In der Tagespresse ist derzeit häufig von dem aktuellen Wett- und Manipulationsskandal im Fußballland Italien zu lesen (vgl. etwa hier und hier) – womit Erinnerungen an den prominenten „Hoyzer-Fall“ von 2005 wach werden, in denen der namensgebende Schiedsrichter in Zusammenwirken mit Wettbetrügern Spiele des DFB absichtlich „verpfiffen“ hatte (dazu LG Berlin, JuS 2006, 567 ff.; BGH, Urt. v. 15.12.2006 – 5 StR 181/06 – = BGHSt 51, 165 ff = NStZ 2007, 151 ff). Aus der juristischen Ausbildungsperspektive betrachtet, steigt damit das Risiko, dass man als Examenskandidat in der Klausur oder mündlichen Prüfung über eine derartige Konstellation stolpert. Daher soll an dieser Stelle noch einmal überblicksartig über die prüfungsmäßige Aufbereitung derartiger Fälle, und zwar bezogen auf eine Strafbarkeit wegen Betruges, informiert werden.
I. Zunächst der Fall: A möchte auf den Ausgang eines Fußballspiels wetten und vereinbart dabei mit dem Schiedsrichter (oder einem Spieler der Mannschaft, die verlieren soll), dass dieser das Spiel zu seinen Gunsten manipuliert. Sodann geht er ins Wettbüro und schließt mit dem Inhaber bzw. dem dort anwesenden Angestellten (dann Dreiecksbetrug) eine dementsprechende Wette ab. Tatsächlich geht das Spiel mit einem Sieg für das von A gesetzte Team aus und dieser kassiert strahlend den Wettgewinn.
II. Im Mittelpunkt steht hier die Strafbarkeit des A wegen Betruges (§ 263 Abs. 1 StGB), an die sich ggf. eine Beihilfestrafbarkeit vom manipulierenden Schiedsrichter und/oder den Spielern anlehnt (§§ 27 Abs. 1, 263 Abs. 1 StGB).
1. Dabei ist zunächst zu untersuchen, ob eine taugliche Tathandlung, also eine Täuschung über Tatsachen, vorliegt.
a) Tatsachen werden definiert als gegenwärtige oder vergangene Sachverhalte, einschließlich sog. innerer Umstände (Absichten, Motive), die objektiv bestimmbar und dem Beweis zugänglich sind. Geht man mit diesem Wissen gerüstet an den vorliegenden Fall, so stellt sich die Frage, worüber A getäuscht haben könnte: Der Ausgang des von ihm gewetteten Spiels scheidet insofern aus, als dass dieser bei Abschluss der Wette einen künftigen Sachverhalt darstellt, der also noch nicht bewiesen werden kann und damit keine Tatsache i.S.d. § 263 Abs. 1 StGB ist. Eine taugliche Tatsache ist allerdings der Umstand, dass A vor Abgabe seines Wetteinsatzes mit Dritten eine Manipulation vereinbart hat, die seine Wettchancen steigert.
b) Fraglich ist, ob A über diesen Umstand getäuscht hat, was uns gleich zum ersten Schwerpunkt der Wettbetrugskonstellation führt. Bei einer Täuschung kommen nach nahezu einhelliger Meinung drei Vorgehensweisen in Betracht: Man kann ausdrücklich etwas Unwahres behaupten, konkludent ein solches tun oder aber etwas Wahres verschweigen. Die unwahre (negative) Tatsache wäre hier bei aktiver Äußerung, dass A nicht dafür Sorge getragen hat, dass das Spiel zu seinen Gunsten verfälscht wird; dementsprechend wäre die verschwiegene wahre Tatsache die Vereinbarung der künftigen Manipulation.
Eine ausdrückliche Erklärung des A gegenüber dem Wettanbieter, dass das Spiel nicht auf sein Geheiß hin manipuliert wird, ist dem Fall nicht zu entnehmen und wäre auch fernliegend. Demgemäß kommt allenfalls eine entsprechende konkludente Erklärung hierüber in Betracht. Diese ist von dem Verschweigen der Manipulation als Unterlassen zu unterscheiden, für das gem. § 13 Abs. 1 StGB stets eine Garantenstellung vorausgesetzt wird. Die Abgrenzung wird gemeinhin dergestalt vorgenommen, dass das konkludent Erklärte durchaus aktiv, nämlich mit dem ausdrücklich Erklärten zusammen geäußert wird, da dessen Bekundung in einem logischen, empirischen oder normativen Widerspruch zum ausdrücklich Gesagten stehen würde; daher erscheint der konkludent mitgeteilte Inhalt derart selbstverständlich, dass er nicht expressis verbis mitgeäußert zu werden braucht (vgl. NK-Kindhäuser, 3. Aufl. 2010, § 263 Rn. 110). Zur Konstruktion eines solchen Zusammenhangs zwischen ausdrücklich erklärtem und (potentiell) konkludent mitgeteiltem Inhalt wird insbesondere auf die „berechtigten Erwartungen“ des Adressaten der Äußerung abgestellt, welche bei Täuschungen innerhalb von Austauschverträgen abhängig von dem jeweiligen Vertragstyp (mit zugehöriger Verkehrsanschauung) beurteilt werden: Bei Sportwettverträgen wird eine solche berechtigte Erwartung der beiden Vertragspartner dergestalt angenommen, dass keine Seite die einvernehmlich vorausgesetzten Umstände zu ihren Gunsten vorsätzlich verändert hat noch verändern wird, da dies die genuine Risikoverteilung des Vertrages zerstören würde, wonach der offene, durch die Parteien unbeeinflusste Ausgang des Sportereignisses den Geschäftstyp ausmacht (vgl. BGH, NStZ 2007, 151 [153]). Demgemäß liegt vorliegend im Abschluss des Wettvertrages durch A gleichzeitig die konkludente Erklärung, nicht für eine solche vorsätzliche Beeinflussung des Sportereignisses Sorge getragen zu haben, und nicht nur das Unterlassen des Äußerns der geplanten Manipulation (a.A. etwa Schlösser, NStZ 2005, 423 [428]).
2. Beim Irrtum, der gemeinhin als positive Fehlvorstellung definiert wird, könnte vorliegend fraglich sein, ob sich der Wettvertragspartner überhaupt irgendwelche Gedanken über Manipulationen macht. Hier kommt allerdings das weite Verständnis einer Fehlvorstellung, wie sie von Rspr. und h.L. verstanden wird, zur Hilfe, wonach es ausreichend ist, dass das Betrugsopfer annimmt, „alles sei in Ordnung“. Letzteres jedenfalls wird man dem Wettanbieter unterstellen können, da er ansonsten den Wettvertrag kaum schließen würde.
3. Sodann kommt man zum Prüfungspunkt der Vermögensverfügung und -schädigung, dem zweiten Schwerpunkt der Wettbetrugskonstellation:
a) Hier ist zunächst fraglich, über welchen Vermögensgegenstand der Wettanbieter bei Abschluss des Vertrages verfügt hat. Insofern könnte man zunächst überlegen, ob nicht die drohende Gewinnzahlung, zu welcher der Wettanbieter bei Gewinn der Wette durch A verpflichtet ist, aufgrund der geplanten Manipulation und der hiermit korrespondierenden, gesteigerten Gewinnwahrscheinlichkeit des A bereits bei Abschluss des Vertrages eine schadensgleiche Vermögensgefährdung darstellt (so wohl noch das LG Berlin als Vorinstanz, vgl. BGH, NStZ 2007, 151 [155]). Indes wird dies von der obergerichtlichen Rspr. insofern verneint, als der für den Täter günstige Ausgang der Spiels trotz der vereinbarten Manipulationen noch nicht so wahrscheinlich sei, dass bereits von einer konkreten Minderung des Vermögens des Wettanbieters ausgegangen werden könne – so wäre etwa durchaus denkbar, dass die Gegnermannschaft trotz der Verfälschungen dennoch besser spielt oder aber sich der die Manipulationen zusagende Partner des Wettenden nicht traut, diese auf dem Spielfeld tatsächlich umzusetzen. Im Fall Hoyzer hat der BGH zur Begründung dieser Unsicherheiten darauf verwiesen, dass einige der zu manipulierenden Spiele durchaus nicht den gewünschten Ausgang genommen hätten (BGH, NStZ 2007, 151 [155]; vgl. hierzu bereits Schlösser, NStZ 2005, 423 [428]). Daraus wird von der Rspr. allerdings nicht der Schluss gezogen, dass vor Abschluss des Spiels in der vom Täter gewünschten Weise nur ein versuchter Betrug vorliegen würde – vielmehr sieht der BGH einen tauglichen Verfügungsgegenstand, über den der Wettanbieter bereits bei Vertragsschluss verfügt, in der Wettchance, die dem Wettenden gewährt wird – bereits hierin soll, da ja für eine solche Wettchance (…und nicht erst für den Gewinn!) ein Wetteinsatz gezahlt wird, ein geldwerter Vermögensgegenstand liegen.
b) Der Vermögensschaden, der bei Austauschverträgen von der h.M. nach dem sog. wirtschaftlichen Vermögensbegriff über einen Vergleich von Vermögensabfluss und -zufluss ermittelt wird, ist nach der Rspr. sodann darin zu erblicken, dass der Wettanbieter zwar einen Wetteinsatz vom Täter erhält, dieser aber keine ausreichende Kompensation für die von ihm gewährte Wettchance ist: Denn der zu zahlende Wetteinsatz wird abhängig von der Gewinnwahrscheinlichkeit gewählt, die aber im vorliegenden Fall zu Lasten des Wettanbieters signifikant von dem gezahlten Wetteinsatz abweicht. Demgemäß ergibt sich der Schaden für den Wettanbieter aus der Diskrepanz zwischen Wetteinsatz und gewährter Gewinnquote (daher auch als sog. „Quotenschaden“ bezeichnet – krit. hierzu etwa Rönnau/Soyka, NStZ 2009, 12 ff).
Sofern das Spiel schließlich tatsächlich zugunsten des Täters ausgeht, vertieft sich dieser Schaden dann nach Auffassung des BGH noch durch die zusätzliche Verbindlichkeit, die sich aus der Differenz zwischen Wetteinsatz und durch den Wettanbieter zu zahlendem Gewinn ergibt (BGH, NStZ 2007, 151 [154]).
4. Die Kausalität zwischen den einzelnen objektiven Merkmalen ist dann wieder unproblematisch.
5. Im subjektiven Tatbestand sind schließlich sowohl Vorsatz als auch (rechtswidrige) Bereicherungsabsicht des Täters zu prüfen. Letztere ist freilich, da sie ein Spiegelbild des eingetretenen Schadens („stoffgleich“) sein muss, neben den potentiell zu erwartenden Gewinnen auch auf die gesteigerte Wettchance zu beziehen – bzgl. der gesteigerten Wettchance wird man dabei wenigstens von einem notwendigen Zwischenziel (was für den dolus directus 2. Grades ausreichend ist) für den Täter ausgehen können, da der A gerade hierdurch zu dem eigentlich Begehrten, nämlich der Geldauszahlung, gelangt.