Das Semester ist noch jung, doch es ist nie zu früh, sich schon mal mit dem auseinanderzusetzen, was einen am Ende des Semesters erwartet: Die ersten juristischen Klausuren. Auch wenn diese noch weit entfernt scheinen, schadet es nicht, sich frühzeitig die richtige Herangehensweise anzueignen. Hier sind unsere fünf Schritte für ein erfolgreiches Abschneiden in der Klausur:
1. Schritt: Die richtige Vorbereitung
Ohne eine richtige Vorbereitung ist keine Klausur zu meistern. Eigentlich eine Banalität. Allzu häufig zeigt sich jedoch, dass Studenten den Umfang des Stoffes verkennen: Steht die Abschlussklausur am Ende des Semesters an, so sollte es doch genügen, nach den Weihnachtsferien mit dem Lernen anzufangen. Mehr als ein bis zwei Wochen Vorbereitung seien doch nicht erforderlich. Ein weit verbreiteter Trugschluss. Die Fülle des erwarteten Stoffes in kurzer Zeit zu lernen, wird selbst den Begabtesten kaum gelingen. Doch das soll keineswegs Panik in euch auslösen. Der Stoff ist in der Tat umfangreich, wenn man allerdings von Anfang an „am Ball bleibt“, können auch keine Lücken entstehen und am Ende des Semesters wird man nicht vor einem schier unüberwindbaren Berg stehen. Genug der Metaphern: Wenn ihr die Vorlesung nachbereitet und die Inhalte regelmäßig wiederholt sowie in den Arbeitsgemeinschaften folgen könnt, müsst ihr euch hinsichtlich der Klausuren keinerlei Sorgen machen.
Noch ein, zwei Tipps: Gründet von Anfang an mit ein bis zwei Freundinnen oder Freunden eine Arbeitsgruppe, in der ihr Fälle gemeinsam durchsprecht und löst. Das schärft euer Problembewusstsein. Wenn ihr von Beginn an die Herangehensweise an einen Fall übt, wird euch dies später in der Klausur leichter fallen. Eure Arbeitsgruppe kann euch hier den Einstieg erleichtern – zudem lässt sich in der Gemeinschaft auch leichter Motivation finden, sich mit unbekannten und daher unbequemen Fällen auseinanderzusetzen.
Tipp 2: Besorgt euch vor dem Ernstfall einen Klausurblock. Das hilft dabei, dass die Klausur auf den Korrektor einen ordentlichen Eindruck macht. Niemand will den Korrektor von Anfang an missgelaunt stimmen, indem er ihn dazu verdonnert, seitenweise hingekritzelte Hieroglyphen zu entziffern. Es ist wie so oft im Leben: Der erste Eindruck zählt.
2. Schritt: Erfassen des Sachverhalts und der Fallfrage
Auch Schritt 2 klingt auf den ersten Blick banal. Vielleicht zu banal. Erfahrungen zeigen aber immer wieder: Viele Studenten überfliegen den Sachverhalt und stürzen sich gleich auf bekannte Probleme – und übersehen dabei nur allzu oft die eigentlichen Schwerpunkte des Falles. Bei Sachverhalten, die lediglich aus drei Zeilen bestehen und in denen bloß zwei Personen vorkommen, mag dieser Punkt noch nicht so sehr ins Gewicht fallen. Im Verlauf des Studiums werden die Sachverhalte jedoch tendenziell länger. In der Examensklausur ist es nicht ungewöhnlich, wenn sich ein Sachverhalt über vier bis fünf Seiten erstreckt – irgendwie müssen ja auch die fünf Stunden Bearbeitungszeit gefüllt werden. Doch auch schon der Sachverhalt einer Abschlussklausur im ersten Semester wird regelmäßig eine DIN A4-Seite füllen. Dass oftmals drei, vier, fünf Personen darin vorkommen ist ebenfalls nichts ungewöhnliches, wenn man sich vor Augen führt, dass Stellvertretung im Zivilrecht oder etwa Täterschaft und Teilnahme im Strafrecht typische Problemfelder des BGB AT bzw. des Strafrecht AT sind – eben jene Fächer, die im ersten Semester gelesen werden. Das Ganze soll jetzt jedoch keinesfalls abschreckend wirken. Im Gegenteil: Auch komplex anmutende Sachverhalte verlieren ihren Schrecken, wenn man sich klargemacht hat, was eigentlich passiert ist.
Daher unser Tipp: Ließ den Sachverhalt zunächst einmal völlig unbefangen. Mache dich nun mit der Fallfrage vertraut. Denn eine Lösung zu verfassen nach der gar nicht gefragt ist, ist in etwa so wie an Ostern den Weihnachtsbaum aufzustellen. Ließ nun den Sachverhalt nochmals und markiere dir Schlagwörter sowie wichtige Passagen. Am Rand oder auf einem Schmierzettel kannst du dir bereits erste Ideen notieren. Insbesondere wenn mehrere Personen beteiligt sind, bietet sich die Anfertigung eines Schaubilds an. Nun sollte man soweit sein, den Handlungsablauf chronologisch nachvollziehen zu können. Erst jetzt, wenn man Sachverhalt und Fallfrage vollständig erfasst hat, kann mit dem Anfertigen einer guten Lösungsskizze begonnen werden.
3. Schritt: Die Lösungsskizze
Eine gute Lösungsskizze ist das A und O einer erfolgreichen Klausur. Deshalb sollte man sich für das Erstellen auch genügend Zeit einplanen. Doch Vorsicht: Verwendet man zu viel Zeit auf für das Erstellen der Lösungsskizze, kann es mit der Reinschrift eng werden (siehe dazu auch Schritt 4: Das Zeitmanagement). Es ist daher unumgänglich, die Lösungsskizze bloß stichpunktartig zu fassen und ggf. auch – für einen selbst verständliche – Abkürzungen zu verwenden. Auch das Schriftbild darf hier gerne vernachlässigt werden – solange man selber lesen kann, was man zuvor geschrieben hat (persönliche Erfahrungen zeigen, Letzteres ist nicht selbstverständlich…).
Die Lösungsskizze ist die Schablone für die fertige Lösung; sie gibt die Struktur der späteren Lösung vor: Die Prüfungsreihenfolge der in Betracht kommenden Ansprüche bzw. der zu prüfenden Straftatbestände, die Gliederungsebenen und der zu prüfenden Tatbestandmerkmale, eine Sortierung der Argumente, etc. Es gilt dabei die Grundregel: Die Informationen aus dem Sachverhalt haben auch in der Lösung aufzutauchen. Die Lösungsskizze bietet dabei die Möglichkeit, die Sachverhaltsangaben an den richtigen Stellen zu verordnen.
Und einen weiteren Vorteil bietet die Lösungsskizze: Widersprüche in der eigenen Lösung lassen sich leichter erkennen und somit vermeiden (und im Zweifel nachträglich korrigieren). Und Widersprüche in der eigenen Lösung gilt es unbedingt zu vermeiden! Je knapper man die Lösungsskizze hält, desto mehr Zeit verbleibt für die Reinschrift. Eines sollte man sich jedoch bewusst sein: Fällt einem beim Erstellen der Lösungsskizze ein Fehler auf, den man zuvor gemacht hat, so lässt sich dieser relativ schnell korrigieren. Ist die Lösung jedoch erst einmal ausformuliert, ist die Korrektur eines Fehlers nicht nur mühsam, sondern oftmals auch nicht mehr in der vorgegebenen Zeit zu bewältigen. Daher ist das Erstellen einer Lösungsskizze absolut empfehlenswert!
4. Schritt: Das Zeitmanagement
Im universitären Betrieb scheint ein Zeitparadoxon zu herrschen: Während sich in mancher Vorlesung der Minutenzeiger nur mit stoischer Ruhe fortbewegt, scheint er während der Klausur zu rasen. Die zwei (bzw. drei) Stunden Bearbeitungszeit vergehen meistens wie im Flug. (Und auch in fünfstündigen Examensklausuren wird man regelmäßig in Zeitdruck geraten.) Ein richtiges Zeitmanagement ist daher besonders wichtig. Oberste Prämisse ist dabei: Fertig werden! Kaum etwas wirkt sich auf die Bewertung der Klausur negativer aus, als eine unfertige Lösung – einen Verstoß gegen das Abstraktionsprinzip oder die Prüfung der Strafbarkeit eines Toten einmal ausgenommen.
Die Zeiteinteilung muss daher immer darauf ausgerichtet sein, eine vollständige Lösung aufs Papier zu bringen. Dass man dabei unter Zeitdruck gerät, liegt dabei nicht unbedingt nur am eigenen Arbeitstempo: Viele Klausuren sind gerade darauf angelegt, den Prüfling unter Zeitdruck zu setzen. Man sollte sich daher unbedingt genug Zeit für das Ausformulieren der Lösung lassen. Das soll jedoch keineswegs Appell sein, das Erstellen einer Lösungsskizze zu vernachlässigen. Wie viel Zeit man zur Reinschrift benötigt, hängt natürlich auch vom eigenen Schreibtempo ab. Als Faustregel lässt sich festhalten: Mindestens die Hälfte – eher zwei Drittel – der Bearbeitungszeit ist für das Ausformulieren der Lösung zu veranschlagen. Das kann aber auch nur ein grober Richtwert sein – und kann individuell deutlich variieren. Aber keine Sorge: Das richtige Zeitmanagement lässt sich sehr gut üben. Probeklausuren geben einem dazu eine gute Möglichkeit. Aber auch wenn solche nicht angeboten werden, kann man zuhause für sich üben. Tipp: Schaffe dir selber reale Klausurbedingungen, d.h. Laptop, Netflix und Radio aus, Handy auf Flugmodus, Timer an und los geht’s! Eine Probeklausur im Strafrecht findet ihr zum Beispiel hier.
5. Schritt: Übung macht den Meister
„Man muss nicht hundert schlechte Klausuraufgaben zur Übung schreiben, sondern zehn gute, und sie wirklich durchdenken.“[1] Diese Aussage von Thomas Fischer, Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof a.D., hat durchaus Diskussionen in der juristischen Welt hervorgerufen. Meines Erachtens völlig zu Recht: Nicht nur, dass man sein Zeitmanagement durch regelmäßiges Klausurenschreiben verbessert, die praktische Anwendung des gelernten Wissens zeigt einem gerade auch, an welcher Stelle noch Lücken bestehen, die es zu schließen gilt. Zudem führt regelmäßiges Klausurenschreiben zu einigen schönen Nebeneffekten: Standardformulierungen und Definitionen „brennen“ sich ins Gedächtnis ein, mit der Folge, dass man in nachfolgenden Klausuren über diese Punkte nicht mehr nachdenken muss. Das spart im Ernstfall kostbare Zeit, die man auf die wirklich interessanten Fragen verwenden kann. Dass mit der Übung auch die Schreibgeschwindigkeit zunimmt, bedarf keiner näheren Ausführung.
Der meines Erachtens jedoch wichtigste Punkt ist folgender: Durch regelmäßiges Klausurenschreiben verliert man die Angst vor der Klausur. Da man die Herangehensweise bereits öfters trainiert hat – und damit auch Situationen kennengelernt hat, in denen man nicht auf Anhieb weiterweiß – kann auch der „Ernstfall“ einen nicht aus der Ruhe bringen. Daher unser Tipp: Schreibt alle Übungsklausuren, die angeboten werden.
Ein letzter Tipp zum Abschluss: Um immer auf dem aktuellen Stand zu bleiben, abonniert juraexamen.info auf Facebook (juraexamen.info) und Instagram (@juraexamen.info), dann kann in den Klausuren gar nichts schiefgehen. 😉
[1] https://www.zeit.de/campus/2014/06/thomas-fischer-jurastudium-vorurteile-auswendig-lernen/seite-2