesamte Rechtsleben beherrscht (BGH v.23.9.1982 – VII ZR 183/80, BGHZ 85, 39, m.w.N.). Allerdings wurde dem Kläger im vorliegenden Fall auch dieser letzte „Rettungsanker“ versagt: So ist es schlechterdings nicht einzusehen, warum hier ausnahmsweise doch Ansprüche des Auftragsgebers wegen mangelhafter Ausführung bestehen sollen. Es ist das Risiko desjenigen, der sich sehenden Auges auf eine unwirksame Vereinbarung stützt, dass die Rechtsordnung ihm die Rechte versagt, die ihm zustünden, wenn er sich entsprechend den Vorgaben der Rechtsordnung verhalten hätte. Ein anderes Ergebnis würde dazu führen, dass der Auftraggeber, der an dem Verstoß gegen das SchwArbG mitgewirkt hat keine Sanktion im Hinblick auf das eigentliche Austauschverhältnis fürchten müsste (ggf. käme aber eine Ordnungswidrigkeit nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 SchwArbG in Betracht).
In der Tat könnte man sich aber fragen, ob nicht die Gegenseite – also der Auftragnehmer – ihrerseits treuwidrig handelt, wenn er – um sich den Gewährleistungsrechten zu entziehen – auf die Nichtigkeit der Vereinbarung beruft. Problematisch ist ein solches Berufen nämlich deshalb, weil der Werkunternehmer, der seine Werkleistungen gerade unter Verstoß gegen die Vorschriften des SchwArbG erbracht hat, nicht fürchten braucht, weiteren Ansprüchen ausgesetzt zu sein, obwohl die Regelung sein Verhalten sanktionieren will. Letztlich handelt es sich hierbei aber nur um die Kehrseite des Umstandes, dass der Auftraggeber fürchten muss Gewährleistungsansprüche zu verlieren. Will man sie dem Auftraggeber versagen, muss man dem Auftragnehmer zubilligen, dass er hier zur Leistung nicht verpflichtet ist. Eine „Feinsteuerung“ kann hier weiterhin auf der Grundlage von § 242 BGB erfolgen, so dass Abweichungen bei besonderen Fallkonstellationen durchaus denkbar sind. Indes lagen solche Besonderheiten im Fall des OLG Schleswig nicht vor.
Andere in Betracht kommende Anspruchsgrundlagen im Bereich der Schwarzarbeit
In Konstellationen, bei denen der Vertrag wegen eines Verstoßes gegen das SchwArbG unwirksam ist, kommen v.a. Rückabwicklungsansprüche in Betracht. Diese können im Einzelfall wirtschaftlich ein vergleichbares Ergebnis zu dem erreichen, was der Anspruchssteller in erster Linie erstrebt. Neben Ansprüche aus cic. sind hierbei vor allem zu denken an die Ansprüche aus GoA und Bereicherungsrecht. Es folgen dann die „klassischen“ Probleme , nämlich ob bei einem nichtigen Vertrag die Grundsätze der GoA in Betracht kommen (so der BGH) oder aber vorrangig Bereicherungsrecht anzuwenden ist (so die wohl h.L.). Gerade für die Frage, ob ein Werkunternehmer, der seine Werkleistungen unter Verstoß gegen das SchwArbG aber im Voraus erbracht hat, nicht doch einen „Werklohn“ verlangen kann, hat der BGH bereits in der Vergangenheit entschieden, dass zwar Ansprüche aus GoA ausgeschlossen sind (weil es sich bei den erbrachten Leistungen nicht um „erforderliche“ Aufwendungen gehandelt hat), wohl aber ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. BGB in Betracht kommt. Die Kondiktionssperre des § 817 S. 2 BGB hat er dabei gerade unter Berufung auf den oben erwähnten § 242 BGB nicht zur Anwendung gebracht (BGH v. 31.5.1990 – VII ZR 336/89, NJW 1990, 2542 f.).
 
 

14.02.2013/7 Kommentare/von Dr. Thomas Granetzny
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Thomas Granetzny https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Thomas Granetzny2013-02-14 14:00:122013-02-14 14:00:12OLG Schleswig: Keine Gewährleistungsrechte bei Auftrag „ohne Rechnung“
Dr. Christoph Werkmeister

OLG Hamm: Rügepflicht bei offensichtlichen Mängeln im Verbrauchsgüterkauf

AGB-Recht, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Zivilrecht, Zivilrecht

Das OLG Hamm entschied vor Kurzem mit Urteil vom 24.05.2012 (Az. I-4 U 48/12) über die Wirksamkeit einer Klausel in allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB). In der Sache ging es um die vertraglich auferlegte Pflicht zur schriftlichen Rüge von offensichtlichen Mängeln innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach der Übergabe des Kaufgegenstandes – und dies obwohl es sich bei den infrage stehenden Kaufverträgen um Verbrauchsgüterkäufe i.S.d. § 475 BGB handelte.
Klauselverbot ohne Wertungsmöglichkeit
Das OLG räumte zunächst ein, dass eine derartige Klausel nicht unter § 309 Nr. 8 b) ee) BGB falle. Klauseln sind nach dieser Vorschrift im Grundsatz immer nur dann unwirksam, sofern der Verwender dem Vertragspartner wegen nicht offensichtlicher Mängel eine Ausschlussfrist setze.
Hier ging es allerdings streng genommen gar nicht um eine Ausschlussfrist, denn die Pflicht zur Mitteilung des offensichtlichen Mangels stand im vorliegenden Fall einfach als vertragliche Nebenpflicht im Raume, wobei die Verletzung dieser Pflicht nicht per se zum Ausschluss von Gewährleistungsrechten führte. Auch wenn die Klausel bei Nichteinhalten der Anzeigepflicht den Ausschluss der Gewährleistungsrechte vorsähe, ging es in der Sache auch nicht um eine Anzeigepflicht bei nicht offensichtlichen Mängeln, sondern gerade um das Gegenteil, nämlich eine Anzeigepflicht bei offensichtlichen Mängeln.
Unangemessene Benachteiligung i.S.d. § 307 BGB
Angesichts der Tatsache, dass § 309 Nr. 8 b) ee) BGB bereits die Nichtigkeit bei Vorliegen einer Ausschlussfrist bei nicht offensichtlichen Mängeln vorsieht, könnte man im Umkehrschluss bei der nachfolgenden Prüfung von § 307 BGB anbringen, dass eine Klausel, die lediglich eine Prüfpflicht bei offensichtlichen Mängeln vorsieht, gerade keine unangemessene Beteiligung entgegen dem Grundsatz von Treu und Glauben darstellt. Dies sah das OLG Hamm auch so, so dass im Rahmen der allgemeinen Klauselkontrolle zu folgern sei, dass solche Ausschlussfristen bezogen auf offensichtliche Mängel im Allgemeinen nicht zu beanstanden seien.
Aus dem vorgenannten Umkehrschluss lasse sich laut dem OLG Hamm indes nicht schließen, dass auch beim Verbrauchsgüterkauf eine Rügepflicht bei offensichtlichen Mängeln zulässig sei. Angesichts der verbraucherschützenden Vorgaben der Bestimmungen der dem deutschen Kaufrecht zugrunde liegenden Verbrauchsgüterkaufrichtlinie müssten hier andere Maßstäbe gelten. Denn eine Rügepflicht, wie sie von der hier diskutierten Klausel vorgesehen ist, weiche zu Lasten des Verbrauchers vom Leitbild des Verbrauchsgüterkaufs ab und schränke die Mängelrechte damit zumindest faktisch unangemessen zum Nachteil des Verbrauchers ein. Durch die Klausel entstehe beim Verbraucher nämlich der Eindruck, dass er seine Gewährleistungsansprüche verliere, sofern er die Rügefrist versäume. Es wurde insofern die kundenfeindlichste Auslegung der Prüfpflichtklausel zugrunde gelegt.
Im Fall des Verbrauchsgüterkaufes dürfen nämlich weder unmittelbar noch durch Umgehungen im Sinne von § 475 Abs. 1 S.2 BGB von den gesetzlichen Regelungen abweichende Vereinbarungen getroffen werden, die die Verbraucherrechte zur Gewährleistung oder zur Verjährung in Ansehung des § 437 BGB betreffen. Auch wenn aus einer Versäumung der Rügepflicht für offensichtliche Mängel mangels entsprechender Regelung nicht zwingend folgen möge, dass sich der Verbraucher nicht mehr auf das Bestehen von Gewährleistungsansprüchen wegen offensichtlicher Mängel berufen könnte, werden seine Verbraucherrechte jedenfalls mittelbar betroffen. Der Verwender spekuliere erkennbar darauf, dass der Käufer die Rügeobliegenheit möglicherweise nicht kennt und deshalb verspätet rügt.
Bereits der Fakt, dass die Ausübung der Mängelrechte des Käufers potentiell und ohne sachlichen Grund behindert wird, führt insofern bereits zur Nichtigkeit der Klausel nach § 307 BGB. Im Rahmen einer sehr guten Klausurbearbeitung sollten überdies noch weitere Argumentationsstränge aufgegriffen werden, um das Ergebnis noch weiter abzusichern. Gerade bei der wertenden Abwägung im Rahmen von § 307 BGB wird in Klausuren nämlich stets eine umfassende Auslegung und Diskussion erwartet, da diese Prüfung meist den Schwerpunkt und auch die maßgebliche Weichenstellung in einer Klausur darstellt.
Argumentation mit den Vorgaben zum Handelskauf
Ferner könnte man im Rahmen dieser Diskussion nämlich noch Parallelen zu der Obliegenheit der Mängelrüge nach § 377 HGB anbringen. Bei Handelskäufen muss der Käufer gemäß § 377 Abs. 1 HGB die Ware unverzüglich nach der Ablieferung durch den Verkäufer, soweit dies nach ordnungsmäßigem Geschäftsgang tunlich ist, untersuchen und, wenn sich ein Mangel zeigt, dem Verkäufer unverzüglich eine Anzeige des Mangels tätigen.
Wenn man sich nun vor Augen führt, dass die vorgenannte Klausel zum einen eine schriftliche Mängelanzeige vorsieht, wobei § 377 HGB, der nur für Kaufleute gilt, auch eine mündliche Anzeige erlaubt, wird die unangemessene Benachteiligung des Verbrauchsgüterkäufers noch klarer. Zudem sieht die infrage stehende Klausel eine Prüfpflicht von zwei Wochen vor, während die Formulierung des § 377 HGB offen formuliert ist und in Sonderfällen je nach Fallgestaltung durchaus eine längere Frist als zwei Wochen genügen lässt.
Angesichts der Tatsache, dass die Klausel keinen Ausschluss der Mängelrechte, sondern lediglich eine Prüfpflicht vorsieht, ließe sich zwar argumentieren, dass ausdrücklich keine dem § 377 HGB vergleichbare Sanktion vereinbart wurde. Ein solcher Eindruck könne nach Auffassung des OLG Hamm im Sinne der vorangegangenen Argumentation aber zumindest beim Verbraucher erweckt werden, weil ihm der Sinn einer sanktionslosen Rügefrist nicht einleuchten mag und weil sich der Verwender auf die fehlende Rüge berufen könnte.
Die hier diskutierte Klausel, die im Rahmen eines Verbrauchsgüterkaufs eingesetzt wurde, sieht insofern sogar teilweise strengere Vorgaben als § 377 HGB vor. Es erscheint indes unbillig, dem Verbrauchsgüterkäufer strengere Vorgaben als einem Kaufmann aufzuerlegen, so dass sich auch aus diesem Aspekt ein Verstoß gegen § 307 BGB ergibt.
Zum Aufbau
Anstelle einer Prüfung von § 307 BGB könnte auch direkt ein Verstoß gegen das Umgehungsverbot nach § 475 Abs. 1 S. 2 BGB oder sogar ein Verstoß gegen § 475 Abs. 1 S. 1 BGB geprüft werden. Zu beachten ist, dass das das Verbot nach § 475 Abs. 1 BGB auch dann gilt, wenn keine AGB vorliegen, sprich bei Individualvereinbarungen.
Vorliegend bietet sich allerdings eine Prüfung anhand der Maßgaben des AGB-Rechts eher an, da so zuerst § 309 BGB geprüft und verneint werden und sodann umfassend im Rahmen von § 307 BGB mit allen zur Verfügung stehenden Argumentationssträngen diskutiert werden kann. Ein derartiger Aufbau mag vielleicht übersehen, dass die Vorgaben in § 475 BGB als speziellere Regelungen der allgemeinen Klauselkontrolle nach §§ 307 ff. BGB vorgehen könnten, dass also eine AGB-Kontrolle bei einem Verstoß gegen § 475 Abs. 1 BGB bereits überflüssig ist (so etwa Lorenz, in MüKo-BGB, 6. Aufl. 2012, § 475, Rn. 25). Andererseits erscheint es im gutachterlichen Aufbau nicht schädlich, zunächst die Nichtigkeit nach § 307 BGB festzustellen und sodann in einem „Überdies-Satz“ zu postulieren, dass sich entsprechend der zuvor geführten Diskussion im Übrigen ebenfalls die Nichtigkeit aus § 475 Abs. 1 S. 2 BGB ergibt, wobei diese sogar bei Vorliegen einer Individualvereinbarung gelten würde.

22.07.2012/3 Kommentare/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2012-07-22 10:02:162012-07-22 10:02:16OLG Hamm: Rügepflicht bei offensichtlichen Mängeln im Verbrauchsgüterkauf
Dr. Christoph Werkmeister

VG Mainz: Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Randale auf einem Volksfest

Öffentliches Recht, Öffentliches Recht, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Verwaltungsrecht

Das VG Mainz entschied vor Kurzem einen interessanten Sachverhalt, der sehr gut Eingang in juristische Staatsprüfungen finden kann (Az.: 3 L 823/12.MZ). In der Sache ging es um die Entziehung einer Fahrerlaubnis aufgrund von Alkoholmissbrauchs. Das besondere in diesem Fall war der Umstand, dass der Betroffene nicht etwa wegen Verstößen gegen die StVO, sondern aufgrund seines Verhaltens auf einem Volksfest den Führerschein entzogen bekam.
§ 3 StVG i.V.m. § 13 FeV
§ 3 Abs. 1 S. 1 StVG ist in diesem Kontext die einschlägige Ermächtigungsgrundlage für den Entzug der Fahrerlaubnis. Der Normtext lautet folgendermaßen:

Erweist sich jemand als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen, so hat ihm die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen.

Bei der „Ungeeignetheit“ handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, wobei dieser gerichtlich jedoch vollumfänglich überprüfbar ist. Ein Beurteilungsspielraum seitens der Behörde besteht nicht.
Das VG Mainz führte hierzu aus, dass auch Alkoholauffälligkeit außerhalb des Straßenverkehrs die Ungeeignetheit i.S.d. Vorschrift begründen könne (so im Übrigen etwa auch OVG Bremen, NJW 2012, 473). Im zu entscheidenden Sachverhalt hatte ein Mann nämlich mit einer Blutalkoholkonzentration von 3‰ auf einem Fest randaliert. Infolge dieses Umstandes ging das Gericht von einer ausgeprägten Alkoholproblematik aus. Dieser Verdacht wurde bestätigt, da der Mann die Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens verweigert hatte. Ein derartiges Gutachten kann nach § 13 Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) zur Vorbereitung eines Führerscheinentzugs angefordert werden (bei einem Antrag auf Erteilung eines Führerscheins ergibt sich diese Befugnis i.Ü. aus § 2 Abs. 8 StVG).
Alkoholmissbrauch sei nach Auffassung des VG bereits dann zugrunde zu legen, wenn der Fahrerlaubnisinhaber das Führen von Kraftfahrzeugen und den die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher trennen könne. Insofern genüge auch eine Alkoholauffälligkeit außerhalb des Straßenverkehrs, wenn sie Anlass für die Annahme biete, der Betreffende werde voraussichtlich schon in überschaubarer Zukunft auch nach dem Genuss von Alkohol ein Kraftfahrzeug führen. Dies treffe bei demRandalierer zu. Das VG führte weiterhin aus, dass der Mann an größere Mengen Alkohol gewöhnt sei. Dies werde dadurch bestätigt, dass er trotz 3,0‰ besonders aggressiv aufgetreten sei.
Im hiesigen Sachverhalt war der Mann zudem zur Erreichung seiner Arbeitsstätte auf die Benutzung eines privaten Fahrzeugs angewiesen. Es sei daher zu befürchten, dass er künftig unter Alkoholeinfluss ein Kraftfahrzeug führen werde. Damit sei die Anforderung des medizinisch-psychologischen Gutachtens und nach dessen Nichtvorlage der Entzug der Fahrerlaubnis gerechtfertigt.
Abwägung bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs
Die Entscheidung des VG zeigt, dass für die Beurteilung der „Ungeeignetheit“ i.S.d. § 3 StVG eine Abwägung aller Umstände zu erfolgen hat. Im betreffenden Fall war ausschlaggebend, dass eine Reihe von Aspekten für einen Alkoholmissbrauch sprachen und dass darüber hinaus kein „Gegenbeweis“ vom Randalierer in Form des medizinisch-psychologischen Gutachtens erbracht wurde. Dieses Gutachten hatte er auch beizubringen, da vorliegend die Voraussetzungen von § 13 Nr. 2 FeV erfüllt waren.
Im Rahmen der Prüfung gilt es – wie die Entscheidung zeigt – zudem zuvorderst darzustellen, dass sich die „Ungeeignetheit“ insbesondere auch durch Tatsachen begründen lässt, die sich außerhalb des Straßenverkehrs ereignen. Begründen lässt sich dieses Ergebnis aufgrund von tatsächlichen Erwägungen, da bei dem Randalierer zu erwarten ist, dass dieser unter Einfluss von Alkohol Auto fahren wird. Das Auftreten von alkoholbedingten Ausfallerscheinungen und der damit einhergehende Schaden für andere Rechtsgüter ist damit bei einer solchen Prognose nicht auszuschließen.
Die Entscheidung erweist sich aufgrund der vielschichtigen Abwägungsentscheidung hervorragend für das erste Staatsexamen. Die Beweisproblematik macht die Entscheidung darüber hinaus auch interessant für das zweite Staatsexamen (die Ungeeignetheit des Randalierers zum Führen von Fahrzeugen konnte ja vorliegend mangels Begutachtung gar nicht erwiesen werden; das Beweisergebnis beruht daher nur auf Indizien).
Wichtig ist, dass man nicht vorschnell die Ungeeignetheit annimmt, sondern dass man zum Ausdruck bringt, dass der Entzug des Führerscheins bei Alkoholmissbrauch außerhalb des Straßenverkehrs den absoluten Ausnahmefall darstellt. Nur dann, wenn noch eine Vielzahl anderer Aspekte eine Argumentation zu Lasten des Randalierers begründen, was hier insbesondere aufgrund der Nichtvorlage des Gutachtens nach § 13 FeV der Fall war, kann ausnahmsweise die Ungeeignetheit i.S.v. § 3 StVG angenommen werden.
Eine kurze Zusammenfassung der Ermächtigungsgrundlagen für behördliches Tätigwerden im straßenverkehrsrechtlichen Kontext findet ihr im Übrigen hier.

11.07.2012/1 Kommentar/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2012-07-11 09:55:472012-07-11 09:55:47VG Mainz: Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Randale auf einem Volksfest
Dr. Christoph Werkmeister

EuGH zur Gesamtnichtigkeit eines Vertrages bei AGB-Verstoß

AGB-Recht, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Schon gelesen?, Startseite, Zivilrecht, Zivilrecht

Der EuGH hat gestern einen examensrelevanten Fall zum AGB-Recht entschieden (Az. C-453/10). Der EuGH konnte zu dieser allgemeinen zivilrechtlichen Frage urteilen, da die Richtlinie 93/13 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. L 95, 29) die europarechtliche Vorgabe für das Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen darstellt. Die Richtlinie sieht vor, dass missbräuchliche Klauseln in einem Vertrag, der zwischen einem Verbraucher und einem Gewerbetreibenden nach dessen Vorgaben geschlossen wurde, für den Verbraucher unverbindlich sind.
Sachverhalt

Frau P. und Herr P. nahmen bei der SOS financ, die kein Kreditinstitut ist, aber Verbraucherkreditverträge auf der Grundlage von Standardformularverträgen gewährt, einen Kredit in Höhe von 150.000 SKK (4.979 Euro) auf. Nach dem Kreditvertrag ist der Kredit in 32 Monatsraten von je 6.000 SKK (199 Euro) zuzüglich einer 33. Monatsrate in Höhe des bewilligten Kredits zurückzuzahlen. Die Kreditnehmer sind somit verpflichtet, einen Betrag von 342.000 SKK (11.352 Euro) zurückzuzahlen. Der effektive Jahreszins des Kredits, d.h. die Summe der mit ihm verbundenen und vom Verbraucher zu tragenden Kosten, wurde in diesem Vertrag mit 48,63% angesetzt, während er nach Berechnung des slowakischen Gerichts, das den EuGH befragt, in Wirklichkeit 58,76% beträgt.
Frau P. und Herr P. haben beim Okresný súd Prešov (Bezirksgericht Prešov, Slowakei) Klage auf Feststellung erhoben, dass ihr Kreditvertrag mehrere missbräuchliche Klauseln wie die ungenaue Angabe des effektiven Jahreszinses enthält; ferner beantragen sie, die Unwirksamkeit des gesamten Vertrags festzustellen. Das slowakische Gericht möchte vom EuGH wissen, ob die Richtlinie es ihm erlaubt, die Unwirksamkeit eines Verbrauchervertrags, der missbräuchliche Klauseln enthält, festzustellen, wenn eine solche Lösung für den Verbraucher günstiger wäre. Nach seinen Ausführungen müssten die betroffenen Verbraucher im Fall der Feststellung der Unwirksamkeit nämlich nur die Verzugszinsen in Höhe von 9% und nicht die gesamten Kosten des bewilligten Kredits zahlen, die viel höher seien als diese Zinsen.

Entscheidung des EuGH
Der EuGH entschied, dass die nationalen Rechtsvorschriften durchaus über die Richtlinie hinaus gehende Vorgaben vorsehen können, wenn dadurch ein besserer Schutz des Verbrauchers gewährleistet wird. Auch wenn die Richtlinie (insbesondere dessen Art. 6) grundsätzlich nur auf die Beseitigung missbräuchlicher Klauseln abziele, sei es den Mitgliedstaaten gestattet, ein höheres Verbraucherschutzniveau vorzusehen.
Eine solche Entscheidung ist in meinen Augen dogmatisch Folgerichtig. Bei der Klauselrichtlinie handelt es sich um einen europäischen Rechtsakt zum Zwecke einer sog. minimum harmonization. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der Regelungen, sowie den Hinweisen in den Erwägungsgründen der Richtlinie. Das bedeutet, dass die Richtlinie nur einen Minimalstandard an Schutz oktroyiert. Die Mitgliedsstaaten sind gehalten, diesen Schutzstandard zu gewährleisten. Sie dürfen aber darüber hinaus auch überschießend umsetzen, also einen höheren Schutzstandard gewähren. Anderes gilt nur bei europäischen Rechtsakten, die zum Zwecke einer sog. exhaustive harmonization erlassen wurden. So soll etwa die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (RL 2005/29/EG) einen umfassend harmonisierten Standard und gerade kein Minimum normieren.
In seinem Urteil weist der EuGH zunächst deshalb darauf hin, dass das Ziel der Richtlinie darin besteht, missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen zu beseitigen, und dabei – wenn möglich – die Wirksamkeit des Vertrags in seiner Gesamtheit aufrechtzuerhalten, nicht aber darin, sämtliche Verträge, die solche Klauseln enthalten, für nichtig zu erklären. Im deutschen Recht findet sich die hierzu korrelierende Vorschrift in § 306 Abs. 1 BGB. Hiernach wird die Vermutung des Rechtsgedankens des § 139 BGB umgekehrt. Sofern eine Klausel in AGB nichtig ist, ist grundsätzlich von der Wirksamkeit des übrigen Vertrages auszugehen.Wie bei den Slowaken bietet allerdings auch das deutsche Recht Abweichungen von diesem Grundsatz:

  1. Zum einen ist anerkannt, dass die Regel des § 306 Abs. 1 BGB dann nicht gilt, wenn ohne die entsprechenden vorformulierten Klauseln gar kein Vertragsrest mehr übrig bliebe. In solch einem Fall ist bei Nichtigkeit nach AGB-Recht (§§ 305 ff. BGB) somit auch von der Gesamtnichtigkeit des Vertrages auszugehen. Dieses Ergebnis wird im Übrigen durch den Wortlaut von Art. 6 der Klauselrichtlinie gestützt, wo es heißt: „[…] die Mitgliedstaaten sehen vor, dass der Vertrag für beide Parteien auf derselben Grundlage bindend bleibt, wenn er ohne die missbräuchlichen Klauseln bestehen kann. […]“.
  2. Darüber hinaus bietet § 306 Abs. 3 BGB eine zusätzliche Ausnahme vom Grundsatz des Abs. 1. Dieser gilt nämlich für die Fälle, wenn das Festhalten an den Vertrag eine unzumutbare Härte für eine Vertragspartei darstellen würde.

Die Entscheidung bestätigt insofern also auch die Europarechtskonformität unserer nationalrechtlichen Regelungen. Die Examensrelevanz darf deshalb nicht unterschätzt werden. Auch in Klausuren kann die Problematik ohne weiteres eingebaut werden, sofern der einschlägige Richtlinientext den Prüflingen vorgelegt würde.

16.03.2012/0 Kommentare/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2012-03-16 09:37:552012-03-16 09:37:55EuGH zur Gesamtnichtigkeit eines Vertrages bei AGB-Verstoß

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