Mit noch nicht rechtskräftigem Urteil vom 30.10.2013 (Az.: 26 O 211/13) hat das LG Köln entschieden, dass die Vereinbarung einer Tempodrosselung der Internetverbindung durch die Deutsche Telekom AG in ihren AGB unwirksam ist.
Sachverhalt:
Mit der Klage vor dem Landgericht Köln richtete sich die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen gegen die seit April 2013 öffentlich gewordenen Pläne der Deutschen Telekom AG, im Rahmen von Festnetz-Flatrate-Verträgen eine Klausel aufzunehmen, nach welcher die Drosselung der Internetgeschwindigkeit bei Überschreitung eines bestimmten, tarifabhängigen Datenvolumens pro Monat durch den Nutzer vereinbart würde. Vorausgegangen waren der Klage bereits Abmahnungen durch die Verbraucherzentrale mit Verlangen zur Abgabe einer Unterlassungserklärung. Dem war die nunmehr Beklagte nicht nachgekommen. Die konkrete Tempodrosselung sollte zunächst auf 384 Kilobit pro Sekunde erfolgen. Im Rahmen der der Klage vorausgegangenen Diskussionen erwog die Deut scheTelekom AG zuletzt eine Drosselung auf 2 Megabit pro Sekunde. Die Änderung soll erst in Verträgen ab 2016 umgesetzt werden.
Das LG Köln hat der Drosselung insgesamt, gleich auf welche konkrete Geschwindigkeit letztlich gedrosselt werde, eine Absage erteilt und der Klage der Verbraucherzentrale stattgegeben. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, die Deutsche Telekom AG hat die Einlegung von Rechtsmitteln bereits angekündigt.
Entscheidung:
Das LG Köln hielt die zulässige Klage vollumfänglich für begründet.
I. Die Klage war zunächst zulässig. Insbesondere war die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen prozessführungsbefugt als qualifizierte Einrichtung gemäß §§ 3, 4 UKlaG. Daher konnte Sie den Anspruch auf Unterlassung der Verwendung bestimmter Allgemeiner Geschäftsbedingungen (AGB) gegenüber Verbrauchern hier geltend machen.
II. Die Klage war auch begründet.
Der Anspruch der Verbraucherzentrale auf Unterlassung ließ sich auf § 1 UKlaG stützen. Danach kann ein Unterlassen hinsichtlich der Verwendung unwirksamer AGB in Verbraucherverträgen verlangt werden. Zu prüfen war hier also vom LG Köln, ob es sich bei den angegriffenen Klauseln hinsichtlich der Tempodrosselung bei der Datenübertragung um unwirksame AGB handelte.
Vorliegen von AGB
Es müsste sich zunächst überhaupt um AGB handeln. AGB sind gemäß § 305 I 1 BGB alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrages stellt. Vorliegend handelte es sich bei den Bedingungen zur Drosselung der Datenübertragungsgeschwindigkeit um standardmäßig verwendete Klauseln, die zukünftig in Festnetz- und Internet-Flatrate-Verträgen von der Beklagten verwendetwerden sollten. Zweifelsfrei handelte es sich damit um AGB im Sinne des § 305 I 1 BGB.
Einbeziehung in Verbraucherverträge
Sie müssten auch wirksam in einen Vertrag einbezogen werden. Das richtet sich im Grundsatz nach § 305 II BGB. Danach bedarf es zur wirksamen Einbeziehung der Klauseln eines ausdrücklichen Hinweises an den Vertragspartner sowie der Verschaffung einer Kenntnisnahmemöglichkeit. Vorliegend werden die AGB aktuell noch nicht in Verträgen verwendet. Sofern jedoch eine Verwendung erfolgen würde, würden durch die Neueinfügung der Klauseln lediglich die bereits von der Beklagten verwendeten AGB ergänzt. Daran, dass diese naturgemäß wirksam in entsprechende Verträge einbezogen werden, besteht grundsätzlich kein Zweifel. Auch an der wirksamen Einbeziehung fehlt es daher nicht.
Überraschende oder mehrdeutige Klausel, § 305 c BGB
Es dürfte sich des Weiteren nicht um überraschende oder mehrdeutige Klauseln nach § 305 c BGB handeln. Diese werden schon aus diesem Grunde nicht Vertragsbestandteil. Das LG Köln hat hier den Charakter als überraschende Klausel im Sinne des § 305 c BGB bejaht. Zur Begründung wurde angeführt, dass die Klauseln Verwendung finden sollten in sogenannten Flatrate-Verträgen. Diese zeichnen sich grundsätzlich dadurch aus, dass der Vertragspartner einen Pauschalpreis zahlt, um den Datenübertragungsdienst unbegrenzt in Anspruch nehmen zu können. Es erfolgt gerade nicht eine Abrechnung anhand der tatsächlichen genutzten Zeit oder Datenmenge. Werde also ein Vertrag als Flatrate-Vertrag geschlossen, so stelle sich der Verbraucher eine uneingeschränkte Nutzungsmöglichkeit der zur Verfügung gestellten Dienste als entscheidenden Vorteil eines Flatrate-Vertrages im Gegensatz zu einem Vertrag, dem die konkrete Abrechnung der genutzten Datenmenge zugrundeliegt, vor. Mit diesem vertraglichen Leitbild und der entsprechenden Bewerbung durch die Beklagte sei es unvereinbar, derartige Drosselungsklauseln zu verwenden. Mit ihnen habe der Verbraucher daher nicht zu rechnen. Sofern keine drucktechnische Hervorhebung der Klauseln erfolgen würde, wären sie überraschend und daher schon nicht wirksamer Vertragsbestandteil.
Kontrollfähigkeit
Zudem müssten die Klauseln auch einer Inhaltskontrolle zugänglich sein. Das ist nach § 307 III 1 nur der Fall, sofern durch sie eine Abweichung oder Ergänzung von gesetzlichen Vorschriften bewirkt wird. Vorliegend enthält das Gesetz keine Legitimation zur Drosselung der Datenübertragungsgeschwindigkeit bei Festnetz- und Internet-Flatrate-Verträgen. Daher handelt es sich um eine Abweichung von gesetzlichen Regelungen.
Anders als die Beklagte meint, sei darin nach Ansicht des LG Köln auch keine Leistungsbeschreibung zu sehen, welche der Inhaltskontrolle entzogen wäre. Die Leistungsbeschreibung finde sich in den betreffenden Verträgen nämlich bereits in der unbegrenzten Zurverfügungstellung des Datenübermittlungsdienstes gegen Entgelt. Werde in einer anderen Vertragsbestimmung dann die Legitimation der Beklagten zur Tempodrosselung nach Überschreiten eines bestimmten Datenvolumens pro Monat vereinbart, so stelle dies eine beschränkende Modifikation der vereinbarten Leistung dar, die keine reine Leistungsumschreibung mehr sei und daher vollumfänglich kontrolliert werden könne.
Inhaltskontrolle
Demnach muss anhand der §§ 307 – 309 BGB eine Inhaltskontrolle vorgenommen werden. Dabei ist bei Verbraucherverträgen – um die es hier ausschließlich schon deshalb geht, weil die Verbraucherzentrale nur Unterlassung hinsichtlich der Verwendung der AGB gegenüber Verbrauchern gemäß § 13 BGB geltend machen kann, ihm im Übrigen die Prozessführungsbefugnis abzusprechen wäre – zunächst ein Klauselverbot ohne Wertungsmöglichkeit nach § 309 BGB in den Blick zu nehmen. Der Verstoß gegen ein solches ist hier nicht ersichtlich. Auch ein Verstoß gegen ein Klauselverbot mit Wertungsmöglichkeit nach § 308 BGB ist hier nicht in Betracht zu ziehen. Folglich verbliebe es bei einer Kontrolle am Maßstab des § 307 BGB.
Nach Ansicht des LG Köln waren die Klauseln hier gemäß § 307 I, II Nr. 2 BGB unwirksam. Es würden hier durch die Vertragsbestimmungen wesentliche vertragliche Rechte eingeschränkt, dadurch werde gleichsam der Vertragszweck gefährdet, was im Ergebnis eine unangemessene Benachteiligung des Verbrauchers als Vertragspartner darstelle. Zu berücksichtigen sei dabei zunächst, dass auch hier der durchschnittliche Verbraucher zur Bestimmung des Begriffs „Flatrate“ herangezogen werden müsse. Nach seinem Verständnis könne es sich bei Verträgen, die als „Flatrate“-Verträge bezeichnet würden, nur um solche Verträge handeln, deren Gegenstand eine unbegrenzte Nutzungsmöglichkeit bei einmaliger pauschaler Gegenleistungserbringung ohne die Gefahr weiterer versteckter Kosten ist. Werde dann aber das Merkmal der unbegrenzten Nutzbarkeit derart eingeschränkt, so gefährde dies den Vertragszweck. Zudem werde durch die geplante Tempodrosselung eine Geschwindigkeit von weniger als 10% der ursprünglich Vertragsgegenstand werdenden Datenübertragungsgeschwindigkeit erreicht, sofern das vorgegebene Datenvolumen überschritten wird. Die stelle eine erhebliche und daher nicht hinnehmbare Benachteiligung des Vertragspartners dar. Dieser werde dadurch unzumutbar und daher unangemessen benachteiligt, da das in die Abwägung einzustellende Interesse der Beklagten an der Amortisation getätigter Investitionen in den Ausbau des Breitbandnetzes das Interesse des beteiligten Verbrauchers am Erhalt einer im Verhältnis zur erbrachten Gegenleistung angemessenen Leistung nicht überwiegen könne. Weiter treffe es auch nicht zu, dass von der geplanten Drosselung nur eine geringe Anzahl sogenannter „Power-User“ betroffen werde, wie die Beklagte meint. Es bestehe heutzutage ein immer größer werdendes Interesse an und ein immer größer werdendes Bedürfnis für die Nutzbarkeit eines schnellen und leistungsfähigen Internets. Auch das Streamen von Audio- oder Videodateien werde immer beliebter, sodass durchaus ein breites Publikum von der Einschränkung betroffen würde.
Zwischenergebnis
Im Ergebnis verstoßen die streitgegenständlichen Klauseln daher aus mehreren Gründen gegen § 307 I, II Nr. 2 BGB.
Auch eine für § 1 UKlaG erforderliche Wiederholungsgefahr als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal lag hier nach Ansicht des Gerichts vor. Diese resultierte bereits daraus, dass die Beklagte noch im Prozess die Wirksamkeit ihrer AGB verteidigte.
Ergebnis
Der Anspruch der Verbraucherzentrale aus § 1 UKlaG bestand daher vorliegend.
Stellungnahme:
Dem Urteil des LG Köln ist zuzustimmen.
Unter der Bezeichnung eines Vertrages welchen Inhalts auch immer als „Flatrate“-Vertrag wird dem Durchschnittsverbraucher suggeriert, es handele sich um eine unbegrenzte Nutzungsmöglichkeit der offerierten Gegenleistung. Wollte man hier eine Parallele zum Wettbewerbsrecht ziehen, so würde eine derartigen Klausel im Vertrag eines Internetanbieters, der sein Produkt als „Flatrate“ bewirbt, zweifelsohne als irreführende Werbung nach § 5 I 1 Nr. 1 UWG zu bezeichnen sein.
Auch steht das Urteil im Einklang mit der jüngst ergangenen Entscheidung des BGH zur Frage eines Schadensersatzanspruchs bei fehlender Nutzungsmöglichkeit des Internets (BGH, Urteil vom 24.01.2013 – III ZR 98/12): In jenem Urteil wurde dem Kläger ein Schadensersatzanspruch mit der Begründung zugestanden, dass die Funktionsfähigkeit des Internetanschlusses ein in der heutigen Zeit überragend wichtiges Wirtschaftsgut darstelle, der erzwungene Verzicht darauf einen in Geld messbaren Wert besitze. Der von der Rechtsprechung entwickelte Kommerzialisierungsgedanke wurde insofern auf den Internetanschluss ausgeweitet. Die Argumentation der Deutschen Telekom AG, dass die Neuerung durch die Tempodrosselungsklauseln lediglich einen kleinen Kreis von „Power-Usern“ betreffen könne, ist schon aus diesem Grunde nicht stichhaltig.
Festzuhalten ist jedoch, dass das Urteil nicht das Instrument einer Tempodrosselung bei der Datenübermittlung an sich als unwirksam deklariert, sondern dies lediglich im Rahmen von derartigen „Flatrate“-Verträgen als eine unangemessene Benachteiligung erachtet. Zu erwarten steht – abhängig vom endgültigen Ausgang dieses Rechtsstreits -, dass die Deutsche Telekom AG nach anderen Möglichkeiten suchen wird, um die Tempodrosselung umzusetzen. Denkbar wäre hier zum Beispiel ein zukünftiger Abschluss von als solchen bezeichneten Datenvolumen-Verträgen oder ähnlichem.
Die vorliegende Entscheidung ist für Examenskandidaten insofern interessant und sollte daher bekannt sein, weil sie nicht nur eine lehrbuchmäßige Prüfung der Kenntnisse im AGB-Recht ermöglicht, sondern auch von einiger politischer Brisanz im Hinblick auf die Postulation der Netzneutralität ist.
